Die eigene Meinung zu vertreten ist schwer. Vor genau einem Monat wurde mir die Bedeutung dieses Satzes klar. Da wurden wir nämlich Eltern. Ein wundervoller Moment. Er war beglückend und ermutigend, aber auch unheimlich und Angst einflößend. Besonders furchterregend wurde es, als wir von der Klinik nach Hause kamen und uns unsicher waren, ob unser kleiner Junge genug Nahrung beim Stillen erhielt. Wir wollten unsere Kinderärztin anrufen, aber auch keinen schlechten ersten Eindruck machen, als verrückte, neurotische Eltern gelten. Wir machten uns Sorgen. Wir warteten. Als wir am nächsten Tag bei der Ärztin waren, gab sie ihm sofort Milchersatz, weil er ziemlich dehydriert war. Unserem Sohn geht es jetzt gut. Die Ärztin ermutigte uns, sie jederzeit zu kontaktieren. In dieser Situation hätte ich etwas sagen sollen, tat es aber nicht. Manchmal ist es auch umgekehrt. So geschehen vor 10 Jahren, als ich meinen Zwillingsbruder enttäuschte. Mein Zwillingsbruder macht Dokumentarfilme. Für einen seiner ersten Filme erhielt er das Angebot einer Vertriebsgesellschaft. Er war begeistert, er wollte das Angebot annehmen. Aber als Verhandlungsexperte bestand ich darauf, ein Gegenangebot zu machen. Ich half ihm dabei, ein perfektes abzugeben. Es war auch perfekt -- perfekt beleidigend. Die Firma war so entrüstet, dass sie das Angebot zurückzog. Mein Bruder kam nicht ins Geschäft. Ich habe Menschen auf der ganzen Welt zu diesem Dilemma befragt: Wann können sie sich behaupten, wann können sie ihre Interessen durchsetzen, wann können sie ihre Meinung äußern, ehrgeizig für sich selbst etwas einfordern. Das Spektrum der Geschichten ist sehr vielfältig und unterschiedlich, aber es gab auch ein gemeinsames Muster. Kann ich meinen Chef korrigieren, wenn er Fehler macht? Kann ich meinen Kollegen zur Rede stellen, wenn er mir auf die Füße tritt? Kann ich den taktlosen Witz meines Freundes in Frage stellen? Kann ich meiner Liebsten meine tiefsten Unsicherheiten verraten? Durch diese Erfahrungen habe ich herausgefunden, dass jeder von uns einen Toleranzbereich von annehmbaren Verhalten hat. Manchmal sind wir zu stark, wir drängen uns zu sehr in den Vordergrund. Das passierte mir mit meinem Bruder. Ein Gegenangebot abgeben, war außerhalb seines akzeptablen Verhaltens. Manchmal sind wir aber auch zu schwach. Das passierte meiner Frau und mir. Dieser Toleranzbereich erlaubter Handlungen -- wenn wir darin bleiben, werden wir belohnt. Wenn wir ihn überschreiten, bestraft. Wir werden entlassen, erniedrigt oder sogar geächtet. Wir bekommen keine Gehaltserhöhung, Beförderung, Vertragsabschluss. Als Erstes müssen wir wissen: Welchen Spielraum habe ich? Wichtig ist: Dieser Spielraum ist nicht fix. Er ist sehr dynamisch. Je nach Kontext vergrößert und verkleinert er sich. Ein Aspekt bestimmt diesen Spielraum mehr als alles andere, das ist Ihre Stärke. Ihre Stärke bestimmt Ihren Handlungsspielraum. Was ist Stärke? Stärke kommt in vielen Verpackungen. Bei Verhandlungen kommt sie in Form von Alternativen. Mein Bruder hatte keine Alternativen. Er hatte keine Stärke. Die Firma hatte viele Alternativen. Sie hatten Macht. Manchmal ist man neu in einem Land, als Immigrant, in einer Firma, in einer neuen Situation, wie meine Frau und ich als junge Eltern. Manchmal ist es bei der Arbeit, wo einer der Boss und einer der Untergebene ist. Manchmal in Partnerschaften, wo einer mehr investiert als der andere. Entscheidend ist: Wenn wir viele Stärken haben, ist unser Spielraum sehr groß. Wir haben einen großen Handlungsspielraum. Aber wenn wir keine Stärken haben, verengt er sich. Dann haben wir nur einen kleinen Spielraum. Wenn sich unser Spielraum verkleinert, dann haben wir eine Doppelbindung aus Schwäche. Wir sind in einer Ohnmachts-Zwickmühle, wenn wir den Mund nicht aufmachen, bleiben wir unbemerkt, wenn wir den Mund auftun, werden wir bestraft. Viele haben den Begriff Doppelbindung schon mal gehört, und ihn sofort mit Genderthemen verbunden. Es sind die Frauen, die nicht reden, und nicht gehört werden, Frauen, die reden und bestraft werden. Frauen müssen genauso wie Männer den Mund aufmachen, aber ihnen werden Grenzen gesetzt. Meine Studien der letzten zwei Jahrzehnte haben gezeigt, dass das, was wie ein Gender-Unterschied aussieht, gar keine reale Gender-Doppelbindung ist. Eigentlich ist es eine Schwäche-Doppelbindung Was aussieht wie ein Geschlechterunterschied, sind meist verkappte Stärkenunterschiede. Oft sehen wir Unterschiede zwischen einem Mann und einer Frau oder Männern und Frauen, und denken: "Biologische Gründe. Es gibt fundamentale Unterschiede bei den Geschlechtern." Aber alle Studien haben mir gezeigt, dass es eine bessere Erklärung gibt als das Geschlecht, es sind die Stärken. Es geht also um die Doppelbindung der Schwächen. Schwäche-Doppelbindung bedeutet, wir haben einen kleinen Spielraum, wir haben keine Stärke. Wir haben einen enges Spektrum. Unsere Doppelbindung ist groß. Wir müssen Wege finden, unseren Spielraum zu vergrößern. Die letzten paar Jahrzehnte haben meine Kollegen und ich herausgefunden, was zählt. 1. Sie müssen sich selber stark fühlen. 2. Die anderen müssen Sie für stark halten. Wenn ich mich stark fühle, bin ich selbstbewusst, nicht ängstlich; Ich erweitere mein Spektrum. Wenn andere mich stark erleben, gewähren sie mir ein größeres Spektrum. Wir brauchen Methoden, die unseren Handlungsspielraum erweitern. Ich stelle Ihnen ein paar davon vor. Den Mund aufzumachen ist gefährlich, diese Methoden werden das Risiko minimieren. Die erste Regel kommt aus der Geschäftswelt. Man fand etwas Wichtiges heraus. Frauen machen in der Regel weniger ambitionierte Angebote und erzielen dadurch geringere Verhandlungserfolge als Männer. Hannah Riley Bowles und Emily Amanatullah entdeckten, dass Frauen in einer Situation dasselbe wie Männer erzielen und sich genauso ehrgeizig verhalten. Nämlich, wenn sie sich für andere einsetzen. Wenn sie sich für andere einsetzen, entdecken sie ihre Stärken und fühlen sich größer. Sie werden durchsetzungsfähiger. Man nennt das: Den Mama-Bär-Effekt. Wie eine Bärenmama ihre Kinder verteidigt. Wenn wir für andere einstehen, entdecken wir unsere eigene Stimme. Aber manchmal müssen wir für uns selber kämpfen. Wie tun wir das? Eins der wichtigsten Hilfsmittel ist: Abstand gewinnen. Das ist ganz einfach: Sehen Sie einfach die Welt durch die Augen eines anderen. Das ist das hilfreichste Mittel, den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern. Wenn ich Ihren Standpunkt einnehme und mir klar wird, was Sie wirklich brauchen, ist es wahrscheinlicher, dass Sie mir geben, was ich wirklich brauche. Aber es gibt da ein Problem: Perspektivenwechsel sind schwer. Machen wir ein kleines Experiment: Halten Sie mal die Hand so, den Zeigefinger nach oben. Malen Sie jetzt den Buchstaben E auf Ihre Stirn, so schnell wie möglich. Wir können das E auf zwei Weisen malen. Dies ist ursprünglich ein Perspektivwechseltest. Schauen Sie sich zwei Fotos an, mit jemandem, der ein E auf der Stirn hat. Das ist Erika Hall, meine damalige Studentin. Hier sehen Sie das richtige E. Ich male das E so, dass es für einen anderen so wie ein E aussieht. Das ist das 'Perspektivwechsel-E', denn es sieht für mein Gegenüber so aus wie ein E. Dieses E dagegen ist selbst fokussiert. Oft fokussieren wir uns nur auf uns selbst. Insbesondere, wenn wir in einer Krise stecken. Einmal gab es eine ganz besondere Krise. In Watsonville, Kalifornien, kam ein Mann in die Bank. Er sagte: "Geben Sie mir 2.000 USD oder die Bank fliegt in die Luft." Die Bankleiterin gab ihm das Geld nicht. Sie wechselte die Perspektive. Sie nahm seine Perspektive ein und merkte etwas Wichtiges. Er wollte einen ganz bestimmten Betrag. Sie sagte: "Wozu wollen Sie 2.000 USD?" Er: "Mein Freund wird zwangsgeräumt, wenn er nicht sofort 2.000$ zahlt." Daraufhin sie: "Ach so, Sie wollen keine Bank ausrauben, Sie wollen einen Kredit." (Lachen) "Kommen Sie in mein Büro, dort erledigen wir den Papierkram." (Lachen) Ihr schneller Perspektivenwechsel entschärfte einen brisanten Moment. Wenn wir die Perspektive wechseln, können wir ehrgeizig, durchsetzungsstark und trotzdem noch sympathisch sein. Eine andere Methode durchsetzungs- stark und sympathisch zu sein, ist Flexibilität zu signalisieren. Nehmen wir an, Sie sind ein Autoverkäufer. Sie kommen eher ins Geschäft, wenn Sie zwei Optionen bieten. Sagen wir Option A: 24.000 Euro für dieses Auto und eine 5-Jahres-Garantie. Oder Option B: 23.000 Euro und eine 3-Jahres-Garantie. Ich habe bewiesen, dass Leute mit Wahlmöglichkeiten, weniger Einwände finden und Ihr Angebot eher annehmen. Das gilt nicht nur für die Geschäftswelt. Das gilt auch für Eltern. Als meine Nichte 4 war, wollte sie sich nie anziehen. Aber dann hatte meine Schwägerin eine tolle Idee: Ich biete meiner Tochter Alternativen. Dieses T-Shirt oder dieses? Okay, dieses. Diese Hose oder diese? Okay, diese. Es funktionierte perfekt. Sie zog sich schnell und ohne Widerworte an. Ich frage Leute in der ganzen Welt, wann sie sich trauen ihre Meinung zu sagen. Die häufigste Antwort ist: "Wenn ich sozial eingebunden bin; wenn ich Verbündete habe. Wir brauchen also Verbündete auf unserer Seite. Wie machen wir das? Eine Möglichkeit ist, eine Bärenmutter zu werden. Wenn wir uns für andere einsetzen, vergrößern wir unseren Spielraum in unseren Augen und denen der anderen, und wir gewinnen starke Verbündete. Starke Verbündete bekommen wir auch, insbesondere an höheren Stellen, wenn wir andere um Rat bitten. Wenn wir andere um Rat bitten, mögen sie uns, denn wir schmeicheln ihnen und drücken Bescheidenheit aus. Das hilft eine andere Doppelbindung aufzulösen. Das wäre die Eigenwerbung-Doppelbindung. Die Eigenwerbung-Doppelbindung besteht darin, dass wenn wir uns selbst nicht loben, dann sieht uns keiner. Wenn wir es tun, mag uns keiner. Wenn wir für die Umsetzung einer Aufgabe um Rat fragen, wirken wir kompetent und nett zugleich. Das ist Stärke. Es funktioniert sogar, wenn man es weiß. Ich wurde oft vorgewarnt. Man hatte einem schwachen Menschen geraten, mich um Rat zu bitten. Drei Dinge sollten Sie hier bemerken: 1. Ich wusste, dass mich jemand, um Rat fragen wird. 2. Ich habe selber über die strategischen Vorzüge des Ratsuchens geforscht. 3. Es funktioniert trotzdem! Ich trat an ihre Stelle, ich kümmerte mich mehr um ihre Fragen, ich fühlte mich ihnen gegenüber verantwortlicher, weil sie um Rat baten. Wir stehen auch selbstbewusst für uns ein, wenn wir die nötige Expertise haben. Fachwissen verleiht Glaubwürdigkeit. Wenn wir leistungsstark sind, genießen wir bereits Vertrauen. Dann brauchen wir nur noch Beweise. Wenn wir keine Macht haben, genießen wir auch kein Vertrauen Wir benötigen erstklassige Beweise. Eine Methode wie ein Experte zu wirken, ist, wenn wir unsere Leidenschaft entdecken. Ich möchte, dass Sie alle in den nächsten Tagen Ihre Freunde fragen. Sagen Sie Ihnen bloß: "Beschreibe mir eine deiner Leidenschaften." Ich habe das Menschen auf der ganzen Welt gebeten und habe sie gefragt: "Was ist dir aufgefallen, als sie ihre Leidenschaft beschrieben haben?" Die Antworten sind immer dieselben. "Die Augen leuchten und werden groß." "Sie lachen über das ganze Gesicht." "Sie sprechen mit Händen und Füßen, ich musste mich ducken, weil sie so rum fuchtelten." "Sie sprechen schnell, höher als sonst." (Lachen) "Sie lehnen sich zu mir herüber, wie bei einem Geheimnis." Dann fragte ich sie: "Was geschah mit Ihnen, als Sie von diesen Leidenschaft erfuhren? Sie sagten: "Meine Augen leuchteten auf. Ich lächelte. Ich beugte mich zu ihnen hin." Wenn wir unsere Leidenschaft entdecken, geben wir uns den Ruck, für uns selbst einzustehen, aber wir erhalten auch die Erlaubnis der anderen dazu. Das funktioniert sogar, wenn wir schwach wirken. Männer wie Frauen werden geächtet, wenn sie bei der Arbeit weinen. Aber Lizzie Wolf fand heraus, dass wenn Weinen für Leidenschaft steht, die Ächtung nicht mehr stattfindet, weder bei Männern noch bei Frauen. Ich möchte mit der Rede meines verstorbenen Vaters enden, die er bei der Hochzeit meines Bruders hielt. Dies ist ein Foto von uns. Mein Vater war ein Psychologe wie ich, aber seine eigentliche Leidenschaft galt dem Kino, wie bei meinem Bruder. Er schrieb eine Rede für die Hochzeit meines Bruders über unsere Rollen in der Komödie des Lebens. Er sagte: "Je sanfter die Berührung, umso besser wirst du deine Auftritte verbessern und bereichern. Die, die ihre Rolle leidenschaftlich annehmen und verbessern wollen, wachsen, verändern sich und erweitern ihr Selbst. Macht es richtig und euer Leben wird meist fröhlich sein." Was mein Vater meinte, ist, dass wir alle unser Maß haben, und unsere Rolle zu spielen haben, aber in Essenz sagte er auch die Botschaft dieses Vortrags: Diese Rollen und Spielräume verändern sich ständig und entwickeln sich. Wenn eine Szene es verlangt, dann sei aggressiv wie eine Bärenmutter und bescheiden wie ein Ratsuchender. Sorgen Sie für gute Beweise und starke Verbündete. Seien Sie ein leidenschaftlicher Perspektivenwechsler. Wenn Sie diese Ratschläge befolgen, jeder von Ihnen kann das machen, werden Sie Ihren Handlungsspielraum vergrößern, und Ihr Leben wird fröhlicher verlaufen. Danke. (Applaus)