Musik
John: So, voller Raum. Sehr schön.
Herzlich willkommen zu Wiki...what? Hier
wird gleich Verena und weitere
Mitarbeitende von Wikimedia Deutschland
Fragen beantworten, die ihr noch nie zu
fragen wagtet und wir sind gespannt, was
da so alles an Fragen kommt. Ich werde
dann in anderer Rolle ohne diese Weste
auch mit dabei sein und übergebe aber
jetzt mal an Verena.
Verena: Danke für die Intro, John. Okay,
also ihr seid hier richtig, wenn ihr
Fragen zu Wikipedia habt und überhaupt
diesem ganzen Wiki-Kram. Ich werde hier
nicht alleine stehen bleiben, da kommen
gleich noch ein paar Kollegen von mir.
Wikipedia bzw. Wikimedia ist eine von den
Bewohnern hier in der WG. Und nachdem wir
diese Session letztes Jahr schon mal
gemacht haben und die ziemlich erfolgreich
war, dachten wir, wir wiederholen das
einfach dieses Jahr nochmal. Wer von euch
hat noch nie von dem Wort Allmende gehört?
Ok, doch ein paar Hände. Das Prinzip der
Allmende ist schon ziemlich alt, nämlich
früher, als die Bauern in einem Dorf
Wiesen, die dem ganzen Dorf gehört haben,
gemeinsam bewirtschaftet haben, sprich:
Gemeinsam genutzte Güter, das bedeutet
Allmende. In die Jetztzeit übertragen
heißt das: naja, es gibt nicht mehr so
viele frei verfügbare Wiesen, aber es gibt
frei verfügbares Wissen und das ist das,
wofür wir uns einsetzen. Und wir, das ist
Wikimedia Deutschland. Hat tatsächlich was
mit Wikipedia zu tun. Wir sind der
Förderverein hinter Wikipedia. Aber nicht
nur das. Das sind jetzt so die Basic
Facts. Wir kommen gleich zu den
interessanten Sachen. Wir sind ein Verein,
sitzen in Berlin, da ist die
Geschäftsstelle. Wir haben über 100
Mitarbeitende, tatsächlich über 70000
Vereinsmitglieder jetzt und unser
Vereinsziel ist die Förderung des freien
Wissens, unter anderem über Wikipedia.
Oben links in der Ecke seht ihr das
Wikipedia Logo. Es gibt noch mehr
Projekte, die wir unterstützen und
fördern. Unter anderem auf der
gegenüberliegenden Seite so ein kleines
Projekt namens Wikidata, wozu es auch
schon diverse Sessions hier gab.
Wikipedia, Wikimedia Commons und so weiter
und so fort. Was machen wir eigentlich
neben der Unterstützung von Wikipedia
selbst? Wir unterstützen die ganzen
Freiwilligen, die hinter Wikipedia stehen
und Wikipedia schreiben. Wir entwickeln
Software, genauer gesagt arbeiten wir
daran, Mediawiki, also die Software hinter
Wikipedia zu verbessern. Wir entwickeln
Wikidata weiter, die Datenbank des freien
Wissens. Und wir setzen uns dafür ein, die
Rahmenbedingungen für freies Wissen zu
stärken. So viel an der Stelle, jetzt
würde ich gerne meine Kollegen nach oben
bitten. Und gleich müsst ihr aktiv werden.
Wenn ihr dachtet, ihr könnt euch jetzt
hier relativ gechillt hinsetzen und so
eine kleine Präsentation über euch ergehen
lassen: Nee, nee, ihr seid gleich gefragt.
Warum stehen wir hier? Ich fange mal mit
einer Kurzvorstellung meiner selbst an.
Ich arbeite in der Ideenförderung. Das
klingt so ein bisschen kurios. Was wir
letztlich machen, ist das Community
Management. Das heißt, ich bin in dem
Bereich, der die ganzen Freiwilligen
unterstützt, die Wikipedia schreiben -
unter anderem Wikipedia.
Sandro: Ja, mein Name ist Sandro. Ich bin
einer der Freiwilligen, die unterstützt
werden, bin aber auch selbst in der
Ideenförderung als Mitarbeiter aktiv. Das
heißt, ich unterstütze auch andere
Freiwillige bei ihren Tätigkeiten und
stehe deshalb heute auch hier auf der
Bühne.
Daniel: Hallo, ich bin der Daniel. Ich
arbeite seit geraumer Zeit an Mediawiki,
unter anderem für das Wikidata Projekt,
aber mittlerweile vor allem an Mediawiki
selbst. Die Demo ist ganz schön laut.
John: Ja, was ist das überhaupt? Ich bin
John Weizmann. Ich steh jetzt hier für den
Bereich... Verena hat ja eben diese drei
Arbeitsbereiche oder Handlungsfelder, wie
wir das nennen, gezeigt. Genau. Also
Sandro ist so ein bisschen da für diesen
Bereich "Freiwillige unterstützen". Daniel
ist hier aus dem Bereich
Softwareentwicklung und ich komme aus dem
Bereich der Rahmenbedingungen. Die
Rahmenbedingungen, das ist einfach alles,
was Regeln sind, oder... ja, die sozusagen
das Image des freien Wissens in der Welt,
in den Medien, in der Öffentlichkeit, aber
eben auch Rechtsregeln - häufig
Urheberrecht, ganz trockenes Zeug - das
bestimmt, wie einfach man freies Wissen
teilen kann und erstellen kann. Und da
arbeiten wir daran, das zu verbessern und
zu stärken. Ich sage immer
Rahmenbedingungen für freies Wissen
verbessern. Unser Ziel heißt offiziell
stärken. Naja, man kann es auch in einem
Wort zusammenfassen: Lobbyismus für freies
Wissen, oder in einem Begriff. Soll ich
mal mit Fragen anfangen? Wir haben
gedacht, so ein bisschen zum Aufwärmen
fragen wir uns ein bisschen gegenseitig
Dinge, bis ihr dann darauf kommt, was ihr
eigentlich gerne fragen wolltet. Deswegen
frage ich mal ganz provokant Verena: Sag
mal, was hat das eigentlich alles mit
Wikileaks zu tun?
Verena: Ja, die Frage, die kriegen wir
ziemlich häufig. Also, wenn ihr
irgendetwas mit Wiki hört, in der Regel
hat es mit Wikimedia, irgendwie hat es mit
uns zu tun. Außer Wikileaks, das ist das
einzige, was tatsächlich nichts mit uns zu
tun hat. Das ist eine Plattform zur
Veröffentlichung von Dokumenten, gegründet
von Julian Assange und noch einem
weiteren, dessen Namen ich gerade nicht
mehr weiß. Also pro forma: Wir haben
nichts mit denen zu tun. Aber wir stellen
Plattformen zur Verfügung, wo man auch
Wissen teilen kann, z.B. Wikipedia. Frage
an Daniel: Du arbeitest ja in der
Software-Entwicklung. Könnt ihr nicht mal
die Benutzeroberfläche und die Oberfläche
von Wikipedia ein bisschen schöner machen?
Das die nicht aussieht wie in den
Neunzigern.
Daniel: Ja, könnt ihr nicht mal schnell...
Also da gab es schon diverse Versuche und
ja, wir arbeiten da weiter dran. Aber es
ist tatsächlich nicht so einfach. Diese
Oberfläche erfüllt sehr viele Funktionen,
die man natürlich, wenn man nur Wikipedia-
Artikel liest, nicht unbedingt sieht und
für die man sich auch nicht interessiert.
Aber wenn man jetzt die Oberfläche
tiefgreifend verändert, verändert das auch
die Oberfläche für die Leute, die an den
Inhalten arbeiten und, wie das oft so ist:
Dinge, die es neuen Interessenten leicht
machen, einzusteigen, macht es den
Alteingesessenen schwer, das zu tun, was
sie immer getan haben und die beschweren
sich dann. Und ich meine, wir sind ein
Verein getragen von Freiwilligen und wenn
die sagen, hey, so können wir aber nicht
mehr arbeiten, dann kann das dazu führen,
dass die Dinge so bleiben, wie sie sind.
Das heißt nicht, dass sich nichts
verändert. Das heißt auch nicht, dass
nichts verbessert wird. Aber das heißt,
dass es oft nicht so einfach ist und wir
wollen ja auch nichts diktieren. Wir sind
ja da, um die Freiwilligen zu
unterstützen, die eben die Inhalte
schreiben. Und wenn die sagen, das wollen
wir aber nicht, dann führt es dazu, dass
es nicht passiert. Ich kenne ... Ich
wollte jetzt... ja, also es gibt da noch
mehr Aspekte dazu, aber das ist einer der
wichtigsten, glaube ich.
John: Bei diesem Community Management, was
macht ihr da? Schreibt ihr denn die
Artikel oder kann ich mir da irgendwie
Reisen bezahlen lassen von euch oder was
bekomme ich so für Förderungen als
Freiwilliger?
Sandro: Unsere Förderung reicht sehr weit.
Das kann sein, du möchtest beispielsweise
recherchieren zu einem bestimmten
Themengebiet und brauchst dafür
Fachliteratur. Dann gibt es die
Möglichkeit des sogenannten Literatur-
Stipendiums bei Wikimedia Deutschland. Das
heißt, wir kaufen dann auch Fachliteratur.
Es gibt aber beispielsweise auch für
aktive Fotografinnen und Fotografen die
Möglichkeit, Software-Stipendien in Form
von Lightroom oder Photoshop zu bekommen.
Und ja, du hast es schon angesprochen, es
gibt auch Reisekosten-Förderungen, z.B.
für die Teilnahme an Veranstaltungen wie
unserer jährlichen Wikicon, dem Treffen
der Ehrenamtlichen der Wikimediaprojekte,
oder auch für Fotoprojekte für
GLAM on tour Stationen. Also die
Zusammenarbeit mit Archiven, Galerien,
Museen und Bibliotheken. Also ganz
verschiedene Projekte in dieser Form.
Verena: Ich guck mal kurz in die Runde.
Gibt es dann schon Fragen? Dann bitte mal
kurzes Handzeichen, sonst stellen wir uns
weiter gegenseitig Fragen. Ah, da hinten
ist eine.
Q: Hi, ich habe eine Frage zu dem ganzen
Thema. Das läuft momentan unter
Wikihausen, da würde mich mal
interessieren, wie ihr das Thema seht, was
da Pollmann und Fidler... ich sag mal
zutage fördern. Und da laufen ja
mittlerweile auch Rechtsstreitigkeiten,
die jetzt nicht ganz ohne sind, würde ich
mal behaupten. Und wie gesagt würde mich
interessieren, wie ihr das seht und wie
ihr dort vielleicht auch gedenkt, das
besser zu gestalten. Also das wäre dann
wahrscheinlich eine rechtliche Frage.
Sandro: Ich antworte mal als Freiwilliger
auf diese Frage. Das wird in der Community
natürlich schon wahrgenommen. Auch diese
Kritik, die da von außen geäußert... Okay,
ja, es geht im Wesentlichen darum, dass
eine Gruppe von Engagierten, die nicht
aktiv in die Wikimedia-Projekten ist,
bestimmte Artikelinhalte sehr kritisch
sieht und auch kritisiert und im Rahmen
einer Aufdeckungensreihe auch Personen,
die unter Pseudonymen in Wikimedia-
Projekten mitarbeiten, identifiziert,
enttarnt und das als große
Enthüllungsreihe verkauft. Es wird in der
Community durchaus wahrgenommen, es wird
auch betrachtet. Ich habe jetzt aber nicht
so die großen Diskussionen mitbekommen,
wie es beispielsweise damals bei der
"dunklen Seite der Wikipedia" aufgefallen
ist, beispielsweise. Was tut die
Community? Natürlich beruft oder versucht
man jeden Artikel nach dem Standpunkt der
Neutralität zu formulieren. Das heißt, es
wird natürlich da an den Grundprinzipien
der Wikipedia festgehalten und es wird
versucht, die durchzusetzen. Wikimedia
Deutschland kann da tatsächlich nur nicht
inhaltlich eingreifen, sondern
Möglichkeiten z.B. für Trainings - wie
kann ich Konflikte lösen? - bieten. Das
ist so die einzige Möglichkeit, die wir
tatsächlich haben. Denn auch Wikimedia
Deutschland ist nicht Betreiber der
Wikipedia. Das wäre die Wikimedia
Foundation. Und auch die greift inhaltlich
in Dinge nicht ein, sondern überlässt das
der Autorenhand. Zu den rechtlichen Sachen
kann vielleicht John noch was sagen?
Daniel: Vielleicht kannst du noch kurz
sagen, was die "dunkle Seite der
Wikipedia" war, ich glaube da sind noch
Fragezeichen zu sehen.
John: Achso ja, Sandro erwähnte gerade die
dunkle Seite der Wikipedia. Das ist eine
eine Art... es gibt auch einen
Dokumentarfilm, also eine Serie von
sogenannten Enthüllungsvideos über
angebliche Netzwerke, die irgendeine Art
von Schieflage in der Meinung... also die,
die bestimmte Meinungen unterdrücken in
der Wikipedia und andere hochbringen. Das
ist ein bisschen, was dahinter steckt. Und
ob man das jetzt wirklich als als eine
eine Unterdrückung von Meinungen oder
eine... nicht doch eher das Festhalten an
der Neutralitätskriterien sieht, das ist
wirklich Geschmackssache. Das Rechtliche -
also wie gesagt, was Sandro schon sagte,
wir sind ja nicht Betreiberin der
Wikipedia, das heißt, wir sind da aus dem
aus der unmittelbaren Haftung ohnehin für
die Inhalte raus. Aber weil wir eben die
Communitys unterstützen, kommt es immer
mal wieder vor, dass das Thema Klarnamen
versus Pseudonyme bei uns auch als
rechtliche Frage dann kommt. Und wir
versuchen dann je nach Einzelfall... wir
gucken uns das jeweils immer an, ob wir da
unterstützen können und wollen. Aber wenn
es so ist, dass jemand aufgrund seines
Engagements in der Wikipedia, weil jemand
versucht, seine Identität zu ermitteln, um
ihn unter Druck zu setzen, wenn er da
rechtliche Probleme bekommt, dann
unterstützen wir die Person durchaus in
Form von, dass wir Rechtsberatung
finanzieren und solche Dinge. Das ist z.B.
so, es gibt manchmal den Versuch, Leute
anzuzeigen bei der Polizei, nur um den
Namen rauszufinden von der Person und sie
später zu stalken oder am Arbeitsplatz
unter Druck zu setzen, um zu versuchen,
die Wikipedia Community in eine bestimmte
Richtung zu treiben. Und wir versuchen
dann wiederum, uns vor die Leute zu
stellen und dafür zu sorgen, dass die
Gegenseite nicht die Akteneinsicht bekommt
in die Identität. Denn es ist tatsächlich
wichtig, dass die Leute frei agieren
können in der Community und sich nicht
Sorgen machen müssen, dass sie von
irgendwelchen - woher auch immer dann die
Interessen kommen - unter Druck gesetzt
werden in ihrem Privatleben. Das
widerspricht dem Wiki-Geist und das würde
das ganze System auch in Frage stellen.
Ja. War das so ungefähr? Ja? Okay.
Q: Gibt's eigentlich irgendwelche
moralischen ethischen Rahmenbedingungen,
die ihr habt für die Artikel, also... oder
kann... also gab es schon mal einen
Vorfall, dass Artikel gesperrt wurden?
Oder wie geht man mit sowas um?
Sandro: Zu den Rahmenbedingungen: es haben
sich im Laufe der Jahre die Wikipedia
existiert, so genannte Relevanzkriterien
entwickelt, anhand derer klar festgestellt
wird in der Community: Wann ist ein
Artikel Gegenstand für die Wikipedia
relevant? Das sind relativ harte
Kriterien, z.B. bei Autorinnen und Autoren
sind es vier Sachbücher oder zwei
Belletristik-Werke. Oder wenn ein
Autor mit einer Single in den Top 100
Charts war, dann ist er relevant. Anhand
dieser Kriterien wird eben beurteilt, ist
ein Artikel relevant für die Wikipedia?
Und dann gibt's natürlich auch noch die so
genannten weichen Kriterien. Das heißt, da
ist viel Auslegungssache dabei. Zur Frage
von Sperren von Inhalten, dazu kommt es
natürlich immer wieder. Es gibt Artikel,
die sind seit über 10 Jahren durch die
Bearbeitung durch anonyme, also nicht
angemeldete Personen geschützt. Einfach
aus dem Grund, dass es auch Vandalismus in
der Wikipedia gibt. Das ist besonders
schön. Schülerinnen und Schüler probieren
es immer wieder. Man merkt da diese Peaks
auch, wenn gerade Klassen in Computer-
Kabinetten oder so sind. Dann werden halt
bestimmte Artikel nochmal mit Lehrer XY
ist dumm verschönert. Dann werden die auch
mal geschützt, wenn das häufiger vorkommt
oder auch in anderer Form vorkommt. Und es
gibt natürlich auch Fälle, in denen
Artikel vor Neuanlage eben geschützt
werden müssen, weil eine Person versucht,
massiv Werbung in den Wikimedia-Projekten
oder in der Wikipedia für sich selbst zu
machen. Oder es werden immer nur unsinnige
Einträge erstellt. Diese Möglichkeit gibt
es auch.
Daniel: Ich habe da einen kleinen
Nachtrag. Wenn ich das richtig verstanden
habe, ging es bei der Frage auch darum, ob
es unter Umständen notwendig werden kann,
bestimmte Inhalte, die im Artikel
eingetragen werden, zu unterdrücken. Und
das kommt tatsächlich auch vor, dass die
Privatadresse von irgendwelchen Leuten in
Artikel eingetragen wird oder dergleichen,
die nicht öffentlich sein sollten. Und da
gibt es neben der Löschung der ganzen
Seite oder gibt es die Möglichkeit,
bestimmte Bearbeitungen unsichtbar zu
machen mit tatsächlich nochmal
verschiedenen Abstufungen von Menschen,
die das dann auch sehen können. In der
ersten Stufe können es Admins noch sehen,
dann ist es nur noch ein ganz kleiner
Kreis von Admins mit speziellen Rechten.
Also die Möglichkeit besteht.
Sandro: Trotzdem ist natürlich sichtbar,
dass es mal eine Änderung gegeben hat. Nur
der Inhalt dieser Änderung ist am Ende
nicht mehr sichtbar.
Q: Eine Frage, vielleicht in die gleiche
Richtung. Ich habe ein paarmal versucht,
mich einzulesen, ein paar technische
Themen oder so. Und bei den Artikeln hat
man oft das Gefühl, dass je
unverständlicher der Artikel geschrieben
ist - also Mathematik z.B. ist ein gutes
Beispiel - desto großartiger ist er. Das
hilft mir nicht weiter. Gibt's da
Bestrebungen, vielleicht das Wissen ein
bisschen zugänglicher zu machen? Oft
werden auch Leute, die vorschlagen "Nun
gibt doch mal eine einfache Erklärung"
gnadenlos niedergeknüppelt auf der
Diskussionsseite von Leuten: "Ist aber
nicht korrekt." Also gibt's da
irgendwelche Bestrebungen? Wisst ihr davon
was? Könnt ihr da was machen?
Verena: Also grundsätzlich sollten Artikel
eigentlich immer so strukturiert sein: Es
gibt bei jedem Artikel oben so einen
Absatz, der den Artikel kurz
zusammenfasst, also wie man das so
normalerweise aus Enzyklopädien gewöhnt
ist. Und dann gibt's den langen langen
langen, super komplizierten Artikel. Da
grundsätzlich natürlich jeder und jede,
die bei Wikipedia mitarbeiten, frei sind,
in dem was sie tun, sind sie auch frei
darin, das so komplex oder einfach zu
schreiben, wie sie wollen. Also es gibt
ja... also es gibt zwar so ein paar selbst
ernannte Redaktionen, die sich dann darum
kümmern, aber an sich kann ja erst einmal
jeder mitarbeiten. Und ich glaube - das
ist so meine persönliche Einschätzung -
ich glaube, je mehr man sich als Autor mit
so einem Thema beschäftigt und tiefer man
da drin ist, desto mehr ist man auch
bestrebt, das alles möglichst richtig und
wahrheitsgetreu darzustellen und desto
tiefer steckt man auch im Thema drin und
verliert dann wahrscheinlich auch relativ
schnell so sich selbst im Thema. Ist das
so?
Sandro: Kann ich nur bestätigen. Der
Außenblick geht irgendwann verloren,
definitiv. Zur Frage, ob es Bestrebungen
gibt in Richtung Vereinfachung: Mir sind
jetzt keine direkten bekannt, leider. Es
gibt immer mal wieder so Versuche, ganz
komplexe Abschnitte etwas verständlicher
zu gestalten. Und ein gute Möglichkeit
darauf hinzuweisen, dass ein bestimmter
Abschnitt einfach überhaupt nicht
verständlich ist, ist immer die
Diskussionsseite eines Artikels, das
heißt, wenn man den Artikel aufruft, dann
gibt es in der oberen linken Ecke das Feld
Disskusion und auf dieser Seite ist der
Anlaufpunkt, um auf solche Dinge einfach
auch hinzuweisen und die Autorinnen und
Autoren der einzelnen Artikel darauf
aufmerksam zu machen, hey, das ist
vielleicht jetzt nicht so die beste Weise,
so ein Thema zu beschreiben.
Q: Also das bezieht sich jetzt nicht
hundertprozentig auf die Wikipedia
Deutschland, deswegen... Stell die Frage
aber trotzdem, also in der Türkei ist die
Wikipedia ja geblockt und ich kann mir
vorstellen, dass ihr dazu jetzt nicht
hunderprozentig etwas sagen könnt. Aber
gibt's da Bestrebungen, was gegen zu
machen? Oder weil es gibt.. ich hab gehört
von einer Freundin, die jetzt
Auslandssemester der Türkei ist, dass es
da Umwege gibt, dass man eine 0 vorne
dranhängt an die URL und dass man dann
trotzdem drauf kommt, weil es ein
einfacher DNS-Block ist. Und der zweite
Teil der Frage ist: Man wird ja
wahrscheinlich auch in Deutschland
politisch sehen, dass da Einfluss genommen
wird. Ich kann mir vorstellen, dass es von
bestimmten Parteien Bestrebungen gibt,
Artikel sauber zu halten und so. Seht ihr
da verstärkte Aktivität vor Wahlen? Oder
müsst ihr da besonders drauf reagieren?
Oder wie sieht das aus?
John: Also ich kann erst nur zur ersten
Frage was sagen, weil mit diesen Peaks vor
Wahlen und so, das wisst ihr
wahrscheinlich ein bisschen besser als
ich. Mit der mit der türkischen Regierung
gibt es Gespräche zwischen allerdings
nicht uns, sondern Wikimedia Foundation
und der Regierung dort, wo bisher meines
Wissens nach immer nur die Standpunkte
ausgetauscht wurden, nämlich dass die
türkische Regierung sagt, bestimmte Dinge
müssen da raus und die Wikimedia
Foundation sagt: Wir nehmen da aber nichts
raus. Und das hat sich meines Wissens
relativ festgefahren, sodass wenn da jetzt
keine Seite nachgibt, wird es dabei
bleiben, dass die Leute das irgendwie
umgehen werden müssen, was sie auch tun.
Es gibt auch eine starke Autorinnen- und
Autoren-Gemeinschaft in Deutschland, was
die türkische Wikipedia angeht,
türkischsprachige. Und so ist der Stand im
Moment so ein bisschen wie ein
eingependelter status quo. Also viel wird
sich da wahrscheinlich akut nicht bewegen,
es sei denn eine der Seiten - und ich
glaube nicht, dass die Foundation da jetzt
irgendwie nachgeben wird, groß - würde
jetzt den Standpunkt ändern. Zu den Edits
durch Parteien oder durch oder vor
Wahlen...
Verena: Also das vor Wahlen, das ist
definitiv so. Also vor jedem
gesellschaftlichen Ereignis oder auch am
Tag des gesellschaftlichen Ereignisses,
dass da unheimlich viel Aktivität ist bei
Artikeln. Also ich glaube, vor dem CDU-
Parteitag ist der Artikel von Friedrich
Merz plötzlich wieder interessant geworden
und plötzlich viel länger geworden. Und
der ist davor, ich glaube zwei Jahre lang
nicht angefasst worden. Ja,
nachvollziehbar.
Daniel: Ich hätte dazu noch einen, naja,
vielleicht eher technischen Aspekt. Hier
auf dem Kongress vielleicht nicht ganz
fehl am Platz. Es gibt ich glaube immer
noch einen Twitter-Account, der
automatisch twittert, wenn von IPs, die
dem Bundestag zugeordnet sind, Edits in
der Wikipedia passieren. Ich hab
vergessen, wie er heißt. Weißt du,
wie er heißt?
Sandro: Bundesedit?
Daniel: Irgendwie sowas, ist aber zu
finden. Und das verweist auf einen ganz
interessanten Punkt, der auch wieder auf
die Türkei zurückgeht, nämlich die IP-
Adresse. Und die IP-Adresse von anonymen
Edits, anonymen Edits bei Wiki... also man
muss sich bei Wikipedia ja nicht anmelden,
um bearbeiten zu können. Und wenn man das
nicht tut, dann wird statt des
Benutzernamens die IP-Adresse mitgeloggt
und öffentlich sichtbar gemacht und dem
Edit zugeordnet. Was tatsächlich... das
ist eigentlich weniger anonym, als wenn
man sich einloggt und sich irgendein
Pseudonym gibt. Ja, das ist eigentlich
ziemlich problematisch und es wird auch
immer wieder drüber nachgedacht, das zu
ändern. Ein Grund, das so zu haben, ist:
Die Wikipedia-Admins brauchen ja eine
Möglichkeit, auch anonyme Edits zu
sperren. Und wenn sich jemand nicht
eingeloggt hat, dann gibt es kein Account,
den die sperren können. Also was kann ich
sperren? Die IP Adresse. Und unter
Umständen muss ich ganze Blöcke von IPs
sperren, die z.B. gerne von Spammern
benutzt werden. Und das betrifft leider
auch alles, was über Tor reinkommt. Und
das wiederum bedeutet, wenn ich in der
Türkei sitze oder so und versuche über Tor
auf Wikipedia zuzugreifen, dann kann ich
darüber wohl lesen, aber nicht editieren.
Und das wird immer wieder, das Problem
wird seit Jahren, ich will sagen
Jahrzehnten immer wieder diskutiert, aber
wir haben noch keine gute Lösung gefunden
dafür.
Q: Könnt ihr mal was zur finanziellen
Ausstattung von Wikimedia oder Wikipedia
sagen, also wo die, wie die Spenden
Verteilung momentan ist? Großspenden -
wann ordnet ihr das ein? Also, was sind
Großspenden? Und habt ihr da irgendwie so
eine spezifische ich sag mal Sortierung -
nach, keine Ahnung, Kategorie XYZ oder
sowas - wo es auffällig wird?
Daniel: Also es gibt sehr wenig wirkliche
Großspenden, soweit ich weiß. Ich meine
gut, ich bin hier der Techniker. Das ist
jetzt nicht wirklich mein Metier, außer,
dass ich mal ganz, ganz, ganz früher auch
für die Spenden-Webseite von Wikimedia
Deutschland verantwortlich war. Aber was
es gibt, sind Drittmittelprojekte, wo man
halt direkt mit Firmen oder Institutionen
zusammenarbeitet. Und Wikidata z.B. ist
mit nicht zu verachtender Mithilfe von
Google finanziert worden in den
Anfangsjahren. Also das war immer
transparent, aber es ist halt auch zu
sehen. Was so die allgemeine... sozusagen
Spenden für den Betrieb und dergleichen
angeht, da gibt es meines Wissens so gut
wie gar keine Großspenden. Das ist so, der
Schnitt ist irgendwo bei 25 Euro.
John: Ja ich glaube, also nicht 2018, aber
2017 war die größte Spende, Einzelspende,
die nicht Teil von der Projektfinanzierung
war, glaube ich. 12 000 Euro. Das war
aber... davon gibt's eine Handvoll
ungefähr. Und ansonsten gibt es 300 bis
400 Tausend von diesen kleinen Spenden.
Und das macht zumindest, was die deutschen
Spenden, das deutsche Spendenaufkommen
angeht, also den den aller aller
allergrößten Anteil aus. Davon geht dann
ein Teil an die Foundation wegen, weil die
betreiben ja die Server usw. Da gibt's
also eine Vereinbarung zwischen Wikimedia
Deutschland und der Foundation, wo das
Geld dann zentral dort hingeht, dann dort
wieder über einen anderen Prozess zwischen
allen Wikimedia Organisationen verteilt
wird. Wobei wir dann nichts zurückbekommen
an der Stelle, weil wir bereits genug
haben. Also wir müssen da jetzt nicht
nochmal partizipieren, sondern da ist so
eine Art Umverteilung, läuft dann über
über die Wikimedia Foundation und genau,
das ist so wie das funktioniert ungefähr.
Q: Wie seid ihr mit anderen Wikimedias
oder Wikipedias in anderen Ländern
vernetzt und warum sind da, werden die
Wikipedias teilweise so unterschiedlich
betrieben? Also ich glaube, ihr habt da
sehr unterschiedliche Standards, was die
Relevanz angeht oder wie Dinge
administriert werden.
Verena: Grundsätzlich, also es gibt ich
glaube inzwischen 56? 54? Chapter
Organisationen, also die einen offiziellen
Status haben. Grundsätzlich ist jede...
also wird jede Wikipedia-Sprachversion
individuell gepflegt. Das heißt, es wird
nicht einfach automatisiert alles
übersetzt, sondern relativ mühsam von Hand
jede Sprachversion aufgebaut.
Sandro: Genau. Die einzelnen
Sprachversionen und ihre Communities
entscheiden selbstständig, was ihre
Relevanzkriterien sind, was... und dadurch
etabliert sich natürlich auch ein gewisser
Standard. Das heißt, die Menschen, die an
den einzelnen Sprachversionen mitwirken,
prägen natürlich auch das Bild der
einzelnen Sprachversion und machen ihren
Charakter aus. Und man kann dann natürlich
auch sehen: Okay, es arbeiten viele Leute
mit, hat man in der Regel eine etwas
umfangreichere - von Artikeln her -
Wikipedia. Arbeiten weniger Menschen mit,
werden die Artikel wahrscheinlich eher
kürzer sein. Trotz allem gibt's auch
mittlerweile Bestrebungen, gerade die
schwedischsprachige Wikipedia war eine
davon, die auch mithilfe von Wikidata
gerade so Artikel zu Gemeinden, Kommunen,
Städten per Bot generiert hat. Das heißt,
die Artikelzahl erlaubt dann weniger
Rückschluss darauf, wie viele Menschen
mitarbeiten.
Daniel: Ich hätte noch einen dazu.
Communities entstehen ja oder setzt...
also das Entstehen einer Community setzt
ja voraus, dass Menschen miteinander reden
und es gibt sehr wenige Communitys, die
tatsächlich über Sprachgrenzen hinweg
funktionieren. Und wenn sie das tun, dann
sind es in der Regel dadurch, dass man
eben eine gemeinsame Sprache hat, zumeist
Englisch, und schließt damit Menschen aus,
die diese Sprache nicht beherrschen. Und
es ist ziemlich schwierig. Und es gibt ja
grenzübergreifende sprachübergreifende
Projekte in der Wikimedia Familie,
insbesondere Wikidata, Wikimedia Commons.
Und wer kein Englisch spricht, hat da
einen schweren Stand. Man kann wohl
mitarbeiten, aber man kann nicht wirklich
mitreden, was irgendwelche Standards
angeht oder sich an Diskussionen über
Richtlinien beteiligen und dergleichen.
Nicht, dass es verboten wäre, sich in
anderen Sprachen auszutauschen, aber es
ist einfach schwierig. Und ich sehe da...
also da gibt's glaub ich keine einfache
Lösung dafür. Eine Möglichkeit, die man
sich anschauen könnte, ist in der Tat
maschinelle Übersetzung. Aber gute
maschinelle Übersetzung kriegen wir wieder
nur von kommerziellen Anbietern, von denen
wir uns dann abhängig machen. Und das
wiederum ist ein politisches Problem. Oder
ein strategisches vielleicht.
Q: Dazu: Es kommt ja schon vor, dass in
den Projekten Benutzer, die der englischen
Sprache nicht mächtig sind, Google
Translate und ähnliches benutzen. Das
ist... es gibt Leute, die nehmen so an
Diskussionen teil. Das führt manchmal auch
zu merkwürdigen Missverständnissen, die
sich dann später aufklären. Dadurch, dass
die Übersetzungssoftware totalen Bullshit
übersetzt hat und den Inhalt verdreht hat.
Aber das kommt vor. Aber es gibt Leute,
die nehmen durchaus so Teil.
Q: Nochmal eine Frage zu der Community:
Ich hab jetzt des öfteren gelesen, dass
die Community sich immer mehr
professionalisiert, also mehr und mehr zu
bezahlten Autoren übergeht und die
wirklich Freiwilligen abnehmen, also einen
Autorenschwund zu beklagen ist und die,
die da sind, immer mehr und mehr Content
produzieren. Sagt doch mal irgendwas dazu.
Ich habe keine Ahnung ob das stimmt oder
wie ihr das so seht.
Verena: Also grundsätzlich wird erstmal
niemand dafür bezahlt, bei Wikipedia
mitzuarbeiten und Artikel zu schreiben.
Also es gibt natürlich Menschen, die z.B.
in PR-Agenturen oder PR-Abteilungen für
ihren Arbeitgeber dann arbeiten und das
einstellen. Das tun sie aber in der Regel
gekennzeichnet und auch für bestimmte
Zwecke. Und diese Bearbeitung, das ist
verschwindend gering im Vergleich zu allem
anderen, was sonst bearbeitet wird. Jetzt
hab ich den Faden verloren. Ah ja, genau.
Autorenschwund. Ja, es ist natürlich so,
wenn wir ehrlich sind, bei Wikipedia
mitzuarbeiten und da in diese Textwüste
reinzuschreiben, ist nicht mehr ganz so
sexy, wie das vielleicht vor zehn Jahren
war. Und es ist tatsächlich so, die
Autorenzahlen gehen langsam und stetig
zurück und das ist tatsächlich auch ein
Problem, weil gleichzeitig die
Artikelanzahl wächst. Und die muss ja auch
gepflegt werden. Und das ist auch noch
lange nicht so, dass alles, was irgendwie
wichtig ist, ja schon in Wikipedia steht,
dass dem nichts hinzuzufügen wäre. Auch
das stimmt nicht. Insofern auch immer
wieder der Appell: Man kann bei Wikipedia
mitmachen und es ist Bedarf.
Sandro: Ich gehe nochmal auf die PR-
Agenturen ein. Es ist so: Es gibt zwei
Sorten von PR Agenturen. Einmal
diejenigen, die bereits verstanden haben,
worum es in Wikipedia geht, nämlich Dinge
neutral darzustellen, die dann auch
tatsächlich sehr gute und wertvolle
Beiträge leisten, ihr Unternehmen
darstellen, aber in einer Form, dass es
jetzt nicht Werbung wäre, sondern wirklich
neutral beschreibend. Und dann gibt es
diejenigen, die sich ziemlich dumm
anstellen und ziemlich offensichtlich
Werbung in Artikel reinschreiben. Das geht
nicht gut, denn die Autorinnen und Autoren
der Wikipedia bemerken das. Denn gerade
bei neu angelegten Konten müssen die
Änderungen zunächst durch einen
sogenannten Sichter überprüft werden,
damit sie für den gemeinen Leser sichtbar
sind. Und das führt dazu, dass viel von
diesen werblichen Inhalten schon
raussortiert wird, bevor überhaupt eine
Leserin oder ein Leser das zu Gesicht
bekommen hat. Und die lernen dann auch
relativ schnell, dass es so in der
Wikipedia nicht funktioniert. Und entweder
sie passen sich an oder sie müssen eben
durch die Community ausgeschlossen werden,
also gesperrt werden, weil sie sich nicht
an die Richtlinien halten wollen.
Q: Hallo, ich hab mal ne Frage und zwar in
der Wikipedia ist es ja so... also es gibt
ja Sachen, die Admins da machen und es
gibt da auch Administratoren. Wenn man
sich so anguckt auf den Konten, was die so
treiben, die löschen nur Sachen und da
geht es dann immer so darum, dass... es
wird einem gesagt, das ist nicht relevant.
Und dann gibt's Relevanzkriterien, die
wurden auch von der Community aufgestellt.
Also das was die machen. Aber letztendlich
ist das ja irgendwie auch Zensur. Weil ich
kann nicht behaupten, jaja, da kommen
immer Leute aus autoritären Regime über
Tor und löschen oder editieren ein
Artikel. Aber gleichzeitig hab ich die
Administratoren, die die ganze Wikipedia
durchforsten und Sachen löschen, die, wo
man immer meint, dass es in ihre
politische Meinung nicht reinpasst und es
deswegen nicht in die Wikipedia gehört.
Naja, so ein kluger Admin kriegt das dann
irgendwie schon argumentiert, dass das auf
Grund von Relevanz da raus sollte. Meine
Frage ist jetzt, wieso muss man so hohe
Relevanzkriterien haben und kann nicht
einfach sagen, man setzt die ein bisschen
runter, dann hab ich letztendlich irgendwo
auch mehr Content und solange das jetzt
nicht unwahr ist und beweislich irgendwie
unwahr ist oder schlecht dargestellt, dann
kann ich es ja eigentlich behalten, weil
irgendwie... mich stört eben einfach so
ein bisschen diese Relevanz und die zweite
Frage ist: Der Mensch mit dem roten Stern
Keyboard hat erwähnt: Ja, da gibt es einen
kleinen Kreis mit ganz klein... mit Admins
und ganz vielen Rechten. Und das wird ja
irgendwie auch alles gewählt in der
Community. Da ist eine gewisse Demokratie.
Aber sollte man da nicht irgendwie gucken,
dass das irgendwie alles transparenter
ist? Also in einer gewissen Form irgendwie
transparenter, weil wenn ich da nur so ein
Pseudonym hab und das ist dann der
Oberadmin und irgendwie... also ich finde
das irgendwie ein bisschen schade, dass
man nicht weiß, was das für Leute sind,
die diese mächtigen Rechte irgendwo haben
innerhalb der Wikipedia. Und... ansonsten
wollte ich nochmal sagen, das betrifft ja
eigentlich irgendwie nun nicht Themen, die
nicht der harten Wissenschaft angeordnet
sind, weil da ist es meistens relativ
einfach, oder da kann man auch ganz gut
damit arbeiten, dass diese Sachen
alle, die da drin stehen, irgendwo belegt
sind. Also das betrifft nur Themen, wo es
halt verschiedene Meinungen gibt.
Verena: Ich fange mal mit der Frage zu den
Relevanzkriterien an.. Natürlich könnte
man die etwas lockerer gestalten. Dann ist
aber die Frage: Wer ist man? Also es gibt
bei Wikipedia nicht die eine Person, die
die Regeln runter schreibt und dann sind
die so, sondern das ist ja auch das total
Spannende an dieser Community, dass alle
Regeln, die es da gibt, entstanden sind
durch langwierige Aushandlungsprozesse.
Das ist auch immer alles so ein
bisschen... also das funktioniert wie in
der Politik, in der Wikipedia Community.
Das heißt, man muss sich erst mal
Mehrheiten suchen für ein Anliegen. Und
wenn du jetzt z.B. kommst und sagst, lass
uns die Relevanzkriterien überarbeiten,
musst du dir erst einmal genügend Leute
suchen, die auch davon überzeugt sind oder
die du davon überzeugen kannst. Und wenn
es eine gewisse Mehrheit gibt, dann wird
daran auch gearbeitet. Auch das ist
wiederum ein langer Prozess, aber das
sorgt auch für Stabilität und Gesundheit
in der Community. Aber... ja.
Sandro: Zum Thema Löschen von Artikeln. Es
kann natürlich jetzt nicht jemand mit
Administratorrechten einfach hingehen und
sagen: Ich lösche den Artikel, weil er mir
nicht gefällt, sondern es gibt die
sogenannte Lösch-Diskussion. Das heißt,
es
wird innerhalb der Community mindestens
eine Woche darüber diskutiert: Wird so ein
Artikel jetzt gelöscht oder wird er
behalten? Das heißt, da werden Argumente
ausgetauscht und die Person, die der
Meinung ist, dieses Thema oder dieser
Artikel-Gegenstand ist nicht relevant,
kann dann nicht einfach am Ende sagen:
Okay, dann lösche ich das jetzt, sondern
das muss mindestens jemand machen, der
nicht an der Diskussion teilgenommen hat
als aktiver Diskussionsteilnehmer. Und er
muss es auch mit einer Begründung tun. Das
heißt, er muss sich anschauen: Wie ist die
Diskussion gelaufen? Welche Argumente
wurden ausgetauscht und welche
Sachargumente gibt es für die Seite pro
Löschung und welche gibt es dagegen? Und
danach erst kann ein Artikel gelöscht
werden. Wenn jetzt natürlich - das ist der
Ausnahmefall - jemand rein schreibt "Herr
Meyer ist dumm", weil er das mal wieder in
der Schulzeit gerade im Computer-Kabinett
machen möchte und sein Lehrer ärgern
möchte. Dann kann sowas natürlich auch
ohne Lösch-Diskussion beendet werden oder
gelöscht werden. Das ist aber der
Ausnahmefall. Und wenn in der Community
jemand der Meinung ist, eine Löschung sei
zu Unrecht erfolgt, dann gibt es immer
noch die sogenannte Lösch-Prüfung, mit der
man nochmal eine zweite Admin Meinung
einholen kann oder ein anderer Admin
anhand der Lösch-Diskussionen und anhand
der Argumente, die in dem Prüfungs-Vorgang
eingebracht wurden entscheidet "Okay, die
Löschung war korrekt" oder "Nein, die
Löschung war nicht korrekt, wir stellen
den Artikel wieder her."
Verena: Meine Güte, das klingt echt
kompliziert.
Daniel: Als ehemaliger Wikipedia-Admin
möchte ich vielleicht die Leute ein
bisschen in Schutz nehmen, die tatsächlich
fast nichts anderes machen, als Sachen zu
löschen. Das sind nämlich in aller Regel
nicht die Leute, die Entscheidungen
treffen, sondern diese Lösch-Diskussionen
finden statt. Und bei diesen Diskussionen
ist in der Regel ein ziemlich klarer
Konsens zu erkennen am Ende und der muss
dann umgesetzt werden. Und es gibt eine
Handvoll von Leuten, die diese
Drecksarbeit machen jeden Tag. Und die
müssen auch ein ziemlich dickes Fell
haben. Weil die werden dann natürlich
entsprechend angefeindet und es gibt nicht
so viele, die das machen und die machen
dann halt auch nicht viel anderes. Das
heißt, das sind in der Regel nicht die
Leute, die wirklich die Entscheidung
fällen. Also die fällen die Entscheidung
"Ist diese Diskussion eindeutig", ja. Aber
das sind nicht die, die sagen, der Artikel
gehört hier nicht hin. Das sind in der
Regel die Leute, die die Lösch-Diskussion
starten. Ja, über die Kriterien kann man
sich streiten. Ich fand immer
"Relevanzkritierien" sind ein schlechter
Name. Besser wäre "Belegkriterien", also
was belegbar ist, sollte auch behaltbar
sein, können uns auch über Granularität
streiten, aber...
John: Das führt auch nochmal zu der
Frage mit den Autoren und der Anzahl der
Menschen, die da mitmachen. Die
Relevanzkriterien oder
Belegbarkeitskriterien sind halt auch ein
Mittel, um den Content auf einem Level zu
halten, der noch zu schaffen ist. Denn
wenn irgendwann so ein kritischer
Punkt erreicht ist, wo die Anzahl der
mitmachenden Menschen einen Punkt
unterschreitet und der Content einen
gewissen überschreitet, dann ist es
einfach nicht mehr möglich, die
Qualitätsansprüche irgendwie noch
einzuhalten. Also insofern ist das auch
ein Mittel dafür. Selbst wenn es dann
manchmal dazu führt, dass Dinge vielleicht
rausfliegen, wo man drüber diskutieren
könnte, ob man den ich lieber behalten
hätte oder als ob das so schlimm ist, wenn
die drin gestanden hätten. Aber allein die
Menge des Contents muss man auch im Blick
behalten. Und bei den Themen, die nicht
wissenschaftlich sind, also, weil du ja
gesagt hast bei wissenschaftlichen Themen
ist das ja einfach: Auch da ist es nicht
immer ganz einfach, weil da gibt es
verschiedene Lehrmeinungen z.B. zu - also
jetzt nicht gerade zur Mathematik, aber
schon zu String Physik gibt's manche, die
sagen, es ist alles Humbug. Es geht hier
nur nach Quantenmechanik. Und was
eigentlich das Prinzip ist, so wie ich es
immer verstehe ist, dass alle relevanten
Meinungen auch vorkommen. Also ist nicht
so, dass Meinungen rausfliegen, weil es
gibt eben auch Gebiete da, da gibt es eben
nur verschiedene Meinungen und diese
verschieden stark. Und dann gibt's den
Mainstream und dann gibt's die Kritik und
da gibt's noch das dritte Lager vielleicht
und alle relevanten größeren
Meinungsgruppen sind dann auch abgebildet.
Also zumindest ist das das Prinzip, weil
anders gehts auch nicht, denn nicht alles
ist wissenschaftlich im Sinne von
Beweisführung belegbar. Ja, da ist noch
eins.
Q: Was ist dann eure Meinung, warum die
Autorenzahl runtergeht und was ist die
Strategie, um die Zahl wieder hoch zu
bekommen? Ich gehe mal davon aus, das
Bestreben ist natürlich, wieder mehr
Autoren zu werben, die mitmachen. Und was
ist der Grund, dass es weniger geworden
ist? Aus eurer Sicht? Es gibt natürlich,
ich kenne andere Ansichten, warum es so
ist, aber mich würde mal interessieren, was
eure Ansicht ist und was wollt ihr tun,
damit es wieder mehr werden?
John: Es gibt sogar Forschung dazu. Weil
das ist nämlich, was die da drüben machen,
ist rauszufinden, aus welchen Gründen
Menschen mitmachen oder eben auch nicht,
deswegen...
Verena: Also Gründe, warum Menschen
mitmachen, ist in der Regel irgendeine Art
von intrinsischer Motivation. Das kann
sein, dass Sie gerne Ihren eigenen Namen
in Wikipedia lesen möchten, aber viel
häufiger ist es, beizutragen zu dieser
großen Enzyklopädie und was Sinnvolles zu
tun. Das ist so meistens die Motivation,
mit der Menschen kommen. Warum Menschen
bleiben, ist in der Regel, weil sie
Anschluss finden an die Community und
feststellen: "Oh, die anderen, die da
mitschreiben, das sind ja irgendwie auch
ganz nette Menschen." Ja, dieses Community-
Feeling, was in der Regel auch bei allen
anderen Communities so stattfindet. Also
sobald man irgendwie eine persönliche
Bindung zu Menschen aufgebaut hat, dann
bleibt man. Warum die Autorenzahlen
schwinden. Naja, es ist schon eine gewisse
Hürde, die man nehmen muss, wenn man da
mitmachen will. Also zum einen: Es gibt
relativ wenige leichte Einstiegsaufgaben,
mit denen man sich so ein bisschen
rantasten kann. Es wird relativ häufig
gesagt, dass diese einfachen Themen und
einfachen Artikel alle schon geschrieben
sind. Man muss sich erst einmal einlesen
in dieses Regelwerk, um damit klarzukommen
und man findet auch nicht ganz so leicht
Zugang zu dieser Community. Also es gibt
eine inzwischen im Netz viel mehr Mitmach-
Möglichkeiten, die leichter zugänglich
sind. Also vor 17 Jahren gab's quasi fast
nur Wikipedia und noch ein, zwei andere
freie Projekte. Inzwischen gibt es halt
viel mehr. Die Auswahl ist auch größer
geworden.
Sandro: Was machen wir dagegen?
Verena: Ah ja, was wir dagegen tun. Also
wir haben jetzt angefangen im letzten Jahr
zu testen, erst einmal unsere, also die
Plattform selbst zu nutzen. Wikipedia ist
unter den zehn größten Websites. Es wäre
blöd, diese Reichweite nicht zu nutzen und
an der Stelle tatsächlich zu werben. Wir
testen aber inzwischen auch diverse andere
Wege. Also wir als Verein. Die Community
selbst tut natürlich schon lange was. Das
ist natürlich auch nur in gewissem Maße
skalierbar. Also einzelne Menschen aus der
Community können immer nur so und so viele
Einführungskurse in Bibliotheken geben.
Genau. Also: Online Kampagnen,
Mitmachtage, bestimmte Menschen und
Gruppen ansprechen.
Daniel: Ja, es gibt natürlich auch
Bestrebungen, das rein technisch leichter
zu machen, beizutragen. Das eine ist, wer
möchte gerne heute noch in Wiki-Markup rum
wursteln. Das Problem ist, dafür
tatsächlich einen Editor zu schreiben, der
so gut funktioniert, dass er mit dem
ganzen Markup-Gewurstel, das wir da
haben, umgehen kann, ohne etwas kaputt zu
machen. Weil wenn da bei jedem 20. Edit
etwas kaputt geht, dann schreien die
Editoren, die wir haben, schaltet das Ding
wieder aus. Das hatten wir schon. Und das
ist im Prinzip auch der Stand, den wir
haben. Das ist halt... es ist ein
schwieriges Thema, das so zu gestalten,
dass es für die Neuen attraktiv ist und
für die Alten nicht im Weg. Das ist sehr
viel schwieriger, als ich mir das hätte
träumen lassen. Ich stecke echt ziemlich
tief drin. Was mir erfolgsversprechend
erscheint, ist, Wege zu finden, so Sachen
leicht zu machen wie: Wir gucken uns mal
an, ob Edits gut sind, wir machen
Eingangskontrolle: Guter Edit, schlechter
Edit. Machen wir als Handy-App. Kann ich
in der U-Bahn - so, da steht "Gabi
stinkt", das wahrscheinlich nicht. Stimmt
nicht. Hier hat jemand ein Tippfehler
korrigiert, gut. Solche Sachen. Das ist
ein ganz niederschwellige Einstieg, da
trägt man noch nicht viel bei. Aber man...
es ist durchaus nützlich und man fängt an,
sich mit den Prozessen zu beschäftigen.
Ja, das ist der technische Aspekt von die
Einstiegshürde senken.
Q: Ist das so, dass, damit in einer
Sprache Artikel verfasst werden kann, dass
da eine Community dahinter stehen muss?
Und wenn ja, wie groß muss die mindestens
sein? Oder was würde passieren, wenn eine
Sprache ausstirbt oder nicht mehr gepflegt
wird?
Sandro: Zum Thema, wann eine Sprachversion
gegründet werden darf. Das ist auch ein
sehr komplizierter Prozess. Dafür gibt es
Ehrenamtliche, die auf internationaler
Ebene sich zusammensetzen und schauen.
Gibt es in dieser Plattform, die man
bereits in einem geschützten Bereich, dem
sogenannten Inkubator, angelegt hat, genug
Beiträge? Gibt es genug Leute, die da
mitwirken würden? Und wenn das über eine
bestimmte Schwelle geht, die ich jetzt
leider nicht auswendig kenne, dann wird da
auch eine eigene Sprachversion erstellt.
Wir haben heute über 300 Sprachversionen
bereits. Die einen sind mehr oder haben
mehr Community-Unterstützung und werden
besser gepflegt. Die anderen sind weniger
gepflegt. Das hängt dann auch davon ab:
Wie bleiben die Leute dabei, die einmal
motiviert waren, sich zu engagieren? Das
ist ganz schwer zu sagen.
Verena: Also ich weiß, dass es
Sprachversionen gibt, da ist die
Community, die Zahl ist so im
zweistelligen Bereich. Das sind dann auch
eher so Nieschen-Sprachen oder Länder, wo
es mit Internetzugang und grundsätzlich
Bildung nicht so weit her ist. In den,
sagen wir mal westlichen Ländern sind die
Communities dann noch etwas größer. Da ist
das natürlich keine Frage. In Deutschland
sind es so zwischen fünfeinhalb- und
sechstausend Menschen, die sehr regelmäßig
beitragen.
Daniel: Es gibt einen Haufen... also du
hast eben gesagt, wir haben 300
Sprachversionen. Und ein guter Teil davon
hat nur eine Handvoll aktiver Editoren.
Also wirklich so 3 Leute sind da, die
jeden Monat was machen.
Sandro: Dann gibt's natürlich
Sprachversionen, die haben trotz geringer
Autorenzahl eine große Zahl von Artikeln.
Mir ist die Sprachversion Volapük noch in
Erinnerung, wo ein Autor einst selbst 1000
Artikel geschrieben hat und das dann schon
die Wikipedia dort zu einer beachtlichen
Größe verholfen hat. In Anbetracht wie
viele Personen da mitgewirkt haben.
Volapük ist erfunden.
Daniel: Ja, das ist so wie Esperanto. Eine
synthetische Sprache, die... ja weiß
nicht, warum die populär wurde. Irgendwann
mal...
(unverständlich)
Daniel: Gab es, mal wurde eingestellt.
Latein gibt's.
Q: Ich habe noch mal eine Frage zu dem
Thema Belegkriterien oder wie habt ihr das
genannt?
Daniel: Belegbarkeit, ja.
Q: Belegbarkeit, genau. Es gibt ja auch
Online-Medien, die ja mittlerweile
akzeptiert sein sollten... ich weiß
zumindest, dass Telepolis immer noch ein
bisschen kritisch beäugt wird, um nicht zu
sagen, noch nicht zugelassen ist. Da wird
mich jetzt nochmal interessieren: Gibt es
denn da nochmal Bestrebungen,
weiterzumachen? In die Richtung Online-
Medien-Zulassbarkeit als Belegkriterium
und so weiter und so fort.
Sandro: Das ist natürlich immer ein
Aushandlungsprozess in der Community, das
heißt Wikimedia Deutschland kann und
möchte auch gar nicht auf diese internen
Abstimmungsprozesse innerhalb der
Community einwirken. Wir unterstützen die
Autorinnen und Autoren bei ihrer Arbeit.
Was an Belegen akzeptiert wird von einem
oder von der Community, das hängt
tatsächlich von internen Abstimmungen der
Community ab.
Q: Hall... und ihr habt nicht das Gefühl,
dass ihr da in so einer Filterbubble lebt?
Sandro: Also wir oder die Community?
Verena: Kannst du das noch ein bisschen
mehr erklären?
Q: Wenn die Community darüber entscheidet,
was ein Belegkriterium oder ein
Belegmaterial ist und die Community ja nur
aus bestimmten Leuten besteht und auch aus
einer gewissen begrenzten Anzahl, dann
entsteht ja automatisch eine Filterbubble.
Und die Frage ist halt, ob nicht die
Filterbubble dann schlussendlich auch
einen Einfluss drauf hat auf Neutralität,
auf Vielfalt der Artikel etc. pp.
Verena: Ja... also ja, natürlich - es ist
eine begrenzte Anzahl von Menschen. Was
ich aus einer gewissen externen
Perspektive - also wir stecken ja nicht in
den Inhalten drin, aber wir haben relativ
viel mit den Menschen zu tun, die
Wikipedia schreiben - also was ich
wahrnehme ist, dass es schon immer ein
ziemlich großes Bemühen bei allen gibt,
also bei allen Wikipedianerinnen und
Wikipedianern gibt, so neutral und objektiv
wie möglich zu sein. Also natürlich sind
das alles nur Menschen. Aber das sehe ich
schon so. Dass es diesen diesen Willen
dazu gibt. Und noch ist die Gruppe
eigentlich groß genug, dass sich so
Ausschläge in politischen Meinungen, dass
sich das wieder so ausnivelliert.
Sandro: Und natürlich, theoretisch kann
jeder bei Wikipedia mitmachen, d.h. auch
unterschiedliche Standpunkte treffen sich
da und es ist dann immer der
Aushandlungsprozess zwischen
unterschiedlichen Standpunkten, der dann
stattfinden muss an dieser Stelle. Und
wenn es tatsächlich dann eine Schieflage
geben sollte, dann kann das eigentlich nur
der Appell sein, zu versuchen, sich zu
beteiligen und seine eigenen,
die Informationen, die man hat, mit in den
Aushandlungsprozess einzubringen.
Q: Ich hätte noch eine ergänzende Frage
dazu, und zwar in... Mich interessiert
das, wie das in der Community
funktioniert, wenn eine Diskussion
angestoßen wird, ob ein Medium belastbar
oder ob eine Quelle belastbar ist oder
eben nicht. Einmal, ob es da irgendwie so
eine Art Konsensliste gibt in der
Community, wo man mal nachschauen könnte,
was denn so ungefähr belastbar ist, ob
jetzt das Nature Magazin drinsteht, wird
wahrscheinlich drinstehen, und wie dann
eben damit umgegangen wird, wenn z.B. im
Spiegel sowas wie mit Relotius passiert,
wo man davon ausgeht: Ja, das ist eine
belastbare Quelle. Und dann passiert sowas
und was passiert da in der Community? Das
ist einfach nur so einen kleinen Einblick,
vielleicht habt ihr da schon was
mitgekriegt?
Sandro: Also zu dem ganz aktuellen Fall im
Spiegel kann ich jetzt nichts sagen, aber
grundsätzlich ist es so:
Einzelfallprüfungen. Das heißt, es gibt
jetzt nicht eine Liste von Medien, die
sind definitiv vertrauenswürdig und die
sind definitiv nicht vertrauenswürdig. Das
ist nicht vorhanden, was es gibt ist eine
Spam Blacklist, einfach von beispielsweise
Seiten von Gewerbetreibenden, die sehr
häufig in Artikel gespammt wurden, die
dann geblockt werden. Aber ansonsten
gibt's keine Whitelist oder Blacklist in
dem Sinne.
John: Noch zur Frage der Filterbubble,
bevor du wegläufst: Also ich persönlich
hab immer wieder mit dem Thema zu tun,
weil es sowohl vom rechten als auch vom
linken Rand des politischen Spektrums
immer wieder den Vorwurf gibt, irgendwie,
da wäre jetzt irgendeinen Bias drin oder
eine, weiß ich nicht. Ich habe es...
immer, wo wir es untersucht haben, war es
so, dass es nie eine Diskussion gab, wo es
keinen Widerspruch gab zu irgendeinem
Punkt, also dieses Filterbubble-Syndrom,
dass alle sich auf einmal einig sind,
kommt aus meiner Sicht in den Diskussionen
auf der Wiki nicht vor. Also ich habe es
noch nirgendwo erlebt, dass da keiner
widersprochen hätte. Und das spricht ein
bisschen dagegen, dass es so eine krasse
Filterbubble gibt an der Stelle.
Daniel: Ist natürlich schon irgendwo
ironisch, dass ausgerechnet Wikipedia
Online-Medien eher kritisch sieht. Ist
glaube ich auch ganz so allgemein
nicht richtig. Aber es gibt schon einen
gewissen, ein gewisses Bestreben, sich auf
Medien zu konzentrieren, wo die
Autorenschaft gut einsehbar ist. Und das
wiederum hat Wikipedia ja zumindest in
pseudonymen Sinne. Man kann sehen, wer was
geschrieben hat und bei irgendeinem Blog
von irgendjemandem hat man das halt nicht.
Bei einem gedruckten Buch hat man das
schon eher. Also ich glaube, das ist
eigentlich eher der Hintergrund. Wer
publiziert das eigentlich, wer schreibt
das eigentlich? Solange das
nachvollziehbar ist, ist glaube ich online
offline nicht so wirklich das schlagende
Kriterium.
Q: Das ist vielleicht eine komische Frage
oder naive Frage oder blöde Frage. Keine
Ahnung. Ihr redet immer von der Community.
Also Wikimedia ist eine greifbare
Organisation und immer wenn es um "die"
Community geht, dann kann man schön auf
"die" Community, also eine eine vage
amorphe Masse von irgendwelchen Dingen,
Menschen oder sonstigen Wesen verweisen,
die irgendwelche Entscheidungen trifft.
Hat die einen... kann man die greifen?
Also sind das irgendwie zufällige
Menschen, die man irgendwo sieht oder kann
man die irgendwie anfassen?
Verena: Ja, die kann man tatsächlich
greifen. Er ist z.B. Teil davon. Also wir
haben im Community Management bei
Wikimedia Deutschland natürlich nicht mit
allen allen aus der Community zu tun. Also
von den 6000 sehr aktiven Menschen, die
regelmäßig zu Wikipedia beitragen, kennen
wir persönlich etwa 700. Das finde ich
einen okayen Anteil - könnte natürlich
noch mehr sein, aber dann kommt natürlich
auch das Anonymitätsprinzip zum tragen.
Also viele, die zur Wikipedia beitragen,
wollen anonym bleiben und wollen auch uns
gegenüber nicht in Erscheinung treten. Ich
glaube aber, diese 700, die wir
tatsächlich persönlich kennen, die sind
relativ repräsentativ und einige von denen
sind tatsächlich sogar regelmäßig zum
Anfassen zu haben. Also es gibt inzwischen
vier Standorte, wo wir als Verein
Ladenlokale angemietet haben, die dann vor
Ort von Menschen aus der Community
regelmäßig in irgendeiner Art und Weise
bespielt werden. Sei es, dass sie da
Einführungen für Wikipedia geben, sei es,
dass es da verwandte Veranstaltungen gibt
oder ähnliches. Also es gibt in Berlin,
München, Hamburg und Köln, wo man
tatsächlich hingehen kann und sich
Community angucken kann.
Sandro: Ein Satz noch. Eine größere Anzahl
von Menschen, meist so um die 300, kann
man auch in Real live erleben. Denn wir
haben ja jedes Jahr die sogenannte
WikiCon, was die Konferenz der
Wikipedianerinnen und Wikipedianer oder
Aktiver von Schwesterprojekten oder nahen
Projekten ist, die findet jedes Jahr in
einem anderen Ort statt. Wir waren 2017
beispielsweise in Leipzig. Also hier gar
nicht ganz so weit weg von hier. Wir waren
2018 jetzt in Sankt Gallen und im nächsten
Jahr hörte ich es wird Wuppertal werden,
wo man sich dann trifft und wo es auch die
Möglichkeit geben wird, als jemand, der
jetzt nicht so tief in den Wikimedia
Projekten drin ist, einen Einblick zu
erhalten in eine unterschiedliche Art und
Weise. Also wir hatten in Leipzig damals
ein Forum des freien Wissens, wo man sich
über verschiedene Themen informieren
konnte. Ähnliches wird es sicherlich auch
wieder in Wuppertal geben.
Daniel: International gibt es das auch.
Die Wikimania jedes Jahr mit 1 000
Teilnehmern oder so, nächstes Jahr in
Schweden. Ich finde es aber eigentlich
gerade faszinierend, dass Wikipedia wird
halt wirklich von dieser amorphen
unfassbaren Menge von Leuten geschrieben,
die da zusammenarbeiten, ohne feste
Strukturen und Wikimedia als Verein ist
halt wirklich nur ein Förderverein zum
Infrastruktur stellen und den Rest machen
die. Dass das überhaupt geht, ist einfach
absolut faszinierend.
Q: Also die ergänzende Frage wäre, die
jetzt glaub ich du gerade beantwortet
hast, hat die Community eine Vertretung
oder irgendeine Form von Zentralkomitee
oder so was?
Verena: Jein, also das, was sie selbst
sich gibt, also die Wikipedia Community
ist so das Paradebeispiel für
Selbstorganisation, wie sie schon seit
Jahren funktioniert, also wie ich es
eigentlich bloß von wenigen anderen
Projekten kenne, in der Regel sind das
dann Software Entwicklungsprojekte, die
ähnlich halbwegs reibungslos
selbstorganisiert funktionieren. Und
letztlich ist ehrlich gesagt auch der
Verein auf Bestreben der Community hin
entstanden, weil es eine rechtliche
Instanz brauchte. Und deswegen ist ein
Verein gegründet worden, der über die
Jahre gewachsen ist.
Sandro: Und dann gibt es natürlich auch
Menschen mit besonderen Rechten, die
Administratoren so als Gremium von
Personen, die schon Dinge kontrollieren
und regulieren können, an gewissen
Stellen. Auf internationaler Ebene gibt's
dann die sogenannten Stewards. Die können
das für alle Projekte als internationale
Gruppe. Und die werden natürlich auch in
gewissen Fragen von der Wikimedia
Foundation und ihren Mitarbeitenden da
unterstützt.
Daniel: Also so wahnsinnig viele Rechte...
die können jetzt auch nicht Policies
bestimmen oder so. Die können halt... das
sind Leute, denen wurde international
Vertrauen von der Community ausgesprochen.
Die können ein paar Dinge, die andere
Leute nicht können, z.B. IP-Adressen von
Accounts sehen, um in extremen Fällen
rausfinden zu können, ob da, naja,
Schindluder getrieben wird z.B.. Und das
ist wirklich nur eine Handvoll Leute.
Verena: Genau, das sind diejenigen, die im
Zweifelsfall Wikipedia abschalten können
und selbst das eigentlich nicht so
richtig.
Q: Gute Frage, wer hat denn die IT. Also
wer hostet denn Wikipedia? Und wer hat die
Rechte auf die Datenbanken? Und wie
schützt ihr das alles?
Daniel: Das ist... das ist die Wikimedia
Foundation in den USA und die wirklich
Rechte auf der administrativen Ebene
direkten Zugang zu der Datenbank, zu den
Servern und so weiter haben Entwickler,
die in aller Regel - ich glaube
mittlerweile sind es alle Angestellte sind
von der Foundation - die entsprechende
Verträge haben, die entsprechend auch
haftbar sind. Einige... betrifft auch
einige Wikimedia Mitarbeiter von Wikimedia
Deutschland. Das sind nicht so wahnsinnig
viele, aber es ist tatsächlich... es gibt
da ein Bestreben, da durch Verträge dafür
zu sorgen, dass da kein Mist passiert.
Historisch war das tatsächlich anders.
Also ziemlich lange wurde auch die gesamte
Infrastruktur von Freiwilligen betrieben.
Und du musst es einfach hoffen, dass die
nachts aufstehen und den Server
reparieren, wenn du angerufen hast. Das
ist also, als ich angefangen habe 2004/05,
wo Wikipedia schon einige 10 000 Artikel
hatte und auch langsam so das Standard-
Referenzwerk online war, da hatte die
Wikimedia Foundation einen Mitarbeiter
bezahlt und Chapter... naja, der
Verein war gegründet, aber hatte auch noch
keine Mitarbeiter. Also das ging ziemlich
lange ziemlich gut, erstaunlicherweise.
John: Und dann gibt's noch die Funktion
des Brandings, also des Wikipedia-Balls,
der Logos - all das Zeug ist auch in den
Händen der Foundation. Ganz einfach, weil
es eine Instanz braucht, die
Rechteinhabern an den Marken ist, um zu
verhindern, dass jemand Missbrauch mit
den Marken betreiben kann. Also das ist,
weil alle immer sagen: Ja, ist doch alles
so offen bei euch. Warum sind denn, warum
ist denn die Logo Policy so strikt? Ist
ganz klar, weil wenn jeder überall diese
Logos draufmachen könnte und behaupten
könnte, das sei jetzt vom Wikiversum
produziert, wäre natürlich Tür und Tor
geöffnet, um die Marken kaputt zu machen
oder um das Branding kaputt zu machen.
Also das wird sehr strikt gehandhabt und
auch das wird dann eben von der Foundation
vom Legal Team gemacht. Sollen wir Wrap-
uppen? Gibt es noch letzte Worte von euch
oder noch irgendeine ganz wichtige Frage,
die jetzt im letzten Moment noch
aufgepoppt ist? Nein. Dann stelle ich mich
jetzt mal hier runter und danke euch sehr.
Und als nächstes geht's hier weiter mit
digitaler Bildung. Aber jetzt vielen Dank
für Wiki...what?
Applaus
Musik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2021. Mach mit und hilf uns!