(Die Ethik des Hinsehens)
(Die Ethik des Hinsehens)
Es wird oft gesagt, dass das Kino von Natur aus voyeuristisch sei.
Denn der Film bietet dem Publikum einen Einblick
in das verborgene Leben der anderen.
Die Geschichten der Menschen auf der
großen und kleinen Leinwand zu sehen,
kann in der Tat faszinierend
und aufregend sein.
Aber der Akt des Zuschauens
kann sich auch unangenehm,
übergriffig und sogar verletzend anfühlen.
Hinter diesen unangenehmen Momenten
verbergen sich einige alarmierende Botschaften
über die Rolle des Zustimmens.
Um das zu erklären, fangen wir hier an
im normalen Schlafzimmer, eines normalen Jungen,
der normale Jungensachen macht.
Normale Sachen,
wie das Mädchen von nebenan auszuspionieren.
Die Popkultur ist voll mit Szenen wie dieser.
Szenen, in denen eine Figur, in der Regel ein Mann,
einer anderen Figur, in der Regel eine Frau, nachspioniert
ohne das Wissen oder die Zustimmung dieser Person.
Um das klarzustellen, wir reden hier
über die geheime Beobachtung einer Person
während diese allein ist,
sich in verschiedenen Stadien der Entkleidung
oder bei sexuellen Aktivitäten befindet.
Dies ist eine übergriffige Beobachtung,
die die berechtigte Erwartung einer Person
an ihre eigene Privatsphäre verletzt.
In einer überwältigenden Anzahl
von Filmen und Serien
wird diese Art des Beobachtens
nicht vom Bösewicht durchgeführt.
Sie wird stattdessen
von "netten Typen" verübt.
"Mach mal langsam, Baby"
Das sind heterosexuelle Männer,
die sonst als anständig dargestellt werden.
Oder, zumindest weitgehend, harmlos.
"Hey! Hey!"
Dieses Medienmuster ist so allgegenwärtig,
dass ich dachte, es brauche einen Namen.
"Er ist ein Spanner!"
Also nenne ich es "Der harmlose Spanner".
"Weißt du, mir ist aufgefallen,
dass man von meiner Einfahrt aus
direkt in Donnas Haus sehen kann."
"Was du nicht sagst."
(Gelächter)
Alle Jungs in "Die wilden Siebziger" zum Beispiel
beteiligen sich beiläufig an Spanner-Verhalten.
"Nein, Anette!
Nicht den Bademantel!"
(Gelächter)
"Schnell, jemand soll 'Kissenschlacht'
in einer Mädchenstimme schreien."
Aber die Figur des Fez ist das Paradebeispiel
eines harmlosen Spanners.
(Gelächter)
"Oh mein Gott, Fez!"
"Nette Hupen!"
(Gelächter)
"Verzieh dich!"
"Fez?"
Es gibt über jahre hinweg einen Running Gag darüber,
dass er stets Frauen bespitzelt,
oftmals, in dem er sich
in ihren Schlafzimmerschränken versteckt.
"Oh mein Gott, hast du was gesehen?"
"Nicht viel, du solltest wirklich
über ein ein Nachtlicht nachdenken."
Und doch wird dieses aufdringliche Verhaltensmuster
in der Sendung nur als geringfügiges Ärgernis betrachtet.
"Autsch"
"Bist du okay?"
(Kamera klickt)
"Fez!"
(Gelächter)
"Mit der kann man
durch die Kleidung einer Dame sehen."
(Gelächter)
"Okay, Jackie,
mach dich bereit, angestarrt zu werden." (Gelächter)
Fez geht am Ende sogar eine romantische Beziehung
mit einer der Frauen ein,
die er über 8 Staffeln Fernsehen zur Hauptsendezeit
ausspioniert hat.
Szenen, in denen Jungen heimlich Mädchen ausspionieren
waren ein fester Bestandteil von
so genannten "Teenager-Sex-Komödien"
In den späten 1970er und frühen 80er Jahren.
Aber das Medienmuster begann und endete nicht
mit "Ich glaub', mich tritt ein Pferd", "Porky's"
oder "Die Rache der Eierköpfe".
"Oh! Yeah!"
Alfred Hitchcock war berühmt
für seine Besessenheit von Voyeurismus.
Und er baute Voyeurszenen in einigen
seiner bemerkenswertesten Filme ein.
Seitdem sind harmlose Spanner in
praktisch jedem Genre aufgetaucht.
Von Actionfilmen, bis zu Horrorfilmen.
Von romantischen Dramen,
bis hin zu Science-Fiction-Abenteuern.
Und es ist nicht ungewöhnlich, dass Videospiele
Spieler:Innen interaktive Gelegenheiten zum Spannen präsentieren.
"Sieh dir das an, komm her"
"Da ist eine nackte Frau auf der anderen Straßenseite"
"Wo?"
"Zweiter Stock von oben.
Siehst du das Fenster auf der linken Seite?"
"Wow"
Dieser Trope ist auch ein Eckpfeiler in Sitcoms.
"Oh mein Gott, da ist Rachel- nackt!"
Normalerweise als einmaliger Gag
in einer Handvoll von Episoden.
"Hättest du die Tür geöffnet wenn du
gewusst hättest, dass ich es bin?"
"Nicht seit ich herausgefunden habe, dass der Teddybär,
den du mir geschenkt hast eine Webcam eingebaut hatte!" (Gelächter)
Während wir uns unter einem Spanner normalerweise
einen Fremden vorstellen, der sich im Gebüsch versteckt,
kann das Spionieren viele verschiedene Formen annehmen.
"Habe ich etwas verpasst?"
"Oh mein Gott!"
"Oh!"
"Oh, danke, Gott, für diesen wunderbaren, wunderbaren Tag."
Gelegentlich wird das Spionieren als
Teil der Arbeit des Mannes dargestellt.
Wie ein Polizist bei einer Observierung.
"Oh, wow, oh ja..."
Aber in vielen dieser Szenarien gilt
immer noch der Harmlose-Spanner-Trope.
"Zu schützen und zu dienen."
"Oh, oh, oh, ohh, ich liebe meinen Job so sehr, oh."
In Medien, die sich mit Spionage befassen,
kann der Typ Zugang zu Hightech-Spionagegeräten haben.
"Neun verschiedene verbesserte Sichtmodi -
der Traum eines jeden kleinen Jungen:
der Röntgenmodus!"
"Und sieh dir das an!"
In Superheldengeschichten oder übernatürlichen Handlungen
können die Kräfte des Mannes dazu genutzt werden,
sich Zugang zum Körper einer Frau zu verschaffen.
(Frau schreit)
"Und er sah, dass es gut war."
Superman zum Beispiel wird oft als Ausbund an guter,
anständiger Männlichkeit hochgehalten,
und doch erhascht auch er von Zeit zu Zeit einen kurzen Blick.
Harmlose Spanner sind nicht immer die Helden.
Aber sie sind auch nicht der Bösewicht.
"Am Ende sehe ich viel mehr von Ava, als ich erwartet habe."
Selbst wenn der Protagonist eine, sagen wir mal,
fragwürdige Moral hat
oder in andere kriminelle Aktivitäten verwickelt ist, wird
das Spannen selbst nicht als schlechter Charakterzug gewertet.
Und kritisch betrachtet soll der Zuschauer sich
dennoch mit IHM identifizieren, wenn er spioniert.
"Was?"
Es ist nicht ungewöhnlich dass Eingriffe in die
Privatsphäre als liebenswert dargestellt werden.
"Entschuldigung..."
"Oh!"
"Ich glaube, Sie sind in meinem Bad..."
"Mach die Augen zu!"
Oder einfach als das unverfängliche
Verhalten eines verknallten Mannes.
Selbst wenn Spannen als erbärmlich, lästig
oder ein wenig unheimlich benannt wird,
"Es war ein Versehen."
"Du bist ein Arschloch!"
werden seine Handlungen in den meisten
Fällen schnell verziehen und vergessen.
Eine gute Möglichkeit, das tieferliegende Problem zu verdeutlichen,
ist das "Nicht gucken"-Handlungsklischee.
"Wie konntest du es sehen?
Du hast gesagt, du würdest nicht hinschauen!"
"Tut mir leid. Wie ich dir schon sagte,
erhascht der Held immer einen Blick."
Die Ausgangssituation ist bekannt:
eine Frau muss sich aus irgendeinem Grund umziehen.
Aber ihr Freund steht direkt daneben.
"Du störst mich nicht."
Also bittet sie ihn natürlich, sich umzudrehen
oder seine Augen zu schließen, während sie sich auszieht.
"Würden Sie sich bitte umdrehen?"
"Warum?"
"Drehen Sie sich einfach um."
"Schau einfach- schau mal kurz da rüber."
"Ja."
"Drehen Sie sich einfach um und schauen Sie sich
die Wasserfälle an, Skippy, bitte?"
"Gut."
"Steh' Wache, nicht gucken!"
Hält sich unser Protagonist an ihre Wünsche?
Natürlich nicht.
"Nicht gucken!"
"Ich sagte, schau darüber!"
"Ja, nein- ..."
In den meisten Fällen guckt er trotzdem.
"Drehen Sie sich um!
Jetzt!"
"Dreh dich um!"
Und es gibt selten irgendwelche Konsequenzen
dafür, ihr Vertrauen zu missbrauchen.
Tatsächlich wird seine Grenzüberschreitung
vermutlich belohnt werden.
Manchmal bittet die weibliche Figur ausdrücklich darum,
nicht angeschaut zu werden,
während in anderen Beispielen nur angedeutet wird,
dass der Mann sie nicht anstarren sollte.
Es ist unglaublich selten, dass man einen Mann sieht,
der, wenn er die Gelegenheit hat, nicht späht.
"Nicht gucken."
"Okay."
Wenn es sich um eine romantische Geschichte handelt,
wird die Grenzüberschreitung oft als ein Zeichen dafür dargestellt,
dass er sich zu ihr hingezogen fühlt.
"Heilige Scheiße!"
In Wirklichkeit ist es jedoch so: wenn ein Mann absichtlich
die Zustimmung oder die Grenzen einer Frau missachtet,
sollte das ein deutliches Warnsignal sein.
"Fall tot um, Drecksack!"
Auch wenn übergriffliches Spionieren von den Strafverfolgungsbehörden
oft nur als lästiges Verbrechen angesehen wird,
ist ausspioniert werden keine
kleine Unannehmlichkeit für die Opfer.
"Hallo!?"
Es kann echten, dauerhaften,
emotionalen Schaden verursachen.
"Ist da jemand?"
"Das ist es, ich kann es fast sehen."
Manchmal werden Spannszenen
auf familienfreundliche Weise gefilmt,
"Da ist sie."
während sie in anderen Medien
viel deutlicher sein können.
Tatsächlich musste ich in diesem Videoessay eine Menge
kreativer Schnitttechniken und strategischer Unschärfe anwenden,
nur damit sich das Material für YouTube eignet.
“Oh, du Schelm. Du hast ja Nacktheit da drin!”
Im Gegensatz zu dem, was einige konservative
Gruppen Ihnen glauben machen wollen,
liegt das Problem hier nicht in der Darstellung von
Sex oder Nacktheit auf dem Bildschirm.
Je nachdem, wie man es inszeniert, können Sex und Nacktheit
auf alle möglichen Arten und Weisen dargestellt werden.
“Das sollte klappen!”
Das eigentliche Problem des harmlosen-Spanner-Tropes liegt in der
fehlenden Zustimmung der Figuren der Geschichte untereinander.
"Shit!"
Und in der Art und Weise, wie diese Verstöße als
“keine große Sache” dargestellt werden.
“Hast du gesehen, wie ich mich
am Whirlpool umgezogen habe?”
“Ich dachte, du wärst katatonisch.”
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Voyeurismus
per Definition bedeutet: ohne Erlaubnis zu schauen.
Aber das ist nicht wahr.
Voyeurismus kann, und ich würde behaupten,
sollte, ein einvernehmlicher Akt sein.
Es ist natürlich möglich, Szenen zu filmen, sogar voyeuristische,
in denen sich die Figuren gegenseitig einvernehmlich betrachten.
“Steve...?”
Aber filmische Darstellungen von einvernehmlichen
Blicken gibt es nicht annähernd so häufig,
wie Szenen, in denen die Erlaubnis nicht erteilt wurde.
Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir die Perspektive
der Figuren auf dem Bildschirm erörtert.
Aber es gibt noch eine weitere kritische Perspektive,
die wir noch nicht berücksichtigt haben.
Und das ist die Perspektive der Kamera.
Kehren wir für einen Moment zu dem
“normalen” Jungenzimmer von vorhin zurück .
Obwohl, es ist gar kein “normales” Schlafzimmer,
nicht wahr?
"Schnitt!"
Es ist in Wirklichkeit eine Filmkulisse.
Und das ist auch nicht wirklich ein “normaler” Junge,
das ist ein Schauspieler,
der nach einem Drehbuch arbeitet.
In der Tat ist alles, was wir hier sehen, eine
bewusste Entscheidung der Filmemacher.
Die Frau wird vom Regisseur zur Schau gestellt,
der darauf achtet, ihren Körper so zu positionieren,
dass der Protagonist einen guten Blick darauf hat.
Aber die Aufnahmen sind auch so gestaltet,
dass das Publikum mit ihm mitspannen kann.
“Mr. Bishop, darf ich einen Blick darauf werfen?”
“Carl...”
Dadurch wird der Zuschauer zum Komplizen.
Wir werden dazu gebracht, stellvertretend an dem Akt
des nicht-einvernehmlichen-Hinsehens teilzunehmen.
“Wirklich, 007?”
Das ist übrigens sogar dann wahr, wenn die Figur,
die spannt, eindeutig ein Ekel sein soll.
Es gibt noch ein weiteres wichtiges Thema,
das wir besprechen sollten, über das,
was die Filmtheoretikerin Laura Mulvey
als “den männlichen Blick” bezeichnet.
Insbesondere in Bezug auf die Art und Weise,
wie sich die Kamera bewegt
und die Körper von Frauen in
einer sexualisierten Weise einrahmt,
unabhängig von der Sichtweise des Protagonisten.
Aber für unsere Zwecke hier, konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die Perpektive der Figuren in der Geschichte.
Das Filmpublikum besteht natürlich,
aus Menschen aller Geschlechter,
aber die Perspektive der männlichen Figur
ist diejenige, die wir teilen.
Und deshalb ist es seine reißerische Erregung,
mit der wir uns identifizieren sollen.
Um es noch einmal zu betonen:
erzählerisch gesprochen, wissen diese Frauen nicht,
dass sie beobachtet werden
und haben daher nicht eingewilligt.
"Oh Gott!"
Um es nicht zu sehr auf den Punkt zu bringen, aber der Grund,
warum diese Szenen für den Betrachter erregend sein sollen
liegt darin, dass das Schauen
ohne Erlaubnis geschieht.
“Es ist, als würden wir etwas sehen,
das wir nicht sehen sollen.
Und genau das macht es so verdammt heiß.”
Alle an diesen Produktionen beteiligten Schauspieler haben, vermutlich,
zugestimmt, so dargestellt zu werden, wie wir es auf dem Bildschirm sehen,
aber fiktionale Darstellungen können trotzdem dazu beitragen
nicht-einvernehmliches Verhalten zu normalisieren.
“Guten Tag!”
Es lohnt sich kurz den bestimmten
Typ der Schauspielerin zu erwähnen,
den die Filmemacher gerne als Objekt der
voyeuristischen Aufmerksamkeit der Männer besetzen.
"Oh mamacita!"
Normalerweise ist sie jung, dünn,
weiß, und konventionell attraktiv.
Das ist ein so etabliertes Muster in Hollywood, dass jedes Mal,
wenn das Opfer von dieser spezifischen Erwartung abweicht,
“Hab ich dich!”
die Szene als ekelerregende
Pointe benutzt wird.
“EIN MAAAAAANN!”
Oder als transphober Witz.
“Der Kerl sieht aus wie 'ne Frau.”
“Hey, wow! Schau mal in das Fenster!”
Szenen, in denen Jungen heimlich
Mädchen oder Frauen ausspionieren,
sind besonders häufig in
Coming-of-Age-Geschichten zu finden.
In dieser Art von Erzählungen wird das Spionieren
oft als ein Übergangsritual dargestellt.
“Heiliger Strohsack!”
Als ein unvermeidlicher Teil des
sexuellen Erwachens junger Männer.
"Heilige!"
Der Junge wird anfangs vielleicht als schüchtern, unbeholfen
oder feige dargestellt, wenn es um Frauen geht.
Und durch sein Spannerverhalten
kann er Selbstvertrauen gewinnen.
Gemäß der visuellen Sprache des Kinos, ist das Ausspionieren
von Mädchen eine prägende Erfahrung für Jungen.
So sehr, dass es eine fast spirituelle Bedeutung hat.
Auf diese Weise wird der Übergang von der Jugend zur Männlichkeit
auf der Verletzung des weiblichen Körpers aufgebaut.
“Sie war tief in Gedanken versunken,
denn sie hielt sich ein paar Mal unbedeckt.
Und ich konnte bis zur Hälfte ihrer Oberschenkel raufsehen,
die zum goldenen Palast des Himalaya führten.”
Manchmal werden die Jungen als
melancholische Einzelgänger präsentiert.
aber in anderen Szenarien wird das Spannen
als eine soziale Aktivität dargestellt.
“ Ihre Hände bewegen sich nach unten.”
“Das muss ich sehen!”
Der Akt der Objektivierung von Frauen,
"Heilige Scheiße!"
wird dann zu einer verbindenden
Erfahrung für junge Männer.
Eine Erfahrung, die auch ihr gemeinsames
Gefühl der männlichen Dominanz verstärkt.
“Packt sie ein und versohlt sie, Jungs.”
“Scheiße, runter mit euch!”
"Alter!"
Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch,
sexuelle Neugierde ist völlig normal.
Allerdings sollte nicht-einvernehmliches Verhalten niemals
mit gesunder sexueller Erkundung verwechselt werden.
Der Standard sollte immer
der Schutz der Privatsphäre sein.
“Kumpel, ich ziehe mich um.”
“Ah, Entschuldigung!”
In John Bergers Fernsehserie “Ways of Seeing” von 1972
stellt er fest, dass der Akt des Hinsehens nicht passiv ist.
Er ist aktiv.
"Männer träumen von Frauen.
Frauen träumen davon, dass man von ihnen träumt.
Männer schauen Frauen an.
Frauen beobachten, wie sie angeschaut werden.
Ich will nicht die entscheidende Rolle leugnen,
die das Hinsehen in der Sexualität spielt,
aber es gibt einen großen Unterschied, zwischen
sich selbst nackt zu sehen oder jemand anderen,
und der Zurschaustellung eines Körpers."
Berger hat über die Gesellschaft gesprochen,
wie sie sich in europäischen Ölgemälden widerspiegelt.
Aber seine Beobachtung könnte genauso
gut auf das Kino übertragen werden.
Die männlichen Figuren sind aktiv
und vollständig bekleidet,
während die Frauen passiv und entblößt sind,
unvorbereitet darauf, gesehen zu werden
und daher als verletzlich dargestellt sind.
Dadurch entsteht automatisch eine Machtdynamik,
in der der Mann die Oberhand hat.
Die Botschaft, die diese Szenarien
an Frauen und Mädchen senden,
ist, dass ausspioniert werden als
Kompliment angesehen werden sollte.
“Du hast mich also beobachtet.
Aber für wie lange?
Nur heute Nacht?
Eine Woche?
Zwei Wochen, seit ich eingezogen bin?”
Denn die sexuelle Aufmerksamkeit von Männern
soll immer schmeichelhaft sein,
unabhängig davon,
ob diese Gefühle erwidert werden.
“Das ist entweder das Gruseligste
oder das Süßeste,
das ich je gehört habe.”
In ihrem Essay “Intrusionen”
erklärt die Autorin Melissa Febos:
“Genauso wie diese Produktionen Männer ermutigen zu glauben,
dass Stalking und Spannen akzeptable Formen des Werbens sind,
die wahrscheinlich in einer
Liebesbeziehung enden werden,
so schreiben sie den Frauen den Wunsch vor,
das Objekt eines solchen Verhaltens zu sein.”
“Vielleicht sollte ich den Vorhang zuziehen. Es scheint,
als ob Sie jemand von der anderen Seite des Hofes anstarrt.”
“Oh, nein. Tun Sie das nicht. Meine Freundin und ich,
wir ziehen nie den Vorhang zu. Wir haben einfach Spaß mit ihm.”
In den Filmen und Fernsehsendungen über die wir gesprochen haben,
ist es nicht unüblich, dass die Frau die beobachtet wird,
dem Publikum zu verstehen gibt,
dass sie diese Übergriffe insgeheim genießt.
Die zugrundeliegende Implikation ist klar:
von Männern begehrt zu werden ist das,
was Frauen Wert verleiht.
“Nun, ich denke, Sie sollten die Polizei rufen!”
“Oh, nein! Das würde alles verderben.
Immerhin war er so geduldig, da ist es nur fair."
Diese gefährliche Botschaft wird durch eine andere
Idee verstärkt, die in diese Szenen eingeflossen ist:
dass Männer und Jungen, wenn es um sexuelles Verlangen
geht, “sich einfach nicht beherrschen können”.
"Achten Sie auf die Straße!"
"Ja, mach ich."
Als ob Männer von einer unsichtbaren Naturgewalt gezwungen
wären, sich an den Körpern von Frauen zu vergreifen.
Dieser Mythos ist natürlich nicht wahr.
Männer und Jungen können ihre
Triebe in der Tat kontrollieren.
“Warte mal!”
Dennoch verstärken die Medien den Mythos,
dass “Männer nicht für ihr eigenes Handeln verantwortlich sind”,
indem sie gelegentlich den Spanner in ein unglückliches
Opfer der verführerischen Falle der Frau verwandeln.
Hier noch einmal Melissa Febos,
aus ihrem Essay “Intrusions”:
“Es ist auch eine Erzählung,
die Männer entlastet.
Je plausibler es erscheint,
dass Frauen immer Aufmerksamkeit wollen,
desto weniger ist das Zuschauen anklagbar.”
“Als nächstes fängt sie an,
sich bewusst auszuziehen.
Vor dem Fenster, mit dem Licht an!
Als ob sie wüsste, dass ich sie beobachte.”
Es sollte an sich schon lächerlich sein, Frauen für das
illegale Spionieren von Männern verantwortlich zu machen.
Aber Filme hinterlassen immer
wieder den Eindruck,
dass es die Schuld der Frau ist,
weil sie es zulässt, dass sie gesehen wird.
Selbst wenn sie sich in den
eigenen vier Wänden befindet.
“Oh, Gott. Du hast mich gesehen?”
“Du hast nicht versucht, mich
mit deiner Nacktheit zu verführen?”
(Gelächter)
“Nein, nein! Und du dachtest wirklich,
ich wollte Sex mit dir haben? Oh mein-”
(Gelächter)
Alles, was wir in diesem
Video besprochen haben,
ist Teil einer größeren Kultur
des männlichen Anspruchsdenkens.
Zu viele Männer in unserer Gesellschaft wurden gelehrt,
dass der Körper einer Frau immer für sie verfügbar sein sollten.
Verfügbar, um bewertet,
beurteilt und verglichen zu werden
und um als Treibstoff für ihre
persönlichen Fantasien zu dienen.
“Ich glaube, ich werde an sie denken,
bevor ich heute Abend schlafen gehe.
“Wenn jemand an sie denkt,
dann bin ich es.”
Nach dieser verdrehten Logik nimmt jede Frau,
die sich nicht zur Schau stellen will,
den Männern das “Recht zu schauen” weg.
“Ach, komm schon. Geh nicht ins
andere Zimmer! Oh, Mann.”
Letztendlich ist der “harmlose” Spanner-Trope
alles andere als harmlos.
Denn er verstärkt dieses Anspruchsdenken,
indem er uns immer und immer wieder sagt,
dass nette Typen Zugang zu den
Körpern von Frauen verdienen.
“Hast du einen Blick auf meine Waren geworfen?”
“Ich wäre kein großer Held,
wenn ich das getan hätte.”
“Ja, aber es wäre in Ordnung,
wenn du ein bisschen gelinst hättest.
Du verdienst einen Blick,
für all die guten Dinge, die du tust.”
Und dass deshalb eine Erlaubnis
nicht unbedingt notwendig ist.
“Bessere Aussicht auf mein Zimmer,
als ich dachte.”
“Ich habe dich noch nie nackt gesehen!”
“Das ist schade.
Ich habe einen tollen Körper.”
“Dreh dich um. Dreh dich um!”
“Du bist nur ein Mann. Wie alle anderen.”
In den letzten Jahren haben wir einen Anstieg an Variationen
dieses Tropes mit vertauschten Geschlechterrollen erlebt.
Diese Spannermomente kehren zwar
die erwartete Subjekt/Objekt-Dynamik um,
aber einfach die Geschlechter zu vertauschen,
wenn es um nicht-einvernehmliches Verhalten geht,
löst das Problem nicht auf magische Weise.
Denn damit wird immer noch
eine Weltanschauung gestärkt,
in der es nicht wichtig ist, die Wünsche einer Person
in Bezug auf ihren eigenen Körper zu respektieren.
Wie ein altes Sprichwort besagt:
Gleiches mit Gleichem zu vergelten,
ist nicht der goldene Weg.
Zu lernen, dass Einverständnis auch für das Anschauen
und nicht nur für das Anfassen gilt, ist essentiell.
“Oh, mein Gott.”
“Was?”
Vor allem in Anbetracht der
Realität der sozialen Medien
und des zunehmenden Problems,
dass intime Bilder ohne Erlaubnis geteilt werden.
“Kann ich das haben?”
“Ja.
Es ist für Sie. Weil Sie der einzige Mann sind, von
dem ich möchte, dass er meinen Körper anschaut.”
In der heutigen digitalen Welt können
die privaten Fotos oder Videos von Frauen
eine soziale Währung unter
Jungen und Männern sein.
“Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.”
"Ohhhh!"
Eine Währung, die einem Mann
Status unter Gleichaltrigen verleihen kann,
“Das ist heiß!”
indem er den Beweis erbringt, dass eine Frau
seinem sexuellen Verlangen unterworfen ist.
“Das sieht nicht gut aus, Tom.”
“Ich habe es nur einem anderen Kerl geschickt,
weil er mir nicht geglaubt hat, dass ich Sex mit Ruby hatte.”
Auch hier sehen wir, wie der Akt des Zurschaustellens
des weiblichen Körpers, ohne Erlaubnis,
zu einer Möglichkeit für Männer wird, sich über ihr gemeinsames Verständnis
von männlichem Anspruch miteinander zu verbinden.
"Und der Oscar geht an-""
"Ohhhh, shi-"
Fernsehsendungen wie Euphoria,
Sex Education und Stargirl
haben alle versucht, das Problem der unerlaubten
Weitergabe von Bildern zu thematisieren.
Leider können manche Fernsehautoren einfach nicht widerstehen,
einen große, unerwartete Wendung in die Handlung einzubauen,
bei der sich herausstellt, dass der
Übeltäter ein fieses Mädchen ist.
Im Gegensatz zur weitaus häufigeren
Situation im wirklichen Leben,
in der der Schuldige ein aktueller
oder ehemaliger Liebespartner ist.
“Joseph Lyman hat uns das Bild gezeigt,
das du ihm gegeben hast.”
“Was?”
“Oh, dein Nacktselbstporträt.
Er hat es allen gezeigt.”
“Die ganze Stadt hat es gesehen.”
“Der verdammte Bürgermeister hat es gesehen.”
(Gelächter)
In der Serie Normal People gibt es eine Szene,
in der ein Mann mit einem Nacktfoto seiner Freundin angibt.
Anstatt beeindruckt zu sein, sagt der Protagonist,
dass das nicht in Ordnung ist.
“Findest du nicht ein Bisschen abgefuckt,
Bilder von deiner Freundin so zu zeigen?”
Der Moment ist kurz, aber er ist
aus zwei Gründen bemerkenswert:
Erstens ist es ein seltenes Beispiel für einen Mann, der einen
anderen Mann auf nicht einvernehmliches Verhalten hinweist.
Und zweitens, weil die Produzenten sich entschieden
haben, dem Publikum dieses Bild nicht zu zeigen.
Selbst in Medien, in denen es darum geht,
dass es falsch ist, private Bilder zu teilen,
sorgen Medienmacher oft dafür, dass das Publikum
einen klaren Blick auf die fraglichen Fotos oder Videos hat.
Die Einbindung dieser Aufnahmen ist unnötig
und macht die Zuschauer wieder zu Komplizen
beim nicht einvernehmlichen Anstarren.
Genauso wie die Schuld am Spionieren nie
bei der Person liegt, die ausspioniert wird,
liegt sie auch nie bei den Personen, deren intime
Bilder ohne ihre Zustimmung verbreitet werden.
Die Schuld sollte allein bei denjenigen liegen, die die
Bilder ohne Zustimmung weitergeben oder ansehen.
“Du hättest sie ihm nie schicken dürfen.”
“Er hätte sie nie teilen dürfen.”
Es ist immer noch sehr selten, dass männliche Figuren in
den Medien die Privatsphäre von Frauen respektieren.
Noch seltener sieht man Männer oder Jungen, die eingreifen,
um Gleichaltrige an nicht einvernehmlichen Spähen zu hindern.
"Was?"
Aber genau diese Art von
Darstellungen brauchen wir.
“In Ordnung, ich mach' zu.”
Wenn wir eine Kultur der bejahenden und
enthusiastischen Zustimmung aufbauen wollen,
ist es entscheidend,
die Ethik des Sehens zu verstehen.
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