JONATHAN BLOW: Es war ganz klar der Fall, dass mehr Ideen aus dem Entwicklungsprozess heraus entstanden und im fertigen Spiel landeten, als ich als Designer hineingesteckt habe. Der Entwurf des Gameplays für dieses Spiel war eher wie die Entdeckung bereits bestehender Dinge und weniger wie die Erschaffung von etwas Neuem und Willkürlichem. Anders formuliert: in einem gewissen Maße hat sich das Spiel selbst designt. Dies ist Game Maker's Toolkit. Ich heiße Mark Brown. Das war Jonathan Blow, der 2011 auf der Game Developer's Conference über den rückspulbaren Platformer "Braid" gesprochen hat. Was Blow hier beschreibt, ist eine Spieldesign-Philosophie, die er bei Braid und The Witness angewendet hat, bei der Regeln und Rätsel während des Programmierens und Testens entdeckt und nicht durch die Umsetzung irgendeiner vorher ausgedachten Idee eingebaut wurden. Beim Mario-ähnlichen Platformer Braid fing er also mit einer Spielmechanik an - die Fähigkeit, die Zeit praktisch beliebig weit zurückzudrehen. Während der Programmierung davon kamen neue Ideen auf. Wenn er den Standort von allen Dingen in der Spielwelt zurückspulte, konnte er entscheiden, dies für einige Objekte nicht zu tun und diese dadurch immun gegenüber der Zeitmanipulation zu machen. Eine Spielregel war geboren. Nachdem er diese neuen Regeln eingebaut hatte, konnte Blow das Spiel spielen und auf Auswirkungen achten, die er vielleicht nicht vorhergesehen hatte. Wenn zum Beispiel eine bewegliche Plattform immun gegen das Zeitreisen war, konnte der Held zu einem Zeitpunkt zurückspulen, bei dem die Plattform nicht länger unter ihm war. Er würde hinunterfallen, sobald er aufhören würde, die Zeit zu beeinflussen. Das ist... irgendwie cool. So wurde jedes Rätsel zu einer Abbildung eines dieser Prinzipien, sodass der Spieler bei der Lösung über diese interessante Eigenschaft von Braids einmaligem Universum stolpert - dieselbe Eigenschaft, die Blow beim Programmieren selbst entdeckt hat. Ein ähnliches Verfahren wurde bei The Witness benutzt. Dort erstellte Blow Regeln und Rätsel, indem er das Zeichnen von Linien in einem Raster erforschte. Beim Testen bemerkte Blow, dass er oft das Gitter aufteilte - könnte das eine Spielregel werden? Was uns zu solchen Fällen hier führt: Dieses Rätsel kann man ziemlich leicht lösen. Man schlängelt hier herum und ist gleich am Ziel. Das nächste Rätsel sieht genauso aus, aber man stellt fest dass das Ziel woanders ist. Der Weg von vorher sperrt diesmal den Ausgang ab. Also muss man es so angehen. Hier entstand aus dem Zeichnen von Linien eine Regel zur Aufteilung eines Gitters, was dazu führte, dass einem der Weg zum Ausgang abgeschnitten wurde, wodurch ein Rätsel entstand, das das veranschaulicht. Um die Schöpfung dieses Rätseltyps zu beschreiben, sagte Blow auf der IndieCade 2011: JONATHAN BLOW: Das rührt aus diesen kleinen Fragen her. Das war kein auferlegtes Konzept nach dem Motto: "Ich will ein Rätsel, bei dem ... blah." Das stammt vielmehr aus dem einfachen Erkundungsprozess in der frühen Entwicklungsphase. Obwohl Blow die Arbeit am Rätseldesign größtenteils abgetreten hat an, keine Ahnung, das Universum, hat er trotzdem noch eine wichtige Aufgabe. Erstens muss er sicherstellen, dass die Konsequenzen jeder Änderung vollständig erforscht werden. In The Witness hinterfragte Blow, wie man jeden Teil des Spiels auch anders verwenden könnte, einschließlich des Gitters, einzelner Zellen, der Linie, der Umgebung und des Spielfelds. Und in Braid bemerkt man, dass sich die Folgen jeder Regeländerung in jedem Objekt im Spiel wiederspiegeln. In der Welt, in der einige Objekte nicht zurückgespult werden können, gibt es zum Beispiel Rätsel mit Gegnern, Schlüsseln, Türen, Wolken, Plattformen oder sogar der Spielfigur selbst mit dieser Eigenschaft. Blows zweite Aufgabe ist es, dem Spieler die Rätsel so zu vermitteln, dass der die bestmögliche Gelegenheit bekommt, den entscheidenden Knackpunkt der Knobelei zu finden. Zum Beispiel führt er einen häufig in die Irre, damit man eine vermeintlich offensichtliche Aktion durchführt - nur um zu zeigen, dass man falsch liegt. Im Braid-Rätsel "Jagen" soll man alle Monster töten, aber sie sind so platziert, dass, wenn man sie in der naheliegendsten Reihenfolge besiegt, man das Rätsel nicht lösen kann. Solch eine Irreführung hindert den Spieler daran, krampfhaft seine Lösung durchzusetzen und dabei den Kerngedanken zu übersehen. Und dem Spieler zu zeigen, warum etwas nicht funktioniert, ist häufig Teil der Erkenntnis, die Blow mit jedem Rätsel aufzeigt. Außerdem verwendet der Designer Reihen, Paarungen und Gegenstücke. Wenn man einem einfachen Rätsel begegnet - so wie hier mit zwei Türen und nur einem Schlüssel - trifft man wahrscheinlich auf eine fortgeschrittene Version davon in der näheren Umgebung. Und bei der Nutzung ähnlicher Layouts in verschiedenen Welten mit unterschiedlichen Regeln, erkennt man, was das für Folgen hat. Dieser Level wird in Welt 2 und 4 quasi wiederholt, aber da die Zeit in beiden anders funktioniert, kommt ein anderer Lösungsweg heraus. Jonathan Blow kehrt auch die Regeln um, an die man sich gewöhnt hat. Im Level "Unumkehrbar" muss man darauf kommen, die Zeitsteuerung nicht zu benutzen. Und er stellt Fallen für diejenigen, die nicht scharf genug nachdenken. In diesem Level funktioniert die Zeit so schräg, dass nur eines dieser Tore geöffnet werden kann. Blow's letzte Aufgabe ist es, gnadenlos auszusieben und Mechaniken, Regeln und Rätsel zu entfernen, die nichts Überraschendes an sich haben, die sich zu sehr überschneiden oder nichts Interessantes aussagen. Sowohl Braid als auch The Witness wurden von Spielen abgeleitet, die ausgesetzt wurden, weil sich aus ihrer Kernmechanik kein ausreichend großer Spielraum entwickeln ließ. Und Blow strich ganze Spielregeln, wie Braids komische rundenbasierte Welt, weil daraus nichts Überraschendes kam, oder weil sich die Regeln gekünstelt anfühlten. Aber worin sich Jonathan Blow von anderen Designern unterscheidet, ist, dass er absichtlich Sachen drinlässt, selbst wenn es keinen Spaß macht - einfach weil es interessant war oder das Spiel unfertig wirken ließ, wenn er es entfernte. Wie bei diesem total seltsamen Rätsel, bei dem ein Schlüssel von selbst vorwärtshüpfen kann. Letztendlich ist das eine unerwartete und interessante Folge der Gesetze in dieser Spielwelt. Denn für Jonathan Blow ist ein Rätsel niemals einfach nur ein Rätsel. Es ist die Vermittlung einer Idee - vom Designer an den Spieler. Und das Rätsel zu lösen ist die Art, wie der Spieler sagt: "Ich verstehe!" Und ich glaube "Ich verstehe" ist etwas grundsätzlich Anderes als "Ich hab es endlich rausgekriegt", was bei vielen Rätseln der Fall ist - mit willkürlichen Logikschritten und verworrenen Abfolgen und falschen Fährten und stumpfsinnigen Mechanismen. Aber die Rätsel in Blows Spielen fühlen sich fairer an. Und deshalb geht es bei dieser Philosophie nicht nur darum, Euch vom Design zur nächsten Regel oder dem nächsten Rätsel führen zu lassen. Sie hilft Euch außerdem dabei, bessere und gerechtere Rätsel zu erfinden. Braid und The Witness stellen einem alle Gesetze von Anfang an vor und bringen einem die Mechaniken schnell bei mithilfe von Einstiegsleveln. Von da an drehen sich die schwereren Rätsel nur um das Verständnis der Konsequenzen dieser bereits bekannten Regeln in unterschiedlichen Anordnungen, Kombinationen und Layouts. Und diese Rätsel können mörderisch leicht sein. Bei den meisten geht es nur um die Erkundung einer einzigen Idee und die Abschnitte sind klein genug, um alle beweglichen Teile gleichzeitig zu berücksichtigen. Es gibt keine oder sehr wenige falsche Fährten und auch wenige willkürliche Schritte zum Ziel. Weiß man einmal die Lösung, ist diese relativ problemlos durchzuführen. Ein Rätsel in diesem Spiel zu lösen ist nicht so wie die Auflösung eines Rubik-Würfels oder so wie die richtige Antwort zu erraten. Man muss nur etwas erkennen, was schon die ganze Zeit da war. Die Antwort lag einem die ganze Zeit vor Augen, wenn man die Welt nur aus dem richtigen Winkel betrachtete. In Etwa wie diese versteckten Rätsel in The Witness. Diesen "Aha!"-Moment, der beim Lösen kommt, bekommt man dann nicht, weil man endlich alle Puzzleteile zusammenfügt oder weil man mitkriegt, was zum Teufel der Designer eigentlich wollte, sondern weil man das Gefühl hat, die Welt plötzlich etwas klarer zu sehen. Wie Jonathan Blow Gamasutra sagte: "Je näher ein Rätsel etwas Realem und Konkretem kommt, und je weniger es um ein nichtssagendes Problem geht, desto gewaltiger ist dieser Geistesblitz." Danke fürs Zuschauen. Eines meiner Ziele mit GMT ist, die Philosophien der besten Designer unter uns weiterzureichen, sodass Ihr ihre Ideen in euren eigenen Spielen anwenden könnt. Bei näherem Interesse habe ich einen ganzen Satz Links in die Videobeschreibung gesteckt, in denen Jonathan Blow mehr über den Prozess erzählt. Und das betrifft nicht nur Rätselspiele - Blow vermutet, dass dieses Prinzip, das Design die Regeln und Mechaniken bestimmen zu lassen, auch in anderen Genren nützen kann. 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