Viele Menschen fragen nach ACU und seiner Initiative für mobile Geräte.
Ich möchte nun einige Gründe dafür nennen, warum wir hier bei ACU das tun, was wir tun.
Ich hoffe, dass dies nicht nur erklärt, was hier bei uns passiert,
sondern was generell passiert in unserer Kultur, in diesem neuen Informationszeitalter.
Ich möchte zunächst diese wundervolle Postkarte des französischen Künstlers Villemard zeigen.
1910 entstand eine ganze Reihe solcher Postkarten, die Vorstellungen des Jahres 2000 zeigen.
Ich liebe an diesen Postkarten, dass Villemard die Technologie fast immer richtig trifft.
In diesem Fall handelt es sich um Video-Chatten.
Ein vornehmer Herr sitzt am Tisch und chattet mit einer Dame.
Die Technologien waren fast immer richtig dargestellt.
Es gibt eine Leinwand, der Herr hat eine Audio- und Videoverbindung - all diese wundervollen Dinge.
Aber Villemard zeigt niemals den Schritt, wie eine Veränderung in der Technologie
zu einer Veränderung in der Kultur führt.
In diesem Fall gibt es diesen armen beschäftigten Mann, der Hände und Füße benutzt,
um mit all diesen Technologien Schritt zu halten.
Es muss eine Unterklasse geben in Villemards höchst hierarchischer Welt.
Es gibt immer noch Reiche und Arme.
Villemard versteht nicht, dass die Veränderung in der Technologie die gesamte Kultur verändert.
Ich beginne mit diesem Bild, weil ich es wichtig finde, für uns zu verstehen,
dass es um mehr als Technologie geht, wenn wir uns über die stattfindenden Veränderungen unterhalten.
Es handelt sich um eine Veränderung in der Art und Weise, wie wir die Welt verstehen.
Technologische Veränderungen durchlaufen vier grundlegende Phasen.
Eine Technologie wird erfolgreich und etabliert sich, indem sie ein Problem löst.
Und im Zuge des Lösens eines Problems formiert sich eine neue Kultur rund um die Technologie.
Alle möglichen Dinge kommen zusammen.
Während diese Technologie und die Kultur sich verfestigen, werden Probleme sichtbar.
Diese Probleme verursachen eine Instabilität im System.
So gibt es plötzlich eine Reihe von neuen Möglichkeiten und Technologien, die die bestehende Kultur bedrohen.
Eine davon löst das neue Problem und wird nun ihrerseits zum Fundament für eine neue Kultur.
Die Entwicklung bewegt sich von Innovation über Aufbau und Verfestigung zu Destabilisierung und zurück.
Es gibt Spannungen zwischen den Polen; Spannungen zwischen Innovation und Festigung
und Spannungen zwischen Aufbau und Destabilisierung.
Momentan befinden wir uns auf dieser Seite der Gleichung.
Wir sind gerade in der Mitte zwischen Destabilisierung und Innovation.
Die meisten von uns an der Universität, die ProfessorInnen und AdministratorInnen,
befinden sich gerade in der Phase der Destabilisierung.
Aber die meisten unserer Studierenden haben sich bereits in die Phase der Innovation begeben.
Sie leben bereits die Antwort zu den Problemen, die diese neuen Technologien lösen.
Das ist ein großartiger Aspekt, um anzufangen. Ich möchte aber auch noch woanders anfangen.
Ich bin Mittelalterforscher und verbringe eine Menge Zeit, darüber nachzudenken,
wie sich Technologien im Laufe der Zeit verändert haben.
Gehen Sie mit mir gemeinsam ein Stück in die Vergangenheit und sehen Sie sich an,
wie sich Dinge verändert haben - nicht vor kurzem, sondern vor langer Zeit.
Ich weiß nicht, wie viele Menschen sich an diese grundlegende Veränderung erinnern:
Den Wechsel von der Schriftrolle zum Kodex. Er vollzog sich um 300 nach Christi.
Es gibt dafür zwei sehr interessante Gründe.
Erstens ist die Schriftrolle nicht sehr transportabel. Sie besitzt keine stabile Struktur.
Eine Schriftrolle benötigt einen Tisch; sie benötigt zur Nutzung einen bestimmten Ort.
Der Kodex, das Buch, hat einen stabilen Umschlag, durch den man es bequem mit sich führen kann.
Wir schließen daraus, dass vor fast 2000 Jahren die Menschen Interesse an Mobilität hatten.
Sie wollten Informationen mit sich mitführen.
Es gibt noch einen zweiten Grund. Die Schriftrolle weist einen linearen Zugang auf.
Um zum Ende zu kommen, muss man die ganze Schriftrolle bis zum Ende aufrollen.
Das Buch hingegen erlaubt den Zugang zu einer beliebigen Stelle.
Man kann seine Finger an zwei oder drei verschiedenen Stellen haben,
zwischen diesen nach hinten oder nach vorne blättern
und die gewünschten Informationen dann finden, wenn sie gebraucht werden.
Das ist nichts Neues.
Die Menschen haben Sehnsucht nach etwas Neuem, wenn sie sich neuen Technologien zuwenden.
Dies ist etwas, das Menschen fast 2000 Jahre lang wollten:
Die Fähigkeit, Inhalte mit sich zu führen und sie dann zu verwenden, wann und wo sie wollten.
Das ist eine interessante Perspektive, die wir beachten müssen,
wenn wir über die Herausforderungen der neuen Technologien nachdenken.
Im Mittelalter hatten wir wundervolle Dinge wie Hypertext - in diesen aufwändigen Lehrbüchern.
Wir hatten Multimedia; ich stelle mir dies als sehr frühe Version von YouTube vor.
Wir verfügten über Bilder, die uns halfen, zu verstehen, wie Dinge funktionieren.
Wir hatten sogar eine Frühform von virtueller Realität.
Dieses Bild zeigt den Bruder des französischen Königs.
Er empfängt gerade das Buch, in dem dieses Bild auftaucht. Eine wirklich merkwürdige Sache.
In diesem Zeitalter, im ersten Zeitalter der Information, im Zeitalter der Handarbeit,
war die einzige Möglichkeit, Wissen zu übertragen durch Handarbeit.
Dies war die einzige Technologie, über die wir verfügten,
um Informationen anderen Menschen zugänglich zu machen.
Für MittelalterforscherInnen ist das sehr praktisch.
Denn eine Art und Weise, wie wir Unterschiede zwischen Manuskripten feststellen,
ist, auf die Unterschiede in der Handschrift der Schreiber zu achten, die diese Texte festhielten.
Dies lässt uns Rückschlüsse ziehen auf die Personalisierung dieser Texte.
Weil Wissen in diesem Zeitalter schwer verfügbar war,
entwickelten wir eine spezielle Art und Weise des Unterrichtens: die Vorlesung.
In einer Vorlesung liest der Lehrer das Buch seinen Studierenden vor, sodass diese sich
ihre eigenen Abschriften anfertigen und das Buch mitnehmen können.
Es gab keinen anderen Zugang für sie, an die Informationen zu kommen.
Ein wichtiger Aspekt in diesem Informationsmodell ist der "locus" (Ort):
der Punkt, der mir Zugang zu dem Wissen gab, das sich direkt in meiner Umgebung befand.
Dies verursachte Komplikationen: Es war schwierig, an Informationen an anderen Orten zu gelangen.
Wenn ich im Mittelalter in London gelebt hätte und an Wissen gelangen wollte, das sich in
Konstantinopel befunden hätte, hätte ich dorthin reisen müssen - oder nach Rom, Mailand oder Paris.
Dies bedeutete, dass nicht jeder Zugang hatte.
Es gab eine Menge Menschen, aber nur wenige davon konnten Informationen produzieren
und konsumieren. Das zentrale Problem dieses ersten Zeitalters war der Zugang zu Informationen.
Zugang zu Wissen war das Hauptproblem des ersten Zeitalters, dem Zeitalter der Handarbeit.
Wenn wir an das Modell des Lernens und Lehrens in dieser Zeit denken und an die Wichtigkeit von
Zugang, können wir großartige Lehrkontexte beobachten: zum Beispiel das Lehrlingsmodell.
Studierende lebten und arbeiteten bei der Person, die sie unterrichtete.
Dieser Bäcker lernt auf eine ganz bestimmte Art und Weise,
die Lernen und Lehren vom Mittelalter zurück bis zur Urzeit bestimmte.
Dieses Zeitalter des Lernens und Lehrens zeigt einige typische Eigenschaften.
Zunächst lebten und arbeiteten Lehrende in einer Beziehung mit ihren Studierenden -
sie wohnten zusammen. Lehrende waren Mentoren, die das Lernen durch Üben förderten.
Studierende machten Dinge wieder und wieder, bis sie sie erlernt hatten.
Es gab keine bestimmte Aufteilung zwischen Unterrichtszeit, Zeit zu Hause und Arbeitszeit;
alles ging ineinander über. Im Zentrum stand kontextuelles Lernen.
Es stellt sich heraus, dass wir unterschiedlich lernen, wenn sich der Kontext ändert.
Dieser Bäcker beispielsweise würde feststellen, dass der Teig an kalten, nassen und
an warmen, trockenen Tagen unterschiedlich aufgeht.
Er musste an die unterschiedlichen Einflüsse denken, die zusammen einwirkten und
sich ansehen, wie all diese verschiedenen Aspekte zusammenhingen.
Dies fehlt so oft im heutigen Lehren und Lernen.
Es gab keine Tests im heutigen Sinne. Die Menschen wiederholten Routinen so oft, bis sie sie konnten.
Wenn das Brot eines Tages nicht aufging, fiel man nicht durch in der Herstellung von Weizenbrot.
Man machte es einfach erneut und erneut, bis man es konnte.
Wiederholung und Einschätzung der Situation führten zu selbstständiger Anwendung, sodass man
schließlich zu einem Kollegen des Bäckers wurde. Das war das Ziel des Lernprozesses.
Lernen drehte sich um Menschen, die zusammen arbeiteten.
Walter Ong, ein hervorragender Wissenschafter und Autor des Buches "Oralität und Literalität",
bezeichnet diese Art des Lernens als nahe zur menschlichen Lebenswelt. Es ist subjektiv
und sehr individualisiert. Es ist dialektisch; Diskussionen spielen sich ab.
Und es ist sehr vernetzt. Jeder Aspekt ist mit den anderen verbunden.
Aber es gab noch immer ein Problem; das Problem des Zugangs.
Wie sollte dieses Problem gelöst werden? Gutenberg löste das Problem, indem er den Buchdruck erfand.
Diese wunderbare Erfindung löste das Zugangsproblem erstmals in der Geschichte.
Eine Druckerpresse wurde aufgestellt und ein Buch nach dem anderen wurde produziert.
Alle sahen gleich aus und konnten in großen Mengen produziert werden.
Erstmals in der Geschichte hatten große Mengen an Menschen Zugang zu Informationen.
Es gab riesige Bibliotheken. Die größten Bibliotheken des Mittelalters verfügten über 200 bis 300 Bücher.
Nun gab es Bibliotheken mit tausenden, zehntausenden, Millionen von Büchern.
Das nächste Problem kündigte sich an: Wie finde ich in dieser Welt etwas? Das war unglaublich schwierig.
Informationen zu finden wurde zum grundlegenden Problem des zweiten Zeitalters,
dem Zeitalter des Buches. Wie findet man etwas in dieser riesigen Masse an Informationen?
Technologien wurden erfunden, um uns zu helfen.
Dies prägte meine ersten Lernerfahrungen: der Schlagwortkatalog auf Karteikarten.
Denken Sie an die Komplexität hier: Ich muss etwas finden - wo beginne ich?
Zunächst musste ich herausfinden, wie die Bibliothekare das nannten, was ich suchte.
In meiner Bibliothek gab es vier riesige rote Ausgaben der "Library of Congress" Schlagwörter.
Darin suchte man das Wort, das man nachschlagen wollte und sah, wie die Bibliothekare es nannten.
Nun war man bereit, um zu den Laden mit Karteikarten zu gehen.
Man machte eine Lade auf und begann, die Karten durchzusehen, bis man das Gesuchte fand.
Aber man wollte immer noch die Information.
Also schrieb man Indexnummern und Angaben auf, suchte nach anderen Einträgen und schrieb eine Liste.
Nun ging man durch die Bibliothek, um die gesuchten Bücher zu finden.
Zunächst stieß man auf die Abteilung der Bibliothek, in der sich die Information befand.
Aber noch immer fehlte die Information. Als nächstes fand man das passende Regal; das passende Buch.
Aber immer noch war man auf der Suche nach der Information.
Also durchstöberte man den Index, das Inhaltsverzeichnis -
und endlich konnte man die Seite aufschlagen um festzustellen: "Danach habe ich aber nicht gesucht."
Selbst für kleine Forschungsprojekte oder wissenschaftliche Arbeiten dauerte es Stunden,
mit dieser Methode, in diesem Zeitalter, Recherchen zu betreiben.
Und wenn man an etwas Größerem arbeitete, etwa einer Dissertation oder einer Diplomarbeit,
verbrachte man Wochen und Monate in der Bibliothek auf der Suche nach Informationen.
In dieser Welt war die Aufgabe von Lehrenden, als eine Art Wegweiser Studierenden zu helfen,
die Informationen zu finden, nach denen sie suchten.
Weil die Technologien sich veränderten, änderte sich auch unsere Kultur.
Wir veränderten die Art und Weise, wie Lehren und Lernen ablief.
In diesem Zeitalter waren wir mit einem sehr unterschiedlichen Modell konfrontiert:
Ein Modell, das nicht wie das Modell des Lehrens und Lernens des ersten Zeitalters,
des Zeitalters der Handarbeit, aussah. In diesem Modell fungierten Lehrende
als die wichtigsten Verbindungen zu Wissen. Sie stellten die Verbindung her,
indem sie dabei halfen, ein Problem der Lernenden zu lösen.
Wenn das Finden von Informationen schwer ist, hilft es Studierenden,
wenn Lehrende ihnen Wissen und Informationen vermitteln.
Wir konzentrierten uns auf Klassifizieren und Katalogisieren, denn das Wichtigste war,
zu verstehen, wie das System funktionierte. So würde man in der Zukunft Informationen finden.
Und es vermittelte auch, wie man an die Produktion von Wissen herangehen würde.
Wir konzentrierten uns auf das Auswendiglernen von Fakten und Daten.
Der Grund dafür war: Je mehr Informationen ich in meinem Kopf herumtragen konnte,
desto weniger Zeit musste ich aufwenden, Informationen zu suchen und sie zu finden.
Wenn ich wusste, wann und wo ein Autor geboren wurde
und mit welchen literarischen Strömungen dieser Autor in Verbindung gebracht wurde
- all diese Informationen rund um die Person - dann verfügte ich über eine Reihe an Ansatzpunkten
um neue Informationen zu finden.
Weil das Auswendiglernen wichtig war, konzentrierten wir uns auf die Wiederholung.
Studierende wiederholten mit großer Genauigkeit, was ihre Lehrenden ihnen vermittelt hatten.
Wir nennen dies Testen. Als Lehrer gab ich meinen Studierenden Informationen
und ließ mir diese so präzise wie möglich zurückspielen.
Dann wusste ich, ob dieses Wissen erlernt wurde.
Alles, was mit Interpretation und Analyse zu tun hatte, wurde später in den Bildungsprozess verlagert.
Zu einem Zeitpunkt, an dem Studierende in den späteren Phasen ihres Universitätsstudiums waren.
Lernen wurde hierarchisch.
Das erste Mal in der Geschichte lernten wir von Objekten und nicht nur von Menschen;
wir lernten aus Büchern. Manchmal erzählte ich meinen Studierenden wundervolle Geschichten
von Chaucer und meine Studierenden sagten: "Das steht nicht im Buch."
Das Buch erlangte eine Vorrangstellung. Lernen wurde zum ersten Mal standardisiert,
weil die Bücher standardisiert waren.
Im Zuge dieser Standardisierung realisierten wir, dass nicht nur
unsere Materialien standardisiert waren - wir brauchten auch standardisierte Studierende.
Dies wurde sehr engmaschig festgelegt.
Weil wir uns auf Klassifizierung und Katalogisierung konzentrierten,
begannen wir, dies mit allen möglichen Aspekten unseres Lebens zu tun.
"Nehmen wir doch all die Stücke und Aspekte und ordnen sie in die jeweiligen Schachteln ein.
Das ist Schulzeit, das ist Zeit zu Hause und das ist Arbeitszeit." Dies führte zu großen Veränderungen.
Wir hatten keinen "locus"; wir hatten den "nexus", einen zentralen Punkt,
an dem sich Informationen von unterschiedlichen Seiten bündelten.
Das war großartig, weil es eine Reihe von kreativen Welten öffnete.
Anstatt dass ich reisen musste, um an Informationen zu gelangen,
kam das Wissen nun zu mir.
Dies bedeutete, dass viel mehr Menschen Wissen nutzen und daran teilhaben konnten.
Es gab noch immer nicht so viele Menschen, die Wissen produzierten, aber Massen von Menschen,
die zu diesem System zum ersten Mal Zugang erlangten.
Das Buch ist die Basis von allgemeiner Bildung und das ist eine wundervolle Sache.
Aber ich denke nicht, dass dies das Zeitalter ist, in dem wir heutzutage leben.
Unser Zeitalter hat das Zeitalter des Buches, das Zeitalter von Auswendiglernen und Standardisierung, überwunden.
Das Problem, Informationen zu finden, wurde im dritten Zeitalter gelöst: dem Zeitalter der Daten.
Die Druckerpresse war die erste Maschine, die die Vorstellungskraft des Westens festhalten konnte.
Diese Metapher der Maschine mit seinen standardisierten Bauteilen
wurde zu einer Metapher, die wir nicht nur mit dem Buchdruck in Verbindung brachten,
sondern auf das gesamte Universum umlegten:
Dies ist die Welt der Physik Newtons, in der jeder Bauteil an seinem Platz arbeitet
und alle sich perfekt ergänzen. Als diese Metapher sich weiterentwickelte und
wir uns mehr und mehr auf Kategorisierung und Eingrenzung konzentrierten,
brach diese Metapher zusammen.
Wir hatten keine gut geölte und perfekt funktionierende Maschine, sondern kompletten Stillstand.
Seit Beginn an sorgten wir uns, was wäre, wenn nicht die Maschinen uns zu Diensten wären,
sondern wir den Maschinen dienten?
Wir errichteten Klassenzimmer, die aussahen, wie die mechanisierte Welt, wie wir sie verstanden.
Unsere Klassenzimmer wurden zu Plätzen, an denen wir Studierende
möglichst effizient durchschleusen konnten.
Wir versuchten, unsere Studierenden so gleichförmig wie nur möglich zu machen.
Ich liebe dieses Bild. Es gibt da eine Person auf der linken Seite am oberen Rand.
Er hat seinen blauen Blazer und seine Krawatte vergessen.
Er ist meine Lieblingsperson auf diesem Bild.
Sehen wir uns seine Körpersprache an. Alle anderen Personen auf dem Bild sitzen aufrecht,
haben eine gute Haltung und scheinen bereit für die Arbeit zu sein.
Dieser Mann in der Ecke sitzt vornübergebeugt und gibt vor, sehr viel zu tun zu haben:
"Ich habe zu viel zu tun, um mir Sorgen zu machen über meinen blauen Blazer."
Interessanterweise behandeln wir genau so Menschen,
die sich in unserem Bildungssystem von den anderen abheben.
Es ist offensichtlich, dass diese Person sich schämt und versucht, die Situation auszugleichen.
Aber er fühlt sich nicht zugehörig.
Was machen wir im standardisierten Modell mit Menschen, die sich unterscheiden?
Typischerweise blenden wir die Menschen am oberen Rand und die Menschen am unteren Rand aus
und geben vor, alle in der Mitte sind gleich. Ich bin mir nicht sicher, ob das funktioniert.
Ich denke, wir müssen dies überdenken. Und ich bin gespannt, ob das Informationsmodell,
das Studierenden standardisierte Informationen liefert, noch immer wichtig ist in unserem Zeitalter.
Denken wir beispielsweise an Google.
Wenn wir einen Begriff wie "Bildungstechnologie" nachschlagen,
erhalten wir eine unglaubliche Menge an Informationen -
mehr Informationen, als wir früher in einer ganzen Karriere gesammelt hätten.
Wenn wir jeden dieser Suchtreffer für zehn Sekunden betrachten würden
für 40 Stunden pro Woche, 52 Wochen pro Jahr - dann hätte man
die Resultate dieser Suche, die 0,2 Sekunden gedauert hat,
in 86 Jahren, 6 Monaten und 28 Tagen abgearbeitet.
Eine unglaubliche Anzahl an Informationen. Das ist nicht der "locus", das ist nicht der "nexus".
Das ist die "matrix", auf die Informationen von überall her eintreffen.
Ich weiß nicht mehr, woher genau das Wissen kommt.
Es gibt viel mehr Menschen, die Zugang zu Informationen haben
und eine Menge mehr Menschen, die auch Wissen produzieren.
Am Ende erhalten wir eine riesige Menge an Inhalten.
Wenn Sie vor einigen Sekunden beim Wort "Matrix" an dieses Bild gedacht haben -
das ist völlig richtig. Das Problem des derzeitigen Zeitalters ist das Problem des Kinofilms "Die Matrix":
Ich weiß nicht, was wahr ist und wem ich trauen kann.
Das Problem des derzeitigen Zeitalters ist das Beurteilen, das Bewerten.
Dieses Problem wird immer größer.
Der US-Bibliotheksverbund schätzt, dass 2020 sich die im Internet verfügbare Information
alle 15 Minuten verdoppelt haben wird. Alle 15 Minuten - das ist eine geometrische Folge.
Wenn ich eine Gruppe von StudienanfängerInnen nach einer Stunde Unterricht verlasse,
gibt es sechzehn Mal so viel Inhalte im Internet.
Unterrichte ich ein dreistündiges Seminar für Fortgeschrittene,
gibt es danach 4.096 Mal so viele Informationen.
Wenn mein Modell darauf beruht, Informationen an Menschen weiterzugeben, dann
ist es in dieser Welt möglich, dass Informationen, die ich kurz vor Beginn des Unterrichts erhalten habe,
schon wieder veraltet sind, bevor ich den Vorlesungssaal verlasse.
Dies führt zu einigen wichtigen Fragen.
Erstens - wenn ich mir vorstelle, dass meine Hauptaufgabe als LehrerIn ist,
Informationen meinen Studierenden zu vermitteln
- die Aufgabe, die ich im letzten Informationszeitalter hatte -
verbessert das oder verschlechtert das deren Problem im Umgang mit Informationen?
Zweitens - wenn ich mir mich selbst als "nexus" von Informationen vorstelle,
wie es im zweiten Informationszeitalter üblich war,
lässt mich das weise und intelligent aussehen oder wahnhaft?
Die dritte Frage ist die wichtigste.
Ist die Weisheit und die Erfahrung von Lehrenden in diesem Informationszeitalter
weniger notwendig oder notwendiger?
Ich würde sagen, dass sie notwendiger sind - aber nur, wenn wir daran arbeiten,
die Informationsprobleme des jetzigen Zeitalters zu lösen und nicht die von vergangenen Zeiten.
Wie sieht Lehren und Lernen in diesem dritten Zeitalter aus?
Ich denke, zunächst muss Lehren wieder von Beziehungen bestimmt sein.
Wir sehen das gut im Zusammenhang mit Social Media.
Lehrende und Studierende können kommunizieren, zusammenarbeiten
auf Arten und Weisen, die vor ein paar Jahren unmöglich gewesen wären.
Diese Beziehung gibt uns die Möglichkeit, mit Studierenden zu arbeiten und ihnen zu helfen,
mit den Schwierigkeiten der Bewertung, der Beurteilung all dieser Inhalte umzugehen.
Beziehung wird zu einer Möglichkeit,
diese unglaublichen Mengen an Informationen einzugrenzen und enger zu fassen.
Lehrende sollten sich darauf konzentrieren, MentorInnen zu sein.
Wir müssen das Lernen durch Praxis und Lehre fördern - Lernen im realen Leben.
Informationen anzuwenden wird zu einer weiteren Möglichkeit, die Informationen einzugrenzen,
sodass ich diese in Situationen des wahren Lebens nutzen kann.
Das macht die Information wichtiger und wertvoller für Studierende,
die sie im Zuge des Lernens anwenden können.
Wir müssen uns auf kontextuelles Lernen konzentrieren.
Nicht nur große, allgemeine Prinzipien, sondern darüber nachzudenken,
wie man Modelle in bestimmten Situationen anwenden kann.
Wenn Informationen sich so schnell ändern, dass wir kaum mithalten können,
müssen wir nicht Informationen unterrichten, sondern Informationsmodelle und
wie man diese in bestimmten Kontexten anwendet.
Wenn das Wissen sich ändert, wissen die Menschen immer noch,
wie sie das Modell anzuwenden haben.
Diese Anwendung von Wissen in bestimmten Kontexten muss immer wieder gefestigt werden,
sodass die Menschen die Unterschiede zwischen den Modellen sehen,
die sie erstellen und mit denen sie arbeiten.
Sie verstehen, welche Modelle in welchem Kontext passend und nützlich sind.
Wiederholung und Bewertung, Beurteilung soll die Menschen dazu befähigen, unabhängig zu arbeiten.
Schlussendlich müssen wir Lernen als nicht länger standardisiert begreifen,
als subjektiv und entsprechend den Bedürfnissen von Studierenden in bestimmten Situationen.
Lernen sollte dialektisch sein, das sich um Diskussionen dreht.
Denn Diskussionen helfen uns zu verstehen, wie Informationen anzuwenden sind.
Lernen sollte breit vernetzt sein; nicht zerteilt in kleine Stückchen,
sondern all diese Stückchen zusammenbringend.
Wenn diese Aufstellung bekannt klingt, so ist dies der Fall,
weil es sich um dieselbe Liste handelt, mit der wir begonnen haben.
Ich bin überzeugt, dass in hunderten von Jahren
Menschen auf dieses merkwürdige Zeitalter des Buches zurückblicken werden,
auf ein Zeitalter, in dem unsere Technologie unsere Kultur bestimmte,
und werden das als merkwürdiges Phänomen in der Geschichte betrachten.
Wir kehren zurück zu einer Art und Weise des Lehrens und Lernens,
die die Menschheit seit Urzeiten bestimmt hat.
In dieser Art und Weise haben wir immer gelernt und wollten immer lernen.
Wir sollten keine Fabrik bauen, sondern diese eher in die Luft sprengen.
Wir sollten ein Laboratorium einrichten.
Dieses Bild zeigt Thomas Edisons Forschungslaboratorium, das erste moderne Forschungslabor.
Edison schuf es, um etwa 10.000 Elemente zu untersuchen, um die exakt passende Füllung
für die Glühlampe zu finden.
Er realisierte, dass er nicht genau wusste, wann er Dinge brauchen würde,
bis er sie dann brauchte. Er benötigte Zugang zu allem.
So fand sich in seinem Labor auch eine Pfeifenorgel, weil er nicht wusste,
wann er Orgelmusik brauchen würde. Er stellte alles andere auch dort hinein.
Dies ist die Welt in den Händen unserer Studierenden;
dies ist die Welt in den Händen einer Generation, die mit mobilen Technologien ausgestattet ist.
Sie tragen nicht nur 1.000 Lieder in ihren Taschen -
zusätzlich tragen sie 1.000 Bibliotheken in ihren Taschen.
Wir brauchen eine Welt, in der Bücher sich verwandeln,
sie nicht statische, Standardmodelle sind, sondern interaktiv.
Bücher, die es Menschen erlauben, mit der Information arbeiten.
Bücher, die sich individuell an Erfahrungen und Bedürfnisse von Studierenden anpassen.
Bücher, die miteinander vermischbar sind und mit Menschen verbunden,
sodass sie Schauplatz von Diskussion und Analyse werden.
Wir wollten immer über Bücher sprechen -
warum machen wir es nicht möglich, dass dies im Buch selbst geschieht?
Bücher, die angereichert sind, die wissen, wo ich bin
und mir die richtige Information anbieten, je nachdem, wo ich mich befinde.
Und wir brauchen Lehre, die genauso flexibel ist wie diese Bücher.
Lehre, die es vielen Menschen ermöglicht, Wissen aufzunehmen,
aber ebenso vielen Menschen erlaubt, Wissen zu produzieren.
Dies ist die einzige Art und Weise, wie wir die Informationsprobleme dieser Welt lösen.
Wie lösen wir beispielsweise ein Problem wie den Klimawandel?
Ist dies ein technologisches Problem? - Ganz sicher.
Ist es ein soziales Problem? - Ja.
Ist es ein wirtschaftliches Problem? - Ja.
Ist es ein kulturelles Problem? Ist es ein geschichtliches Problem?
Ist es gar ein ästhetisches Problem?
Wir brauchen nicht Menschen, die enge Definitionen von Wissen geben können
oder Menschen, die nur in engen Dimensionen verstehen.
Wir brauchen Menschen, die Dinge miteinander in Verbindung bringen können.
Die Probleme der heutigen Welt sind so komplex, dass wir Menschen brauchen,
die zusammenarbeiten können; die in einer Gemeinschaft zusammenkommen können.
Aus diesen Gründen verfolgen wir die mobile Initiative bei ACU.
Wir denken, es ist wirklich wichtig zu sehen, wie diese neuen Technologien die Kultur verändern werden
und wie sie das Lehren und Lernen verändern werden.
Wir sind unglaublich gespannt darauf, was als nächstes kommt.
Vielen Dank.
Transkription und Übersetzung: Stephan Waba 2014