DAS IST ATHEN Athen, Juni 2012 Ich bin hier, um von einem Ort zu berichten, den ich seit 2008 beobachte. Der raue Mut der die Bullen bekämpfenden griechischen Anarchisten nahm die Einbildungskraft von Menschen in der ganzen Welt gefangen, meine eingeschlossen. Im Dezember dieses Jahres ermordete ein Bulle Alex Grigoropoulos, einen Jugendlichen aus dem Viertel Exarchia, Heimat einer großen anarchistischen Bevölkerung. Diese Kids hingen im wesentlichen in der Fußgängerzone von Exarchia herum. Eine Polizeipatrouille fuhr zu ihnen und es gab ein wenig Streit, und die Polizei erschoß Alex kaltblütig, tötete ihn kurzerhand. Beim folgenden handelte es sich um eine Art von spontanen Aufruf, auf diesen Mord zu antworten. Die Leute begannen sich in Exarchia zu sammeln, und bald danach in einem guten Teil des Athener Zentrums und marschierten durch große Teile der Stadt und zerstörten eine Menge staatliche und wirtschaftliche Ziele. Das gipfelten schnell in einer umfassenden Revolte gegen Staat und Kapital. Aber ich bin nicht wegen der Ausschreitungen hierher gekommen. Ich wollte herausfinden, wie sich die griechischen Anarchisten in Reaktion auf die Finzanzkrise organisieren. Ich wollte erfahren, wie die Viertel den Staat überbrücken und Dienstleistungen wie kostenlose Mahlzeiten, Krankheitsversorgung und Selbstverteidigung der Viertel organisieren. Diese Aufgabe erwies sich als schwierger als ich gedacht hatte. Wenige innerhalb der Stadtteilversammlungen ließen sich filmen oder fotographieren, aus Angst vor Vergeltung durch die Polizei, die Arbeitgeber und die Faschisten. Ja, Faschisten, aber wir kommen darauf zurück. Während meines Aufenthaltes war die ganze Stadt mit Plaketen der konkurrierenden politschen Parteien vollgepflastert, einige Tage vor einer Wahl, der Welt signalisierend, . dass die griechische Demokratie noch funktioniert Diese Wahlen sind sehr wichtig, weil wir eine Chance haben, die politische Szene zu ändern. Wir haben die Chance nach links zu gehen. Die Graffitis und die anarchistischen Plakate erzählen eine andere Geschichte. Sie zeigen Griechenland als ein Land im Bürgerkriegszustand. Es ist ein Bürgerkrieg, es fühlt sich bereits wie ein Bürgerkrieg an, aber es ist kein civil war mit großem C, sondern einer mit kleinem c. Zivil wie in zivilisiert, momentan noch vom Schleier der Zivilisation bedeckt. Man hat es mit einer Gesellschaft zu tun, die sich immer noch in der Nachbürgerkriegszeit befindet. Die Dichotomien, Spannungen und die Widersprüche des Bürgerkriegs sind immer noch da und sie tauchen gerade wieder auf, sind aber aktuell von der allgemeinen Höflichkeit verdeckt, in einem Land, das immernoch Teil des weltweiten Westens sein soll und Hoffnung in die Idee des weltweiten Fortschrittes, der kapitalistischen Euphorie setzt, der Entwicklung usw. Hier in Griechenland... Ich nenne es Bürgerkriegssyndrom. Weil unsere Eltern im Bürgerkrieg von 1944-1949 lebten. Und sie können sich erinnern und haben Angst, dass wenn der Krieg ausbricht, wir nicht genug zu Essen haben. Gelly war eine der wenigen Anarchistinnen, die vor einer Kamera erscheinen wollte. Sie schloss sich der Gemeinschaftsorganisation während der Besetzung des Syntagmaplatzes im Mai 2011 an. Die Aktion war von den spanischen Platzbesetzungen inspiriert, die gleichen Aktionen, die auch die nordamerikanische Occupy-Bewegung inspirierte. Es sind durchaus eine Menge von anarchistischen Gruppen und anarchistischen Initiativen aus dem Boden geschossen, die versuchten eine Rolle zu spielen, ohne irgendwie den Staat zu reformieren. Vielmehr sollte die Leerstelle auf eine andere Weise gefüllt werden und zwar nicht länger hierarchisch und autoritär, auf eine Art trugen dazu bei, dass die Leute ihr Alltagsleben überdachten. Wir haben Kleidung, Essen und Medizin gesammelt. Alles was ein Mensch braucht. Und es ist heutzutage zu einfach in Griechenland Obdachlose zu finden. Nachdem die Besetzung von den Bullen geräumt wurde, machten diese Gruppen weiter, indem sie sich in Stadteilversammlungen verwandelten, und konzentrierten ihre Energie auf ihre örtliche Umgebung. Andere, wie Gelly, entschieden sich denen zu helfen, die aus fernen Ländern hierher ausgewandert sind, um nach einem besseren Leben zu suchen. Die Situation der Einwanderer ist entsetzlich. Wenn sie eine Wohnung haben, ist sie sehr, sehr klein: 10 bis 15 Leute. Manchmal haben sie kein Essen. Die meisten Leben auf der Straße. Die Regierung unterzeichnete Dublin II, so dass niemand das Land verlassen darf. Dublin II ist eine Übereinkunft zwischen den EU-Ländern, nach der Einwanderer ohne Papiere, die in irgendeinem EU-Land aufgegriffen werden, in das ursprüngliche Einreiseland ausgeschafft werden. Im Wesentlichem verwandelt das Griechenland in einen Einwanderungsdamm, da die meisten der nach Europa kommenden papierlosen Einwanderer hier durchkommen. Hilfe für Migranten gibt es in Griechenland praktisch nicht und die Menschen werden hungrig. Das ist das zweite Mal, dass Gelly's Gruppe Essen in eine Gemeinschaft kurdischer Einwanderer außerhalb Athens bringt. Die Kurden sind ein Volk ohne Staat. Ihre Heimatländer liegen im Iran, Irak, Syrien und derTürkei. Einige der Leute, die ich traff, sind vor politischer Verfolgung geflohen. Sie gehörten zur Kurdischen Arbeiter Partei, PKK, eine bewaffnete Rebellengruppe, die für Autonomie innerhalb des türkischen Territoriums kämpft. Wir interessieren uns nicht für ihre politischen Ansichten. Die Kurden hatten nie ein eigenes Land und die meisten der Leute, die zwischen 30 und 35 sind, lebten im Krieg und wurden darin geboren. Friedenszeiten kennen sie nicht. Auch wenn die Situtation in Griechenland offiziell nicht Bürgerkrieg genannt wird, gibt es hier auf der Straße einen Konflikt niedriger Intensität. Alle illegalen Einwanderer rauß! Raus aus meinem Land! Raus aus meiner Heimat! Griechenland hat ein Problem mit Neonazigruppen wie der Chrysi Avgui, der Goldenen Morgenröte, die plant ins Parlament einzuziehen und die bewaffnete Gruppen organisiert, die Anschläge auf Einwanderer, Studenten oder streikende Arbeiter ausführt. Rassisten, die der politischen Neonazipartei Goldene Morgenröte zugehören, greifen laufend Einwanderer an, manchmal mit Hilfe der Bullen. Nach unerer griechischen Tageszeitung wählen etwa die Hälfte der Bullen die Goldene Morgenröte und halfen ihr so bei den Wahlen im Mai 2012, eine Handvoll Parlamentssitze zu erorbern. Während einer im Fernsehen übertragenen Debatte griff ein Mitglied der Goldenen Morgenröte ein Mitglied der Kommunistischen Partei an. Der Mann wurde nie festgenommen. Wir kennen sie schon sehr lange, aber jetzt werden sie legal, sie wurden ins Parlament gewählt und sind jetzt eine legale Partei und können so nützlicher sein. Tatsächlich bekommen sie Geld vom Staat. Am Tag darauf demonstrierten Einwanderer und Tausende ihrer Unterstützer gegen die gewalttätigen Angriffe der Golden Morgenröte. Aber sogar mit dieser großen Show der Empörung, stehen viele der Leute, die Einwanderer unterstützen, wirklichen Gefahren gegenüber und können dabei nicht auf den Schutz der Polizei zählen. Unser Haus ist gut bekannt, da die Leute kommen und gehen. Wir sammeln Geld und Kleider für Flüchtlinge, für Migranten. Dadurch sind wir im Viertel sichtbar. Wir wurden gewarnt, mit unseren Aktionen aufzuhören und einmal wurde um drei Uhr Morgens eine Bombe gelegt, das war im Juni 2008. Die Polizei sagt, sie kann uns nicht schützen. Anarchisten haben eine Gegenmacht gegen die faschisitsche Bedrohung bereitgestellt. Das Niveau der Straßenkampf war immer hoch. Die Anarchisten versuchten im wesentlichen sicherzustellen, dass die Goldene Morgenröte keine sichtbare, organisierte Massenpräsenz auf der Straße hat. Schon viele Jahre vor der Krise. Und das ging weiter und hat sich nach deren Wahlerfolg sogar intensiviert. Anarchisten habe außerdem abgesicherte Räume für die Schwulengemeinde. Es war die erste offene Gay Pride, ich meine an einem öffentlichen Ort. Also haben sie die Leute gewarnt, wenn sie zur Parade gingen, würden wir angreifen. Darauf war die anarchistische Reaktion, dass sie rüber kamen und sagten: "Wir werden bei euch sein, habt keine Angst." Und die Faschisten kamen nicht. Und auch heute sind sie nicht aufgetaucht, wie du wahrscheinlich gemerkt hast. Da täglich 500 papierlosen Einwanderer nach Griechenland kommen und die wirtschaftliche Situation keine Zeichen der Verbesserung zeigt, kann man sicher sagen, dass die Spannung in Griechenland ansteigen wird. Viele Leute auf der Linken setzen ihre Hoffnungen auf einen Wahlsieg von Syriza, aber mit dem knappen Sieg der Neuen Demokratie, der rechten Partei und mit 18 Sitzen für die Goldenen Morgenröte wurde die falsche Illusion der griechischen Demokrtatie einmal mehr erschüttert. Nach der Wahl erhöhten sich die Angriffe auf Einwanderer und es wurde aufgedeckt, dass wieder etwa 50% der griechischen Bullen die Goldene Morgenröte gewählt haben. Aber die Vergangenheit wurde von den Leuten hier nicht vergessen. Die Nazibesatzung und die brutalen Diktaturen des 20. Jahrhundert wurden nicht aus dem Volksgedächtnis getilgt. Zu viele Leuten wird hier im gesteigertem Maße klar, dass die Sicherheit und Wohlergehen ihrer Region nicht vom Staat und seiner Polizei ausgenen wird, sondern durch die langfristigen Bemühungen und die Solidarität autonomer Organisatoren und ihren Widerstandsgemeinschaften. UM UNSERE ARBEIT ZU UNTERSTÜTZEN, BESUCHE SUBMEDIA.TV GESCHRIEBEN, PRODUZIERT, GEDREHT UND EDIERT VON FRANKLIN LOPEZ ZUSÄTZLICHE BILDER VON: MUSIK VON: CROWD FUNDERS: BESONDEREN DANK: