Ich lebe seit rund 10 Jahren in Ostafrika und will Ihnen hier meine Sicht der weltweiten Armut vermitteln. Das schlimmste Versagen der Menschheit ist wohl, dass wir uns um mehr als eine Milliarde unserer Mitmenschen überhaupt nicht kümmern. Hunger und extreme Armut sehen wir als unüberwindbare Probleme an, die nicht zu meistern sind. Als Praktiker vor Ort glaube ich, dass sie sehr wohl lösbar sind, wenn wir nur die richtigen Strategien anwenden. Der Grieche Archimedes lehrte uns, dass ein am richtigen Punkt angesetzter Hebel, die Welt aus den Angeln heben kann. Im Kampf gegen extreme Armut gibt es drei wirksame Hebel: Ich möchte Ihnen diese Hebel vorstellen und zeigen, dass damit die Armut zu unseren Lebzeiten beseitigt werden kann. Was ist extreme Armut? Als ich erstmals ins ländliche Ostafrika zog, übernachtete ich bei einer Bauernfamilie. Das waren wunderbare Menschen. Sie luden mich in ihr Zuhause ein. Wir sangen Lieder zusammen und aßen zu Abend. Ich schlief wie sie auf dem Boden. Am Morgen hatten wir alle nichts zu essen. Mittags sah ich dann mit wachsendem Ekel wie die älteste Tochter Haferschleim als Ersatz für das Mittagessen kochte. Jedes Kind bekam eine Tasse davon, damit es diesen Tag überleben konnte. Beschämt nahm ich auch eine Tasse an, da ich ihre Gastfreundschaft nicht zurückweisen wollte. Kinder brauchen Nahrung für ihre körperliche und geistige Entwicklung. Durch jeden Tag ohne Nahrung verlieren sie einen Teil ihrer Zukunft. Unter den Bitterärmsten verkümmert eins von drei Kindern durch Unterernährung. Ohne den nötigen Zugang zu Gesundheitsvorsorge stirbt eines von 10 bevor es 5 Jahre wird. Nur ein Viertel der Kinder schafft einen Schulabschluss, weil das Schulgeld nicht bezahlbar ist. Hunger und Armut begrenzen alle Entwicklungsmöglichkeiten. Wir sehen uns gerne als rational, mitfühlend und moralisch an, aber wenn wir die Probleme nicht für alle Mitmenschen gelöst haben, ist das nur Hochstapelei, denn jeder Einzelne zählt: Dieses Kind zählt. Dieser Kinder zählen. Ebenso wie dieses Mädchen. Ohne Frage sehen wir das alles und sind darüber ziemlich sauer, aber es scheint uns unüberwindbar. Wir haben keine Ahnung, wie wir das anpacken sollen. Aber erinnern wir uns an Archimedes. Globale Armut braucht starke Hebel. Dann ist es ein Problem wie viele andere. Ich gehe an die Sache als Praktiker heran und halte sie für ohne weiteres lösbar. In den nächsten 10 Minuten wollen wir nicht den Zustand dieser Welt betrauern. Denken wir lieber nach. Mühen wir uns doch eher gemeinsam um eine Lösung, z. B. welche Hebel wir einsetzen können. Hebel Nr.1: Die Ärmsten der Welt sind meistens Bauern. Das ist doch ziemlich ungewöhnlich. Wenn dieses Foto die Menge alle Armen auf der Welt zeigt, dann lebt die Hälfte davon im Wesentlichen von der Landwirtschaft. Das ist wirklich spannend. So viele Leute, aber nur ein Beruf. Das muss man doch ausnutzen. Würden die Bauern produktiver, könnte die Hälfte aller Armen mehr verdienen und deshalb der Armut entkommen. Es kommt noch besser: Landwirtschaft produziert natürlich Nahrung. Mit produktiveren Bauern gibt es mehr zu essen. Und zwar nicht nur für sie selbst, sie ernähren auch Dörfer und sorgen für Wirtschaftswachstum. Produktivere Bauern verringern auch die Umweltbelastung. Nur zwei Wege sind denkbar, um die Welt zu ernähren: Entweder unser Ackerland wird viel fruchtbarer oder wir holzen Wälder und Buschland für mehr Anbauland ab, mit katastrophaler Auswirkung für die Umwelt. Die Bauern sind in der Tat der Hauptangelpunkt. Produktivere Bauern verdienen mehr, überwinden damit die Armut, ernähren ihre Dörfer und begrenzen die Umweltbelastung. Die Bauern sind der Nabel der Welt. Aber nicht Bauern wie diese, sondern eher diese Frau. Fast alle Bauern, die ich kenne, sind Frauen. Sehen Sie sich diese Stärke und Willenskraft an, die sie ausstrahlt! Sie ist körperlich kräftig, willensstark und sie wird alles tun, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Würde man die Zukunft der Menschheit in die Hände einer Person legen, wäre ich froh, wenn es ihre wären. (Applaus) Es gibt da nur ein Problem: Den meisten Kleinbauern fehlen die einfachsten Hilfsmittel und Kenntnisse. In der Regel nehmen sie ein paar Getreidekörner vom letzten Jahr, drücken sie in den Boden und vergraben sie mit einer Handhacke. Das sind Werkzeuge und Methoden aus der Bronzezeit, daher sind viele Bauern noch so arm. Hier kommt die gute Nachricht: Hebel Nr. 2: Wir haben das Armutsproblem im Ackerbau schon vor einem Jahrhundert gelöst. Schauen wir uns die drei grundlegenden Faktoren des Ackerbaus an. Zuerst muss Hybridsaatgut durch Kreuzung zweier Sorten gewonnen werden. Bei der Kreuzung einer Hochertragspflanze mit einer dürreresistenten Sorte, erhält man ein Hybrid mit beiden positiven Merkmalen der Eltern. Als Nächstes braucht man Kunstdünger, der bei richtiger Anwendung unschädlich für die Umwelt ist. Ein Fingerhut voll Dünger an einer Pflanze, die größer wird als ich, bringt einen enormen Zuwachs bei der Ernte. Bekannt als ackerbauliche Produktionsmittel. Diese Mittel müssen mit richtigem Gebrauch Hand in Hand gehen. Wenn die Saat im korrekten Abstand und mit viel Kompost eingesät wird, wird sich die Ernte vervielfachen. Diese erprobten Werkzeuge und Techniken haben die Agrarproduktion überall auf der Welt verdreifacht und damit Millionen Menschen aus der Armut befreit. Leider haben wir mit unseren Methoden noch nicht jeden Anwender erreicht. Vor allem in Afrika südlich der Sahara. Wir sind stolz auf diese Ergebnisse. Die Menschheit hat die ländliche Armut im Prinzip vor hundert Jahren beseitigt -- theoretisch! Wir haben es aber nicht geschafft, jeden zu erreichen. Heute bleiben die Armen vielfach arm, weil sie in entlegenen Regionen leben. Ihnen fehlt einfach der Zugang zu diesen Mitteln. Deshalb hängt die Beseitigung der Armut schlicht davon ab, ob die Leute an die erprobten Güter und Dienstleistungen herankommen. Wir brauchen jetzt keine neuen genialen Köpfe. Ein einfacher Lieferant kann die globale Armut zu unseren Lebzeiten ausmerzen. Das sind also die 3 Hebel und der mächtigste Hebel ist zuerst einmal die Anlieferung. Wo Firmen, Regierungen oder Gemeinnützige Organisationen dieser Welt Liefernetze für Güter zur Verbesserung unseres Lebens aufbauen, wird die Armut verschwinden. Okay, das klingt theoretisch gut, aber wie ist das in der Praxis? Wie sehen diese Liefernetze aus? Ich stelle Ihnen das mir bekannteste Beispiel vor: meine Organisation, den One Acre Fund. Wir beliefern ausschließlich Bauern, und versorgen sie mit allen Hilfsmitteln, die sie für ihren Erfolg brauchen. Am Anfang liefern wir alles Nötige auch in extreme ländliche Gebiete. Das klingt ziemlich ehrgeizig, ist aber machbar. Und zwar so: Wir kaufen die Produktionsmittel mit den bäuerlichen Genossenschaften gemeinsam und lagern sie in 20 Speichern wie diesem. Zur Anlieferung mieten wir hunderte von 10-Tonnen-LKW und schicken sie zu den Bauern aufs Land. Die erhalten so die einzelnen Bestellungen und bringen sie auf ihren eigenen Hof. Das funktioniert für ländliche Bauern wie bei Amazon. Ganz wichtig für die Lieferkette ist auch die Finanzierung und die Zahlungsweise. Die Bauern stottern die Schuld stetig ab und begleichen so unsere Auslagen. Außerdem betten wir die Aktion in Schulungen ein. Unsere Agrarexperten bieten den Bauern alle zwei Wochen praktische Unterweisungen an. Überall, wo Bauern unsere Hilfe nutzen, geht es ihnen viel besser. Das ist Consolata, eine Bäuerin in einem unserer Projekte. Schauen Sie, wie sie vor Stolz sprüht. Sie hat es zu bescheidenem Wohlstand gebracht, der jedem auf der Welt zustehen sollte, wenn er hart dafür arbeitet. Ich sage mit Stolz, wir konnten bisher Consolata und 400 000 Bauern helfen. (Applaus) Der Schlüssel zu diesem Erfolg ist die angepasste Lieferung. In jeder Region stellen wir einen Agrarexperten an, der durchschnittlich 200 Bauern betreut, und damit etwa 1000 Leute in den Familien versorgt. Gegenwärtig haben wir rund 2000 dieser Experten, und ihre Zahl nimmt schnell zu. Das ist unsere Lieferarmee, dabei sind wir nur eine Organisation. Es gibt viele Unternehmen, Regierungen und Gemeinnützige Vereine, die ganz ähnliche Lieferarmeen haben. Alle zusammen sind schon jetzt sicherlich so stark, dass ihre Dienste jeden Bauern erreichen könnten. Ich möchte Ihnen zeigen, dass das möglich ist. Hier sehen Sie die Karte von Afrika südlich der Sahara im Vergleich zu den USA im selben Maßstab. Sie erkennen sicher von der Karte her, dass das ein riesiges Liefergebiet ist. Das ist eine knackige Aufgabe. Wir haben den ganzen Kontinent in ein Raster von 80 x 80 km eingeteilt, und dabei erkannt, dass schon die Hälfte der Bauern in den dunklen Regionen leben. Das ist eine recht kleine Fläche. Wenn man diese Quadrate lückenlos auf der Landkarte der USA anordnet, würden sie nur die Osten der USA bedecken. Überall In dieser Region könnten Sie Pizza bestellen und sie würde warm, frisch und lecker ins Haus geliefert. Wenn das Amerika in einem Gebiet dieser Größe klappt, dann sollten auch Afrikas Firmen, Regierungen und Non-Profit-Vereine ihre Agrardienste an alle Bauern verteilen können. Das ist möglich. Ich fasse das verallgemeinernd zusammen, über den Landbau hinaus. In allen Facetten unserer Entwicklung hat es die Menschheit verstanden, effektive Maßnahmen zur Beseitigung von Armut bereitzustellen. Wir müssen sie nur anwenden. In jedem Bereich menschlicher Entwicklung haben sehr kluge Leute vor langer Zeit preiswerte und leistungsfähige Werkzeugen erfunden. Die Menschheit ist bis an die Zähne bewaffnet mit einfachen, effektiven Lösungen gegen Armut. Wir müssen sie nur auf einer ziemlich kleinen Fläche umsetzen. Nehmen wir wieder als Beispiel die Karte von Afrika südlich der Sahara und bedenken, dass die Armut auf dem Land auf die blauen Flecke konzentriert ist. Die Armut ist in den grünen Punkten noch konzentrierter. Wenn man das wieder auf die Karte der USA projiziert, dann schrumpft das auf eine Zone, die wie ich meine leicht zu bedienen ist. Erstmals in der Menschheitsgeschichte haben wir eine ausreichende Lieferinfrastruktur zur Verfügung. Die Firmen, Regierungen und sonstigen Organisationen gebieten über Lieferarmeen, die ohne Weiteres die relativ kleinen Gebiete abdecken können. Uns fehlt nur der Wille dazu! Wenn wir wirklich wollen, fällt jedem Einzelnen von uns eine Rolle zu. Wir brauchen mehr Mitstreiter, die ihre Karriere der Humanentwicklung widmen, insbesondere aus den Entwicklungsländern. Wir brauchen auch mehr Pfleger, Lehrer, Agrarratgeber, aber auch Verkäufer für lebensverbessernde Waren. Diese Lieferanten widmen ihre Karrieren der Verbesserung des Lebens von anderen. Aber wir brauchen auch viele Unterstützer. Diese Stellen werden allein in unserer Organisation benötigt, und wir sind nur eine von vielen. Vielleicht überrascht Sie das, aber auch ausgefallene Spezialkenntnisse können in diesem Kampf gebraucht werden. Außer unserer logistischen Fähigkeit, die Armut zu beenden, brauchen wir auch noch viel mehr Ressourcen. Das ist unsere größte Einschränkung. Private Geldgeber müssten, wie in allen aufstrebenden Märkten, viel mehr Wagniskapital, Eigenkapital und Betriebskapital einsetzen. Natürlich gibt es auch Grenzen für private Firmen. Privatunternehmen kämpfen oft damit, den Armen gewinnbringend zu helfen, sodass der Philanthropie eine tragende Rolle zukommt. Jeder einzelne kann beitragen, aber wir brauchen mehr Führungskraft. Es fehlen noch mehr visionäre Wohltäter und globale Führer, die die Probleme in der Entwicklung der Menschheit verstehen und aktiv bekämpfen. Wenn Sie diese Ideen interessieren, schauen Sie doch auf diese Webseite. Uns fehlen noch mehr Führungspersönlichkeiten. Die Menschheit hat Leute auf den Mond gebracht. Wir haben Computer entwickelt, die in die Hosentasche passen und uns mit aller Welt verbinden. Wir laufen die Meile unter 5 Minuten und das über die Marathondistanz. Wir sind schon etwas Besonderes. Aber wir haben mehr als eine Milliarde unserer Mitmenschen zurückgelassen. Solange nicht jedes Mädchen wie dieses sein volles menschliches Potential entwickeln kann, dürfen wir nicht behaupten, wahrhaft moralisch und gerecht zu handeln. Aus logistischer Sicht ist es denkbar einfach, die gröbste Armut zu beseitigen. Wir brauchen nur erprobte Güter und Dienste an alle zu liefern. Wenn wir das wollen, hat jeder einzelne von uns eine Aufgabe. Setzen wir unsere Zeit, unsere Karrieren, unseren kollektiven Wohlstand ein! Machen wir noch zu unseren Lebzeiten Schluss mit extremer Armut. Danke! (Applaus)