WEBVTT 00:00:17.000 --> 00:00:20.350 In den frühen Tagen der organischen Chemie begriffen die Chemiker, 00:00:20.350 --> 00:00:21.969 dass Moleküle aus Atomen bestehen, 00:00:21.969 --> 00:00:24.270 die durch chemische Bindungen verknüpft sind. 00:00:24.270 --> 00:00:28.460 Die räumlichen Strukturen der Moleküle waren jedoch völlig unklar, 00:00:28.460 --> 00:00:30.976 da sie nicht direkt beobachtet werden konnten. 00:00:31.430 --> 00:00:35.300 Die Moleküle wurden mit einfachen Grafiken zur Konnektivität dargestellt, 00:00:35.300 --> 00:00:37.000 so wie diese hier. 00:00:37.340 --> 00:00:40.884 Mitte des 19. Jahrhunderts wurde versierten Chemikern klar, 00:00:40.884 --> 00:00:45.896 dass die flachen Darstellungen viele Beobachtungen nicht erklären konnten. 00:00:46.000 --> 00:00:49.660 Aber die chemische Theorie bot keine zufriedenstellende Erklärung 00:00:49.660 --> 00:00:52.345 für die dreidimensionalen Strukturen der Moleküle. 00:00:52.835 --> 00:00:58.156 1874 veröffentlichte der Chemiker Van't Hoff eine bemerkenswerte Hypothese: 00:00:58.156 --> 00:01:01.406 Die vier Bindungen eines gesättigten Kohlenstoffatoms 00:01:01.410 --> 00:01:04.106 zeigen auf die Ecken eines Tetraeders. 00:01:04.430 --> 00:01:06.855 Es dauerte über 25 Jahre, 00:01:06.855 --> 00:01:10.904 bis die Quantenrevolution seine Hypothese theoretisch bestätigte. 00:01:10.904 --> 00:01:15.126 Van't Hoff stützte seine Theorie auf die optische Rotation. 00:01:15.126 --> 00:01:19.017 Er stellte fest, dass nur Verbindungen, die einen zentralen Kohlenstoff enthalten, 00:01:19.017 --> 00:01:21.730 der an vier verschiedene Atome oder Gruppen gebunden ist, 00:01:21.730 --> 00:01:23.976 plan-polarisiertes Licht rotieren lassen. 00:01:24.000 --> 00:01:27.236 Offensichtlich war diese Klasse von Verbindungen einzigartig. 00:01:27.236 --> 00:01:30.220 Werfen Sie einen Blick auf diese beiden Moleküle. 00:01:30.220 --> 00:01:33.806 Sie sind durch zentrale, tetraedrische Kohlenstoffatome gekennzeichnet, 00:01:33.806 --> 00:01:35.900 die an vier verschiedene Atome gebunden sind: 00:01:35.900 --> 00:01:38.658 Brom, Chlor, Fluor und Wasserstoff. 00:01:38.940 --> 00:01:42.706 Wir sind versucht, den Schluss zu ziehen, dass die beiden Moleküle gleich sind, 00:01:42.706 --> 00:01:45.609 wenn wir uns nur mit ihrer Zusammensetzung beschäftigen. 00:01:45.609 --> 00:01:49.801 Lassen Sie uns sehen, ob die Moleküle perfekt überlagert werden können, 00:01:49.801 --> 00:01:52.076 um zu beweisen, dass sie identisch sind. 00:01:52.076 --> 00:01:56.576 Wir dürfen beide Moleküle nach Belieben rotieren und übersetzen. 00:01:57.116 --> 00:01:58.436 Es fällt jedoch auf, 00:01:58.436 --> 00:02:00.747 dass, egal wie wir die Moleküle bewegen, 00:02:00.747 --> 00:02:04.540 eine perfekte Überlagerung ist unmöglich. 00:02:05.180 --> 00:02:07.779 Werfen Sie nun einen Blick auf Ihre Hände. 00:02:07.779 --> 00:02:11.139 Beachten Sie, dass Ihre beiden Hände dieselben Körperteile haben: 00:02:11.139 --> 00:02:14.666 Daumen, Finger, Handflächen usw. 00:02:15.004 --> 00:02:17.262 Wie die beiden untersuchten Moleküle 00:02:17.262 --> 00:02:20.234 bestehen auch Ihre Hände aus dem gleichen Material. 00:02:20.470 --> 00:02:25.399 Außerdem sind die Abstände zwischen den Komponenten Ihrer beiden Hände gleich. 00:02:25.399 --> 00:02:28.284 Der Zeigefinger befindet sich neben dem Mittelfinger, 00:02:28.284 --> 00:02:30.686 der sich neben dem Ringfinger befindet, usw. 00:02:30.686 --> 00:02:33.450 Das selbe gilt für unsere hypothetischen Moleküle. 00:02:33.450 --> 00:02:36.367 Alle inneren Abstände dieser Moleküle sind gleich. 00:02:36.367 --> 00:02:43.000 Trotz der Ähnlichkeiten sind Ihre Hände und unsere Moleküle jedoch nicht gleich. 00:02:43.690 --> 00:02:46.220 Versuchen Sie, Ihre Hände übereinander zu legen. 00:02:46.220 --> 00:02:49.016 Genau wie bei unseren Molekülen werden Sie feststellen, 00:02:49.016 --> 00:02:51.680 dass sie nicht perfekt übereinander gelegt werden können. 00:02:51.680 --> 00:02:54.225 Richten Sie nun die Handflächen aufeinander. 00:02:54.790 --> 00:02:56.930 Wackeln Sie mit den beiden Zeigefingern. 00:02:57.540 --> 00:03:00.000 Beachten Sie, dass Ihre linke Hand so aussieht, 00:03:00.000 --> 00:03:02.882 als wäre sie im Spiegel zu Ihrer rechten. 00:03:02.882 --> 00:03:05.932 Mit anderen Worten: Ihre Hände sind Spiegelbilder. 00:03:06.531 --> 00:03:09.020 Dasselbe kann man auch über unsere Moleküle sagen. 00:03:09.020 --> 00:03:12.685 Wir können sie drehen, so dass sie wie Spiegelbilder aussehen. 00:03:12.905 --> 00:03:14.818 Ihre Hände -- und unsere Moleküle -- 00:03:14.818 --> 00:03:17.066 besitzen eine gemeinsame räumliche Eigenschaft, 00:03:17.066 --> 00:03:19.283 die Chiralität oder Händigkeit genannt wird. 00:03:19.283 --> 00:03:22.338 Chiralität bedeutet genau das, was wir gerade beschrieben haben: 00:03:22.338 --> 00:03:25.881 Ein chiraler Gegenstand ist nicht dasselbe wie sein Spiegelbild. 00:03:25.881 --> 00:03:30.800 Chirale Objekte sind sowohl in der Chemie als auch im täglichen Leben sehr speziell. 00:03:30.800 --> 00:03:33.680 Schrauben beispielsweise sind ebenfalls chiral. 00:03:33.680 --> 00:03:37.676 Deshalb brauchen wir die Begriffe rechtshändige und linkshändige Schrauben. 00:03:37.676 --> 00:03:39.246 Und ob Sie es glauben oder nicht, 00:03:39.246 --> 00:03:43.129 bestimmte Arten von Licht können sich wie chirale Schrauben verhalten. 00:03:43.129 --> 00:03:47.810 In jedem linearen, planpolarisierten Lichtstrahl 00:03:47.810 --> 00:03:50.750 befinden sich rechts- und linkshändige Teilchen, 00:03:50.750 --> 00:03:54.521 die sich zusammen drehen, um eine ebene Polarisation zu erzeugen. 00:03:55.000 --> 00:03:58.363 Chirale Moleküle, die in einem solchen Lichtstrahl platziert sind, 00:03:58.363 --> 00:04:01.980 interagieren unterschiedlich mit den beiden chiralen Komponenten. 00:04:01.980 --> 00:04:04.916 Infolgedessen wird eine Lichtkomponente 00:04:04.916 --> 00:04:07.976 im Verhältnis zur anderen vorübergehend verlangsamt. 00:04:07.976 --> 00:04:09.710 Der Effekt auf den Lichtstrahl 00:04:09.710 --> 00:04:13.377 ist eine Drehung seiner Ebene relativ zur ursprünglichen, 00:04:13.377 --> 00:04:16.270 auch optische Rotation genannt. 00:04:16.270 --> 00:04:19.319 Van't Hoff und spätere Chemiker erkannten, 00:04:19.319 --> 00:04:22.586 dass die chirale Natur der tetraedrischen Kohlenstoffe 00:04:22.586 --> 00:04:25.120 dieses faszinierende Phänomen erklären kann. 00:04:25.120 --> 00:04:29.946 Die Chiralität ist für zahlreiche andere faszinierende Effekte in der Chemie 00:04:29.946 --> 00:04:32.236 und im täglichen Leben verantwortlich. 00:04:32.236 --> 00:04:34.390 Menschen neigen dazu, die Symmetrie zu lieben, 00:04:34.390 --> 00:04:36.390 und wenn man sich umsieht, stellt man fest, 00:04:36.390 --> 00:04:39.307 dass von Menschen hergestellte chirale Objekte selten sind. 00:04:39.307 --> 00:04:42.550 Aber chirale Moleküle sind absolut überall. 00:04:42.550 --> 00:04:45.777 So eigenständige Phänomene wie die optische Drehung, 00:04:45.777 --> 00:04:48.736 das Zusammenschrauben von Möbeln und das in die Hände Klatschen 00:04:48.736 --> 00:04:52.056 haben alle mit dieser faszinierenden räumlichen Eigenschaft zu tun.