Wie ernährt man eine Stadt? Das ist eine der großen Fragen unserer Zeit. Und dennoch ist es eine, die selten gestellt wird. Wir nehmen es als gegeben hin, wenn wir in ein Geschäft gehen oder ein Restaurant, oder in das Foyer hier in ca. einer Stunde, dass dort Essen auf uns wartet, das wie aus dem Nichts zu kommen scheint. Aber wenn Sie daran denken, dass für eine Stadt so groß wie London täglich genug Nahrung produziert, transportiert, gekauft und verkauft, gekocht, gegessen, entsorgt werden muss und dass etwas vergleichbares jeden Tag passieren muss in jeder Stadt der Welt, ist es bemerkenswert, dass Städte überhaupt ernährt werden. Wir leben an solchen Orten als wäre es das Natürlichste auf der Welt und wir vergessen, dass wir Tiere sind und dass wir essen müssen und wir eigentlich von der Natur abhängig sind, so wie unsere Vorfahren es auch waren. Und je mehr Menschen in die Städte ziehen umso größere Naturräume werden in solche außerordentlichen Landschaften verwandelt, wie Sie das hinter mir sehen können. Es sind Soja-Felder in Mata Grosso in Brasilien, um uns zu ernähren. Es sind außerordentliche Landschaften. Aber nur wenige von uns kriegen sie je zu sehen. Und in zunehmendem Maße dienen diese Landschaften nicht nur unserer Nahrungserzeugung. Weil immer mehr Menschen in die Städte ziehen, essen wir immer mehr Fleisch, so dass ein Drittel der jährlichen weltweiten Getreideproduktion an Tiere verfuttert wird statt an uns, die menschlichen Tiere. Und weil man dreimal so viel Getreide braucht -- eingentlich zehn mal soviel -- um einen Menschen durch Nahrung tierischen Ursprungs zu ernähren, ist es kein sehr effizienter Weg dies zu machen. Und es ist auch ein größer werdendes Problem. 2050 werden schätzungsweise doppelt so viele von uns in den Städten leben. Und es wird auch geschätzt, dass doppelt so viel Fleisch- und Milchprodukte konsumiert werden. Der Fleischkonsum und Urbanisierung gehen Hand in Hand. Und das wird sich zu einem gewaltigen Problem entwickeln. Sechs Milliarden hungrige Fleischfresser zu ernähren bis 2050. Das ist ein großes Problem. Und falls wir wie bis jetzt weitermachen, ist es unwahrscheinlich, dass wir dieses Problem werden lösen können. 19 Millionen Hektar Regewald gehen jedes Jahr verloren, um anbaufähige Landflächen zu schaffen. Und zur gleichen Zeit geht eine schon bestehende, gleich große Anbaufläche verloren durch Versalzung und Erosion. Wir sind auch hungrig nach fossilen Brennstoffen. Ungefähr 10 Kalorien werden benötigt, um eine Kalorie Nahrung, die wir im Westen konsumieren, zu produzieren. Und obwohl die Nahrung zu einem hohem Preis hergestellt wird, wissen wir sie nicht zu schätzen. Die Hälfte aller in den USA produzierten Lebensmittel wird weggeschmissen. Und am Ende dieses langen Prozesses sind wir nicht einmal in der Lage den Planeten ordentlich zu ernähren. Eine Milliarde von uns ist fettleibig, während die andere Milliarde hungert. Das macht alles nicht wirklich Sinn. Und wenn man bedenkt, dass sich 80% des globalen Lebensmittelhandels von nur fünf multinationalen Korporationen kontrolliert wird, sehen wir ein düsteres Bild. Während wir in die Städte ziehen, übernimmt die Welt auch westliche Ernährungsweise. Und in die Zukunft blickend, ist eine solche Ernährung nicht zu erhalten. Also, wie sind wir soweit gekommen? Und noch wichtiger, was werden wir diesbezüglich machen? Zuerst die Antwort auf die etwas einfachere Frage. Vor ungefähr 10.000 Jahren begann dieser Prozess im Nahen Osten, auch als Fruchtbarer Halbmond bekannt. Wie Sie sehen hatte das Gebiet die Form eines Halbmondes. Und es war auch fruchtbar. Und hier fanden, vor ungefähr 10.000 Jahren, zwei außerordentliche Erfindungen statt: Landwirtschaft und Städtebau fanden sich zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Das war kein Zufall. Weil Landwirtschaft und Städte zusammen gehören. Sie brauchen einanander. Die Entdeckung des Getreides gab unseren Vorfahren zum ersten mal eine Nahrungsquelle, die groß genug und stabil genug war um dauerhafte Siedlungen zu unterstützen. Und wenn wir uns anschauen wie diese Siedlungen aussahen, sehen wir sie waren kompakt. Sie waren von fruchtbarem Land umgeben und von großen Tempelanlagen dominiert wie diese in Ur die im Grunde geistige, zentralisierte Nahrungsdistributionszentren waren, weil in Tempeln die Ernten organisiert wurden Getreide eingesammelt, den Göttern angeboten, um dann den Rest unter den Menschen zu verteilen. Also wenn Sie wollen das ganze geistige und physische Leben dieser Städte war von Getreide und Ernten dominiert, weil sie die Lebensgrundlage waren. Und eigentlich trifft das auf jede alte Stadt zu. Aber natürlich waren nicht alle so klein. Bekannterweise hatte Rom um eine Million Einwohner im ersten Jahrhundert n.C. So wie ernährte sich eine solche Stadt? Ich nenne die Antwort "antike Nahrungswege". Rom hatte Zugang zum Meer, durch welchen es für die Stadt möglich war, Nahrung von weit weg einzuführen. In der alten Welt, war das die einzige Möglichkeit so etwas zu machen weil es schwer war, Nahrung über die Strassen zu transportieren, weil sie schlecht waren. Und das Essen verdarb sehr schnell. Also führte Rom Kriege gegen Karthago und Ägypten nur um an deren Getreidequellen zu gelangen. Und im Grunde könnte man sagen, dass die Erweiterung des Reiches eine in die Länge gezogene militärische Shoppingwut war. (Gelächter) Eigentlich -- ich mag das, deswegen muss ich das erwähnen: Zu einem Zeitpunkt führte Rom Austern aus Britannien ein. Ich denke das ist außerordentlich. Also formte Rom sein Hinterland mit seinem Appetit. Aber interssanterweise passierte auch etwas anderes in der vorindustriellen Welt. Wenn wir uns London des 17. Jahrhunderts anschauen sehen wir, dass sein Getreide über die Themse kommt, hier am unteren Ende der Karte. So waren die Getreidemärkte im Süden der Stadt. Und die Straßen, die von ihnen weg führten nach Cheapside, wo der Hauptmarkt war, das waren alles Getreidemärkte. Und wenn man sich einen der Straßennamen ansieht, Bread Street (Brotstraße), wissen sie, was sich dort vor 300 Jahren abgespielt hat. Das gleiche gilt natürlich auch für den Fisch. Dieser kam natürlich auch über den Fluss. Hier das gleiche. Und natürlich war Billingsgate Londons bekanntester Fischmarkt, welcher bis Mitte der 80er hier existierte, Das ist wirklich außerordentlich, wenn Sie das bedenken. Während viele mit ziegelsteingroßen Handys herumliefen kam der stinkende Fisch unten im Hafen an. Das ist noch so eine Sache über die Nahrungswege einer Stadt: Wenn die Wurzeln an einer Stelle einmal geschlagen sind, bewegen sie sich kaum noch. Bei Fleisch sieht es schon ganz anders aus, weil Tiere natürlich die Städte betreten konnten. So kam das meiste Fleisch in London aus dem Nordwesten an, aus Schottland und Wales. Also kam es im Nordwesten der Stadt an, dort bei Smithfield, wo sich Londons großer Fleischmarkt befindet. Geflügel kam aus Ostanglien, im Nordosten. Ich fühle mich ein bisschen wie in der Wettervorhersage. Wie auch immer. Also kam das Geflügel, deren Füße durch kleine Stofffetzen gebunden waren. Und beim Erreichen der Stadt im Osten, in Cheapside, werden sie zum Verkauf angeboten. Das ist warum es Poultry (Geflügel) heisst. Und wenn Sie sich die Karte einer beliebigen Stadt anschauen, die vor dem Industriezeitalter enstanden ist, können sie die Spuren der ankommenden Nahrung entdecken. Man kann tatsächlich sehen, wie sie von der Nahrung geformt wurde, in dem man sich die Straßennamen auguckt, die geben viele Hinweise. Friday Street (Freitagstraße) war damals, wo sie sich den Fisch am Freitag holten. Aber Sie müssen sich die Straßen voller Lebensmittel vorstellen, weil nur auf den Straßen und den öffentlichen Plätzen die Lebensmittel gekauft und verkauft wurden. Und wenn man sich Smithfield im Jahre 1830 anschaut, sieht man, dass es sehr schwer wäre in einer solchen Stadt zu leben, ohne zu wissen woher das Essen eigentlich kommt. Und während sie ihr Sonntagsessen genossen, konnte man davon ausgehen, dass es vor wenigen Tagen noch unter ihren Fenstern bähte und muhte. Also war das eine Bio-Stadt, Teil eines biologischen Kreislaufs. Und 10 Jahre später, änderte sich alles. Das ist das Bild der Great Western Eisenbahn im 1840. Und wie man sieht, waren unter den ersten Zugreisenden Schweine und Schafe. So laufen die Tiere auf einmal nicht mehr zum Markt. Sie werden nicht mehr im sichtbarem Umfeld geschlachtet, sondern irgendwo auf dem Land. Und werden mit der Eisenbahn in die Städte gebracht. Und das verändert nun alles. Zum einem, ist es zum ersten mal möglich Städte beliebiger Größe und Form an einem beliebigen Ort wachsen zu lassen. Die Städte waren durch ihre geografische Lage eingeschränkt, denn die Lebensmittelbesorgung gestaltete sich schwierig. Doch auf einmal sind sie von der geografischen Abhängigkeit befreit. Man kann das an diesen London-Karten sehen, 90 Jahre nachdem die Eisenbahn kam. Es wächst von einem einfach zu ernähernden kleinen Kleks, wo die Tiere noch auf ihren Beinen kamen, zu einem großen Schlamassel, das man sehr sehr schwer mit irgendwas was auf den Beinen kommt, ernähert - weder Tiere noch Menschen. Und das war natürlich erst der Beginn. Nach der Eisenbahn kamen die Autos. Und somit ist der Prozess beendet. Es ist der endgültige Bruch der Städte mit allen Beziehungen zur Natur. Und so eine Stadt ist frei von Gerüchen frei von Chaos, und sicher auch frei von Menschen. Weil es sich niemand vorstellen konnte so eine Landschaft zu betreten. Wenn man jetzt an Nahrung kommen wollte, nahm man sein Auto, fuhr damit zu einem Geschäft am Stadtrand, holte sich die wöchentliche Ration und wunderte sich, was damit anzustellen sei. Und an diesem Punkt ändert sich unsere Beziehung komplett, sowohl zur Nahrung als auch zu den Städten. Hier haben wir das Essen - also war hier der Mittelpunkt, der soziale Kern einer Stadt -- in der Peripherie. Nahrungsmittel kaufen und verkaufen war ein gesellschaftliches Ereignis. Jetzt ist es anonym. Wir kochten; jetzt geben wir nur noch Wasser hinzu, oder ein Ei, falls Sie einen Kuchen backen oder sowas. Wir riechen nicht mehr an den Lebensmitteln, um zu prüfen, ob sie in Ordnung sind. Wie lesen das Etikett auf der Rückseite durch. Und wir schätzen das Essen nicht. Wir vertrauen ihm nicht. Also anstatt ihm zu vertrauen, fürchten wir uns vor ihm. Und anstatt es zu schätzen, schmeissen wir es weg. Eine große Ironie des modernen Ernährungssystems ist, die Dinge die einfacher werden sollten sind jetzt viel schwieriger. Weil es möglich wurde die Städte an beliebigen Orten zu bauen entfernten wir uns von unserer wichtigsten Beziehung, und zwar die zwischen uns und der Natur. Und diese machten uns von einem System abhängig, das nur sie bieten können, und welches - wie wir gesehen haben - nicht aufrechtzuerhalten ist. Also was machen wir diesbezüglich? Das ist keine neue Frage. Vor 500 Jahren hat sich das Thomas More auch gefragt. Hier ist das Titelbild seines Buches "Utopia". Das war eine Anzahl von halb-unabhängigen Stadtstaaten - falls das bekannt vorkommt. Sie waren eine Tagesreise voneinander entfernt, wo jeder Gemüse im Garten anbaute, an gemeinsamen Mahlzeiten teilnahm und so weiter. Und ich glaube argumentieren zu können, dass die Nahrung das fundamentale Ordnugsprinzip von Utopia ist. Auch wenn More das nie so formuliert hätte. Und hier ist eine andere berühmte "Utopia" Vision, die von Ebenezer Howard "Die Gartenstadt". Die gleiche Idee. Eine Anzahl von halb-unabhängigen Stadtstaaten. Kleine urbane Flächen, mit bebaubarem Land dazwischen untereinander durch die Eisenbahn verbunden. Und wieder könnte man sagen, dass die Nahrung das Ordnungprinzip dieser Vision darstellt. Es wurde sogar gebaut, hatte aber nichts mit der Vision zu tun, die Howard hatte. Aber das ist das Problem von Utopien, sie sind utopisch. Das Wort Utopie nutzte Thomas Moore absichtlich. Es war irgendwie ein Scherz, weil es aus dem griechischen eine Doppelbedeutung hat. Es bedeutet entweder ein guter Ort oder nirgendwo. Weil es ein Ideal ist. Eine unwirkliche Sache. Wir können es nicht haben. Und ich denke, als Konzeptrahmen, um über das tiefgründige Problem der menschlichen Siedlungen zu denken, hilft es nicht viel. Also bin ich mit einer Alternative gekommen, und die ist Sitopia, aus dem Altgriechischen, "sitos" ist Nahrung und "topos" ein Ort. Ich glaube wir leben schon in einer Sitopia. Wir leben in einer Welt, die von der Nahrung geformt wird, und wenn wir das wissen, können wir die Nahrung als mächtiges Instrument benutzen, ein konzeptionelles Instrument, ein Designwerkzeug, um die Welt anders zu formen. Sollten wir das machen, wie würde Sitopia aussehen? Also ich denke, sie sieht in etwa so aus. Ich muss diese Folie benutzen; nur des Hundeblicks wegen. Wie auch immer, das ist -- (Gelächter) das Essen ist im Mittelpunkt des Lebens Mittelpunkt des Familienlebens, es wird gefeiert, genossen, Leute nehmen sich dafür Zeit. Hier müsste die Nahrung in unserer Gesellschaft stehen. Aber solche Szenen wird es nicht geben, bevor es solche Leute gibt. Übrigens, es können auch Männer sein. Es sind Leute, die über Ernährung nachdenken, die vorausdenken, die planen, die sich verschiedene Gemüsesorten anschauen und sie tatsächlich benennen können. Wir brauchen diese Leute. Wir sind Teil eines Netzwerks. Weil wir ohne solche Leute solche Orte nicht haben können. Das habe ich absichtlich ausgesucht, weil ein Mann hier Gemüse kauft. Aber Netzwerke, Märkte, wo Lebensmittel regional angebaut werden. Es ist natürlich. Es ist frisch. Es ist Teil des sozialen Lebens einer Stadt. Man kann nicht ohne das solche Orte haben. Nahrungsmittel, das lokal angebaut wird, ist auch ein Teil der Landschaft und nicht nur eine Nullsummen-Ware aus einem dunklen Loch. Kühe mit Aussicht. Dampfende Haufen von Humus. Das bringt im Grunde das Ganze zusammen. Das ist ein Gemeindeprojekt. Letztens war ich in Toronto. Das ist ein Gewächshaus, wo die Kinder erklärt bekommen, wie man das eigene Essen anbaut. Hier ist eine Pflanze namens Kevin, oder vielleicht gehört sie einem Kind namens Kevin. Ich weiss es nicht. Wie auch immer, solche Projekte, die unsere Beziehung zur Natur wiederherstellen, sind immens wichtig. Also ist für mich Sitopia eine Betrachtungsweise. Es geht darum zu erkennen, dass Sitopia hier und da schon in kleinem Maße existiert. Es geht darum sich anzuschliessen und das Essen als Betrachtungsweise zu benutzen. Und wenn wir das machen, werden wir die Städte nicht mehr als große, unproduktive Klekse sehen, wie diese es sind. Wir werden sie dann eher als Teil eines produktiven, biologischen Systems ansehen, dem sie zwangsläufig gehören und mit dem sie symbiotisch verbunden sind. Aber das ist auch nicht das ganz große Bild. Weil wir die Lebensmittel nicht mehr so herstellen müssen. Wir müssen mehr über die Permakultur nachdenken, weshalb für mich dieses Bild das Ganze auf den Punkt bringt, was wir tun müssen. Es ist eine Rekonzeptualisierung der Wege, wie die Nahrung unser Leben beeinflusst. Das beste Bild, das ich diesbezüglich kenne, ist 650 jahre alt Es ist Ambrogio Lorenzettis "Das Sinnbild der Guten Regierung". Es geht um das Verhältnis zwischen Stadt und Land. Und die Botschaft ist denke ich sehr klar. Wenn sich die Stadt um das Land kümmert, wird sich das Land um die Stadt kümmern. Und ich will, dass wir uns fragen, wie Ambrogio Lorenzetti das Bild malen, wenn er es heute malen würde. Wie würde die Allegorie guter Regierung heute aussehen? Ich denke es ist eine dringende Frage. Eine, die wir stellen müssen und anfangen müssen sie zu beantworten Wir wissen, wir sind was wir essen. Wir müssen verstehen, dass die Welt auch das ist, was wir essen. Wenn wir diese Idee akzeptieren, können wir das Essen nutzen als ein mächtiges Werkzeug, um eine bessere Welt zu erschaffen. Vielen Dank. (Applaus)