0:00:00.000,0:00:04.000
Wie ernährt man eine Stadt?

0:00:04.000,0:00:06.000
Das ist eine der großen Fragen unserer Zeit.

0:00:06.000,0:00:08.000
Und dennoch ist es eine, die selten gestellt wird.

0:00:08.000,0:00:11.000
Wir nehmen es als gegeben hin, wenn wir in ein Geschäft gehen

0:00:11.000,0:00:15.000
oder ein Restaurant, oder in das Foyer hier in ca. einer Stunde,

0:00:15.000,0:00:18.000
dass dort Essen auf uns wartet,

0:00:18.000,0:00:20.000
das wie aus dem Nichts zu kommen scheint.

0:00:20.000,0:00:25.000
Aber wenn Sie daran denken, dass für eine Stadt so groß wie London

0:00:25.000,0:00:28.000
täglich genug Nahrung produziert,

0:00:28.000,0:00:31.000
transportiert, gekauft und verkauft,

0:00:31.000,0:00:35.000
gekocht, gegessen, entsorgt werden muss

0:00:35.000,0:00:37.000
und dass etwas vergleichbares jeden Tag passieren muss

0:00:37.000,0:00:39.000
in jeder Stadt der Welt,

0:00:39.000,0:00:42.000
ist es bemerkenswert, dass Städte überhaupt ernährt werden.

0:00:42.000,0:00:44.000
Wir leben an solchen Orten

0:00:44.000,0:00:47.000
als wäre es das Natürlichste auf der Welt

0:00:47.000,0:00:49.000
und wir vergessen, dass wir Tiere sind

0:00:49.000,0:00:51.000
und dass wir essen müssen

0:00:51.000,0:00:55.000
und wir eigentlich von der Natur abhängig sind,

0:00:55.000,0:00:57.000
so wie unsere Vorfahren es auch waren.

0:00:57.000,0:00:59.000
Und je mehr Menschen in die Städte ziehen

0:00:59.000,0:01:02.000
umso größere Naturräume

0:01:02.000,0:01:05.000
werden in solche außerordentlichen Landschaften verwandelt, wie Sie das hinter mir sehen können.

0:01:05.000,0:01:08.000
Es sind Soja-Felder in Mata Grosso in Brasilien,

0:01:08.000,0:01:11.000
um uns zu ernähren.

0:01:11.000,0:01:13.000
Es sind außerordentliche Landschaften.

0:01:13.000,0:01:15.000
Aber nur wenige von uns kriegen sie je zu sehen.

0:01:15.000,0:01:17.000
Und in zunehmendem Maße dienen diese Landschaften

0:01:17.000,0:01:19.000
nicht nur unserer Nahrungserzeugung.

0:01:19.000,0:01:21.000
Weil immer mehr Menschen in die Städte ziehen,

0:01:21.000,0:01:23.000
essen wir immer mehr Fleisch,

0:01:23.000,0:01:26.000
so dass ein Drittel der jährlichen weltweiten Getreideproduktion

0:01:26.000,0:01:28.000
an Tiere verfuttert wird

0:01:28.000,0:01:30.000
statt an uns, die menschlichen Tiere.

0:01:30.000,0:01:34.000
Und weil man dreimal so viel Getreide braucht --

0:01:34.000,0:01:36.000
eingentlich zehn mal soviel --

0:01:36.000,0:01:39.000
um einen Menschen durch Nahrung tierischen Ursprungs zu ernähren,

0:01:39.000,0:01:44.000
ist es kein sehr effizienter Weg dies zu machen.

0:01:44.000,0:01:46.000
Und es ist auch ein größer werdendes Problem.

0:01:46.000,0:01:49.000
2050 werden schätzungsweise doppelt so viele von uns

0:01:49.000,0:01:51.000
in den Städten leben.

0:01:51.000,0:01:53.000
Und es wird auch geschätzt, dass doppelt so viel

0:01:53.000,0:01:55.000
Fleisch- und Milchprodukte konsumiert werden.

0:01:55.000,0:02:00.000
Der Fleischkonsum und Urbanisierung gehen Hand in Hand.

0:02:00.000,0:02:02.000
Und das wird sich zu einem gewaltigen Problem entwickeln.

0:02:02.000,0:02:05.000
Sechs Milliarden hungrige Fleischfresser zu ernähren

0:02:05.000,0:02:09.000
bis 2050.

0:02:09.000,0:02:11.000
Das ist ein großes Problem. Und falls wir wie bis jetzt weitermachen,

0:02:11.000,0:02:14.000
ist es unwahrscheinlich, dass wir dieses Problem werden lösen können.

0:02:14.000,0:02:18.000
19 Millionen Hektar Regewald gehen jedes Jahr verloren,

0:02:18.000,0:02:20.000
um anbaufähige Landflächen zu schaffen.

0:02:20.000,0:02:23.000
Und zur gleichen Zeit geht eine schon bestehende, gleich große

0:02:23.000,0:02:27.000
Anbaufläche verloren durch Versalzung und Erosion.

0:02:27.000,0:02:30.000
Wir sind auch hungrig nach fossilen Brennstoffen.

0:02:30.000,0:02:33.000
Ungefähr 10 Kalorien werden benötigt, um eine Kalorie

0:02:33.000,0:02:37.000
Nahrung, die wir im Westen konsumieren, zu produzieren.

0:02:37.000,0:02:41.000
Und obwohl die Nahrung zu einem hohem Preis hergestellt wird,

0:02:41.000,0:02:43.000
wissen wir sie nicht zu schätzen.

0:02:43.000,0:02:47.000
Die Hälfte aller in den USA produzierten Lebensmittel wird weggeschmissen.

0:02:47.000,0:02:50.000
Und am Ende dieses langen Prozesses

0:02:50.000,0:02:53.000
sind wir nicht einmal in der Lage den Planeten ordentlich zu ernähren.

0:02:53.000,0:02:58.000
Eine Milliarde von uns ist fettleibig, während die andere Milliarde hungert.

0:02:58.000,0:03:00.000
Das macht alles nicht wirklich Sinn.

0:03:00.000,0:03:03.000
Und wenn man bedenkt, dass sich 80% des globalen Lebensmittelhandels

0:03:03.000,0:03:08.000
von nur fünf multinationalen Korporationen kontrolliert wird,

0:03:08.000,0:03:10.000
sehen wir ein düsteres Bild.

0:03:10.000,0:03:13.000
Während wir in die Städte ziehen, übernimmt die Welt auch westliche Ernährungsweise.

0:03:13.000,0:03:16.000
Und in die Zukunft blickend,

0:03:16.000,0:03:18.000
ist eine solche Ernährung nicht zu erhalten.

0:03:18.000,0:03:20.000
Also, wie sind wir soweit gekommen?

0:03:20.000,0:03:23.000
Und noch wichtiger, was werden wir diesbezüglich machen?

0:03:23.000,0:03:27.000
Zuerst die Antwort auf die etwas einfachere Frage.

0:03:27.000,0:03:29.000
Vor ungefähr 10.000 Jahren

0:03:29.000,0:03:31.000
begann dieser Prozess

0:03:31.000,0:03:33.000
im Nahen Osten,

0:03:33.000,0:03:35.000
auch als Fruchtbarer Halbmond bekannt.

0:03:35.000,0:03:37.000
Wie Sie sehen hatte das Gebiet die Form eines Halbmondes.

0:03:37.000,0:03:39.000
Und es war auch fruchtbar.

0:03:39.000,0:03:42.000
Und hier fanden, vor ungefähr 10.000 Jahren,

0:03:42.000,0:03:44.000
zwei außerordentliche Erfindungen statt:

0:03:44.000,0:03:47.000
Landwirtschaft und Städtebau fanden sich

0:03:47.000,0:03:50.000
zur gleichen Zeit am gleichen Ort.

0:03:50.000,0:03:52.000
Das war kein Zufall.

0:03:52.000,0:03:56.000
Weil Landwirtschaft und Städte zusammen gehören. Sie brauchen einanander.

0:03:56.000,0:03:58.000
Die Entdeckung des Getreides

0:03:58.000,0:04:01.000
gab unseren Vorfahren zum ersten mal

0:04:01.000,0:04:04.000
eine Nahrungsquelle, die groß genug

0:04:04.000,0:04:08.000
und stabil genug war um dauerhafte Siedlungen zu unterstützen.

0:04:08.000,0:04:10.000
Und wenn wir uns anschauen wie diese Siedlungen aussahen,

0:04:10.000,0:04:12.000
sehen wir sie waren kompakt.

0:04:12.000,0:04:14.000
Sie waren von fruchtbarem Land umgeben

0:04:14.000,0:04:17.000
und von großen Tempelanlagen dominiert

0:04:17.000,0:04:19.000
wie diese in Ur

0:04:19.000,0:04:21.000
die im Grunde

0:04:21.000,0:04:24.000
geistige, zentralisierte Nahrungsdistributionszentren waren,

0:04:24.000,0:04:27.000
weil in Tempeln die Ernten organisiert wurden

0:04:27.000,0:04:29.000
Getreide eingesammelt, den Göttern angeboten,

0:04:29.000,0:04:33.000
um dann den Rest unter den Menschen zu verteilen.

0:04:33.000,0:04:35.000
Also wenn Sie wollen

0:04:35.000,0:04:37.000
das ganze geistige und physische Leben dieser Städte

0:04:37.000,0:04:40.000
war von Getreide und Ernten dominiert,

0:04:40.000,0:04:43.000
weil sie die Lebensgrundlage waren.

0:04:43.000,0:04:46.000
Und eigentlich trifft das auf jede alte Stadt zu.

0:04:46.000,0:04:48.000
Aber natürlich waren nicht alle so klein.

0:04:48.000,0:04:51.000
Bekannterweise hatte Rom um eine Million Einwohner

0:04:51.000,0:04:53.000
im ersten Jahrhundert n.C.

0:04:53.000,0:04:57.000
So wie ernährte sich eine solche Stadt?

0:04:57.000,0:05:00.000
Ich nenne die Antwort "antike Nahrungswege".

0:05:00.000,0:05:03.000
Rom hatte Zugang zum Meer,

0:05:03.000,0:05:06.000
durch welchen es für die Stadt möglich war, Nahrung von weit weg einzuführen.

0:05:06.000,0:05:09.000
In der alten Welt, war das die einzige Möglichkeit so etwas zu machen

0:05:09.000,0:05:12.000
weil es schwer war, Nahrung über die Strassen zu transportieren,

0:05:12.000,0:05:14.000
weil sie schlecht waren.

0:05:14.000,0:05:16.000
Und das Essen verdarb sehr schnell.

0:05:16.000,0:05:18.000
Also führte Rom Kriege

0:05:18.000,0:05:21.000
gegen Karthago und Ägypten

0:05:21.000,0:05:23.000
nur um an deren Getreidequellen zu gelangen.

0:05:23.000,0:05:26.000
Und im Grunde könnte man sagen, dass die Erweiterung des Reiches

0:05:26.000,0:05:29.000
eine in die Länge gezogene

0:05:29.000,0:05:31.000
militärische Shoppingwut war.

0:05:31.000,0:05:33.000
(Gelächter)

0:05:33.000,0:05:35.000
Eigentlich -- ich mag das, deswegen muss ich das erwähnen:

0:05:35.000,0:05:38.000
Zu einem Zeitpunkt führte Rom

0:05:38.000,0:05:40.000
Austern aus Britannien ein. Ich denke das ist außerordentlich.

0:05:40.000,0:05:43.000
Also formte Rom sein Hinterland

0:05:43.000,0:05:45.000
mit seinem Appetit.

0:05:45.000,0:05:47.000
Aber interssanterweise passierte auch etwas anderes

0:05:47.000,0:05:49.000
in der vorindustriellen Welt.

0:05:49.000,0:05:52.000
Wenn wir uns London des 17. Jahrhunderts anschauen

0:05:52.000,0:05:55.000
sehen wir, dass sein Getreide über die Themse kommt,

0:05:55.000,0:05:57.000
hier am unteren Ende der Karte.

0:05:57.000,0:06:00.000
So waren die Getreidemärkte im Süden der Stadt.

0:06:00.000,0:06:02.000
Und die Straßen, die von ihnen weg führten

0:06:02.000,0:06:04.000
nach Cheapside, wo der Hauptmarkt war,

0:06:04.000,0:06:06.000
das waren alles Getreidemärkte.

0:06:06.000,0:06:08.000
Und wenn man sich einen der Straßennamen ansieht,

0:06:08.000,0:06:11.000
Bread Street (Brotstraße), wissen sie,

0:06:11.000,0:06:14.000
was sich dort vor 300 Jahren abgespielt hat.

0:06:14.000,0:06:16.000
Das gleiche gilt natürlich auch für den Fisch.

0:06:16.000,0:06:19.000
Dieser kam natürlich auch über den Fluss. Hier das gleiche.

0:06:19.000,0:06:22.000
Und natürlich war Billingsgate Londons bekanntester Fischmarkt,

0:06:22.000,0:06:26.000
welcher bis Mitte der 80er hier existierte,

0:06:26.000,0:06:28.000
Das ist wirklich außerordentlich, wenn Sie das bedenken.

0:06:28.000,0:06:30.000
Während viele mit ziegelsteingroßen

0:06:30.000,0:06:32.000
Handys herumliefen

0:06:32.000,0:06:35.000
kam der stinkende Fisch unten im Hafen an.

0:06:35.000,0:06:38.000
Das ist noch so eine Sache über die Nahrungswege einer Stadt:

0:06:38.000,0:06:41.000
Wenn die Wurzeln an einer Stelle einmal geschlagen sind,

0:06:41.000,0:06:43.000
bewegen sie sich kaum noch.

0:06:43.000,0:06:45.000
Bei Fleisch sieht es schon ganz anders aus,

0:06:45.000,0:06:47.000
weil Tiere natürlich die Städte betreten konnten.

0:06:47.000,0:06:49.000
So kam das meiste Fleisch in London

0:06:49.000,0:06:51.000
aus dem Nordwesten an,

0:06:51.000,0:06:53.000
aus Schottland und Wales.

0:06:53.000,0:06:56.000
Also kam es im Nordwesten der Stadt an,

0:06:56.000,0:06:58.000
dort bei Smithfield,

0:06:58.000,0:07:01.000
wo sich Londons großer Fleischmarkt befindet.

0:07:01.000,0:07:05.000
Geflügel kam aus Ostanglien, im Nordosten.

0:07:05.000,0:07:06.000
Ich fühle mich ein bisschen wie in der Wettervorhersage. Wie auch immer.

0:07:06.000,0:07:10.000
Also kam das Geflügel,

0:07:10.000,0:07:13.000
deren Füße durch kleine Stofffetzen gebunden waren.

0:07:13.000,0:07:15.000
Und beim Erreichen der Stadt im Osten,

0:07:15.000,0:07:17.000
in Cheapside, werden sie zum Verkauf angeboten.

0:07:17.000,0:07:19.000
Das ist warum es Poultry (Geflügel) heisst.

0:07:19.000,0:07:22.000
Und wenn Sie sich die Karte einer beliebigen Stadt anschauen,

0:07:22.000,0:07:26.000
die vor dem Industriezeitalter enstanden ist,

0:07:26.000,0:07:28.000
können sie die Spuren der ankommenden Nahrung entdecken.

0:07:28.000,0:07:31.000
Man kann tatsächlich sehen, wie sie von der Nahrung geformt wurde,

0:07:31.000,0:07:34.000
in dem man sich die Straßennamen auguckt, die geben viele Hinweise.

0:07:34.000,0:07:36.000
Friday Street (Freitagstraße) war damals,

0:07:36.000,0:07:38.000
wo sie sich den Fisch am Freitag holten.

0:07:38.000,0:07:40.000
Aber Sie müssen sich die Straßen voller Lebensmittel vorstellen,

0:07:40.000,0:07:43.000
weil nur auf den Straßen und den öffentlichen Plätzen

0:07:43.000,0:07:46.000
die Lebensmittel gekauft und verkauft wurden.

0:07:46.000,0:07:49.000
Und wenn man sich Smithfield im Jahre 1830 anschaut,

0:07:49.000,0:07:52.000
sieht man, dass es sehr schwer wäre in einer solchen Stadt zu leben,

0:07:52.000,0:07:54.000
ohne zu wissen woher das Essen eigentlich kommt.

0:07:54.000,0:07:56.000
Und während sie ihr Sonntagsessen genossen,

0:07:56.000,0:07:58.000
konnte man davon ausgehen, dass es vor wenigen Tagen

0:07:58.000,0:08:00.000
noch unter ihren Fenstern bähte und muhte.

0:08:00.000,0:08:03.000
Also war das eine Bio-Stadt,

0:08:03.000,0:08:06.000
Teil eines biologischen Kreislaufs.

0:08:06.000,0:08:09.000
Und 10 Jahre später, änderte sich alles.

0:08:09.000,0:08:12.000
Das ist das Bild der Great Western Eisenbahn im 1840.

0:08:12.000,0:08:14.000
Und wie man sieht, waren unter den ersten Zugreisenden

0:08:14.000,0:08:16.000
Schweine und Schafe.

0:08:16.000,0:08:20.000
So laufen die Tiere auf einmal nicht mehr zum Markt.

0:08:20.000,0:08:22.000
Sie werden nicht mehr im sichtbarem Umfeld geschlachtet,

0:08:22.000,0:08:24.000
sondern irgendwo auf dem Land.

0:08:24.000,0:08:26.000
Und werden mit der Eisenbahn in die Städte gebracht.

0:08:26.000,0:08:29.000
Und das verändert nun alles.

0:08:29.000,0:08:31.000
Zum einem, ist es zum ersten mal möglich

0:08:31.000,0:08:32.000
Städte beliebiger Größe und Form

0:08:32.000,0:08:34.000
an einem beliebigen Ort wachsen zu lassen.

0:08:34.000,0:08:38.000
Die Städte waren durch ihre geografische Lage eingeschränkt,

0:08:38.000,0:08:41.000
denn die Lebensmittelbesorgung gestaltete sich schwierig.

0:08:41.000,0:08:45.000
Doch auf einmal sind sie von der geografischen Abhängigkeit befreit.

0:08:45.000,0:08:48.000
Man kann das an diesen London-Karten sehen,

0:08:48.000,0:08:50.000
90 Jahre nachdem die Eisenbahn kam.

0:08:50.000,0:08:54.000
Es wächst von einem einfach zu ernähernden kleinen Kleks,

0:08:54.000,0:08:56.000
wo die Tiere noch auf ihren Beinen kamen,

0:08:56.000,0:08:58.000
zu einem großen Schlamassel,

0:08:58.000,0:09:01.000
das man sehr sehr schwer mit irgendwas was auf den Beinen kommt, ernähert -

0:09:01.000,0:09:04.000
weder Tiere noch Menschen.

0:09:04.000,0:09:07.000
Und das war natürlich erst der Beginn. Nach der Eisenbahn kamen die Autos.

0:09:07.000,0:09:11.000
Und somit ist der Prozess beendet.

0:09:11.000,0:09:13.000
Es ist der endgültige Bruch der Städte

0:09:13.000,0:09:16.000
mit allen Beziehungen zur Natur.

0:09:16.000,0:09:19.000
Und so eine Stadt ist frei von Gerüchen

0:09:19.000,0:09:21.000
frei von Chaos, und sicher auch frei von Menschen.

0:09:21.000,0:09:24.000
Weil es sich niemand vorstellen konnte so eine Landschaft zu betreten.

0:09:24.000,0:09:27.000
Wenn man jetzt an Nahrung kommen wollte, nahm man sein Auto,

0:09:27.000,0:09:30.000
fuhr damit zu einem Geschäft am Stadtrand,

0:09:30.000,0:09:32.000
holte sich die wöchentliche Ration

0:09:32.000,0:09:34.000
und wunderte sich, was damit anzustellen sei.

0:09:34.000,0:09:37.000
Und an diesem Punkt ändert sich unsere Beziehung komplett,

0:09:37.000,0:09:40.000
sowohl zur Nahrung als auch zu den Städten.

0:09:40.000,0:09:43.000
Hier haben wir das Essen - also war hier der Mittelpunkt,

0:09:43.000,0:09:46.000
der soziale Kern einer Stadt -- in der Peripherie.

0:09:46.000,0:09:48.000
Nahrungsmittel kaufen und verkaufen war ein gesellschaftliches Ereignis.

0:09:48.000,0:09:50.000
Jetzt ist es anonym.

0:09:50.000,0:09:52.000
Wir kochten; jetzt geben wir nur noch Wasser hinzu,

0:09:52.000,0:09:57.000
oder ein Ei, falls Sie einen Kuchen backen oder sowas.

0:09:57.000,0:10:01.000
Wir riechen nicht mehr an den Lebensmitteln, um zu prüfen, ob sie in Ordnung sind.

0:10:01.000,0:10:04.000
Wie lesen das Etikett auf der Rückseite durch.

0:10:04.000,0:10:07.000
Und wir schätzen das Essen nicht. Wir vertrauen ihm nicht.

0:10:07.000,0:10:09.000
Also anstatt ihm zu vertrauen, fürchten wir uns vor ihm.

0:10:09.000,0:10:13.000
Und anstatt es zu schätzen, schmeissen wir es weg.

0:10:13.000,0:10:16.000
Eine große Ironie des modernen Ernährungssystems ist,

0:10:16.000,0:10:18.000
die Dinge die einfacher werden sollten

0:10:18.000,0:10:20.000
sind jetzt viel schwieriger.

0:10:20.000,0:10:24.000
Weil es möglich wurde die Städte an beliebigen Orten zu bauen

0:10:24.000,0:10:28.000
entfernten wir uns von unserer wichtigsten Beziehung,

0:10:28.000,0:10:31.000
und zwar die zwischen uns und der Natur.

0:10:31.000,0:10:34.000
Und diese machten uns von einem System abhängig, das nur sie bieten können,

0:10:34.000,0:10:36.000
und welches - wie wir gesehen haben - nicht aufrechtzuerhalten ist.

0:10:36.000,0:10:39.000
Also was machen wir diesbezüglich?

0:10:39.000,0:10:41.000
Das ist keine neue Frage.

0:10:41.000,0:10:45.000
Vor 500 Jahren hat sich das Thomas More auch gefragt.

0:10:45.000,0:10:48.000
Hier ist das Titelbild seines Buches "Utopia".

0:10:48.000,0:10:51.000
Das war eine Anzahl von halb-unabhängigen Stadtstaaten -

0:10:51.000,0:10:53.000
falls das bekannt vorkommt.

0:10:53.000,0:10:56.000
Sie waren eine Tagesreise voneinander entfernt, wo jeder

0:10:56.000,0:10:58.000
Gemüse im Garten anbaute,

0:10:58.000,0:11:00.000
an gemeinsamen Mahlzeiten teilnahm und so weiter.

0:11:00.000,0:11:02.000
Und ich glaube argumentieren zu können,

0:11:02.000,0:11:05.000
dass die Nahrung das fundamentale Ordnugsprinzip von Utopia ist.

0:11:05.000,0:11:08.000
Auch wenn More das nie so formuliert hätte.

0:11:08.000,0:11:11.000
Und hier ist eine andere berühmte "Utopia" Vision,

0:11:11.000,0:11:13.000
die von Ebenezer Howard "Die Gartenstadt".

0:11:13.000,0:11:16.000
Die gleiche Idee. Eine Anzahl von halb-unabhängigen Stadtstaaten.

0:11:16.000,0:11:20.000
Kleine urbane Flächen, mit bebaubarem Land dazwischen

0:11:20.000,0:11:22.000
untereinander durch die Eisenbahn verbunden.

0:11:22.000,0:11:24.000
Und wieder könnte man sagen, dass die Nahrung

0:11:24.000,0:11:27.000
das Ordnungprinzip dieser Vision darstellt.

0:11:27.000,0:11:29.000
Es wurde sogar gebaut, hatte aber nichts mit der Vision zu tun,

0:11:29.000,0:11:31.000
die Howard hatte.

0:11:31.000,0:11:34.000
Aber das ist das Problem von Utopien,

0:11:34.000,0:11:36.000
sie sind utopisch.

0:11:36.000,0:11:39.000
Das Wort Utopie nutzte Thomas Moore absichtlich.

0:11:39.000,0:11:43.000
Es war irgendwie ein Scherz, weil es aus dem griechischen eine Doppelbedeutung hat.

0:11:43.000,0:11:45.000
Es bedeutet entweder ein guter Ort oder nirgendwo.

0:11:45.000,0:11:49.000
Weil es ein Ideal ist. Eine unwirkliche Sache. Wir können es nicht haben.

0:11:49.000,0:11:51.000
Und ich denke, als Konzeptrahmen,

0:11:51.000,0:11:54.000
um über das tiefgründige Problem der menschlichen Siedlungen zu denken,

0:11:54.000,0:11:56.000
hilft es nicht viel.

0:11:56.000,0:11:59.000
Also bin ich mit einer Alternative gekommen,

0:11:59.000,0:12:02.000
und die ist Sitopia, aus dem Altgriechischen,

0:12:02.000,0:12:04.000
"sitos" ist Nahrung und "topos" ein Ort.

0:12:04.000,0:12:06.000
Ich glaube wir leben schon in einer Sitopia.

0:12:06.000,0:12:09.000
Wir leben in einer Welt, die von der Nahrung geformt wird,

0:12:09.000,0:12:12.000
und wenn wir das wissen, können wir die Nahrung als mächtiges Instrument benutzen,

0:12:12.000,0:12:16.000
ein konzeptionelles Instrument, ein Designwerkzeug, um die Welt anders zu formen.

0:12:16.000,0:12:21.000
Sollten wir das machen, wie würde Sitopia aussehen?

0:12:21.000,0:12:23.000
Also ich denke, sie sieht in etwa so aus.

0:12:23.000,0:12:25.000
Ich muss diese Folie benutzen; nur des Hundeblicks wegen.

0:12:25.000,0:12:28.000
Wie auch immer, das ist -- (Gelächter)

0:12:28.000,0:12:30.000
das Essen ist im Mittelpunkt des Lebens

0:12:30.000,0:12:32.000
Mittelpunkt des Familienlebens, es wird gefeiert,

0:12:32.000,0:12:34.000
genossen, Leute nehmen sich dafür Zeit.

0:12:34.000,0:12:37.000
Hier müsste die Nahrung in unserer Gesellschaft stehen.

0:12:37.000,0:12:42.000
Aber solche Szenen wird es nicht geben, bevor es solche Leute gibt.

0:12:42.000,0:12:44.000
Übrigens, es können auch Männer sein.

0:12:44.000,0:12:47.000
Es sind Leute, die über Ernährung nachdenken,

0:12:47.000,0:12:49.000
die vorausdenken, die planen,

0:12:49.000,0:12:51.000
die sich verschiedene Gemüsesorten anschauen

0:12:51.000,0:12:53.000
und sie tatsächlich benennen können.

0:12:53.000,0:12:56.000
Wir brauchen diese Leute. Wir sind Teil eines Netzwerks.

0:12:56.000,0:12:59.000
Weil wir ohne solche Leute solche Orte nicht haben können.

0:12:59.000,0:13:02.000
Das habe ich absichtlich ausgesucht, weil ein Mann hier Gemüse kauft.

0:13:02.000,0:13:06.000
Aber Netzwerke, Märkte, wo Lebensmittel regional angebaut werden.

0:13:06.000,0:13:08.000
Es ist natürlich. Es ist frisch.

0:13:08.000,0:13:10.000
Es ist Teil des sozialen Lebens einer Stadt.

0:13:10.000,0:13:13.000
Man kann nicht ohne das solche Orte haben.

0:13:13.000,0:13:16.000
Nahrungsmittel, das lokal angebaut wird, ist auch ein Teil der Landschaft

0:13:16.000,0:13:18.000
und nicht nur eine Nullsummen-Ware

0:13:18.000,0:13:20.000
aus einem dunklen Loch.

0:13:20.000,0:13:22.000
Kühe mit Aussicht.

0:13:22.000,0:13:24.000
Dampfende Haufen von Humus.

0:13:24.000,0:13:27.000
Das bringt im Grunde das Ganze zusammen.

0:13:27.000,0:13:29.000
Das ist ein Gemeindeprojekt.

0:13:29.000,0:13:31.000
Letztens war ich in Toronto.

0:13:31.000,0:13:33.000
Das ist ein Gewächshaus, wo die Kinder erklärt bekommen,

0:13:33.000,0:13:36.000
wie man das eigene Essen anbaut.

0:13:36.000,0:13:39.000
Hier ist eine Pflanze namens Kevin, oder vielleicht

0:13:39.000,0:13:41.000
gehört sie einem Kind namens Kevin. Ich weiss es nicht.

0:13:41.000,0:13:44.000
Wie auch immer, solche Projekte,

0:13:44.000,0:13:48.000
die unsere Beziehung zur Natur wiederherstellen, sind immens wichtig.

0:13:48.000,0:13:50.000
Also ist für mich Sitopia eine Betrachtungsweise.

0:13:50.000,0:13:54.000
Es geht darum zu erkennen, dass Sitopia

0:13:54.000,0:13:56.000
hier und da schon in kleinem Maße existiert.

0:13:56.000,0:13:58.000
Es geht darum sich anzuschliessen

0:13:58.000,0:14:01.000
und das Essen als Betrachtungsweise zu benutzen.

0:14:01.000,0:14:04.000
Und wenn wir das machen, werden wir die Städte nicht mehr

0:14:04.000,0:14:07.000
als große, unproduktive Klekse sehen, wie diese es sind.

0:14:07.000,0:14:09.000
Wir werden sie dann eher

0:14:09.000,0:14:12.000
als Teil eines produktiven, biologischen Systems ansehen,

0:14:12.000,0:14:14.000
dem sie zwangsläufig gehören

0:14:14.000,0:14:16.000
und mit dem sie symbiotisch verbunden sind.

0:14:16.000,0:14:18.000
Aber das ist auch nicht das ganz große Bild.

0:14:18.000,0:14:21.000
Weil wir die Lebensmittel nicht mehr so herstellen müssen.

0:14:21.000,0:14:23.000
Wir müssen mehr über die Permakultur nachdenken,

0:14:23.000,0:14:25.000
weshalb für mich dieses Bild das Ganze

0:14:25.000,0:14:27.000
auf den Punkt bringt, was wir tun müssen.

0:14:27.000,0:14:29.000
Es ist eine Rekonzeptualisierung

0:14:29.000,0:14:32.000
der Wege, wie die Nahrung unser Leben beeinflusst.

0:14:32.000,0:14:35.000
Das beste Bild, das ich diesbezüglich kenne, ist 650 jahre alt

0:14:35.000,0:14:38.000
Es ist Ambrogio Lorenzettis "Das Sinnbild der Guten Regierung".

0:14:38.000,0:14:41.000
Es geht um das Verhältnis zwischen Stadt und Land.

0:14:41.000,0:14:44.000
Und die Botschaft ist denke ich sehr klar.

0:14:44.000,0:14:46.000
Wenn sich die Stadt um das Land kümmert,

0:14:46.000,0:14:48.000
wird sich das Land um die Stadt kümmern.

0:14:48.000,0:14:50.000
Und ich will, dass wir uns fragen,

0:14:50.000,0:14:53.000
wie Ambrogio Lorenzetti das Bild malen,

0:14:53.000,0:14:55.000
wenn er es heute malen würde.

0:14:55.000,0:14:58.000
Wie würde die Allegorie guter Regierung heute aussehen?

0:14:58.000,0:15:00.000
Ich denke es ist eine dringende Frage.

0:15:00.000,0:15:02.000
Eine, die wir stellen müssen

0:15:02.000,0:15:04.000
und anfangen müssen sie zu beantworten

0:15:04.000,0:15:07.000
Wir wissen, wir sind was wir essen.

0:15:07.000,0:15:09.000
Wir müssen verstehen, dass die Welt auch das ist, was wir essen.

0:15:09.000,0:15:11.000
Wenn wir diese Idee akzeptieren, können wir das Essen nutzen

0:15:11.000,0:15:15.000
als ein mächtiges Werkzeug, um eine bessere Welt zu erschaffen.

0:15:15.000,0:15:17.000
Vielen Dank.

0:15:17.000,0:15:20.000
(Applaus)