Meiner Meinung nach ist die wichtigste Idee, die man aus diesem Kurs mitnehmen sollte, die, dass Prototyping eine unglaublich wertvolle Strategie für effektives Design darstellt. In diesem Video werde ich Prototyping und die Gründe, warum ich es so wichtig finde, vorstellen. Dies soll eine Einordnung für spätere Videos, die konkrete Techniken vorstellen, bilden. In diesem Kurs bedeutet Prototyping schnell eine Annäherung an eine Designidee zu entwickeln, so dass man schnelles Feedback bekommt, um daraus zu lernen. Prototyping ist die zentrale Aktivität in strukturierter Innovation, Kollaboration und Kreativität beim Design. Prototypen verkörpern Designhypothesen und ermöglichen es den Designern, Feedback zu erhalten. Donald Schon nennt das "eine nachdenkliche Unterhaltung mit Materialien". Durch das Ausprobieren und Lernen während des Ausprobierens kann man sein Design verbessern und Einblicke gewinnen, die einem sonst verloren gingen. Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass das Ziel des Prototyping nicht das Modell ist, sondern das Feedback. Bau ein paar Prototypen, probier sie aus, und normalerweise wirst du fürs nächste Design lernen. Eine Art, sich einen Prototypen vorzustellen, ist als eine zum Modell gewordene Frage. Es ist etwas, das man herstellt, um mit anderen Interessengruppen zu kommunizieren. Das können Kunden sein, oder andere Leute im Designteam. Es können Benutzer eines interaktiven Systems sein, oder sogar du selbst. Und die Rolle des Prototypen in dieser Kommunikation ist die eines Vermittlers, der Leuten hilft, konkret zu verstehen, worüber gesprochen wird. Hier ist ein Beispiel dafür, was ich mit einem Prototypen meine, zur Verfügung gestellt von IDEO: In der Mitte der 90er kam Kodak zu IDEO, um Hilfe beim Design einer frühen digitalen Kamera zu erhalten. Digitale Kameras waren eine sehr interessante Technologie, weil sie neue Möglichkeiten zum Ansehen und Bearbeiten der Photos direkt auf der Kamera boten, die es auf einer analogen Kamera nicht gab. IDEO sollte mögliche Interaktionen auf einer digitalen Kamera herausfinden, und diese auf einer konkreten Benutzeroberfläche unterbringen. Was sie lieferten, wurde am Ende zu diesem: der Kodak DC-210 digitalen Kamera. Hier ist die Benutzeroberfläche auf der Rückseite: ein Bildschirm und mehrere Knöpfe zur Navigation durch die Bilder. Es gibt auch einen Schalter für verschiedene Modi und genau hier einen Zoom. Sehen wir uns den Prototyp auf dem Bildschirm an: man erkennt einige Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede. Der Prototyp auf dem Bildschim und das Endprodukt haben beide Knöpfe. Sie haben einen Bildschirm, der in diesem Fall die gleiche Funktion hat. Es gibt aber auch wichtige Unterschiede zwischen dem Prototyp und dieser finalen Version. Der erste ist, dass der Prototyp viel größer ist. Um eine schnelle Version herzustellen, konnten sie nicht alles in Miniatur bauen. Also ist es viel größer, das Layout ist ähnlich, aber der Maßstab ist anders. Zum zweiten ist eine der wichtigsten Eigenschaften einer digitalen Kamera, dass man sie mitnehemen kann, weil sie mobil ist. Dieser Prototyp hatte eine Art "Nabelschnur" zu einem Macintosh, der die tatsächlichen Berechnungen und Interaktionen durchführte, so dass keine Berechnungen auf dem Gerät selber stattfanden. Und letztendlich war dies der Prototyp einer Kamera, mit dem man aber keine Bilder machen konnte. Es gibt kein Objektiv, es gibt gar keine photographischen Elemente in diesem Prototyp, es ist nur ein Weg, die Interaktionen auf einer Kamera zum Anschauen und Bearbeiten der Bilder besser zu verstehen. Und ich glaube, dass ist der wirklich wichtige Punkt von Prototypen: Prototypen sind fast immer unvollständig und sollten es auch sein. Unabhängig von diesem Beispiel ist Prototyping eine Strategie, um effizient mit Dingen umgehen zu können, die schwer vorauszusagen sind. Und diese schwer vorherzusagenden Dinge sind sowohl die Dinge, von denen man sich fragt, ob es Probleme gibt, aber es nicht weiß, die "bekannten Unbekannten", und die Dinge, die man nicht weiß, an die man nie gedacht hätte, die "unbekannten Unbekannten". Und was so wertvoll am Prototyping ist, ist, dass es dabei hilft, schnell Feedback zu bekommen, damit man nicht lange auf dem falschen Weg ist. Wer jemals Kunstunterricht gehabt hat, weiß, dass man einen Entwurf vor dem tatsächlichen Gemälde macht. Nicht nur Anfänger, auch Picasso hat es getan. Eins der Dinge, die wir über menschliche Psychologie wissen,ist, dass Menschen furchtbar schlecht die Anzahl möglicher Ergebnisse abschätzen können. Wir berücksichtigen oft wesentlich weniger Möglichkeiten als die tatsächlich vorhandenen. Und das ist in der Finanzwelt genauso wahr wie in der kreativen. In jedem komplexen System, ob Finanzen oder Design, sind die Interaktionen aller Zutaten wesentlich komplizierter als alles, was man vorhersagen kann, und daher sind unsere Annahmen oft falsch. Die Strategie, die wir euch in diesem Kurs beibringen wollen, ist die, sich mehr am Ziel des Designs zu orientieren, statt über das einzelne Design selbst nachzudenken, und diese Strategie fortzuführen. Ein klassischer Anfängerfehler ist der, sich mit einer einzigen Designidee zu beschäftigen: du denkst, du hast etwas Supertolles und argumentierst immer weiter nur für diese Idee. Anstatt eine konkrete Sache zu haben, für die man argumentiert, sollte man darüber nachdenken, was man damit zu erreichen hofft - was ist dein Ziel? In diesem Kurs werden wir lehren, wie man früh Ziele setzt und sie weiter entwickelt und sein Design anhand von Daten überprüft. So wie Bill Buxton in seinem exzellenten Buch "Sketching User Interfaces" darlegt, werden die Alternativen die man zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Designprozesses betrachtet, unterschiedlich sein. Am Anfang kann man über sehr viele Möglichkeiten nachdenken, dann wird man sich etwas einschränken. Dann wird man Alternativen betrachten und weiter einschränken. Und dieses abwechselnde Ausweiten und Fokussieren ist ein Kennzeichen eines effektiven Designprozesses. Später, wenn man sich dem Endprodukt nähert, wird man über kleine Variationen wie Schriftarten oder Farben oder Mikroveränderungen im Layout nachdenken. Am Anfang wird man viel weiter denken: wird dies ein mobiler Service oder stationär sein? Was wird es überhaupt sein? Den Bedarf und des Wert dieser Oszillation zu erkennen, kann dabei helfen, einen effektiven Designprozess vorzubereiten. Der Designprozess des Palm Pilots ist ein wundervolles Beispiel für Prototyping. Der Palm Pilot war einer der ersten digitalen PDAs, und er half dabei, To-Do-Listen zu verwalten, hatte einen Kalender, Kontakte und Notizen. Sein Chefentwickler war Jeff Hawkins, und in den Anfängen der Entwicklung des Palm Pilots nahm er als erstes ein Stück Holz in der Größe des Geräts, das er sich vorstellte. Und er trug dieses Stück Holz überall mit sich herum und verwendete es wie ein echtes Gerät: er tippte darauf und speicherte Informationen, neue Kontakte, schrieb Dinge in seinen Kalender, machte Notizen und schrieb die ganze Zeit wie wild. Was lernten Jeff und sein Team also von diesem Prototypen? Nun, sie lernten ganz offensichtlich nichts über das Silikon oder den Akku oder irgendwelche Hardware, weil das ganze Ding aus Holz war! Was sie lernten, war etwas über die Form, und was wir hier sehen, ist ein hervorragendes Beispiel für die Rolle eines Prototypen im Designprozess. Ein Prototyp sollte nicht vollständig sein müssen, er wird in wichtiger Hinsicht unvollständig sein. Er sollte leicht zu verändern sein - die Größe des Palm Pilot gefällt dir nicht? Dann schnitz dir einen in einer anderen Größe. Und am Ende sollte er ausgemustert werden: sobald man zu einer weiteren Phase des Designprozesses kommt, braucht man die frühen Prototypen nicht mehr. Da wir in einem Designkurs für Computersysteme sind und über Holzblöcke reden, könnte man fragen: "Was soll das?" oder vielleicht "Was sollen Prototypen darstellen?" Und die Antwort ist: verschiedenes. Eine Art Prototyp simuliert das Gefühl, wie es aussieht. Eine andere Art Prototypen simuliert die Implementierung: wie könnte es funkitonieren? Und noch eine andere Art simuliert die Rolle, wie ist die Erfahrung, ein solches System zu benutzen? Dieser Kurs wird einige Strategien lehren, die jede etwas von jeder dieser Kategorien abdeckt. Man kann einen Prototyp zweidimensional anlegen. Man kann darüber nachdenken, was man davon lernen will, und man kann darüber nachdenken, wie lange man dafür gebraucht hat, ihn zu entwickeln. Und das, was man machen will, insbesondere früh im Designprozess, ist die Lernerfahrung, die man aus diesem Protoyp gewinnt, zu maximieren, und die Zeit, die man zu seiner Erstellung braucht, zu minimieren, denn, wir erinnern uns, ein Prototyp ist unvollständig, und wird am Ende weggeschmissen, also sollte man nicht viel Zeit an ihn verschwenden. Prototyping ist nicht nur für kleine Dinge, man kann auch groß werden, wirklich groß. Hier ist ein Beispiel von Walter Teague, diesem Mann hier. Er ist einer der Topindustriedesigner in den USA. Und er steht in einem der ersten Boeing-Flugzeuge. Und er sieht sich das Innendesign an, das seine Firma für Boeing gemacht hat. und sie arbeiten immer ncoh für Boeing. Was bemerkenswert ist, das ist das Innere eines Flugzeugs, aber ohne Flugzeug! Das ist eine Kulisse in einem Lagerhaus. Es ist die Erfahrung eines Flugzeugs ohne das Flugzeug. Sie haben eine Anzahl Benutzer in diesen Prototypen gebracht, und die Leute kamen mit ihrem Handgepäck, und probierten die Erfahrung des Fliegens aus, sie setzten sich, saßen die Länge eines Fluges, und Stewards kamen durch und verpflegten sie, und man konnte daran sehen, ob die Gänge breit genug sind, die Sitze bequem, dieGepäckaufbewahrung groß genug. Walter Teague war nicht der einzige Industriedesigner, der so große Prototypen benutzte. Viele Designer von Kreuzfahrtschiffen versuchten das Gleiche. und auch Steve Jobs probierte, als Apple seine ersten Läden baute, jede Woche einen Modellladen aus, um die Kauferfahrung noch vor der ersten Eröffnung auszuprobieren. Eins der Dinge, die in seiner Biografie erzählt werden, ist, dass Apple dadurch realisierte, dass die Läden um verschiedene Aktivitäten (z.B. Musik) konfiguriert werden sollten, statt um individuelle Produkte. Dies änderte das Layout vor der ersten Eröffnung erheblich. Linus Pauling ist einer der hervorragendsten Chemiker des 20. Jahrhunderts. Er bekam den Nobelpreis für seine Arbeit über chemische Verbindungen. Die Übereinstimmung seiner Arbeitsphilosophie mit der von Designern ist das Ausprobieren von vielen alternativen Ideen, Herangehensweisen und Lösungsstrategien. Wie er sagt: " Die beste Art, eine gute Idee zu haben, ist die, viele Ideen zu haben." Und wir sehen das hier in den mehreren hundert verschiedenen Prototypen, die die Firma IDEO für Microsoft produziert hat, als sie die erste Maus entwarfen. Es gibt eine Anzahl Alternativen, symmetrisch statt asymmetrisch, eine, die Ergonomie betont gegen welche, die den Stil betonen, and alle ausprobieren zu können, half Microsoft bei der Entscheidung für ein Design. Für die Geeks: diese Strategie ähnelt dem Simulated Annealing, wo man eine Menge Lösungen hat, manche besser als andere, und man kann sich zur besten hinbewegen. Aber lokale Verbesserung reicht nicht: man muss auch springen können und verschiedene Alternativen ausprobieren. So findet man das globale Maximum. Beim Design ist es wichtig, die Kosten der Veränderung zu beachten. Bei physische Produkten wie ein Auto oder Toaster kosten Veränderungen über die Zeit dramatisch mehr. und vor allem nach der Veröffentlichung. Mit Software auf z.B. CD sind die Kostenveränderungen nicht so dramatisch, aber trotzdem ist es schwer, noch Veränderungen zu machen, und noch schwerer, wenn es erst ausgeliefert ist. Auf Websites oder anderen Softwareformen, die als Service angeboten werden, ist es viel einfacher. Aber die Kosten nehmen trotzdem zu. Unter anderem, weil Menschen sich an eine Software gewöhnen. Und selbst wenn man sie ändern könnte, würde man damit die Benutzer verwirren. Das Gleiche gilt für Entwickler einer Software mit APIs , die von anderen Entwicklern verwendet wird. Sobald man daran gewöhnt ist oder andere Dinge hat, die darauf basieren, wird es schwer zu ändern. Insgesamt heißt das, das man im Designprozess die größten Änderungen früh macht, und später nur noch verbessert, und adaptiert. Die Botschaft dieses Videos kann in einem Satz zusammengefasst werden: "Prototypen sind Fragen, stelle viele von ihnen." Bis zum nächsten Mal.