Um ehrlich zu sein,
ich bin kein weinerlicher Mensch.
Und in meinem Beruf ist das
vielleicht auch besser so.
Ich bin Anwalt für Bürgerrechte
und habe furchtbare Dinge
auf der Welt gesehen.
Ich begann mit Fällen von polizeilichem
Machtmissbrauch in den USA.
1994 wurde ich als
UN-Chefermittler nach Ruanda
zur Aufklärung des Völkermords entsandt.
Tränen sind keine große Hilfe
beim Aufklären eines Völkermords.
Die Dinge, die ich sehen,
fühlen und berühren musste,
kann man nicht in Worte fassen.
Ich kann Ihnen Folgendes sagen:
Beim Völkermord in Ruanda
handelt es sich um eines der größten
Versagen einfachen Mitgefühls.
Das Wort "Mitgefühl" leitet sich von
zwei lateinischen Wörtern ab:
"cum passio", dies bedeutet schlicht
"mit jemandem leiden".
Durch das, was ich in Ruanda
gesehen und erfahren habe,
bin ich dem menschlichen Leid
so nah gekommen,
dass es mich tatsächlich
zu Tränen gerührt hat.
Ich wünschte bloß,
dass ich und der Rest der Welt
schon viel früher gerührt gewesen wären --
und nicht nur zu Tränen,
sondern so gerührt, dass wir dem
Völkermord ein Ende setzen.
Im Gegensatz hierzu
war ich aber auch Zeuge
eines der größten Erfolge
menschlichen Mitgefühls.
Und damit meine ich den Kampf
gegen die Armut auf der Welt.
Damit hatten wir wahrscheinlich
alle schon zu tun.
Vielleicht war Ihr erster Kontakt damit
der Refrain des Liedes "We Are The World",
oder das Kind, das Sie
finanziell unterstützen,
oder den Geburtstag, an dem Sie
sauberes Trinkwasser spendeten.
Ich kann mich nicht an meinen
ersten Kontakt mit Armut erinnern,
aber ich erinnere mich
an den aufrüttelndsten.
Das war, als ich Venus traf --
eine Mutter aus Sambia.
Sie hat 3 Kinder und ist Witwe.
Als ich sie traf, war sie 19 km
in ihrem einzigen Kleid
bis in die Hauptstadt gelaufen,
um ihre Lebensgeschichte zu erzählen.
Sie saß stundenlang mit mir da
und führte mich in die Welt der Armut ein.
Sie erzählte mir, wie es ist,
wenn die Kohle im Kochfeuer kalt wird.
Wie es ist, wenn der letzte Tropfen
des Kochöls aufgebraucht ist.
Wie es ist, wenn das allerletzte Essen,
trotz all ihrer Mühe aufgebraucht war.
Sie musste zusehen,
wie ihr jüngster Sohn Peter
an den Folgen von Mangelernährung litt.
Wie seine Beine sich langsam so verbogen,
dass er nicht mehr laufen konnte.
Wie seine Augen trüb und matt wurden.
Und schließlich, wie Peter "kalt" wurde.
Über 50 Jahre lang haben uns
solche Geschichten berührt --
uns, deren Kinder so viel zu essen haben.
Und wir sind nicht nur
von der Armut berührt,
sondern wollen auch mithelfen,
dieses Leid zu beenden.
Natürlich gibt es viel Kritik,
dass wir nicht genug getan haben,
und dass das, was wir getan haben,
nicht wirksam genug war.
Die Wahrheit ist:
Der Kampf gegen Armut auf der Welt
ist wahrscheinlich der längste
und gleichzeitig größte
Ausdruck von menschlichem Mitgefühl
in der Geschichte unserer Spezies.
Deshalb möchte ich einen ziemlich
niederschmetternden Einblick geben,
der vielleicht für immer Ihre Denkweise
über diesen Kampf verändern wird.
Doch zunächst werde ich mit dem
beginnen, was Sie wissen.
Vor 35 Jahren, als ich
meinen Schulabschuss machte,
sagte man uns, dass täglich 40 000 Kinder
an den Folgen von Armut sterben.
Diese Zahl ist heute auf 17 000 gesunken.
Natürlich ist das immer noch zu viel,
aber das bedeutet, dass heute jedes Jahr
8 Millionen Menschen weniger
an den Folgen von Armut sterben müssen.
Außerdem sank die Zahl der Menschen,
die in extremer Armut leben müssen,
was der Definition nach heißt,
von weniger als 1,25 Dollar am Tag,
von 50 % auf nur noch 15 %.
Dieser Fortschritt ist enorm
und überschreitet jede Vorstellung
davon, was möglich ist.
Ich denke, dass Sie und ich
wirklich stolz sein und
uns ermutigt fühlen können,
zu sehen, dass Mitgefühl die Macht hat,
das Leiden von Millionen
von Menschen zu beenden.
Jedoch kommt jetzt der Teil, über den
Sie noch nicht so viel gehört haben.
Wenn man die Marke auf 2 Dollar
am Tag nach oben schiebt,
stellt man fest, dass es den gleichen
2 Milliarden Menschen,
die in extremer Armut lebten,
als ich noch zur Schule ging,
immer noch genauso geht --
und das 35 Jahre später.
Warum stecken immer noch so viele
Menschen in dieser grausamen Armut?
Kehren wir noch einmal zu Venus zurück.
Aus Mitgefühl unterstützen
meine Frau und ich seit Jahrzehnten
finanziell Kinder, Mikrokredite
und spenden großzügig
für die Entwicklungshilfe.
Jedoch habe ich erst bei
dem Gespräch mit Venus erkannt,
dass keine dieser Hilfen dem
entgegenwirken konnte,
warum sie ihrem Sohn
beim Sterben zusehen musste.
"Es ging uns gut", sagte mir Venus,
"bis Brutus uns Schwierigkeiten machte."
Brutus ist ein Nachbar von Venus
und er machte Schwierigkeiten
einen Tag, nachdem
der Ehemann von Venus starb.
Brutus warf Venus und
ihre Kinder aus dem Haus,
stahl ihr Land und
raubte ihren Marktstand aus.
Venus rutschte aufgrund
von Gewalt in die Armut.
Und dann verstand ich,
dass keine meiner Finanzhilfen
für Kinder, keine Mikrokredite und
keine von den herkömmlichen Programmen
zur Beendigung von Armut
Brutus aufhalten würden.
Denn dafür waren sie nicht gedacht.
Dies wurde mir noch klarer,
als ich Griselda traf.
Sie ist ein wundervolles junges Mädchen
aus einer armen Dorfgemeinschaft
in Guatemala.
Wir haben über die Jahre gelernt:
Das Wichtigste ist, Griselda
zur Schule gehen zu lassen,
sodass sie und ihre Familie
aus der Armut herauskommen.
Experten nennen das den "Mädchen-Effekt".
Als wir Griselda trafen,
ging sie jedoch nicht zur Schule.
Überhaupt verließ sie
nur sehr selten ihr Zuhause.
Einige Tage, bevor wie sie trafen,
lief sie mit ihrer Familie
von der Kirche nach Hause.
Mitten am helllichten Tag
wurde sie plötzlich
von Männern aus ihrer Dorfgemeinschaft
entführt und brutal vergewaltigt.
Das heißt, Griselda konnte
zur Schule gehen,
aber es war nicht sicher für sie,
dorthin zu gelangen.
Und Griselda ist nicht die einzige.
Auf der ganzen Welt werden
arme Frauen und Mädchen
zwischen 15 und 44 tagtäglich Opfer
von häuslicher und sexueller Gewalt.
Diese zwei Formen der Gewalt verursachen
mehr Tote und Behinderungen
als Malaria, als Autounfälle,
und alle Kriege zusammen.
Die Wahrheit ist, dass arme Menschen
in ganzen Gewaltsystemen gefangen sind.
Zum Beispiel bin ich in Südostasien
an einer Reismühle vorbeigefahren
und habe einen Mann gesehen,
der einen 50-kg-Sack Reis
auf seinem schmalen Rücken trug.
Später fand ich heraus,
dass er ein Sklave ist,
der mit Gewalt dort festgehalten wird --
und zwar seit ich zur Schule ging.
Jahrzehntelang gab es Programme
gegen Armut in seiner Dorfgemeinschaft,
aber keines davon konnte ihn
oder einen der anderen hundert Sklaven
vor den Schlägen, Vergewaltigungen
und der Folter durch Gewalt
in dieser Reismühle schützen.
Nach 50 Jahren unterschiedlicher
Programme gegen Armut
gibt es sogar mehr
arme Menschen in Sklaverei
als in jeder anderen Geschichtsepoche.
Experten schätzen, dass es heute
mehr als 35 Millionen Sklaven gibt.
Das sind etwa so viele wie
die gesamte Bevölkerung in Kanada,
wo wir heute sind.
Ich habe diese seuchenartige Gewalt
den „Heuschreckeneffekt“ genannt.
Weil Gewalt über das Leben von Armen
wie die Pest hereinbricht,
die alles zerstört.
Wir haben Menschen aus sehr
armen Dorfgemeinschaften befragt,
und sie sagten, dass
ihre größte Angst die Gewalt sei.
Jedoch ist die Gewalt,
vor der sie sich fürchten,
nicht die Gewalt von
Völkermorden und Kriegen.
Es ist die alltägliche Gewalt.
Meine erste Reaktion
als Anwalt war natürlich:
Gut, dann müssen wir das Gesetz ändern,
sodass jede Gewalt gegen
arme Menschen illegal ist.
Doch dann stellte ich fest:
Sie ist bereits illegal.
Das Problem ist nicht,
dass Arme keine Rechte haben,
das Problem ist, dass ihre Rechte
nicht durchgesetzt werden.
In den Entwicklungsländern
ist die Rechtsdurchsetzung
so schwerwiegend beschädigt,
dass die UN vor kurzem
in einem Bericht feststellte:
"Die meisten armen Menschen leben
außerhalb des Rechtsschutzes."
Ganz ehrlich, weder Sie
noch ich wissen wirklich,
was das bedeutet,
weil wir das noch nie erlebt haben.
Für uns ist eine funktionierende
Rechtsdurchsetzung normal.
Diese Selbstverständlichkeit wird
durch drei Zahlen ausgedrückt:
9-1-1.
Diese Zahl ist die
polizeiliche Notrufnummer
hier in Kanada und in den USA.
Die Reaktionszeit der Polizei
auf einen Notruf
beträgt im Durchschnitt 10 Minuten.
Für uns ist das selbstverständlich.
Aber was wäre, wenn niemand da ist,
der Sie beschützt?
Eine Frau aus Oregon musste
vor Kurzem erleben, wie das ist.
Sie war eines Samstagnachts
alleine in ihrem dunklen Haus,
als ein Mann in ihr Haus eindrang.
Das war ihr größter Alptraum,
da dieser Mann sie bereits
2 Wochen zuvor angegriffen hatte,
und sie danach ins Krankenhaus musste.
Voller Angst tut sie,
was jeder von uns tun würde:
Sie wählt 911.
Jedoch erfährt sie, dass es
aufgrund von Sparmaßnahmen
in ihrem Wohnbezirk am Wochenende
keine Polizisten gibt.
Hören Sie zu.
(Anruf) Zentrale: Ich kann leider
niemanden zu Ihnen schicken.
Frau: Okay.
Zentrale: Wenn er in Ihr Haus
eindringt und Sie angreift,
sagen Sie ihm, er soll gehen.
Ist er alkoholisiert oder auf Drogen?
Frau: Das habe ich ihm gesagt
und auch, dass ich Sie anrufen würde.
Er hat mich schon mal überfallen
und meine Tür zerstört.
Zentrale: Aha.
Frau: Also?
Zentrale: Gibt es eine Möglichkeit,
dass Sie Ihr Haus sicher verlassen?
Frau: Nein, er blockiert
den einzigen Ausgang.
Zentrale: Also, ich kann Ihnen
nur einen Ratschlag geben
und das Büro des Sheriffs morgen anrufen.
Wenn er in Ihr Haus eindringt
und leider eine Waffe hat,
und versucht, Ihnen etwas anzutun,
ist das natürlich etwas ganz anderes.
Aber das Büro des Sheriffs
ist nicht besetzt.
Ich kann Ihnen niemanden schicken.
GH: Tragischerweise wurde
die Frau in diesem Haus
gewaltsam angegriffen,
gewürgt und vergewaltigt.
Das geschieht, wenn man
außerhalb der Rechtstaatlichkeit lebt.
Und so leben Milliarden
von armen Menschen.
Wie sieht so etwas aus?
Wenn ein Mann in Bolivien ein Kind aus
armen Verhältnissen sexuell missbraucht,
ist statistisch das Risiko höher, dass
er in der Dusche ausrutscht und stirbt,
als dass er jemals für
diese Straftat ins Gefängnis muss.
Wenn Sie einen armen Menschen
in Südostasien versklaven,
ist das Risiko höher,
von einem Blitz getroffen zu werden,
als für diese Straftat
ins Gefängnis zu kommen.
Auf diese Weise tobt diese
alltägliche Gewalt weiter
und vernichtet unsere Bemühungen,
Milliarden Menschen zu helfen,
aus der Hölle von
2-Dollar-am-Tag herauszukommen.
Die Statistik lügt nicht.
Wir können den Armen noch
so viel helfen und Güter geben,
aber wenn wir gewalttätige Kriminelle
nicht davon abhalten,
ihnen diese wieder wegzunehmen,
werden wir von den langfristigen Folgen
unserer Bemühungen sehr enttäuscht sein.
Man könnte also denken, dass
die brüchige Rechtsdurchsetzung
im weltweiten Kampf gegen die Armut in
den Entwicklungsländern Vorrang hat.
Aber das ist nicht so.
Experten für internationale Hilfsprojekte
haben vor Kurzem festgestellt,
dass noch nicht einmal 1 %
der Hilfen dem Schutz armer Menschen
vor dem Chaos alltäglicher
Gewalt zugutekommt.
Ganz ehrlich, wenn von Gewalt
gegen arme Menschen die Rede ist,
kommt es wirklich zu bizarren Geschichten.
Eine Organisation für Trinkwasser
erzählt erschüttert,
dass Mädchen auf dem Weg
zum Brunnen vergewaltigt werden.
Und dann erzählen sie stolz, dass
ihre Lösung ein neuer Brunnen ist,
zu dem die Mädchen
einen viel kürzeren Weg haben.
Das war's.
Kein Wort über die Vergewaltiger,
die immer noch in ihrem Dorf leben.
Wenn eine junge Frau bei uns
auf dem Unicampus
auf dem Weg zur Bibliothek
vergewaltigt wird,
würde sich niemand darüber freuen, die
Bibliothek näher an das Wohnheim zu bauen.
Aber für arme Menschen ist es --
warum auch immer -- okay.
In Wahrheit wissen Experten für
Entwicklung und Armutsbekämpfung nicht,
wie sie dieses Problem beseitigen können.
Was tun sie also?
Sie sprechen nicht darüber.
Die Rechte armer Menschen
in den Entwicklungsländern
werden auch aus dem Grund
vernachlässigt,
weil die reichen Menschen
in den Entwicklungsländern
das nicht brauchen.
Ich war vor Kurzem
auf dem Weltwirtschaftsforum
und sprach mit Geschäftsführern, die
Unternehmen in Entwicklungsländern haben.
Ich fragte sie:
"Wie schützt ihr eure Mitarbeiter
und euren Besitz vor all dieser Gewalt?"
Sie schauten sich gegenseitig an
und sagten fast einstimmig:
"Wir zahlen dafür."
Private Sicherheitsfirmen
sind in Entwicklungsländern
vier-, fünf- und siebenmal größer als
die Einsatzkräfte der staatlichen Polizei.
In Afrika ist privater Sicherheitsschutz
sogar der größte Arbeitgeber.
Aber Reiche können für ihre Sicherheit
bezahlen und werden immer reicher.
Aber arme Menschen können
nicht dafür bezahlen
und sind der Gewalt
schutzlos ausgeliefert.
Das ist skandalös und empörend.
Aber es muss nicht so bleiben.
Brüchige Rechtsdurchsetzung
kann man reparieren.
Gewalt kann beendet werden.
Fast alle Strafjustizsysteme,
die anfangs defekt und korrupt waren,
können umgewandelt werden -- durch
hartnäckigen Einsatz und Engagement.
Der Weg dorthin ist ziemlich eindeutig.
Erstens müssen wir den Kampf gegen Gewalt
zu einem Teil des Kampfes
gegen die Armut machen.
Jedes Gespräch über Armut, in dem es
nicht um das Problem der Gewalt geht,
darf nicht als ernst gemeint
angesehen werden.
Zweitens müssen wir damit anfangen,
ernsthaft in Ressourcen
und Expertenwissen zu investieren,
um Entwicklungsländer zu unterstützen,
wenn sie neue Rechtssysteme schaffen,
in denen im Gegensatz
zu privaten Sicherheitsfirmen
jeder sicher sein kann.
Solche Transformationen sind möglich
und es gibt sie heutzutage.
Vor Kurzem finanzierte die
Gates-Stiftung ein Projekt
in der zweitgrößten Stadt
auf den Philippinen,
wo es den dort ansässigen Anwälten
und Behörden gelang,
die korrupte Polizei und defekte
Gerichte so drastisch zu verändern,
dass sie in nur vier kurzen Jahren
die kommerzielle sexuelle Gewalt
gegen arme Kinder
um 79 % messbar verringern konnten.
Blickt man auf die Geschichte zurück,
sieht man, dass die unerklärlichsten
und unentschuldbarsten Dinge
schlicht und einfach
mangelndes Mitgefühl waren.
Unsere Enkel werden uns
über Vergangenes zur Rede stellen.
Und sie werden uns fragen:
"Oma, Opa, wo wart ihr?
Wo warst du, Opa, als die Juden
aus Nazideutschland geflohen sind
und an unserer Küste abgewiesen wurden?
Wo warst du?
Und Oma, wo warst du, als sie
unsere japanisch-amerikanischen Nachbarn
zwangen, in Internierungslager zu gehen?
Und Opa, wo warst du, als sie
unsere afro-amerikanischen
Nachbarn schlugen,
nur weil sie sich für die Wahlen
registrieren lassen wollten?"
Genauso werden uns unsere Enkel fragen:
"Oma, Opa, wo wart ihr,
als zwei Milliarden
der ärmsten Menschen der Welt
im Chaos alltäglicher Gewalt untergingen?
Ich hoffe, wir können sagen, wir hatten
Mitgefühl, erhoben unsere Stimme
und schlossen uns als Generation
zusammen, um die Gewalt zu beenden.
Vielen Dank.
(Applaus)
Chris Anderson: Das war ein
sehr eindringlicher Vortrag.
Erzählen Sie uns doch bitte ein wenig
über bereits abgeschlossene Maßnahmen,
wie zum Beispiel die Polizeiausbildung.
Wie schwierig ist so etwas?
GH: Also, es ist vor allem gut,
dass diese Systeme zusammenbrechen
und sich nun die Folgen zeigen.
Es zeigt sich der Wille der Politiker,
tatsächlich etwas zu tun.
Wir müssen jetzt aber in Ressourcen
investieren und unser Wissen weitergeben.
Es wird in der Politik auch Diskussionen
geben, ob wir das wollen,
aber diese Kämpfe kann man gewinnen,
wie wir das schon bei der International
Justice Mission gezeigt haben
und das ist sehr motivierend.
CA: Sagen Sie uns bitte anhand
eines Landes, wie viel es kostet,
etwas Wesentliches zu bewirken,
zum Beispiel bei der Polizei.
Ich weiß, dass das nur ein Teil ist.
GH: Wir haben in Guatemala z. B.
ein Projekt mit der lokalen Polizei,
den Gerichten und der
Staatsanwaltschaft initiiert.
Die Verantwortlichen wurden geschult,
um wirksam Fälle verhandeln zu können.
Danach haben wir eine Zunahme
von Anklagen gegen Sexualstraftäter
um über 1 000 % festgestellt.
Dieses Projekt wurde nur sehr bescheiden
finanziert, mit 1 Mio. Dollar pro Jahr.
Das verdeutlicht, wie durch wenig Geld
ein Durchbruch in einem beschädigten
Justizsystem erreicht werden kann,
wenn Beteiligte angemessen geschult,
motiviert und geführt werden.
Insbesondere in diesen Ländern,
in denen sich die Mittelschicht klar ist,
dass es im Land keine Zukunft
angesichts solcher Instabilität und
Privatisierung von Sicherheit geben kann,
gibt es jetzt die Möglichkeit
für einen Umbruch.
CA: Aber um dies zu ermöglichen, muss man
jedes Bindeglied der Kette anschauen.
Wer ist das noch außer der Polizei?
GH: Die Rechtsdurchsetzung
beginnt bei der Polizei.
Sie steht am Anfang der Rechtskette.
Die Polizei gibt den Fall
an die Staatsanwaltschaft,
die den Fall wiederum
dem Gericht übergibt.
Die Opfer müssen im Laufe dieser Kette
durchgehend von Sozialarbeitern
betreut werden.
Also brauchen wir einen Ansatz,
der diese Schritte vereint.
Früher gab es ein paar
Schulungen für die Gerichte.
Aber die Polizei lieferte
schlechte Beweise
oder sie ermittelte nur bei
Drogendelikten oder Terrorismus.
Es ging weniger darum, die Rechte
gewöhnlicher armer Menschen
optimal durchzusetzen.
Befolgt man alle Schritte
der Rechtsdurchsetzung,
dann können auch
die Rechte sehr armer Menschen
genauso wie bei uns durchgesetzt werden.
Die Rechtsdurchsetzung ist
hier bei uns auch nicht perfekt,
aber es ist toll, dass
Sie 911 wählen können
und jemand Sie wahrscheinlich
beschützen wird.
CA: Gary, das hast du großartig gemacht,
den Menschen deine Botschaft
in deinem Buch
und heute hier zu überbringen.
Vielen Dank.
Gary Haugen.
(Applaus)