Wikipaka Intro Musik Herald: Wir haben jetzt einen total interessanten Talk mit Rebekka Hufendiek. Rebekka ist Philosophin mit den Schwerpunkten in Wissenschaftstheorie, Philosophie des Geistes und der Kognitionswissenschaft und noch Anthropologie. Nur so Kleinigkeiten. Sie lehrt und forscht in Bern an der dortigen Uni. Und ihr derzeitiges Forschungsprojekt heißt Explaining Human Nature - Empirical And Geological Dimensions. Was sie da jetzt genau für euch macht, das werdet ihr gleich selber hören. Denn der Talk heißt Aufräumarbeiten in der Gärtnerei des Patriarchats. Wow. Ganz schön netter Titel eigentlich. Aber irgendwie auch crazy. Denn das ist die Frage Was verbirgt sich dahinter? Das wird sie uns gleich erklären. Auf jeden Fall hat es viel mit Gender zu tun, mit Männern, Frauen, aber auch mit dem verrückten Internet. Ich übergebe jetzt an Rebekka und danach hören wir uns noch zu einer Q&A-Runde. Trötengeräusche ("Final Countdown") Rebekka: Es ist Chaos Experience angesagt und hier soll aufgeräumt werden. Das bedarf vielleicht einer gewissen Erklärung. Und ja, "es ist so viel Unordnung in dieses Internet gekommen" reicht vielleicht als Erklärung noch nicht ganz aus. Wahr ist aber nun mal, dass irgendjemand sich diese Manosphere mal ein bisschen genauer ansehen muss, denn sie wuchert als wildestes Chaos wie der bizarrste aller Gärten vor sich hin. Als ob die sieben Vorhöllen organisch geworden wären. Täglich unterteilt sich hier was neu. Da wächst was bis zum Überborden, während etwas anderes verödet. Aber alles, was da entsteht, mehrt das Schlimme und Schlimmste auf diesem Planeten. Was sich durch die wuchernde Manosphere hindurch zieht, ist der Verweis auf die menschliche Natur, auf biologische Fakten und auf eine natürliche Ordnung. Und wer, wenn nicht eine Philosophin, sollte hier einmal das Wahre vom Hässlichen, das Gute vom Merkwürdigen und Schöne vom Bizarren trennen? Eben. Das muss jetzt wohl ich machen. Trötengeräusch Also fangen wir am Anfang an, nicht ganz bei Adam. Aber bei der Manosphere. Die Manosphere ist ein Konglomerat webbasierter Bewegungen, die sich an der Oberfläche mit Männerthemen beschäftigt oder auch Männerrechten. Tatsächlich aber mehr oder weniger radikal sexistische und misogyne Theorien vertritt im Umfeld auch der Albright und Political Correctness Foren und deren vereinten Kämpfen gegen Social Justice Warriors. Das ist so das Umfeld, in dem wir uns hier bewegen. Die Pickup Artists und men's right activists sind dabei eher die Älteren und man muss leider sagen vergleichsweise moderaten Gruppen im Vergleich zu dem, was sich da heute alles so tummelt. Von Incells über Men going their own way. In letzter Zeit haben sich auch verschiedene Journalisten und Wissenschaftler:innen immer mehr mit der Manosphere beschäftigt und auch mit der Rolle, die Plattformen wie YouTube und Reddit Foren bei Wachstum und Radikalisierung der Manosphere spielen. Denn es wirft dann doch irgendwann einmal Fragen auf, wenn ein Amokläufer wie der von Isla Vista oder der von Christchurch im Vorfeld ihrer Taten massivst YouTube gejunkt haben und sich in Foren der Manosphere verschiedentlich zu diesen Themen auch geäußert haben. Und es gibt durchaus Leute, die sich fragen, was die da genau geglotzt haben und ob YouTube eigentlich ganz unschuldig an dem Prozess der Radikalisierung ist. Etwa 70 Prozent des bei YouTube geglotzten wird geglotzt, weil es einem von YouTubes Empfehlungssystem vorgeschlagen wird. Der Algorithmus, der diesem Empfehlungssystem zugrunde liegt, wird von YouTube ständig angepasst und weiterentwickelt. Natürlich mit dem Ziel, die Leute dazu zu bewegen, immer mehr und mehr zu glotzen. Wie etwa Kevin Russ von der New York Times dargelegt hat, funktioniert dieser Algorithmus schon lange nicht mehr so, dass er einem einfach themenverwandtes, zu dem, was man sich als erstes angeschaut hat; vorschlägt, sondern er hat offensichtlich einen starken Drall zu Crazyness, Gewalt und Verschwörung. Man hat bei YouTube die Darkside unserer Seelen aufgespürt und profitabel gemacht. Je mehr Crazyness, Gewalt und Verschwörung man uns bietet, umso länger glotzen wir. Umso mehr verdient YouTube. Wie genau der Algorithmus aussieht und wie sich die finstere Seite der menschlichen Seele auf einem Kontinuum von Katzen zu Ku-Klux-Klan Videos im Detail darstellt, das ist bisher YouTubes Geheimnis. Tapfere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen aber, die Radicalization Pathways der Plattform auf verschiedenste Weise nachzuweisen. Diese Arbeiten basieren nicht auf realem Nutzerverhalten oder jedenfalls nicht alle von ihnen, sondern auf Simulationen und liefern daher bislang eher so etwas wie eine interessante Hypothese oder eine how- possibly Explaination der Radikalisierung durch YouTube. Es gibt einen Robust Pathway von scheinbar harmlosen, aber wie man wohl sagen kann, tendenziell männerstereotypen Themen zu rechten, sexistischen und verschwörungstheoretischen Inhalten. Oder anders gesagt: Ein Weg, männerstereotypen Interessen, ein Weg von männerstereotypen Interessen in die Manosphere. Hier ist dieser Pathway to Hell nun anschaulich gemacht. Die Themen, die mit stetig steigender Wahrscheinlichkeit zu Verschwörungstheorien führen: Tiny Homes, Fitness, Marshall Arts, Natural Foods, Firearms, Gurus und von da Verschwörungstheorien. Mal ehrlich, Jungs, das kann nicht gesund sein. Der interessante Übergang von Männerhobbys zur Manosphere liegt natürlich beim Erstkontakt mit den Gurus, den Online- Predigern und hier wollen wir jetzt stoppen und uns einen solchen Guru genauer ansehen. Trötengeräusch, dann im Hintergrund Klatschen Es ist immer schwierig, über Trolle zu reden, ohne ihren Ruhm zu vermehren. Ich nehme diesbezüglich für die Zukunft gerne Ratschläge entgegen. But for now, Ladies and Gentlemen, Jordan Peterson. The greatest intellectual of our times, millionenfach geschaut bei YouTube, Bestseller of All Times und die Einstiegsdroge in die Manosphere. Was hat er uns zu bieten? Den Lobster? Den wollen wir uns jetzt genauer ansehen. Der Lobster ist eigentlich nur sekundär ein Netzbewohner. John Petersons stellt uns das Leben des Hummers in seinem Ratgeber Buch "Twelve Rules of Life - an Antidote to Chaos" vor, und zwar gleich im ersten Kapitel, das da heißt "Standup straight with your shoulders back". Das ist also John Petersons erster Rat an seine Leserschaft. Was hat nun der Hummer damit zu tun? Hummer befinden sich bei Peterson und bis hierhin kann man zugestehen im Kontext der evolutionsbiologischen Erklärung im Allgemeinen in einem ständigen Konkurrenzverhalten um Ressourcen. Und der Platz in einer Rangordnung hat großen Einfluss auf die Überlebenschancen des Tieres, vor allem in mageren Zeiten. Hier ein kleines Zitat: Jede Pandemie, das ist ein Zitat aus John Petersons Buch, wohlgemerkt schon einige Jahre alt. Jede Pandemie trifft vornehmlich das Prekariat, auch zahlenmäßig. Das gilt sogar für andere, nicht infektiöse Killer wie Krebs, Diabetes und diverse Herzkrankheiten. Wenn die Aristokratie sich einen Schnupfen zuzieht, so heißt es, stirbt die Arbeiterklasse bereits an Lungenentzündung. Moment. Soweit, so einverstanden. Aber wir waren doch bei Hummern und der Rangordnung von denen und nicht Aristokratie und Diabetes. Also was ist nun mit dem Hummer und dem Kampf um die Rangordnung? Forscher - wieder ein Zitat - haben nachgewiesen, dass selbst Hummer, die in Isolation aufgewachsen sind, genau wissen, was bei einer solchen Begegnung, eine Kampfbegegnung um die Rangordnung, was da zu tun ist. Dann: Ein komplexes Angriffs und Verteidigungs Verhalten ist direkt in sein Nervensystem eingebaut. Es beginnt mit einer Art Tanz vor dem Gegner, vergleichbar einem Boxer, wobei der Hummer die Scheeren anhebt und öffnet. Trötengeräusch Und weiter im Zitat: Nach einer verlorenen Schlacht und unabhängig davon, wie aggressiv er sich vorher gab, vergeht einem Hummer jede Lust aufs Kämpfen, nicht einmal gegen zuvor besiegte Artgenossen kann er sich aufraffen. Oft verschwindet er tagelang von der Bildfläche. Denn sein Selbstbewusstsein ist im Keller. Selbstbewusstsein? Hummer? Nein. Zitat: In der Hummer Welt herrscht das Winner-Take- All-Prinzip. Ganz ähnlich wie bei den Menschen, wo ein Prozent der Weltbevölkerung so viel besitzt wie die unteren 50 Prozent. Hummer kennen Eigentum? Wieder Zitat: Und natürlich sind die Hummer-Weibchen, die, wenn sie trächtig sind, übrigens ähnlich hart um ihr Revier kämpfen, magisch von diesem einen angezogen. Der Oberste in der Rangordnung, versteht sich. Meiner Meinung nach eine brillante Strategie. Statt mühsam nach dem besten Männchen für sie zu fahnden, verlassen sie sich auf die gerade gültige Rangliste. Ihr merkt es schon. Das, was John Peterson hier abliefert, ist weniger eine naturwissenschaftliche Beschreibung als, sagen wir der Verweis auf den Hummer als so eine Art Fabelwesen, das benutzt wird, um bestimmte menschliche Eigenschaften in besonders stereotyp überspitzter Form herauszuarbeiten. Man könnte jetzt darüber diskutieren, ob das Winner-Take-All-Prinzip wirklich so gut ist. Aber Peterson bleibt natürlich nicht bei diesem Fabelwesen stehen, sondern versichert, versieht diese Hummer- Erzählung mit dem Anstrich der Notwendigkeit der naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Noch ein letztes Zitat. Denn die Natur ist lediglich die Summe ihrer Selektionsentscheidung. So und nicht anders wollte sie das Leben haben. Ob diese Hervorbringungen nun physischer und biologischer oder soziokultureller Art sind, spielt keine Rolle. Alles, worauf es aus Darwinscher Perspektive ankommt, ist ihre Permanenz und die Dominanzhierarchie, so sehr sie auch als Kulturleistung erscheinen mag. Diese Dominanzhierarchie hat immerhin schon eine halbe Milliarde Jahre überdauert. Sie ist permanent. Sie ist eine Realität. Die Dominanz-Hierarchie wurde nicht erst vom Kapitalismus geschaffen, vom Kommunismus allerdings auch nicht. Ebenso wurde Dominanz nicht vom militärisch-industriellen Komplex erfunden oder vom Patriarchat, jenen allzeit verfügbaren, beliebig formbaren kulturellen Artefakt. Dominanz ist nicht einmal eine Erfindung des Menschen, sondern zählt quasi zu den ewigen Funktionsprinzipien unserer Umwelt. Nehmen Sie sich ein Beispiel an dem siegreichen Hummer mit seinem 350 Millionen Jahren Erfahrung. Stehen Sie aufrecht. Machen Sie die Schultern breit. Das ist John Peterson. Fassen wir noch einmal zusammen, was wir da jetzt von Jordan Peterson gelernt haben. Dominanz ist ein ewiges Funktionsprinzip unserer biologischen und sozialen Umwelt und nicht etwa ein soziales Konstrukt, das einer spezifischen Herrschaftsform eigen ist. Okay, Dominanz, Hierarchien, predatieren den Menschen um etwa 350 Millionen Jahre. Sie werden primär unter den Männern einer Spezies ausgehandelt, wobei ein hoher Platz in der Rangordnung den Zugang zu Weibchen massiv beeinflusst. Drittens die Verteilung der Güter, zu denen die Weibchen ja übrigens gehören in dieser Erklärungsweise, funktioniert nach einem Winner-Take-All- Prinzip. Die Ressourcen ballen sich oben in der Rangordnung. Da diese Ordnung uralt und nicht menschengemacht ist, können wir sie nicht abschaffen. Nur verrückte Feministinnen und Social Justice Warrior kämen jemals auf die Idee, so etwas versuchen zu wollen. Und schließlich in other news: Die einzige Hoffnung auf ein erfülltes Dasein des Mannes ist, seinen Platz in der Rangordnung zu verteidigen. Aufrecht stehen, Schultern zurück und dann geht's los. Viel Glück Jungs. Fangen wir nochmal von Anfang an. Wieder nicht ganz bei Adam. Aber dieses Mal bei Darwin. Es ist offensichtlich der Theorierahmen der natürlichen Selektion und der sexuellen Selektion, der die Rechtfertigungsgrundlage dafür bieten soll, dass das Winner-Take-All-Prinzip. Wir nennen es jetzt vielleicht das Hummer- Winner-Take-All-Prinzip zu einer Art metaphysischen Grundstruktur des Universums erklärt wird. Was würde Darwin dazu sagen? Richtig ist natürlich erst mal, dass die Evolutionstheorie eine gewisse Rechtfertigungsgrundlage dafür gibt, Kontinuitäten in der Organisation von Lebewesen zu vermuten. Insofern die gemeinsame Abstammung einer Ausgangshypothese eine Ausgangshypothese der Theorie ist. Richtig ist auch, dass natürliche Selektion und sexuelle Selektion zwei ganz zentrale Mechanismen sind, die die Ausdifferenzierung der Arten über die Zeit vorangetrieben haben. Diese zwei Annahmen finden sich bei Darwin selbst, und sie haben bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren. Richtig ist schließlich auch, dass wir bei vielen Spezies Verhalten beobachten können, das sich als Dominanzverhalten interpretieren lässt und dass viele Spezies Dominanzhierarchien ausbilden und dass diese Hierarchien an den Zugang zu Ressourcen und Paarungsmöglichkeiten gekoppelt sind. Das sind soweit alles Gemeinplätze. Und anders als es John Peterson häufig behauptet, ist zumindest mir kein Social Justice Warrior und auch keine Feministin bekannt, die das in Frage stellen würde. Kompliziert wird es aber jetzt, wenn man sich fragt, was denn dann das Problem mit dem Lobster ist. Ein Problem gibt es mit der Art, in der Peterson und viele andere Manosphere- Bewohner, sich auf die sexuelle Selektion berufen. Mit sexueller Selektion ist innerartliche Varianz im Fortpflanzungserfolg gemeint und deren Einfluss auf die Reproduktion von ganz bestimmten Merkmalen. Bei Darwin reproduziert die sexuelle Selektion sehr eindimensionale und allseits bekannte Geschlechterstereotypen. Bei den Männchen einer Art werden sich verstärkt Merkmale wie große Geweihe und Pfauenschwänze ausbilden, da diese im Konkurrenzkampf mit anderen Männchen und zum Beeindrucken von Weibchen sehr nützlich sind. So weit Darwin. Darüber hinaus werden Männchen zur Polygamie neigen, da ihnen das ein Reproduktionsvorteil erbringt. Weibchen werden hingegen tendenziell monogam und wählerisch sein und statt Wettkampf und Konkurrenzverhalten eher mütterliches Fürsorgeverhalten ausbilden, da dies den Reproduktionserfolg auf ihrer Seite sichert. Die Biochemikerin Ruth Hubbard hat schon 1979 in einem luziden und sehr lustigen Aufsatz mit dem Titel "Have Only Man Evolved?" einen spöttischen Blick auf Darwins doch überraschend einheitliche Beobachtung quer durch das gesamte Animal Kingdom geworfen. Und sie schreibt folgendes: "Make no mistake whereever you look among animals, eagerly promscuous males are pursuing females, who peer from behind languidly dropping eyelids to discern the strongest and handsomest. Does it not sound like the wishfulfillment dream of a proper Victorian gentleman?" Oder ist es am Ende so, dass der Traum des viktorianischen Gentleman ein artübergreifendes Faktum ist? Die Beobachtung der Tiere über das 19. Jahrhundert hinaus hat uns gelehrt, dass es in Bezug auf Paarungsverhalten im Tierreich wenig gibt, was es nicht gibt. Nachlesen kann man das z.B. in Cordelia Fines jüngstem Buch "Testosteron Rex". Was man da findet, ist natürlich weibliche Polygamie, männliches Fürsorgeverhalten, weibliche Konkurrenz und männliche Wettbewerbsverweigerung. Verrückt. Alles von Fisch bis Vogel existent und beobachtbare Strategien. Wir finden natürlich auch Tiere, die sich als Totemtiere und Fabelwesen für bestimmte Unterabteilungen der Manosphere noch besser als der Hummer anbieten würden. Stinkwanzen und Papageienfische können die Menge an Ejakulat je nach Qualität - "Qualität" - des Weibchens dosieren. Man könnte meinen, dass diese Art von Blick auf das weibliche Geschlecht zum Beispiel bei den Pickup Artists von einem ähnlichen Mechanismus geleitet ist. Vielleicht sollte die Stinkwanze zu ihrem Vorbild für natürliches Paarungsverhalten werden. Bei den Breitfußbeutelmäusen sterben die Männchen nach der Paarungszeit, weil sie so viel Stresshormone und Testosteron ausschütten, dass ihr Immunsystem schließlich kollabiert und die Organe versagen. Vielleicht versteht man die Bewegung "Men going their own way", die sich vom weiblichen Geschlecht ganz allgemein abwenden wollen, besser, wenn man davon ausgeht, dass das Breitfußbeutelmäuschen ihr Totemtier ist. Trötengeräusche Aber verlassen wir die Welt der fehlgeleiteten Fabeln und kehren zurück zur Wissenschaft. Was wissen wir über menschliches Paarungsverhalten? Einigermaßen unbestrittener Konsens zwischen den verschiedenen Unterabteilungen der Anthropologie und Verhaltenswissenschaften ist, dass Sexualverhalten und Reproduktionserfolg beim Menschen nicht erst seit der Einführung der hormonellen Verhütung denkbar weit entkoppelt sind. Es ist darüber hinaus sehr schwierig, vom aktuellen Verhalten irgendetwas über den biologischen Ursprung oder die biologische Funktion abzuleiten. Wir wissen sehr, sehr wenig über diese Dinge. Sie liegen auch sehr weit in der Geschichte zurück. Es ist eine komplexe und schwierige Frage, was überhaupt biologisch bedingt ist am menschlichen Verhalten. Denn es ist ja sehr formbar und divers, fast so divers wie das Verhalten der unterschiedlichen Spezies zusammengenommen. Das ist übrigens eine Einsicht, die der Evolutionstheorie nicht entgegensteht, sondern mit ihr Hand in Hand geht. Wenn uns die Evolutionstheorie eines lehrt, dann, dass alle Merkmale, die wir aufweisen, historisch bedingt sind und unter zufälligen Bedingungen entstanden sind. Manche durch natürliche Selektion, manche durch kulturelle Selektion, manche durch soziale Konstruktion. Und wenn man heute auf den fertigen Menschen schaut, dann ist es relativ schwierig, das eine vom anderen zu trennen und überhaupt zu entscheiden, wie was entstanden ist. Und wenn man die verschiedenen Vorschläge hierzu on the market of ideas anschaut, hat man den Eindruck, man sieht relativ häufig viel über die politischen Vorannahmen der Autorin oder des Autoren. Und das betrifft alle politischen Einstellungen, die man zu dieser Sache haben kann gleichermaßen. Eine, bezeichnender Weise eine Alternative zum Hummer Winner-Takes-All-Prinzip findet sich z.B. schon bei Friedrich Engels. Der meint, dass weibliche Monogamie aus der Konzentration beträchtlicher Mengen von Gütern in den Händen weniger Einzelner erst gewachsen ist. Aus der gesellschaftlichen Notwendigkeit, bei diesem einen reichen Mann zu bleiben und die Kinder von ihm ernähren zu lassen, ist die weibliche Monogamie erst durch ein soziales Zwangskonzept gewissermaßen entstanden. Merkt ihr was? Im Verhältnis zum Hummer Winner-Takes-All-Prinzip sind hier Ursache und Wirkung genau vertauscht. Merkmale, die uns natürlich scheinen, sind eigentlich das Resultat einer langen Sozialgeschichte. Ruth Hubbard, die wir schon kennengelernt haben, würde dem noch hinzufügen, dass eine Theorie wie die der sexuellen Selektion bei Darwin nicht nur Ursache und Wirkung vertauscht, also nicht die ganze Theorie der sexuellen Selektion, sondern die Geschlechterstereotypen, die Darwin darin einheitlich am Werken sieht. Dass das eben nicht einfach nur Vertauschung von Ursache und Wirkung ist, sondern darin auch noch ein bestimmter ideologischer Effekt zum Ausdruck kommt. Hier nochmal ein Zitat von Ruth Hubbard: Darwin's theory of sexual selection was put forward in the midst of the first wave of feminism. It seems that when women threatened to enter as equals into the world of affairs, androcentric scientists rally to point out that our natural place is at home. Das ist jetzt also ein klassisches ideologiekritisches Argument. Fehlgeleitete naturwissenschaftliche Annahmen erklären Merkmale zu natürlichen Merkmalen, die eigentlich menschengemacht sind. Der Effekt dessen ist, dass diese Merkmale uns als unveränderlich erscheinen, genau wie beim Hummer-Winner- Takes-All-Prinzip. Damit sind wir bei der ideologischen Dimension der Debatte rund um das biologische Wesen des Menschen angekommen, die spätestens seit Darwin ein fester Bestandteil der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung war. Es ging dabei nie darum, dass verrückte Social Justice Warriors die Evolutionstheorie leugnen, sondern immer schon darum, dass Sozialdarwinisten wie z.B. Walter Bagehot auf der einen Seite und Anarchisten wie Peter Kropotkin auf der anderen Seite die Evolutionstheorie und ihren Einfluss auf menschliche Verhaltensweisen sehr unterschiedlich interpretiert haben. Man könnte direkt meinen, dass die eigenen Vorurteile aus der Erforschung der Natur des Menschen nicht ganz herausgehalten werden können. Ich z.B. bin dieser Meinung. Das gilt übrigens auch für die Ausbildung von Hierarchie. Es ist natürlich richtig, dass viele Spezies Hierarchien ausbilden. Diese sind aber natürlich schon quer durch das Tierreich sehr unterschiedlich. Und es finden sich natürlich Spezies, die hierarchieorientierter sind und andere, deren Verhalten einem Anarchisten wie Peter Kropotkin viel besser gefallen, weil sie interessante Formen von Kooperation und Vorformen von egalitaristischer Organisation ausgebildet haben. Der Anthropologe Christopher Boehm vertritt in seinem Buch "Hierarchy in the Forest" die These, dass menschliches Verhalten erst seit etwa 5000 Jahren primär hierarchisch organisiert ist, während der frühe Homo sapiens in Jäger-Sammler-Gemeinschaften egalitär organisiert war. Das ist verbunden mit der Annahme, dass egalitaristische Organisationen quasi zum Wesen des Menschen gehört. Eine solche egalitär organisierte Gruppe muss gemeinsam moralische und soziale Kooperationsmechanismen ausbilden, die die Stärkeren unterdrücken und davon abhalten, Kontrolle an sich zu reißen. Die Hypothese, dass diese Fähigkeit zur Kooperation sich speziell beim frühen Menschen ausgebildet hat, wird manchmal auch "Selection against Bullies" genannt. Auch hier handelt es sich um eine Hypothese, die nicht frei von politischer Motivation ist. Zum einen handelt es sich hier aber um eine seriöse wissenschaftliche Arbeit. Bisschen anders als bei Peterson, die die eigenen Schlussfolgerungen, also Schlussfolgerungswege und auch die Quellen transparent macht. Und es scheint mir persönlich auch die sympathischere Alternative zu sein, die dem Mann als solchen interessantere Ratschläge zu geben weiß, als gerade zu stehen, zum Beispiel mit anderen zusammenzuarbeiten auf der Basis von Vertrauen. Soweit zum Forschungsstand und seinen Einwänden gegen das Hummer-Winner-Takes-All-Prinzip. Die Frage, die bleibt, ist: Warum, warum Manosphere? Warum Jordan Peterson? Warum all das millionenfach? Warum radikalisiert und wächst diese Community oder all diese Communities ständig und immer weiter vom Schlimmen zum Schlimmsten? Warum werden hier ewige, unverrückbare Wahrheiten der conditio humana unter Berufung auf die Evolutionstheorie beschworen, wo gerade die Evolutionstheorie es zum wissenschaftlichen Konsens erhoben hat, dass alles an der Natur des Menschen zufällig geworden und unter den richtigen Umständen auch wandelbar ist? Ein Vorbild von mir, Natali Win alias Lady Foppington, hat sich unlängst mit der Prominenz physiognomischen Erklärungen in der Manosphere beschäftigt. Viele Incells, die Schlimmeres als Jordan Peterson konsumiert haben, glauben nämlich, dass sie keine Aussicht haben, jemals eine Partnerin zu finden, weil ihre Schädelformen sie auf der Verliererseite der Evolution aufgestellt hat. Und Frauen, die ja in der Welt der Manosphere bekanntlich einheitlich hypogam sind, also sich Partner oberhalb ihres, also mit möglichst hohem sozialem Status suchen und also tendenziell dem Alphamale, dem Alphamännchen zustreben und sich ergo niemals für diese armen Incells und deren Knochenformen interessieren werden. Schwer verständlich, wenn man das Gesetz der großen Lady Foppington nicht kennt. Foppington's Law. Wenn sich Bigotterie, Verzweiflung und Selbsthass in einer Community nur hinreichend ausgebreitet haben, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bevor der Form des Schädels tiefe metaphysische Bedeutung zugemessen werden wird. Und warum ausgerechnet der Form des Schädels? Nun, der Schädel ist ein tiefer Fundamental unserer Natur und in äußerst geringem Maße sozialen Einflüssen ausgesetzt. Das bestreite nicht einmal ich. Es ist die Natur. Dagegen kann man nichts tun. Sich auf unveränderliche Natur-Zusammenhänge zu berufen, ist nun ein langer Teil reaktionärer Argumente und lässt sich in der Philosophie mindestens bis zu Aristoteles zurückverfolgen, der begründet, dass es natürlicherweise Sklaven gibt, also dass bestimmte Menschen von Natur aus Sklaven sind. Bei Aristoteles ist das aber noch mit einem essentialistischen Weltbild verbunden, in dem das Natürliche, Normale, das Notwendige und Gute mehr oder weniger in eins fallen. Wenig in der Geschichte der Wissenschaft vom Menschen hat dieser heiligen Einheit so großen Schaden zugefügt wie die Evolutionstheorie. Wenn Menschen und alles, was sie ausmacht, unter völlig zufälligen Bedingungen entstanden sind, wenn sie sich genau genommen immerzu in einem Prozess des Werdens und Vergehens befinden, indem sie alle mehr oder mehr schlecht als recht an die vorherrschenden Bedingungen anpassen, um zu überleben, dann gibt uns die Natur des Menschen keine verbindliche Rechtfertigungsgrundlage dafür, was wir mit uns anstellen sollen. Alles, was wir erforschen können, sind instrumentelle Zusammenhänge. Welche Hormone und wie viele davon soll ich nehmen, wenn ich nicht schwanger werden möchte oder wenn ich gerne mehr Bartwuchs hätte? Solche Fragen kann mir die Wissenschaft nach Darwin noch beantworten. Aber ob ich irgendetwas davon machen soll oder lieber nicht machen soll und nach welchen Werten Wertmaßstäben das zu bemessen ist, das ist eine Frage, die wir in politischen und ethischen Auseinandersetzungen ausdiskutieren müssen. Und der Verweis auf biologische Fakten bringt uns da relativ wenig weiter. Aber zurück zu Lady Foppington. Ich habe gesagt, dass es eine lange Tradition reaktionärer Argumente gibt, die sich auf essentielle Naturzusammenhänge stützen. Das ist lange bekannt, Lady Foppington hat aber etwas Neues gesehen. Die Extremform solcher Argumente, die sich heute in der Manosphere von Wissenschaft und dem, was da debattiert wird, immer immer weiter entfernen, sind nicht mehr einfach konservative Argumente, die den Aristoteles noch nicht ganz aufgeben wollen. Das, glaube ich, würde uns irgendwie noch nicht so ganz erklären, was da passiert. Es sind vielmehr Argumente, die die eigene Verzweiflung und das sehr Destruktive im eigenen Zugriff auf die Welt zur Naturnotwendigkeit erklären. Ganze Online-Communities verzweifelter Männer bestätigen sich wechselseitig darin, dass sie aufgrund ihrer Schädelformen niemals eine Partnerin finden werden. Manchmal ist man doch geneigt zu glauben, dass das Internet die Menschen verrückter gemacht hat, als sie vorher waren. Und es würde einem fast eher Hoffnung geben, wenn das denn wahr wäre und wenn man die ganze Schuld einfach auf YouTube schieben könnte. Denn dann hätte man zumindest ein Feindbild, gegen das man sich wenden könnte. Und man hätte guten Grund, darauf zu bestehen, dass YouTube uns jetzt endlich diesen Algorithmus verraten soll und auch diese Nutzerprofile, die uns einen Blick in die Abgründe der menschlichen Psyche erlauben würden. Was für ein Spektrum von Katzenvideos bis hin zu Ku-Klux-Klan Videos sich da auftun würde. Meine Güte, es klingt noch nicht wahnsinnig überzeugend. Ich habe in meiner Ankündigung dieses Vortrags ein total landscaping der Manosphere versprochen. Sie erinnern sich. Ihr erinnert euch. Rudy Giulianis Pressekonferenz, die versehentlich auf dem Parkplatz vor einer Landschaftsgärtnerei stattfinden musste, war eines meiner Lieblingsereignisse in diesem doch eher tristen Jahr und Social Media, weil sich da jemand selbst so dermaßen ins Abseits gestellt hat. In just dem Moment, in dem ja eigentlich die ganze Welt darauf gewartet hat, dass er bzw. der, den er da vertritt, beweisen, dass sie nicht nur die Demokratie sowieso verachten und ihre Entscheidungsprozesse, sondern sich auch in den letzten Jahren Gedanken darüber gemacht haben, wie sie jetzt in diesem entscheidenden Moment an der Macht festhalten wollen. Und in eben diesem Moment haben sie eher einen Schaustück dafür abgeliefert, dass sie zu unfähig sind, sich überhaupt die adäquaten Mittel zu überlegen, wie sie der Bullis, der sie so gerne sein möchten, auch bleiben können. Das hat mir sehr gefallen. Beim drüber nachdenken ist mir aber aufgefallen, dass mir nicht so klar ist, was ein total Landscaping der Manosphere denn nun sein könnte. Denn die Leute, die dort unterwegs sind, sind nicht die Mächtigen dieser Welt, sondern eher Leute, die sich hier einen gemeinsamen Resonanzraum verschafft haben, der ihnen Handlungsmacht suggeriert, wo es um diese in der Welt eigentlich nicht mehr wahnsinnig gut bestellt ist. Insofern stehen diese Leute ja alle längst auf dem Parkplatz der Geschichte, aber sie schaden da eben auch sich und anderen massiv. Mit dem total landscaping der Manosphere ist also noch nicht viel gewonnen. Mir ist noch keine supergute Lösung für dieses Problem eingefallen und ich verspüre auch einen gewissen Widerstand dagegen, ein Problem lösen zu sollen oder zu wollen, das doch recht offensichtlich Problem, also primär ein Männerproblem ist. Aber ich möchte vor Anbruch des neuen Jahres mit einer hoffnungsvollen Botschaft und einem finalen Countdown auf die Manosphere enden. Zum einen fällt uns auf, dass das Vokabular, das die Manosphere kultiviert und die Theorien, die sich an dieses Vokabular heften, sich wie Fabeln eben sehr ins Gedächtnis einbrennen. Und zum anderen fällt auf, dass Plattformen wie YouTube und die Manosphere-Foren eine Art sexistische und misogyne Blasen, auf eine Art sexistische und misogyne Blasen schaffen, in denen sich dieses Vokabular zu kollektiv psychotischen Weltwahrnehmung zu verselbstständigen droht. Hier, glaube ich, können wir dann in einem ersten Schritt mit mehr Humor und Kreativität der Aufgabe uns annehmen, andere Fabelwesen für Heranwachsende und Verzweifelte zu entwerfen. Das Feld darf hier nicht Jordan Peterson und dem Loser-Lobster überlassen bleiben. Wir sollten darüber hinaus selbstverständlich YouTube enteignen, nicht zuletzt, weil wir alle wissen wollen, wie jetzt dieser Algorithmus funktioniert. Und außerdem möchten wir auch hinreichend Onlinefernsehen sehen, was auch der Sonnenseite unserer Seele gerecht wird und nicht nur unsere Abgründe bedient und das geht glaub ich am besten, wenn wir uns da kollektiv organisieren. Schließlich bei aller Liebe - es ist und bleibt ein wichtiges Gebot, dass man wissen muss, wann und wie das Fernsehen abgestellt werden muss. Trötengeräusche Herald: Hallo Rebekka, again. Gerade noch vor dem schönen Kamin und jetzt in einer ganz anderen Location. Rebekka: In der Berliner Isolation. Herald: Ah ok. Willkommen zurück. Bist gar nicht in Bern. Rebekka: Jetzt nicht mehr, nee. Herald: Wir machen jetzt so eine kleine Fragerunde sozusagen. Nach deinem spannenden Vortrag. Die Leute da draußen, hallo ihr, habt die Möglichkeit natürlich über Twitter uns die Fragen zu stellen. Oder übers IRC und Mastodon. Rebekka, wie kommt es dazu, dass du für den diesjährigen rC3 den Vortrag und zu dem Thema eingereicht hast? Rebekka: Das ist eine gute Frage. Ich habe mich mit dieser Frage von Online Radikalisierungen und speziell der Manosphere ja eigentlich noch nicht wahnsinnig lange beschäftigt. Ich bin jetzt auch nicht unbedingt Expertin in diesem Bereich. Wie man aus deiner Ankündigung ja eigentlich auch entnehmen konnte. Das ist eigentlich etwas, wo ich mich im Pandemiejahr vielleicht auch etwas im Internet verlaufen habe und mich da mehr und mehr für interessiert habe. Und das, was mir aufgefallen ist, als ich mich so ein bisschen mit dieser Manosphere beschäftigt habe, ist, dass da eigentlich sehr viele Argumente wieder auftauchen. Ich würde sogar sagen, das, was da als ganz zentrales ideologisches Argument immer wieder auftaucht, ist so einen Bezug zurück auf die menschliche Natur und auf bestimmte unveränderliche Strukturen in der menschlichen Natur. Und das ist ja so etwas woraus, womit ich aus meiner Beschäftigung, aus der Wissenschaftstheorie heraus eigentlich sehr, sehr gut vertraut bin und wo ich das Gefühl habe, ich kann ein bisschen was dazu sagen, warum viele von diesen Argumenten völlig fehlgeleitet sind. Was auf der einen Seite, wenn man jetzt Jordan Petersons Lobster sieht, vielleicht nicht überrascht, dass das nicht ganz so funktioniert, wie er das darstellt. Nur das, was jetzt auffällig ist in diesem ganzen Diskurs in der Manosphere ist, dass sich ständig und ständig und immer wieder darauf bezogen wird, dass man hier naturwissenschaftliche Fakten darstellt und dass die Leute sich eigentlich so inszenieren als Anti-Mainstream. So "Und in unserer Gesellschaft sind bestimmte ideologische Gendermainstreaming-Argumente dominant geworden und verdecken eigentlich bestimmte wissenschaftliche Wahrheiten." Das ist so ein Argument, was man die Manosphere rauf und runter hört und was man auch jenseits des Internets aus der AfD in Deutschland z.B. hört und wo ich glaube, es ist relativ wichtig, dass man da auch ausführlich drauf antwortet und sagt: Nein, es ist nicht so, dass hier so etwas wie feministische Ideologie oder geisteswissenschaftliche linke Ideologie der Naturwissenschaft entgegenstehen würde und quasi gegen die menschliche Natur Politik gemacht werden würde, sondern es ist vielmehr so, dass diese Leute eigentlich ein sehr veraltetes Bild von Naturwissenschaft, wenn überhaupt von Wissenschaft in der Hinterhand haben. Und das war so meine Motivation, ein bisschen mehr überhaupt das, was ich sonst als Forschungsarbeit mache, auch in die Öffentlichkeit zu tragen. Und das, was mich eigentlich brennend interessieren würde, ist mehr mit Leuten zu sprechen, die sich mehr mit netzpolitischen Fragen beschäftigen. Weil glaube ich, der interessante, die interessante Schnittstelle ist eigentlich da, wo man sagt: Gut, es gibt bestimmte Expertise und bestimmte Sachen, die da bei YouTube 'rumschwirren, zu widerlegen. Auf der einen Seite. Aber wenn man jetzt wirklich dieser Online Radikalisierung was entgegensetzen will, dann muss man ja glaub ich langfristig auch schauen, dass man sich mit der Politik der Plattform als solcher auseinandersetzt. Dazu hab ich ja jetzt im Vortrag ein bisschen was gesagt, dass man sich überlegt, ob es sich lohnt, da irgendwie vermehrt auf YouTube auch andere Videos hochzuschalten oder ob das irgendwie von Anfang an verloren ist, dass man sich überlegt was, es gibt ja noch gar nicht so was wie Online-Deradikalisierung Programme. Zum Beispiel das, dass man sich überlegt, wie wie würden die eigentlich aussehen, wenn man, wenn man das als Radikalisierungspotenzial ernst nimmt? Was müsste man da eigentlich machen? Also das wären alles so Fragen, die mich interessieren würden, die aber jetzt erst gar nicht unbedingt in meinem engeren Expertisebereich fallen? Genau und das, wozu ich so ein bisschen Expertise habe ist, warum ist an der Ideologie, die da rumschwirrt, eigentlich einiges im Argen? Und was kann man dazu inhaltlich sagen? Herald: Tatsächlich sehr spannend, weil ich glaube, das ist so ein Thema, was ganz, ganz viele Facetten aufgreift, die ineinander greifen. Weil es ja auch um Verschwörungsmythen letztendlich geht, aber auch gleichzeitig; ich finde es spannend zu lesen oder zu hören, was du gerade gesagt hast, dass es letztendlich geht es ein bisschen darum, es war schon immer so, es wird sich nicht ändern, was ganz hart ist, weil das bedeutet, dass die Menschheit sich nicht weiterentwickeln kann und sich nicht weiter verändert. Fand ich jetzt nochmal für mich irgendwie auch ziemlich verrückt. Die Vorstellung, dass einige Menschen tatsächlich oder mehrheitlich wahrscheinlich Männer sich so das auch erklären oder zurechtlegen. Ich habe hier aber noch eine Frage von Birgit über das IRC. Und da kannst du bestimmt viel mehr mit anfangen als ich. Sie schreibt Tiny Houses als Anfangsthema zum Abstieg in die Manosphere? Ich habe von vielen Frauen gelesen, die in Tiny Houses wohnen oder wohnen wollen. Rebekka, kannst du da vielleicht an drauf antworten? Sagt dir das was? Also du beschäftigst dich damit. Rebekka: lacht Nein, Tiny houses fallen nicht unmittelbar in mein Forschungsthema. Sie sind im Vortrag vorgekommen, auch nur ganz kurz. Es gab eine Folie, wo ich gesagt habe, wie könnte man sich vorstellen, dass dieser Radicalization Pathway in die Manosphere eigentlich aussieht? Ich habe das so bildlich dargestellt. Und ich hab mir das nicht ausgedacht, sondern ich hab das genommen aus der Studie. Die war da auch kurz zu sehen, die unter anderem von Marc Alfano gemacht worden ist, wo sich Leute überlegt haben: Wie könnte man jetzt eigentlich das zeigen, diese Radicalization Pathways bei YouTube und dann sich bestimmte männerstereotype Themen, also von denen sie mal angenommen haben, das wären solche, rausgesucht haben und dann sozusagen mit so einem Crawler das nachgestellt haben, dass hier sozusagen massenhaft irgendwie so Bewegungen bei YouTube nachgestellt haben, sie geschaut haben, was kriegt man eigentlich empfohlen als nächstes, wenn man bei Tinyhouses anfängt, was kriegt man empfohlen als nächstes, wenn man bei Fitness anfängt? Und dann sind sie sozusagen auf diese Empfehlungskette gekommen. Ich hab im Vortrag ganz kurz gesagt, das ist so eine how-possibly Explaination, weil das nicht auf realem Nutzerverhalten basiert, diese Studie, sondern das ist wirklich der Versuch, sozusagen massenhafte Bewegungen nachzustellen, die diesem Recommendation System nachgehen. Und das war jetzt die Idee von denen, da mit Tiny Houses anzufangen. Und natürlich sind Tiny House nicht wahnsinnig männerspezifisch. Also so wie ich das verstehe und da verstehe ich wirklich nicht wahnsinnig viel von, sind sie in den USA vor allem einfach eine sehr prekäre Wohnform. So dass ist tendenziell das, wo man sich hin zurückzieht, wenn man sich ein vernünftiges Eigenheim nicht leisten kann. Und das ist tendenziell eine Wohnform, die diese Manosphere-Bewohner außerhalb des Internets häufig, also die wohnen halt häufig in so Mini-Bungalows oder Wohnwagen oder eben solchen Tiny Houses, was eben auch schon ein bisschen was über den sozialen Status dann jeweils sagt. Aber ob das jetzt eine wahnsinnig gelungene Idee darüber ist, wo der Einstieg in die Manosphere liegen könnte, das kann ich wirklich nicht beantworten. Und das ist, glaub ich, für die Debatte im Großen und Ganzen auch nicht so wichtig. Das, was eigentlich interessant ist politisch, ist, dass jetzt überhaupt Leute in der Forschung darüber rätseln, wie diese Radikalisierungsbewegung aussehen könnte, wo man sich vielleicht politisch eigentlich wünschen würde, dass YouTube nicht die Macht hätte, offensichtlich die Mittel zur Radikalisierung da bereitzustellen und es so schwierig sein sollte, überhaupt dahinter zu kommen, von außen aus der Benutzerperspektive rekonstruieren zu müssen, wie jetzt diese Bewegung aussehen könnte. Das ist glaube ich eigentlich so das interessante Problem. Genau. Das vielleicht zu den Tiny Houses ich könnte ja auch noch was zu dem sagen, was du am Anfang gesagt hast, zu dem Frustrierenden an der Unveränderlichkeit, je nachdem. Herald: Gerne kannst du gleich sagen. Ich probier grad nämlich nebenbei. Bei mir ist nämlich was hängengeblieben, sozusagen. Und kann gerade nicht auf die eine Instanz zugreifen, auf das IRC, wo alle Fragen reinkommen können. Von daher kannst du gerne erstmal nochmal eine andere Frage beantworten. Ich hoffe, dass ich gleich hier wieder alle Fragen weiterleiten kann. Rebekka: Okay, gut. Also weil das ist eigentlich interessant, weil du gesagt hast, das Frustrierende daran ist, dass er eigentlich diese Theorien, die nahelegen, dass Menschen sich über die Zeit nicht verändern können. Das ist so ein bisschen wie glaube ich an die wie sagt man so? Dass das Gerüst der allermeisten reaktionären Argumente darüber, dass sich bestimmte soziale oder politische Konstrukte über die Zeit nicht verändern lassen, sie haben eigentlich diese Form, dass man sich darauf beruft, dass bestimmte Merkmale natürlich sind in einem ersten Schritt und dann im zweiten Schritt sagen, deshalb können wir sie nicht verändern und deshalb sollten wir sie auch nicht verändern. Und wenn man das jetzt so lange philosophisch ausführen würde, könnte man was dazu sagen, dass die bei Aristoteles eigentlich so ein prominentes historisches Zuhause haben diese Argumente und dass sie da auch noch so einen ganzen essentialistischen Denkkosmos eingebettet sind. Und das, was ich in dem Vortrag eigentlich kurz gesagt habe, ist, dass das ganz ironisch ist, dass in der Manosphere diese Art von Argumenten so prominent sind und immer mit der Evolutionstheorie zusammengebracht werden, weil die Evolutionstheorie eigentlich eine Theorie ist, die genau diesen Zusammenhang von "ist natürlich, können wir nicht verändern, sollen wir nicht verändern" nicht mehr hergibt. Weil eigentlich mit der Evolution die Idee kommt, dass alles, was Menschen ausmacht, in völlig zufälligen Umständen historisch geworden ist und damit auch die alte Idee einhergeht, dass Menschen sowieso sich über die Zeit verändern werden. Und was daran jetzt eigentlich gut und schlecht ist, das ist eine völlig separate Frage. Genau, also das wär ja mal so eine Antwort auf die auf diese Frage, die du aufgemacht, was hast du gesagt hast. Das ist irgendwie frustrierend, dass man so aus diesen Argumenten das Gefühl bekommt, dass das irgendwie naturwissenschaftlich gerechtfertigt werden soll, dass man bestimmte Dinge nicht verändern kann. Und das ist tatsächlich so etwas, glaube ich, was, was reaktionäre Ideologie ausmacht, sich auf Natur zu berufen, um bestimmte Unveränderlichkeit anzunehmen und das ist so etwas, was man dann in der Manosphere sieht man halt bestimmte Argumente, wo ich sagen kann: Jaja, die kennt man gut, die gibt es seit es die Evolutionstheorie gibt's diese Art von Berufung auf sexuelle Selektion und so weiter. In der Manosphere sind sie jetzt zu einem Zeitpunkt, wo die eigentlich wissenschaftlich überkommen sind, zu so sehr verrückten Argumenten mutiert, könnte man glaub ich sagen. Herald: Ich finde, also ich probiere gerade Sachen parallel zu machen. Also für alle Zuhörerinnen und Zuschauer:innen draußen. Also unser IRC Kanal ist zumindest für mich grad' nicht erreichbar. Deswegen, falls ihr Fragen habt bitte gerne über Twitter unter dem Hashtag rC3Wikipaka. Ansonsten hätte ich noch eine Frage oder noch ein Hinweis, weil du ja vorhin auch meintest, du würdest gerne auch gerade netzpolitisch ins Gespräch kommen und deswegen bist du auch heute hier. Man kann dir ja auch über Twitter folgen. Rebekka: Auf jeden Fall. Email habe ich auch. Herald: Email hast du auch. Vielleicht ergibt sich im Nachhinein nochmal was ganz wäre, der Talk ist ja auch noch später nochmal einsehbar. Bisschen blöd, jetzt über eine andere Frau zu reden. Aber vielleicht kennst du Veronika Kracher. Rebekka: Ja. Herald: Genau, weil du auch meintest, so ne. Weil ich finde die ganz spannend, weil die ja auch ganz viel miteinander verbindet, so wie du auch. Ihr fehlt aber tatsächlich dieses naturwissenschaftliche, biologische, was du probiert hast herzuleiten zu der Manosphere. Ist vielleicht nochmal ein ganz spannender Kontakt und die ist ja auch gerade im netzpolitisch auf einmal ganz, ganz gut aktiv. Rebekka: Ja nee, das ist ein super Hinweis. Also ich kenn das Incell-Buch ein bisschen und genau das ist definitiv sozusagen die Person im deutschsprachigen Raum, die so das, was ich jetzt noch nicht über Jahre gemacht habe, tatsächlich gemacht hat, nämlich sich diese ganzen Manosphere-Foren und Alt-Right Forum wirklich im Detail anzuschauen und zu gucken, wer da eigentlich genau was macht. Und das, also das finde ich super, dass jemand diese Arbeit macht. Das würde ich nämlich tatsächlich auch nicht machen wollen dort täglich in der Manosphere rumhängen. Und was sie ja aber auch macht, ist durchaus so eine gewisse ideologische Einordnung, so wie wo man das hin zu sortieren hat. Und was ich aber glaube, was es darüber hinaus noch braucht. Und deswegen hab ich den Vortrag auch in der Form jetzt gemacht, ist zu sagen: Ja, also ich glaube, wenn man in irgendeiner Form mit den Leuten Kontakt aufnehmen möchte, die mit dieser Manosphere Kontakt haben, aber sich vielleicht noch nicht völlig in diesen Schlaufen verloren haben und denen irgendwie ein Verständnis geben möchte davon, warum sie da nicht ganz auf dem richtigen Weg sind, dann ist eine wichtige Strategie glaube ich, den Teil zu adressieren, der sagt: Hier haben wir harte wissenschaftliche Fakten. Folgt bitte, also sozusagen: Ihr könnt jetzt uns hier YouTube immer weiter zuhören und werdet sozusagen wissenschaftliche Erkenntnis bekommen. Und das ist ganz eindrücklich, finde ich. Es gibt von Kevin Russ, der so Tech Journalist bei der New York Times so eine Reportage mit Caleb Cain, dass ist jemand, der sich vor ein paar Jahren bei YouTube mal radikalisiert hat und sich dann irgendwann auch mal wieder deradikalisiert hat. Also wenn man das googlet findet man halt ein paar Interviews im Fernsehen mit den beiden. Und das ist für mich relativ eindrücklich, zu sehen, wie sie das so zusammen beschreiben, diesen Radikalisierungs- und den Deradikalisierungsprozess. Sie erzählen von einem sehr jungen Mann in West Virginia, der aus der High School rausgeflogen ist und eine Weile nicht wusste, wohin mit seinem Leben, dass er auf einmal sich da zwölf Stunden am Tag YouTube reingezogen hat und dann bei Leuten wie Jordan Peterson irgendwann gelandet ist bei den absolut radikalsten Alt-Right Leuten, die da diesen großen Austausch predigen und so eine White Pride usw. predigen, wie er da so von einem zum anderen gekommen ist. Und da finde ich das super eindrücklich, dass er sagt, dass das für ihn so ein trip feed gewesen wäre, in einer Zeit, wo er eigentlich so auf der Suche gewesen ist nach einem, nach Halt, nach ideologischem Halt, aber auch nach, eigentlich auch nach sowas wie therapeutischem Halt darüber, wie er sein Leben führen soll. Dass dann natürlich diese Figuren aus der Manosphere bei YouTube alle einzeln auftreten, auch als ein bisschen, als Prediger, als Gurus, als Daddy-Figures. Und gleichzeitig sagen: Hier, ich kann dir was erzählen, was in unserer liberalen Gesellschaft heute tabu geworden ist, nämlich dass es eigentlich naturwissenschaftlich belegte Unterschiede gibt zwischen den Geschlechtern, zwischen den Rassen, zwischen den Klassen. Dass es eigentlich, wie natürliche Gründe für diese Unterschiede in der Gesellschaft gibt. Und von da wirst du dann langsam da hingeführt, dir diese ganze radikalähnliche Bühne sexistischer und nationalistischer Ideologie reinzuziehen. Und ich glaube, dass das relativ wichtig ist, sich damit auch auf naturwissenschaftlicher und gleichzeitig ideologiekritischer Ebene auseinanderzusetzen und auch Inhalte bereitzustellen, die dem was entgegensetzen, so, genau. Herald: Rebekka, vielen Dank dafür, für die Einblicke. Unsere kleine Talk Zeit ist jetzt schon rum, aber du stehst für alle, die interessiert sind und uns nicht über den IRC erreichen konnten, auch nochmal in einem BigBlueButton zur Verfügung. Gleich jetzt hier im Anschluss an den Talk. Ich danke dir jetzt schon und verabschiede dich schon mal sozusagen. Vielen Dank, dass du da warst. Danke für das gute Thema. Und hier geht es nämlich gleich um 19.30 ziemlich wie immer pünktlich weiter mit Bernd Fiedler und "Public Service, Public Value". In diesem Sinne verabschiede ich mich jetzt von der Rebekka und von euch und alles Gute. Bis bald. Rebekka: Tschüss. Herald: Ciao. Wikipaka Outro Musik Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2021. Mach mit und hilf uns!