Stellen Sie sich vor,
dass Sie 19 Stunden mit dem Auto
nach Disneyworld fahren,
mit zwei Kindern auf der Rückbank.
Wie es die Natur so will,
hören Sie nach den ersten 15 Minuten
dieser 19 Stunden langen Fahrt die Frage:
"Sind wir schon da?"
(Lachen)
Sie beantworten diese Frage
hundertmal mit "Nein"
und dann sind Sie endlich da.
Der Ausflug ist einfach wundervoll.
Dann fahren Sie 19 lange Stunden
zurück nach Hause.
Als Sie endlich ankommen,
wartet die Polizei auf Sie.
Sie werden eines Verbrechens beschuldigt,
das passierte, als Sie in Florida waren.
Sie sagen jedem, der zuhört:
"Ich war das nicht!
Ich kann es gar nicht gewesen sein!
Ich war mit meinen Kindern
bei Micky und Minnie!"
Doch niemand glaubt Ihnen.
Letztendlich werden Sie festgenommen,
kommen vor Gericht,
Sie werden angeklagt
und verurteilt.
Und so sitzen Sie 25 Jahre im Gefängnis,
bis jemand auftaucht
und echte Beweise dafür hat,
dass Sie wirklich in Florida waren,
als das Verbrechen begangen wurde.
Also,
ich bin ein Jura Professor in Harvard.
Die letzten Jahre habe ich
der Freilassung von Menschen gewidmet,
die zu Unrecht verurteilt wurden.
Menschen wie Jonathan Fleming,
der 24 Jahre und acht Monate
für einen Mord im Gefängnis war,
der in Brooklyn, New York begangen wurde,
während er mit seinen Kindern
in Disney World war.
Woher wir das wissen?
Als er festgenommen wurde,
war in seiner Hosentasche eine Qittung.
Ein Beleg mit einem Zeitstempel,
der bewies, dass er in Disney World war.
Dieser Beleg kam in die Polizeiakte,
eine Kopie in die Akte des Staatsanwalts,
aber er wurde nie seinem
Pflichtverteidiger ausgehändigt.
In der Tat wusste niemand,
dass er überhaupt da war.
Etwas mehr als 20 Jahre
lag er einfach nur da.
Mein Team schaute sich die Akte an
und wir fanden den Beleg,
stellten weitere Ermittlungen an
und fanden heraus, dass jemand anders
das Verbrechen begangen hatte.
Mr. Fleming war in Disney World
und nun ist er entlassen.
Lassen Sie mich den Kontext erklären.
Vor etwa drei Jahren bekam ich einen Anruf
vom Bezirksstaatsanwalt von Brooklyn.
Er fragte, ob ich daran interessiert wäre,
eine "Conviction Review Unit",
"Urteil-Überprüfungs-Einheit" zu designen.
Ich sagte ja.
Eine Urteil-Überprüfungs-Einheit ist
eine Einheit bei der Staatsanwaltschaft.
Hier überprüfen Staatsanwälte
ihre vergangenen Fälle,
um zu bestimmen, ob sie eventuell
Fehler gemacht haben.
Im Laufe des ersten Jahres
ermittelten wir ca. 13 Fehlurteile
von Leuten, die Jahrzehnte
im Gefängnis waren
und wir konnten sie alle befreien.
Das waren die meisten Freilassungen
in der Geschichte New Yorks.
Das Programm läuft noch immer
und es wurden bereits
21 Freilassungen bewirkt:
21 Menschen, die lange Zeit
hinter Gittern verbrachten.
Lassen Sie mich Ihnen von ein paar
anderen Männern und Frauen berichten,
mit denen ich im Rahmen
des Programms zu tun hatte.
Ein Name wäre Roger Logan.
Mr. Logan war 17 Jahre im Gefängnis
und schrieb mir einen Brief.
Es war ein einfacher Brief,
in dem einfach nur stand:
"Professor Sullivan, ich bin unschuldig.
Es wurde mir angehängt.
Können Sie sich meinen Fall ansehen?"
Auf den ersten Blick schien der Fall klar,
doch meine Forschungen zeigten,
dass Fälle mit Identifizierung
durch einen einzigen Belastungszeugen
fehleranfällig sind.
Das heißt nicht, dass er unschuldig war,
es heißt nur, dass wir uns diese Fälle
genauer anschauen sollten.
Also taten wir das.
Die Fakten waren relativ simpel.
Die Augenzeugin sagte,
sie hatte einen Schuss gehört,
rannte zum nächsten Gebäude,
und als sie sich umdrehte,
sah sie Mr. Logan.
So kam er vor Gericht, wurde verurteilt
und war ca. 17 Jahre im Gefängnis.
Aber er war ein Fall mit nur einem Zeugen,
weshalb wir genauer schauten.
Ich schickte Leute zum Tatort
und es gab einen Widerspruch.
Um es freundlich zu sagen:
Nicht einmal Usan Bolt hätte
von der Stelle wo sie angeblich war,
an die andere rennen können.
Verstehen Sie?
Also wussten wir, dass es nicht wahr war.
Das hieß aber immer noch nicht,
dass er es nicht war,
wir wussten allerdings, dass etwas
Verdächtiges an der Zeugin war.
Also schauten wir durch die Akte,
auf einem Blatt Papier stand eine Zahl.
Die Zahl bedeutete, dass diese Zeugin
auch eine Akte hatte.
Wir gingen 20 Jahre durch
nicht-digitalisierte Blätter zurück,
um herauszufinden, was es mit
der Akte auf sich hatte,
und es stellte sich heraus,
dass diese Augenzeugin im Gefängnis war,
als sie sah, was sie angeblich sah.
Der Mann verbrachte
17 Jahre hinter Gittern.
Der letzte ist ein Fall mit zwei Jungen,
Willie Stuckey und David McCallum
Sie wurden mit 15 festgenommen
und ihre Verurteilung wurde
29 Jahre später aufgehoben.
Das war auch ein Fall,
der auf den ersten Blick klar erschien.
Sie hatten es zugegeben.
Aber meine Forschungen zeigten,
dass Geständnisse von Jugendlichen
ohne die Anwesenheit eines Elternteils
fehleranfällig sind.
Die DNA-Fälle zeigten dies mehrfach.
Also schauten wir näher.
Wir schauten uns das Geständnis an
und es stellte sich heraus,
dass da etwas gesagt wurde,
was diese Jungs nicht wissen konnten.
Die einzigen, die das wussten,
waren Polizei und Staatsanwälte.
Wir wussten, was wirklich passiert war;
jemand hatte ihnen gesagt,
sie sollen das sagen.
Wir wissen nicht genau wer,
welche Person ihnen das sagte,
aber es war sicher,
dass es ein falsches Geständnis war.
Wir gingen dann zurück
in die Gerichtsmedizin
und stellten eine tiefe Untersuchung an.
Wir fanden heraus, dass zwei andere,
viel ältere, und unterschiedlich
große Personen und mit anderen Frisuren
das Verbrechen begangen hatten,
aber nicht diese Jungs.
An diesem Tag ging ich ins Gericht
für eine sogenannte Aufhebungsanhörung,
bei der die Verurteilung aufgehoben wird.
Ich ging zum Gericht, ich wollte sehen,
wie Mr. McCallum da raus geht.
Also ging ich hin,
und der Richter sagte etwas,
was Richter ständig sagen,
aber diesmal hatte es
eine ganz besondere Bedeutung.
Er schaute nach den Argumenten
hoch und sagte:
"Mr. McCallum",
er sagte drei wundervolle Worte:
"Sie sind frei."
Können Sie sich das vorstellen?
Nach ca. 30 Jahren die Worte:
"Sie sind frei."
So verließ er den Gerichtssaal.
Leider ging es seinem Mitangeklagten,
Mr Stuckey, nicht so.
Er starb nämlich
im Alter von 34 Jahren im Gefängnis,
und seine Mutter saß
auf seinem Platz am Anwaltstisch.
Das werde ich bis zu meinem
Lebensende nicht vergessen.
Sie schwankte einfach am Tisch und sagte:
"Ich wusste, dass mein Baby
das nicht getan hat.
Ich weiß er war es nicht."
Und nein, ihr Baby hatte es nicht getan.
Es waren zwei andere Männer.
Wenn es irgendetwas gibt,
was wir gelernt haben,
was ich bei dieser Arbeit
gelernt habe, ist es,
dass Gerechtigkeit nicht
einfach so passiert.
Menschen können Gerechtigkeit ermöglichen.
Gerechtigkeit kommt
nicht einfach von allein
und sorgt dafür, dass alles richtig ist.
Wenn dem so wäre, wäre Mr. Stuckey
nicht im Gefängnis gestorben.
Gerechtigkeit ist etwas,
das Menschen mit
guten Absichten möglich machen.
Gerechtigkeit ist eine Entscheidung.
Gerechtigkeit ist eine Entscheidung.
Wir machen Gerechtigkeit möglich.
Wissen Sie, das Gruselige ist,
dass in allen der drei
beschriebenen Fälle,
nur eine zusätzliche Minute
notwendig gewesen wäre,
nur eine Minute,
in der sich jemand
die Akte angesehen hätte
und diesen Beleg gefunden hätte.
Nur eine Minute, um zu schauen,
den Beleg zu finden
und sie dem Staatsanwalt zu geben.
Es hätte jemanden
nur eine Minute gekostet,
das Videogeständnis anzusehen
und zu sagen: "Das hier kann nicht sein".
Nur eine Minute.
Dann würde Mr. Stuckey
vielleicht heute noch leben.
Das erinnert mich
an eines meiner Lieblingsgedichte.
Es ist ein Gedicht, dass
Benjamin Elijah Mays immer zitierte,
und er nannte es "God's Minute".
Es lautet ungefähr so:
"Ich habe nur eine Minute,
die hat nur 60 Sekunden,
dagegen kann ich nichts tun,
ich suchte sie nicht,
ich wählte sie nicht aus.
Aber es ist an mir, sie zu nutzen.
Ich muss leiden wenn ich sie verliere
und Rechenschaft geben,
wenn ich sie missbrauche.
Nur eine kleine, winzige Minute,
aber sie hat Einfluss auf die Ewigkeit."
Wenn ich jedem einzelnen von uns
eine Aufgabe geben würde,
würde ich so etwas sagen wie:
"Jeden Tag,
jeden Tag,
nehmen Sie sich nur eine Minute mehr,
und tun Sie etwas für die Gerechtigkeit.
Sie müssen ja nicht --
ich meine, manche Menschen verbringen
ihre Karriere und ihr Leben damit,
wie z.B. Strafverteidiger --
jeden Tag für Gerechtigkeit zu sorgen.
Aber was auch immer Sie beruflich machen,
nehmen Sie sich Zeit,
um einfach
für etwas Gerechtigkeit zu sorgen.
Sorgen Sie dafür, dass ein Kollege
sich besser fühlt.
Wenn Sie etwas sexistisches hören,
lachen Sie nicht, sagen Sie was.
Wenn es jemandem
schlecht geht, helfen Sie ihm,
eine Minute am Tag,
und es wird alles besser und gut sein.
Ich möchte Ihnen etwas zeigen.
Über mir ist ein Bild
von David McCallum.
Das ist der Tag, an dem er
vom Gefängnis entlassen wurde.
Nach 30 Jahren konnte er
eine Nichte umarmen,
die er vorher noch nie berühren konnte.
Ich fragte ihn:
"Was ist das erste,
was du jetzt tun willst?"
und er sagte: "Ich will nur
auf einem Gehweg gehen,
ohne dass mir jemand sagt,
wohin ich gehen soll."
Er war nicht verbittert,
er wollte einfach nur
auf dem Gehweg gehen.
Vor ca. zwei Wochen
sprach ich mit Mr. McCallum.
Ich ging nach New York.
Es war das zweijährige Jubiläum
seiner Freilassung.
Wir redeten,
wir lachten, umarmten uns, weinten.
Und es geht ihm ziemlich gut.
Eines der Dinge, die er sagte,
als wir ihn trafen war,
dass er nun sein Leben
und seine Karriere dazu nutzt,
sicherzugehen, dass niemand
anders zu Unrecht im Gefängnis ist.
Gerechtigkeit, meine Freunde,
ist eine Entscheidung.
Vielen Dank.
(Applaus).