Willkommen zur dritten Folge unserer mehrteiligen Serie über die Rollen und Darstellung von Frauen in Videospielen. Dieses Projekt untersucht die Tropoi, Handlungsabläufe und Muster, die am häufigsten mit Frauen in Spielen assoziiert werden, aus einer systematischen und weiten Perspektive. Während der Serie werde ich kritische Analysen vieler bekannter Spiele und Charaktere machen, aber bitte behaltet im Auge, dass es möglich und sogar notwendig ist, ein Werk zu mögen, aber trotzdem seine schädlicheren Aspekte zu kritisieren. In unseren letzten zwei Folgen zu diesem Thema have ich erläutert, dass der "Jungfrau in Nöten"-Tropus eine der verbreitetsten Darstellungen von Frauen in Spielen ist und bleibt, und in hunderten von Werken auftaucht - von Old School-Klassikern bis hin zu modernen Kassenschlagern. Aber was ist mit dem Gegenteil? Gibt es Spiele, in denen heldenhafte Frauen losziehen müssen, um einen "Typen in Nöten" zu retten? Ja, es gibt sie wirklich. Da Protagonistinnen mit ihrem eigenen Spiel aber sowieso schon nicht sehr häufig sind, sind Abenteuer, in denen Frauen Männer in Gefahr retten, extrem selten. In unserer ersten Folge erwähnte ich, dass Prinzessin Peach der Star in genau einem Jump'n'Run-Spiel ist. Dieses Spiel heißt "Super Princess Peach" und wurde 2006 für die Nintendo DS veröffentlicht. Es war einmal, dass Prinzessinnen dazu aufgerufen, zwei eingesperrte Klempner zu retten. Sie machten ein Intensivtraining durch, um überlebensnotwendige Fähigkeiten zu meistern. Wenn du dich gegen richtig fiese Leute behaupten kannst, hast du vielleicht das Zeug dazu, eine Prinzessin zu sein. Das Konzept ist eine einfache Umkehrung der Standardformel des Franchises, in der Bowser Mario und Luigi entführt, sodass Peach sie dieses Mal befreien muss. Nachdem sie also in 13 unterschiedlichen Super Mario-Spielen entführt wurde, darf Peach einmal die Heldin sein. Aber freut euch nicht zu früh, denn der ganze Rest des Spieles ist eine Katastrophe von Geschlechterstereotypen. Nintendo führte ein neues Spielelement ein, mit dem man für Peach eine von 4 speziellen Fähigkeiten auswählen kann, die sogenannten "Vibes" ("Schwingungen"). Und wisst ihr, was diese Fähigkeiten sind? Ihre Stimmungsschwankungen. Genau, Peach's Fähigkeiten sind ihre außer Kontrolle geratenen, verrückten weiblichen Gefühle. Sie kann einen Wutanfall bekommen und ihre Feinde zu Tode ärgern, oder sich die Augen ausheulen und ihre Feinde mit Tränen wegschwemmen. Nintendo hat also einen PMS-Witz zum Grundstein des Spieles gemacht. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, taucht Peach nicht einmal in den erzählerischen Videosequenzen des Spieles auf. Stattdessen konzentrieren sie sich alle auf die Hintergrundgeschichte ihres Sonnenschirms, der sich als ein verfluchter Junge namens Perry herausstellt. Während es also auf jeden Fall schön ist, Peach in der Hauptrolle ihres eigenen Abenteuers zu sehen, fühlt sich der "Typ in Nöten"-Rollentausch hier so an, als ob er nur ein spielerischer Witz oder ein Spaßprodukt für einen Nischenmarkt sein soll. Ähnliche Geschlechter-Rollentausche wurden in einer Handvoll Spiele eingesetzt, unter Anderen in "Balloon Kid" für den Game Boy Classic, wo Alice nach ihrem verschwundenen kleinen Bruder suchen muss. Teil der Handlung in "Kya: Dark Lineage" dreht sich darum, Kya's Halbbruder Frank zu finden. In "Primal" reist Jennifer Tate in dämonische Reiche, um zu versuchen, ihren entführten Freund Lewis zu retten. In einem meiner absoluten Lieblingsspiele, "Beyond Good & Evil", wird Jade's Sidekick, Onkel Pey'j gefangen genommen und über eine Weile des Abenteuers hinweg eingesperrt. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass die meisten dieser Spiele gemacht und heraus gebracht wurden, als die beliebte TV-Serie "Buffy - im Bann der Dämonen" lief, die in den Massen-Unterhaltungsmedien zu einem "Girl Power"-Trend führte, der sich in den späten 1990er und frühen 2000er-Jahren für kurze Zeit ausbreitete. Ihr erinnert euch vielleicht an "Charmed", "Sabrina - total verhext!", oder an die britische Pop-Sensation, die Spice Girls. Wir sind die Spice Girls, ja genau, Girl Power ist alles was wir brauchen. Wir wissen, wie wir es so weit geschafft haben: Stärke und Mut in einem Wonderbra! Allerdings waren über das letzte Jahrzehnt hinweg Spiele mit dem "Typ in Nöten"-Geschlechtertausch nicht besonders verbreitet. Ein seltenes Beispiel ist "Aquaria", ein Indie-Spiel von 2007, in dem Naija durch eine Unterwasserwelt reist, wo sie Sushi macht und Dinge über ihre Vergangenheit herausfindet, und schließlich ihren Angebeteten Li retten muss. Was ist also der Unterschied zwischen traditionellen Geschichten, in denen weibliche Charaktere machtlos sind, und Geschichten, in denen männliche Charaktere von einer Frau gerettet werden müssen? Oberflächlich erscheinen der "Typ in Nöten" und die "Jungfrau in Nöten" vielleicht ähnlich, allerdings sind sie nicht wirklich das Gleiche. Um den Unterschied zu verstehen, müssen wir die tiefgreifenderen geschichtlichen und kulturellen Bedeutungen der beiden Plot Devices verstehen. Erstens: Es gibt keinen Mangel and Männern in führenden oder heldenhaften Rollen in Videospielen, oder in irgend einem anderen Medium. Eine neue Studie zeigt sogar, dass nur ca. 4% der aktuellen Werke sich ausschließlich um eine Frau in der Hauptrolle drehen. Da Männer noch immer größtenteils die Standard-Protagonisten sind, trägt der seltene "Typ in Nöten"-Handlungsstrang zu keiner langjährigen Geschlechter-Tradition in Erzählungen bei. Zwietens, und dies ist vielleicht wichtiger: "Charaktere in Nöten" verstärken oft bereits vorhandene, rückläufige Vorstellungen, dass Frauen allgemein schwach sind oder beschützt werden müssen, wegen ihres Geschlechts, während Geschichten mit vereinzelten hilflosen Männern nichts negatives über Männer allgemein weiter verbreiten, da es kein langjähriges Klischee gibt, das besagt, Männer seien schwach oder unfähig aufgrund ihres Geschlechts. Um dies zu veranschaulichen, lasst uns kurz einen Blick auf das Indie-Spiel "Spelunky" werfen. Das Spiel kam ursprünlich 2009 heraus und Teil des Spieles ist eine typische "Jungfrau in Nöten", für deren Rettung der Spieler mit Lebenspunkten belohnt wurde. Im HD-Remake des Spieles von 2012 für die Xbox Live war die Standard-"Jungfrau" wieder dabei, komplett mit verbessertem Tittengewackel. Allerdings kam dieses Mal eine Option zum Menü hinzu, mit der SpielerInnen eine Ersatzfigur für die Frau in Gefahr auswählen können, indem sie entweder zu einem Chippendale-artigen Muskelprotz oder zu einem Hund wechseln. Abgesehen davon, dass man einen weiblichen Charakter einfach mit einem Hund ersetzen kann, was ein ziemlich sicherer Hinweis darauf ist, dass etwas nicht stimmt - lediglich einen optionalen Geschlechterwechsel ist keine kurz und schmerzvolle Lösung, vor allem, wenn es um Standardcharaktermäßige "Jungfrauen" geht. Die beiden erscheinen vielleicht gleichwertig, aber sie haben in unserer Kultur nicht die selbe Bedeutung. Das hier ist noch immer ein Problem, aber das hier nicht. Nochmal, weil eines bereits vorhandene Rollenklischees über Frauen bekräftigt, während das andere keine bereits vorhandenen Rollenklischees über Männer bekräftigt. In den letzten Jahren gab es auch einige Nachrichten über Fans, die es auf sich genommen haben, die Geschlechterrollen in Spiele-Klassikern zu vertauschen, indem sie dem Code geändert haben. Zum Beispiel Mike Mika's "Donkey Kong"-Hack, in dem Pauline versucht, Jumpman zu retten, Mike Hoye's Geschlechtsveränderte Version von "Wind Waker", und Kenna Warsinske's "Zelda" mit Zelda in der Hauptrolle, das die Prinzessin zur Protagonistin macht. Tatsächlich gib es diese Art geschlechtsgehackter Spieldateien schon seit Jahrzehnten, und bietet abenteuerlustigen SpielerInnen die Möglichkeit, als eine weibliche version von Megaman zu spielen, oder als Prinzessin Peach, die Mario mit ihren Meerjungfrauenfähigkeiten rettet. Und dank des Internets sind Gamemods und Emulatoren heute viel leichter verfügbar. Geschlechter-Hacks wie diese zeigen, wie weibliche Charaktere, die die Rolle der heroischen Retterin annehmen, den Status Quo direkt hinterfragen und das bestehende, männlich dominierte Gaming-Muster durchbrechen können. Trotzdem denke ich nicht, dass Chancengleichheit für "Junfrauen"-Charaktere unbedingt die Lösung ist. Die Geschlechterrollen eines fagwürdigen Musters einfach umzukehren, sodass mehr Männer in mehr Spielen zur "Damsel" gemacht werden, ist nicht die beste langfristige Lösung, obwohl dieses Verfahren kurzfristig subversiv sein mag und eine in diesem Medium sehr präsente Ungleichheit zwischen den Geschlechtern aufzeigt. Letztendlich müssen wir komplett über das Klischee hinaus denken. In den letzten Jahren gab es eine Explosion von Indie Game-Projekten, mit vielen neuen Spielen, die von Spieleklassikern inspiriert wurden. Dies ist ein aufregender und dynamischer Trend mit einem enormen Potential für Innovation. Aber haben es Spiele von außerhalb des etablierten Studiosystems geschafft, den Geschlechterklischees zu entkommen und das "Damseln" zu vermeiden? Nein - der Tropus taucht auch in Indie-, Handy- oder Retrospielen auf, wie z.B. "Gish", "Castle Creatures", "Eversion", "Machinarium", "Super Meat Boy", "Frobot", "I Must Run" "Flying Hamster", "Rochard", - John! - Skylar! Alles klar? "Sideway: New York", "Zack Zero", "Bean's Quest", "Hotline Miami", "Labyrinth Legends", "Sangfroid: Tales of Werewolves" - Josephine! "Gunman Clive", "DLC Quest", "The Other Brothers", "Fist Puncher", - Du musst die Entführer aufspüren und die vermissten Frauen retten. "Fightback", "Tiny Thief", "Knightmare Tower", und "Guacameelee". Ganz zu schweigen von den unzähligen anderen Smartphone- und Tablet-Spielen, die die selbe schwache Geschichte bis zum Abwinken wiederverwenden.