(Musik) ["Oedipus Rex"] ["The Lion King"] ["Titus"] ["Frida"] ["The Magic Flute"] ["Across The Universe"] (Applaus) Julie Taymor: Danke. Vielen Dank. Dies sind einige Beispiele der Theaterstücke, Opern und Filme, an denen ich in den letzten 20 Jahren gearbeitet habe. Ich würde aber gerne damit beginnen, Sie zu einem Moment mitzunehmen, den ich in Indonesien erlebte. Es war ein wegweisender Moment in meinem Leben und wie alle Mythen müssen diese Geschichten immer wieder erzählt werden, sonst vergessen wir sie. Und wenn ich mich in diesen turbulenten Zeiten befinde, wie auch in diesem Moment, durch die Schmelztiegel und die Feuer der Veränderung -- damit müsste hier jeder vertraut sein. Jeder, der kreiert, weiß, dass es einen Punkt gibt, an dem nicht klar ist, ob aus der Asche auch ein Phoenix emporsteigt. (Gelächter) Ich befinde mich direkt an diesem Abgrund, das ist noch eine andere Geschichte. Ich möchte nach Indonesien zurückgehen, wo ich mit ungefähr 21, 22 Jahren war, vor langer Zeit also, auf einem Stipendium. Nach zwei Jahren der Vorführungen und des Lernens auf der Insel Bali fand ich mich am Rande eines Kraters wieder: Gunung Batur. Ich war in einem Dorf, in dem ein Einführungsritus für die jungen Männer abgehalten wurde, ein Übergangsritual. Es sollte auch eines für mich werden. Ich saß in einem Tempelhof unter einem gigantischem Banyabaum, in der Dunkelheit: Es gab keinen Strom, nur den Vollmond. Auf diesem leeren Hof hörte ich die wunderschönsten Geräusche, wie bei einem Charles-Ives-Konzert. Ich hörte der Gamelan-Musik zu, die all die verschiedenen Dorfbewohner spielten, die für diese alle fünf Jahre stattfindende Zeremonie gekommen waren. Und ich dachte, ich war allein in der Dunkelheit unter diesem Baum. Plötzlich sah ich aus der Dunkelheit heraus auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes ein Glitzern von Spiegeln, die vom Mond bestrahlt wurden. Und 20 alte Männer, die ich vorher bereits gesehen hatte, standen plötzlich auf, gekleidet in Krieger-Kostüme mit Kopfschmuck und Speeren. Kein Mensch war sonst auf dem Platz und ich saß versteckt im Schatten. Keiner war dort und sie kamen heraus und vollführten einen unglaublichen Tanz. "Huhuhuhuhuhuhuhahahahaha." Sie bewegten ihre Körper und traten hervor, das Licht reflektierte sich in den Kostümen. Ich bin am Theater, seit ich 11 bin, auf der Bühne und als Gestalter, und ich fragte mich: "Für wen wohl diese Aufführung ist mit diesen aufwendigen Kostümen und dem außerordentlichem Kopfschmuck?" Und mir wurde bewusst, dass sie für Gott auftraten, was auch immer das bedeuten mag. Aber irgendwie ging es nicht um Öffentlichkeit. Es ging nicht um Geld. Es wurde nirgendwo festgehalten. Es war keine Schlagzeile. Da waren diese unglaublichen Künstler und es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, als sie tanzten. Im nächsten Moment, direkt nachdem sie fertig und in den Schatten verschwunden waren, kam ein junger Mann mit einer Gaslaterne, hängte sie an einen Baum und befestigte einen Vorhang. Der Dorfplatz war mit Hunderten von Menschen gefüllt. Und die restliche Nacht verging im Trubel. Die Menschen brauchten das Licht. Sie brauchten das Licht, um sehen zu können. Dieser unglaubliche, wegweisende Moment in meinem Leben als junge Künstlerin machte mir bewusst, dass man dem, an was man als Künstler glaubt, völlig treu sein muss, aber es muss einem gleichzeitig bewusst sein, dass das Publikum dort draußen in unserem Leben ist und diese Menschen brauchen Licht. Es ist diese unglaubliche Balance, die wir, wie ich meine, eingehen, wenn wir etwas Neues, Bahnbrechendes erschaffen, etwas, das zuvor noch nie gesehen wurde, diese imaginäre Welt, in der man letztendlich nicht weiß, wo man enden wird, das ist der schmale Grat am Rande eines Kraters, den ich mein ganzes Leben beschritten habe. Jetzt möchte ich Ihnen gerne etwas darüber erzählen, wie ich arbeite. Schauen wir uns den "König der Löwen" an. Sie haben viele Beispiele dort oben gesehen, aber dies ist eines, das die Leute kennen. Ich beginne mit der Idee des Ideogramms. Ein Ideogramm ist zum Beispiel die japanische Bildsprache. Drei Pinselstriche und man hat einen ganzen Bambuswald. Ich gehe dann zum Konzept des "König der Löwen" und frage mich: "Was ist die Essenz? Was ist die Abstraktion? Wenn ich die ganze Geschichte auf ein Bild reduzieren müsste, was wäre es? Der Kreis. Der Kreis. Es ist so offensichtlich. Der Kreis des Lebens. Der Kreis von Mufasas Maske. Der Kreis, der sich in der Dürreperiode in Akt II fortsetzt. Wie drückt man eine Dürreperiode aus? Es ist ein Kreis aus Seide auf dem Boden, der in das Loch im Bühnenboden verschwindet. Der Kreis des Lebens in den Rädern der springenden Gazellen. Man kann die Mechanik sehen. Ich als Theaterperson weiß davon und liebe am Theater den Punkt, an dem das Publikum hinzukommt und seine Zweifel ablegt, wenn es Männer oder Frauen mit mit einem Tablett voller Gras auf den Köpfen sieht und weiß, dass dies die Savanne ist. Man hinterfragt das nicht. Ich liebe diese offenbare Wahrheit am Theater. Ich liebe es, dass Leute bereit dazu sind, die Lücken zu füllen. Das Publikum ist gewillt zu sagen: "Oh, ich weiß, dass das keine echte Sonne ist. Ihr habt Stäbe genommen und unten Seide drangehängt, das habt ihr aufgehängt und flach auf den Boden fallen lassen. Und wenn die Schnüren hochgezogen werden, sehe ich, dass es eine Sonne ist." Aber das Tolle des Ganzen ist, dass es nur Seide und Stäbe sind. Und auf eine Weise ist es dies, was es spirituell macht. Das ist es, was einen bewegt. Es ist nicht der buchstäbliche Sonnenaufgang. Es ist die Kunst dahinter. Im Theater ist es so, dass, so wichtig die Geschichte, das Buch und die Sprache auch sind, die Erzählweise, die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird, die Mechaniken und die verwendeten Methoden genauso wichtig sind wie die Geschichte selbst. Ich bin jemand, der sowohl Hightech als auch Lowtech mag. Ich könnte also -- Zum Beispiel werde ich Ihnen später einige "Spinnenmenschen" zeigen, unglaubliche Maschinen, die Menschen fortbewegen. Aber Fakt ist, dass sie ohne den Tänzer, der den Körper zu bewegen und die Drähte zu bedienen weiß, gar nichts ist. Ich werde Ihnen jetzt einige Ausschnitte aus meinem anderen großen Projekt in diesem Jahr zeigen. "The Tempest" -- Der Sturm Es ist ein Film. Ich habe "The Tempest" seit 1984, '86, dreimal auf der Bühne im Theater gezeigt und ich liebe das Stück. Ich habe es immer mit einem männlichen Prospero inszeniert. Und plötzlich dachte ich mir: "Hm, wen könnte ich Prospero spielen lassen? Warum nicht Helen Mirren? Sie ist eine großartige Schauspielerin. Warum nicht?" Das Material hat für eine Frau wirklich genau so gut funktioniert. Werfen wir einen Blick auf einige Bilder von "The Tempest". (Musik) (Video) Prospera: "Hast du, o Geist, den Sturm so ausgerichtet, wie ich dir befahl?" Ariel: "Ich kam an Bord des Königlichen Schiffes, und sezte [...] jede Cajüte in Schreken." Prospera: "Beym ersten Anblik tauschten sie ihre Augen." Miranda: "Liebet ihr mich also?" Ferdinand: "Ueber alles in der Welt." Helen Mirren: "Sie sind beyde eines in des andern Gewalt." Trinculo: "Die Noth kan einen Menschen mit seltsamen Bettgesellen bekannt machen." (Musik) Sind sie auf der Suche nach einem Geschäft, Gouverneur? Caliban: "Bist du nicht vom Himmel herunter gekommen?" Stephano: "Aus dem Mond, das versichr' ich dich." Prospera: "Caliban!" Caliban: "Diese Insel ist mein." Prospera: "Für diesen [...] Wunsch, verlaß dich drauf, sollst du diese Nacht den Krampf haben" Antonio: "Hier ligt euer Bruder -- nicht besser als die Erde worauf er liegt." Sebastian: "Zieh deinen Degen. Ein einziger Streich soll dich [...] zum Liebling eines Königs machen." Prospera: "Ich will sie alle plagen, bis zum Heulen." Ariel: "Ich hab' eure Sinnen betäubt." Prospera: "Wir sind solcher Zeug, woraus Träume gemacht werden und unser kleines Leben endet sich in einen Schlaf. (Musik) Julie Taymor: Okay. (Applaus) Ich fing also mit der Theaterproduktion von "The Tempest" an, auf der Bühne in einer sehr kleinen Produktion vor vielen Jahren, und ich liebe das Stück, ich glaube auch, dass es Shakespeares letztes Stück war und es bietet sich wirklich zum Film an -- wie Sie sehen können. Ich werde Ihnen ein kleines Beispiel davon geben, wie man es im Theater inszeniert und dann, wie man dieselbe Idee oder Geschichte in einen Kinofilm überträgt. Das Ideogramm, über das ich vorhin sprach -- was ist es für "The Tempest"? Welches wäre -- wenn ich es aufschlüsseln würde -- das eine Bild, das den Nagel auf den Kopf trifft? Es war die Sandburg, die Idee von Natur oder Kultur, dass wir diese Zivilisationen bauen -- Helen Mirrens Prospera spricht am Ende darüber -- wir bauen sie, aber unter der Natur, unter dem großen Sturm, werden alle in Wolken gehüllten Türme, diese wunderschönen Paläste, verschwinden und es wird nicht einmal ein Skelett übrig bleiben. Im Theater begann ich das Stück mit einer schwarzen Sandharke, einer weißen Leinwand und einem kleinen Mädchen, Miranda, das am Horizont eine Kleckerburg, eine Sandburg baut. Wie sie so an der Bühnenkante ist, laufen oben zwei Bühnenarbeiter ganz in schwarz mit Gießkannen entlang und fangen an, Wasser auf die Sandburg zu gießen. Die Sandburg beginnt zu tropfen und einzusinken, aber bevor sie das tut, sieht das Publikum die schwarz gekleideten Bühnenarbeiter. Das Medium war eindeutig. Es war banal. Wir sahen es. Aber als sie anfingen, das Wasser auszugießen, änderte sich das Licht und anstelle der schwarz gekleideten Bühnenhelfer setzte es durch diese grobe Magie, die wir im Theater verwenden, direkt das Wasser selbst in Fokus. Und plötzlich ändert sich die Perspektive des Publikums. Es wird zu etwas magisch Großem. Es wird zu einem Regenguss. Die maskierten Schauspieler, die Puppenspieler verschwinden und das Publikum macht einen Schritt in diese Welt, in diese imaginäre Welt, in der "Der Sturm" eigentlich stattfindet. Nun der Unterschied dazu, als ich das für das Kino gemacht habe, war folgender: Ich begann den Film mit einem Close-Up einer schwarzen Sandburg, Im Film kann man nun Kamera, Perspektiven, weite Einstellungen und Nahaufnahmen verwenden. Es begann mit einer Nahaufnahme der Sandburg und als sie sich entfernte, sah man, dass es eine Miniaturausgabe war, die sich in einer Mädchenhand befand. So konnte ich mit dem Medium spielen und der Grund, warum ich von einem Medium zum anderen wechsele, ist genau der, dies zu können. Jetzt zeige ich Ihnen "Spider-Man". (Musik) (Video) Peter Parker: ♪ Am Abgrund stehend kann ich davon schweben. ♪ JT: Wir versuchen im Theater alles live zu machen, was man im zweidimensionalen Film und Fernsehen nicht machen kann. PP: ♪ Wachse über dich selbst hinaus und nimm es selbst in die Hand. ♪ George Tsypin: "Wir sehen New York aus der Spider-Man-Perspektive. Spider-Man ist nicht an die Schwerkraft gebunden. Manhattan ist in der Show ebenfalls nicht an die Schwerkraft gebunden." PP: ♪ Sei du selbst und lasse alles hinter dir. ♪ Ensemble: ♪ Zack! Peng! ♪ ♪ Knall! Kratz! ♪ Danny Ezralow: "Sie sollen die Existenz des Choreographen total vergessen. Was passiert, ist real. Mir ist es lieber, dass man Menschen in Bewegung sieht und denkt: 'Wow, was war das?'." (Musik) JT: "Wenn ich der Skulptur genügend Bewegung gebe und der Schauspieler den Kopf bewegt, fühlt es sich an, als ob sie lebendig ist. Es ist wirklich ein Live-Comicheft. Ein zum Leben erwecktes Comicheft. (Musik) Bono: "Sie sind Mythologien. Sie sind moderne Mythen, diese Comic-Helden. PP: ♪ Sie glauben es. ♪ (Schreie) (Musik) (Applaus) JT: Ohhhh, was war das? Zirkus, Rock 'n' Roll, Drama. Was zur Hölle machen wir da oben auf der Bühne? Noch eine letzte Geschichte, ganz schnell. Nachdem ich in diesem Dorf war, überquerte ich den See und sah den Vulkan ausbrechen auf der anderen Seite, Gunung Batur, und da war ein stiller Vulkan neben einem aktiven. Ich dachte nicht, dass ich vom Vulkan verschluckt werden würde und hier bin ich. Aber es ist sehr leicht, ihn zu besteigen, nicht wahr? Man hält sich an den Wurzeln fest, man steckt seine Füße in die kleinen Steine, klettert hoch und erreicht den Gipfel. Ich war dort mit einem guten Freund, der Schauspieler war, und wir sagten: "Steigen wir hinauf. Finden wir heraus, ob wir nahe an den Krater des aktiven Vulkans herankommen können." Und wir kletterten hoch zum Gipfel, und als wir am Rande des Kraters waren, verschwand Roland im Schwefelrauch vom Vulkan am anderen Ende und ich stehe dort oben, allein an diesem unglaublichen Krater. Haben Sie die Liedtexte gehört? Ich stehe am Krater und schaue hinab in einen toten Vulkan zu meiner linken. Auf meiner rechten Seite ist eine Felswand aus Schiefer. Sie lst sich. Ich trage einen Sarong und Flip-Flops. Das war vor vielen Jahren. Keine Wanderschuhe. Und er verschwand einfach, dieser verrückte französische Zigeuner-Schauspieler, weg in den Rauch und ich erkenne, dass ich nicht denselben Weg zurückgehen kann, den ich gekommen bin. Ich werfe also meine Kamera und meine Flip-Flops weg, schaue auf den schmalen Grat vor mir, gehe auf alle Viere wie eine Katze und halte mich mit meinen Knien auf beiden Seiten an diesem Vorsprung vor mir fest, für 30 Meter oder 10 Meter, ich weiß es nicht. Es ging sehr starker Wind und der einzige Weg zur anderen Seite war dieser schmale Pfad vor mir. Bestimmt waren Sie alle schon einmal dort. Das ist die Feuerprobe. Meine feurige Reifeprüfung. Die Feuerprüfung für mein Unternehmen. Wir überleben, weil unsere Titelmelodie "Rise Above" ist. Junge fällt vom Himmel, wächst über sich selbst hinaus. Es ist genau hier in unseren Handflächen, in allen Handflächen meines Unternehmens. Ich habe großartige Mitarbeiter und wir als Erschaffer kommen nur alle gemeinsam an. Ich weiß, dass Sie das verstehen. Man bleibt aufrecht und geht vorwärts und dann hat man diese unglaubliche Sache direkt vor den eigenen Augen. Danke. (Applaus)