Musik
Angelika Adensamer: Hallo! Wir wollen
heute zeigen, wie in Österreich über das
Thema Staatliche Überwachung gesprochen
wird. Wir wollen das anhand von vor allem
zwei Argumentationslinien nachzeichnen und
zwar erstens, dass die abstrakte, so
genannte angebliche Gefahr immer größer
dargestellt wird, als sie tatsächlich ist,
um genügend Gründe für die Ausweitung von
Überwachung zu finden. Und zweitens, dass
die Schäden, die Überwachung in einer
Gesellschaft anrichten kann, klein gemacht
werden. Unser Schluss ist dann daraus,
dass wir der... diese Sprache sehr präzise
anschauen müssen, ihr auf den Grund gehen
müssen, und wenn wir das tun (und das
gründlich tun), damit auch erfolgreich
sein können.
Thomas Lohninger: Gut. Vielen Dank
Angelika. Das ist Angelika Adensamer,
unsere Juristin und Policy Advisor.
Applaus
AA: lacht
TL: Mein Name ist Thomas Lohninger und wir
sprechen hier für epicenter.works. Wir
sind ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in
Wien und setzen uns für Privatsphäre und
Meinungsfreiheit im Internet ein. Am
ehesten kennt man uns vielleicht noch für
die Abschaffung der
Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene mit
unserem... unserer Klage vor dem
Europäischen Gerichtshof, als wir noch
AKVorrat hießen.
Applaus
TL: Und wenn ihr uns deswegen nicht kennt,
vielleicht wegen der Netzneutralität, da
haben wir mit der SavetheInternet.eu-
Kampagne auch angeschoben, damit wir jetzt
einheitlichen Schutz der Netzneutralität
in Europa haben. Aber...
Applaus
TL: Vielen Dank! Aber jetzt... weiter zu
meinem Kollegen, Werner Reiter.
Werner Reiter: Ich habe noch nie vor so
vielen Menschen gesprochen und bin ehrlich
gesagt etwas nervös. Helft mir bitte.
Applaus
WR: Das war noch nicht die Frage. Die
Frage war - und ich bitte um ein
Handzeichen - "Wer von euch findet
staatliche Überwachung oder einen
Bundestrojaner / Staatstrojaner (wie er in
Deutschland heißt) nicht so toll?" Naja,
das sind doch einige, ne? Dann habe ich
jetzt was für euch.
TL: Ton bitte. Wir haben hier Videos drin,
ganz viele davon. Wir spielen es ab...
Video: "...alle, die innerhalb und
außerhalb des Parlaments, die sich gegen
diese gesetzliche Anpassung wenden, planen
einen Anschlag auf die Sicherheit der
Österreicherinnen und Österreicher und
geben Ihnen nicht die Möglichkeit, die
selbe Sicherheit zu haben, die andere
Länder haben, bzw. nicht am Stand der
Technik zu sein."
WR: So. Das ist Wolfgang Sobotka,
ehemaliger Innenminister Österreichs. Er
hat euch soeben zu Gefährderinnen und
Gefährdern abgestempelt. Ihr habt seine
Pläne kritisiert...
Applaus
WR: ...und er unterstellt euch, dass ihr
einen Anschlag plant. Wir haben übrigens
deswegen auch eine Anzeige gegen ihn
eingebracht. Viel schlimmer als die
Diffamierungen, die... Gegenstand dieser
Anzeige ist, ist die emotionale
Erpressung, die in dieser Aussage steckt.
Wer für Grund- und Freiheitsrechte
eintritt, ist eine schlechte
Staatsbürgerin bzw. ein schlechter
Staatsbürger. Ihr seid schlechte
Staatsbürger. Tut mir leid.
Applaus
TL: lacht Applaus... Gut. Worum geht's
hierbei? Wer uns kennt, wird es schon
ahnen. Es geht um konkrete
Gesetzesvorschläge, die im Jahr 2017 in
Österreich diskutiert wurden. Die ganze
Geschichte begann im Jänner 2017 mit dem
neuen Koalitionsabkommen der damaligen
rot-schwarzen Regierung. Wir kommen noch
zu den aktuellen Entwicklungen, aber diese
lückenlose Überwachung, die ihr hier seht,
ist nicht irgendwie unsere Zuschreibung,
sondern wiederum ein Zitat von unserem
ehemaligen Innenminister Wolfgang Sobotka
und heutigen Parlamentspräsidenten -
immerhin dem zweithöchsten Amt in der
Zweiten Republik - und er hat das so
deutlich ausgesprochen, wie wohl kaum
Sicherheitspolitiker, zumindest im
deutschsprachigen Raum. Worum ging es
jetzt konkret bei dem Koalitionsabkommen,
das uns im Jänner auf den Plan gerufen
hat? Ihr seht hier die Latte an Maßnahmen,
um nur ein paar rauszugreifen... Gefordert
wurde: die flächendeckende und vernetzte
Videoüberwachung, also auch alle Kameras
der Wiener Linien und der ÖBB würden im
Innenministerium zusammenlaufen in Echtzeit,
die Erfassung von allen Kennzeichen
auf Bundesstraßen und auch die
Registrierung beim Kauf von Bahn- und
Bustickets. Und schon allein aus den 3
Maßnahmen ergibt sich ein Gesamtbild, wo
es egal ist, ob ich mit meinem eigenen
Auto fahr', mit dem Zug, mit dem Bus oder
einfach nur mit der U-Bahn - es gibt von
dieser Bewegung einen Eintrag in einer
staatlichen Datenbank. Aber das, was am
meisten diskutiert wurde, war dieses lütte
Hutschpferdchen hier, nämlich der
Bundestrojaner. Wir haben schon
Staatstrojaner, wie es in Deutschland
heißt, sprich staatliche Spionagesoftware
und staatliches Hacking, womit die Ende-
zu-Ende-Verschlüsselung, die dank Snowden
heutzutage in unser aller Hosentaschen
ist, umgangen werden soll, damit man auch
wieder diese Form von geschützter
Kommunikation als Staat überwachen kann.
Und diese Art von staatlicher
Spionagesoftware - da gab es schon einen
ersten Anlauf die in Österreich zu
legalisieren, und zwar im Jahr 2016 von
Justizminister Brandstetter. Wir haben es
damals geschafft, den ersten Versuch schon
in der Begutachtung zu stoppen. Das Gesetz
wurde zurückgenommen. Dann 2017 der zweite
Anlauf. Da nehme ich etwas vorweg: Er
wurde auch gestoppt und wir kommen dann am
Ende noch zum dritten Anlauf. Aber in der
Debatte und den Statements von vielen
Politikern die ihr gleich hören werdet,
ging es auch immer um diese Art der
Überwachung.
Werner Reiter: Ja, wir waren kurz nach der
Präsentation des Koalitionsübereinkommen
schon mit einer Kampagne am Start: "Stoppt
das Überwachungspaket. Wir haben mit allen
zur Verfügung stehenden Mitteln mobil
gemacht. Wir haben ein breites,
zivilgesellschaftliches Bündnis gegründet,
wo Amnesty International unter anderem
dabei war, Attac und viele viele weitere
mehr. Wir haben erstmals in Österreich in
ganz Österreich Kampagnen und Aktionen
gemacht, nicht nur in Wien, nicht nur im
Netz, sondern auch auf der Straße in allen
österreichischen Hauptstädten. Wir haben
eine Hotline gemacht, wo man
Politikerinnen und Politiker anrufen
konnte, um sie zu überzeugen, dass dieses
Überwachungspaket weit über das
hinausschießt, was mit unseren Werten noch
vereinbar ist. Man konnte auch Anrufe
buchen. Das heißt, Sobotka jeden
Donnerstag um 11 Uhr mitteilen, dass ein
Überwachungspaket keine so tolle Idee ist.
Und als dann die Gesetzesvorschläge in die
Begutachtung gingen haben wir erstmals in
Österreich etwas gemacht, und zwar ein
Tool, wo man ganz einfach Stellungnahmen
einbringen konnte, in den
Begutachtungsprozess des Gesetzes. Das
haben sehr, sehr viele Menschen gemacht.
Ein toller Erfolg. Zu den Zahlen kommen
wir später noch.
Thomas Lohninger: Genau. Also... wir
erinnern uns: Im Jänner wurde das ganze
vorgestellt, dann war lange Debatte, aber
nichts Konkretes wurde vorgelegt. Es wurde
zwischen den Parteien und Ministerien
diskutiert und dann hat man gewartet, bis
die Sommerpause begann und im Juli wurden
dann konkrete Gesetzesvorschläge in
Begutachtung geschickt. Die umfassten
sogar noch mehr als die ursprünglichen
Koalitionspapiere vermuten ließen. Da
waren zum Beispiel neue Maßnahmen wie
Netzsperren enthalten, die es Providern
erlauben, ganz normal in ihrer
Produktgestaltung nur noch Teile des
Internets anzubieten. Unter dem Deckmantel
von Jugend- oder Pornoschutzfiltern
konnten da einfach Teile des Nets in der
Produktgestaltung zensiert oder blockiert
werden. Dann gab es auch eine Ausweitung
von IMSI-Catchern und dem Lauschangriff
aufs Auto. Beides ist jetzt nur
geringfügig möglich, sollte damit
ausgeweitet werden, und was wir zu dem
Zeitpunkt im Juli schon verhindert hatten,
war die Fußfessel für Gefährderinnen und
Gefährder. Die ist aufgrund der Kritik
einfach nicht weiter verfolgt worden.
Angelika Adensamer: Unsere Hauptkritik im
Überwachungspaket ist, das es
grundrechtswidrig ist. Es verletzt
insbesondere das Recht auf Achtung der
Privatsphäre.
Feedback-Geräusch
Thomas Lohninger: ...Danke.
AA: Überwachung kann grundsätzlich schon
den Menschenrechten entsprechen; es ist
nicht automatisch so, dass sie
grundrechtswidrig ist. Es muss aber die
konkrete Überwachungsbefugnis
verhältnismäßig sein. Das heißt, sie muss
erstens einen legitimen Zweck erfüllen.
Das kann zum Beispiel durchaus auch
Sicherheit sein. Aber in einem zweiten
Schritt muss dieses Mittel auch geeignet,
erforderlich und angemessen sein, um
diesen Zweck zu erreichen. Und da wird's
schon schwieriger, weil in dieser ganzen
Debatte wird niemals auch nur irgendwie
begründet, wie genau diese
Überwachungsmaßnahmen nun die Sicherheit
fördern sollen, zu ihr beitragen sollen,
und es wird schon gar nicht bewiesen oder
irgendwie belegt. Deswegen halten wir das
Überwachungspaket für eine Gefahr für die
Demokratie, für unsere Freiheit,
ironischerweise auch für unsere
Sicherheit. Und wir sind deswegen für eine
Überwachungs-Gesamtrechnung, in der nicht
nur die einzelnen Überwachungsmaßnahmen
auf ihre Vereinbarkeit mit den
Grundrechten geprüft werden, sondern alle
gemeinsam und besonders auch in ihren
Kombinationen.
Werner Reiter: Wir spulen noch etwas
zurück und zwar ganz an den Beginn: was
war der Ausgangspunkt für all das? Der Ton
ist leider nicht besonders gut, aber es
ist ein historisches Video und ich muss es
trotzdem zeigen.
[Video mit Untertiteln]
Gelächter
Werner Reiter: Ja... ich hoffe mit
Untertitel geht's. Ihr habt wahrscheinlich
auch "Sekrement" verstanden, Exkrement ist
gemeint, egal. Ein Innenminister bekämpft
also das Symptom - Kot vor der Haustür -
mit Kameras und denkt nicht eine Sekunde
darüber nach, aus welchem Grund ihm der
Haufen vor die Tür gelegt wurde. Das ist
leider symptomatisch für die
Debatte um Sicherheit in Österreich und
wahrscheinlich auch in anderen Ländern:
man versucht Symptome mit Placebos zu
behandeln, anstatt über die Ursachen
nachzudenken. Und damit sind wir bei der
Politik der Gefühle.
Thomas Lohninger: Genau. Und dann der
zweite Teil des Videos...
[Video mit Untertiteln]
TL: Genau: Das ist ein ganz zentraler
Begriff um die Debatte rund um Überwachung
und Sicherheit, zu verstehen. Es geht um
das subjektive Sicherheitsgefühl der
Bevölkerung. Ursprünglich war das mal ein
Schmähwort der Datenschützer gegen diese
Art von Überwachungspolitik, heute ist es
die ernstgemeinte Begründung für diese
Vorhaben und gesetzlichen Verschärfungen.
Und ganz wichtig ist eben, dass es da
jetzt nicht mehr um objektive oder
messbare Sicherheit geht. Es geht nicht um
eine Verbesserung der Aufklärungsquote
oder gar das Verhindern von Anschlägen.
Die meisten der Maßnahmen, die jetzt in
diesem Überwachungspaket enthalten sind,
waren schon längst etabliert, seit Jahren
in anderen EU-Mitgliedsstaaten und haben
dort schon nicht geholfen. Trotzdem
versucht man hier eben weiter mit einem
Gefühl in der Bevölkerung, das ja aktiv
befördert wird durch diese Art der
politischen Rhetorik, solche Maßnahmen zu
rechtfertigen.
Angelika Andensamer: Wir hören jetzt noch
einmal unseren Ex-Innenminister Sobotka in
seinen letzten Tagen im Amt im Parlament
sprechen.
Wolfgang Sobotka (Video): Wir wissen heute
dass der nächste Anschlag geplant wird.
Wir wissen aber nicht wann und wir wissen
nicht wo.
AA: Ja, das ist auch typisch für diese
Diskussion. Es geht um den Schutz vor
abstrakten potenziellen Gefahren. Im
Gegensatz zu konkreten, die man dann
vielleicht doch konkret benennen könnte;
es ist nur irgendwann irgendwas. So
richten sich dann auch Gesetze gegen
sogenannte Gefährderinnen und Gefährder.
Das sind Menschen, die nicht verurteilt
worden sind, die auch nicht konkret im
Verdacht stehen, Straftaten verüben zu
wollen oder zu planen, aber die trotzdem
auf irgendeine Weise anscheinend abstrakt
gefährlich sind. In dem neuen
Regierungsübereinkommen der
rechtskonservativen - rechtsextremen und
konservativen - Regierung heißt es: Es
soll bereits im Vorfeld gegen potenzielle
Gefährder eingeschritten werden und zwar
sollen Gebiets- und Reisebeschränkungen
für Gefährder sowie Einschränkungen
elektronischer Kommunikationsmittel bei
Gefährdern eingeführt werden. Nun könnten
theoretisch, wie wir vorhin schon gehört
haben, alle abstrakt und potenziell
Gefährderinnen und Gefährder sein: man
braucht nur einmal sagen, man ist gegen
das Überwachungspaket, und schon plant man
einen Anschlag auf die Sicherheit der
Österreicherinnen und Österreicher zufolge
unseres Innenministers. Das große Problem
daran ist, dass man aus solchen
Datenbanken üblicherweise nicht gelöscht
wird. Es gibt meistens kaum
Voraussetzungen dafür, aus Gefährder-
Datenbanken wieder rauszukommen und es ist
auch tatsächlich ein bisschen schwierig.
Wenn man einmal abstrakt und potenziell
gefährlich ist oder war, wie soll man
jemals beweisen können, dass man
das zu irgendeinem Zeitpunkt
nicht mehr ist.
Werner Reiter: Ja, wir haben jetzt viel
gehört über die ach so große, wenn auch
abstrakte Gefahr. Die Maßnahmen die man
dagegen einsetzen will, sind relativ
klein, zumindest in der Sprache der
Politikerinnen und Politiker.
Video: ...daher wollen wir diese Lücke
schließen. Mehr ist es gar nicht; es geht
um das Schließen einer Lücke, im Bereich
der Überwachung, die wir immer schon
gehabt haben, die sich ergeben hat durch
den technischen Fortschritt.
WR: Joa. Also, es geht um die Schließung
einer kleinen Lücke, des mach'mer schnell
mal und dann ist das alles wieder erledigt
und wir sind wieder sicher. Nun ja.
Thomas Lohninger: Ja, die Sache mit der
Technologie. Da stoßen wir ganz offen in
der Netzpolitik an diese Grenze, dass
versucht wird, Technologie zu regulieren,
bevor man sie wirklich verstanden hat. Das
ist so als ob man irgendwie
Familienpolitik machen will, wo man nicht
versteht, wie Kinder zustande kommen und
was sie vielleicht brauchen könnten oder
wie eine Familie funktioniert. Aber hier
ist es leider nichts, was dazu führt, dass
Aussagen disqualifiziert werden, sondern man
äußert sie dann einfach nur mit noch mehr
Inbrunst. Hier ein schönes Video vom Forum
Alpbach aus diesem Jahr.
Sobotka (Video): Da würde ich bitten unsere
Cybercrime-Spezialisten, vielleicht der
Leiter des BVTs, zu beantworten, wie das
technisch aussieht.
Moderatorin (Video): Aber auch... okay. Herr Gridling.
Gridling (Video): Ja, vielen Dank. Ich
fürchte, ich bin auch nicht der technische
Experte, der jetzt genau erklären kann,
wie das geht.
TL: Genau. Peter Gridling, der Chef des
BVT, des Verfassungsschutzes in
Österreich, im Inlandsgeheimdienst unter
dem Innenministerium, also Wolfgang
Sobotka war damals noch sein Chef, und den
Namen merken wir uns, der kommt nämlich
später auch noch mal. Sehr ähnlich in
dieselbe Kerbe schlagt der Wiener
Polizeipräsident Gerhard Pürstl.
Reporter (Video): Sie könnten in jedes
Schlafzimmer jedes Österreichers schauen
und die Software wird dadurch unsicher,
und Kriminelle haben dann Zugriff auf alle
Daten. Ist Ihnen das bewusst?
Gerhard Pürstl (Video): Ja, aber das sind
ja Totschlagargumente. Man muss sich das
technisch ansehen. Man kann mir nicht
erzählen, dass technisch derartige Dinge
nicht möglich sind.
Gelächter
Applaus
TL: Da kommt schon sehr viel rüber von,
einerseits, eben dieses Gebrauchs des
Worts "Totschlagargument", gepaart mit
dieser technischen Ignoranz. Und dadurch
ist natürlich jede sachliche Debatte schon
fast unmöglich. Und wenn man jetzt
versucht, irgendwie mit technischem
Sachverstand zu argumentieren, könnte man
glauben, dass man die Leute schnell
schachmatt setzt. Aber um das geht es
ihnen an der Stelle gar nicht, sondern es
ist eher so die Herangehensweise eines
Spielzeugs.
Werner Reiter: Ja, gebt denen doch dieses
Spielzeug, warum lang drüber reden. Jetzt
kommt der ehemalige Justizminister
Wolfgang Brandstetter.
Brandstetter (Video): Wenn der Chef des
BVT, unseres Verfassungsschutzes, einfach
diese Maßnahmen für notwendig und
erforderlich hält und sie fordert, dann muss
man reagieren.
WR: Also... Wie...
langsames Klatschen
WR: lacht Also man reagiert auf die
Wünsche des Verfassungsschutzchef und
Cybercrime-Experten, der nicht beantworten
kann, wie es technisch funktionieren soll.
Gebt ihm das Spielzeug.
Angelika Andensamer: Aber... Keine Sorge.
Applaus
AA und WR: Keine Sorge.
Sobotka (Video): Es ist für mich immer
sehr, sehr kurios, dass man dem Staat
immer permanent, wo man jeden Beamten
seinen Eid auf die Verfassung schwören
lässt, diesen... ähm... Missbrauch der
Daten unterstellt und in der Verfolgung
der Kriminellen nicht die Möglichkeit in
die Hand gibt, das zu tun.
AA: Ja. Am besten dem Staat einfach
vertrauen. Datenmissbrauch - sowas gibt's
überhaupt nicht. Gut - wir vertrauen dem
Staat auf diese Weise nicht. Beispiele für
Datenmissbrauch gibt's tatsächlich genug.
Nur ein kleines Beispiel: ich war einmal
in einem Strafprozess, darüber wird nicht
mal großartig berichtet, über solche
Fälle. Ein Polizist hat einer Frau, die er
mochte, Daten über ihren Ex-Freund
rausgeholt, weil er zeigen wollte, was das
für ein Typ ist, wie oft der festgenommen
worden ist oder so. Staat sind auch nur
Menschen - Datenmissbrauch? Haben wir nie
gehört. Überhaupt sollte man in einem
Rechtsstaat dem Staat nicht auf diese
Weise vertrauen müssen. Entscheidungen
sollten transparent sein, es muss
Kontrollinstanzen geben. Ich hätte
grundsätzlich persönlich überhaupt kein
Vertrauen in jemanden, der sich so wie
hier gegen jegliche Kontrolle wehrt.
Applaus
Ja, hier gleich nochmal; das ist Werner Amon,
Sicherheitssprecher der ÖVP, hier auch im
Parlament: ...
Amon (Video): Der Datenschutz darf nicht
falsch verstanden werden und darf nicht
dazu führen, dass es zu einem Täterschutz
kommt.
AA: "Datenschutz ist Täterschutz", das ist
auch ein sehr beliebter Satz. Es stecken
nur zwei ganz grundlegend falsche Annahmen
dadrin. Erstens ist Datenschutz ein
Grundrecht, das, wie alle Grundrechte,
alle schützt. Auch Täter und Täterinnen.
Wer das nicht versteht, hat das Prinzip
von Grundrechten ganz grundlegend nicht
verstanden. Zweitens...
Applaus
AA: Und zweitens sind die
Überwachungsbefugnisse
Ermittlungsbefugnisse, d.h. sie richten
sich gegen Verdächtige oder wie vorher zum
Beispiel auch gegen Gefährderinnen und
Gefährder, die noch nicht einmal konkret
verdächtigt sind. Und davon sind nicht alle
Täter und Täterinnen. Wüsste man schon,
dass das alles Täter und Täterinnen sind,
müsste man sie wahrscheinlich nicht
überwachen und gegen sie ermitteln.
Werner Reiter: Nächstes Kapitel. Die
Überwachungsdebatte ist geprägt von einer
sehr seltsamen Wettbewerbslogik. Wir haben
hier nochmal Werner Amon.
Amon (Video): Es kann nicht sein, dass die
internationale Kriminalität oder
Terrorismus in der Champions League mit
ihren Möglichkeiten spielt und wir uns auf
der Ebene der Regionalliga aufhalten.
Gelächter im Publikum
WR: Also... da will wer klatschen.
- Wir haben doch keine Zeit.
- Champions League - Regionalliga. ... Wir
haben von Innenminister Sobotka schon
gehört: andere Länder hätten das auch und
wir bräuchten das. Das geht noch einmal
einen Schritt weiter: Wir begeben uns
jetzt nicht den Wettbewerb mit anderen
Ländern, sondern direkt in den Wettbewerb
mit Terroristen und Terroristen. Das
heißt, was uns Werner Amon hier sagt: Er
würde gerne dieselben Methoden anwenden,
die auch Kriminelle anwenden. Und ich
glaube nicht dass das Staaten sind, die
wir haben wollen.
Applaus
Angelika Andensamer: Zeigt sich auch
teilweise ein etwas eigenartiges
Demokratieverständnis. So lässt uns zum
Beispiel unser Ex-Innenminister Sobotka
via die Kronen-Zeitung ausrichten: die
Sicherheit steht über der Politik, und was
er damit sagt, ist tatsächlich: Er möchte
es nicht diskutieren. Er möchte darüber
keine politische Diskussion führen und
versteht auch eigentlich gar nicht, warum
es dafür eine politische Einigung braucht.
TL: Das war bis jetzt mal soweit die
Debatte. Bis dann der Wahlkampf im Sommer 2017
passiert ist. Und auch in dem waren
Sicherheit und Überwachung weiterhin zwei
sehr beherrschende Themen im innenpolitischen
Diskurs. Was wir auch noch hervorstreichen
wollen ist der ehemalige Kanzler Kern. Die SPÖ
hat es komplett vermieden, sich in diesem
Thema zu positionieren - bis auf ein paar
Statements von eher niederrangigen
Politikern aus dem Parlamentsklub und auch
der Kanzler hat selbst gemeint, dass er so
eine sensible Materie doch nicht in den
Wahlkampf ziehen will. Und damit hat es
die SPÖ vermieden, einerseits sich zu
positionieren aber auch eine Chance
verpasst, sich auf die Seite der
Grundrechte zu stellen und auch mitten im
Wahlkampf von den Konservativen
abzugrenzen. Die haben das Spiel auch
durchaus beherrscht.
WR: Indes die ÖVP. Man machte im Wahlkampf
gern ein bisschen so... Wohlfühlen-
Feelgood-Rhetorik. Hier, ganz schön,
"brauchen mehr Transparenz in unserem
Staat, aber keine Schnüffelstaat" und das
währenddessen sie für das
Überwachungspaket weiter trommeln. Mich
erinnert das frappant an die Hacker-Ethik
"öffentliche Daten nützen, private Daten
schützen". Schön wär's.
TL: Es gibt übrigens immer noch kein
Transparenzgesetz in der neuen Regierung.
AA: Ja. Vor der Wahl war die FPÖ noch in
der Opposition, nun ist sie in der
Regierung. Damals hatte es noch geheißen,
über das Überwachungspaket, das wäre das
Ende des Rechtsstaats wie wir ihn kennen,
so ein Papier der Gräßlichkeiten ist
undenkbar. Man sieht hier auf dem Bild
Kickl, der jetzt unser Innenminister ist,
von der FPÖ. Und was wir auch hier
versucht haben zu illustrieren ist, wie
immer wieder vermischt werden die Themen
Islam, Migration, Terrorismus. Sicherheit,
Überwachung, was vor allem den Effekt hat
einerseits Rassismus weiter zu schüren und
andererseits Stimmung zu machen für mehr
Überwachung. Auf Fakten wird in dieser
Diskussion weitgehend verzichtet. Hier
haben wir Harald Vilimsky, auch ein
hochrangiger FPÖ-Politiker. Er ist EU-
Parlamentsabgeordneter und
stellvertretender Vorsitzender der
Fraktion "Europa der Nationen und der
Freiheit", also der rechten Fraktion und
ist hier auch noch als Oppositioneller
österreichischer Politiker.
Harald Vilimsky (Video): Die ÖVP möchte
zeigen, dass sie eine Sicherheitspartei
ist, ist aber keine Sicherheitspartei,
sondern lediglich eine Überwachungspartei.
AA: Genau, so spricht er über die ÖVP, die
jetzt ihr Koalitionspartner ist, mit der
sie jetzt das neue Überwachungspaket
durchsetzen. Damals noch klar gegen
Überwachung positioniert, teilweise sogar
mit unserer Diktion.
TL: Ja und dann am 1. September 2017 nach
dem Nationalen Sicherheitsrat trat
Innenminister Sobotka vor die Kameras und
erklärte, er gibt auf. Das
Sicherheitspaket kommt vorerst nicht, weil
der linke Flügel der Sozialdemokraten sich
durchgesetzt hätte und damit waren diese
Maßnahmen vom Tisch. Nach 8 Monaten
Kampagnen ist das unsere Bilanz. Wir
konnten mit 9.220 Menschen insgesamt
18.000 Stellungnahmen zu diesen Gesetzen
abgeben, im Begutachtungsprozess. Das
macht diese Begutachtungen zur größten in
der Geschichte der Zweiten Republik und
zwar mit Abstand. Und... danke.
Applaus
TL: Was uns vor allem sehr auch gefordert
und gefreut hat war, dass dieses Thema
wirklich intensiv diskutiert wurde in
Österreich. Es ist ja klar, dass man
irgendwie so "Standard", "Futurezone", das
sind die Dinger, wo öfter über solche
Themen debattiert wurde. Aber es gab
mehrere Chefredakteurinnen und
Chefredakteure, die sich dazu geäußert
haben, es war auch auf allen öffentlich-
rechtlichen und Privatsendern vertreten
und insgesamt haben wir eine Debatte
erlebt, die dann zum Beispiel auch in
manchen User-Umfragen, auch in
Boulevardzeitungen gezeigt hat, dass die
Leute eine erhöhte Sensibilität für dieses
Überwachungsthema bekommen haben. Und wir
sind schon ein bisschen stolz, dass sie es
geschafft haben, 10 von diesen 12 Themen
zu verhindern, zumindest jetzt mal
vorerst, weil wir sind natürlich nach der
Wahl weiter mit einer Situation
konfrontiert.
WR: Auftritt Wolfgang Sobotka.
Wolfang Sobotka (Video): Und sie können
sich noch an meinen Spruch erinnern, vor
mehreren Monaten, wo ich hier gesagt habe:
das ist ein Anschlag auf die Sicherheit,
das nicht durchzuführen. Meine Damen und
Herren, das muss uns ganz bewusst sein:
wenn wir der Polizei diese Maßnahme nicht
in die Hand geben, dann haben wir wenig
Chance, diese Netzwerke auch zu
detektieren.
WR: Ja, er wiederholt die Anschuldigungen,
die er gegen euch erhoben hat. Der Mann
hat in den Koalitionsverhandlungen
übrigens auch das Kapitel Sicherheit,
Ordnung und - man höre und staune -
Heimatschutz verhandelt für die ÖVP und er
bekräftigt, er hält euch für potenzielle
Terroristinnen und Terroristen.
WR: Wir haben seit kurzem ja auch eine
neue Regierung und als das
Koalitionspapier rauskam, haben wir
innerhalb von 24 Stunden eine Analyse
davon online gestellt, wo ihr euch 4
Seiten durchlesen könnt, was da drinnen
steht, aber auch eine farbcodierte Version
der 180 Seiten wo alle Vorhaben nach ihrer
netzpolitischen Relevanz in Ampelfarben
einsortiert sind. Und wir sehen da drin
mehr oder weniger ein Überwachungspaket
2.0. Wir haben: aus den abstrakten
Gefährdern wurden die potenziellen
Gefährder, gegen die weiterhin schon im
Vorfeld, also vorm Verdacht oder vor der
Verurteilung, tätig geworden sein soll.
Dann gibt es Lücken bei der Überwachung
von internetbasierter Kommunikation, die
geschlossen werden sollen. Da lugt schon
wieder ein bisschen der Bundestrojaner um
die Ecke, aber da haben wir noch ganz
viele andere Probleme und da ist so das
Überthema der Vernetzung von staatlichen
Datentöpfen. Es soll zum Beispiel, wer
sich noch an die Bildungsdokumentation von
Liesel Gehrer erinnert - das Ding, on
steroids 3.0. Also, es soll wirklich eine
Datenbank geschaffen werden, wo von
Kindergarten bis zur Uni jede
Leistungsbeurteilung, jede Verhaltensnote,
jeder Klassenbucheintrag gespeichert
werden soll mit potentiellem Zugriff
nachträglicher potenzieller Arbeitgeber.
Das Ganze wird auch ausgeweitet auf den
Erwachsenenbereich und auch unter der
Ägide des AMS, sozusagen, bei allen
E-Learning-Kursen und der zentrale Zugriff
wird von einer staatlichen ID gesteuert.
Das ist sozusagen die Weiterentwicklung
der Handysignatur. Und dann gibt es auch
noch viel mehr Vernetzungen von
Datenbanken aus dem Sicherheits- und
Sozialbereich, die vor allem eben auch
dann noch im Thema Zuwanderung schlagend
werden. Ja, aber es gibt da noch so ein
Überthema. Ich habe schon eingangs
erwähnt. Wir haben jetzt, das ist der
dritte Versuch, einen Bundestrojaner in
Österreich zu legalisieren. Und das stellt
uns auch mal ein bisschen so vor die
Frage: wann haben wir eigentlich gewonnen?
Wenn das Ding
jetzt zweimal verhindert wurde, wann
merken sie es sich? Die harte Antwort ist
leider, dass sich Bürgerrechte nicht von
selbst verteidigen, sondern dass wir
unsere, um unsere Grundrechte zu bewahren,
die ganze Zeit wachsam bleiben müssen,
weil man sie zwar über viele Jahrzehnte
bewahren kann, aber es braucht nur ein
Moment, wo die Leute nicht aufpassen und
dann können sie uns genommen werden.
Applaus
AA: Die FPÖ, die damals noch so gegen
Überwachung war, ist nun auf Linie. Das
ist unser neuer Innenminister Kickl.
Kickl (Video): Es kann nicht sein, dass
sozusagen die Ganoven landauf, landab und
die internationale Kriminalität die besten
technischen Möglichkeiten hat, aber wir im
eigenen Land nicht die gesetzlichen
Rahmenbedingungen haben, damit die Polizei
auch auf Höhe der technischen
Möglichkeiten agieren kann.
AA: Damit hat mit der
Regierungsbeteiligung die FPÖ jetzt auch
die Argumente der ÖVP übernommen und
findet auch, dass sich der Staat der
gleichen Mittel wie die Kriminellen
bedienen sollte.
WR: Ja, sie haben noch etwas anderes
übernommen, und zwar die Feelgood-Rhetorik
der ÖVP aus dem Wahlkampf. Jetzt heißt es
zum Beispiel vom neuen Innenminister aus
einem Interview, dass er seiner eigenen
Online-Redaktion gegeben hat, das erste
Interview übrigens, "geht es der
Sicherheit gut, geht's uns allen gut", na
wunderbar. Ganz so gut dürfte es aber dann
doch nicht sein. Er hat nämlich auch
übernommen, dass die Webseite des
Innenministeriums nach wie vor kein HTTPS
kann. Und das zeigt ein bisschen die
Ignoranz, die die Politikerinnen und
Politiker den technischen Themen gegenüber
haben und die Ignoranz spiegelt sich
leider auch wieder, in viel gefährlicheren
Dingen wie zum Beispiel Bundestrojaner,
Videoüberwachung und all diese Dinge, die
da auf uns zukommen.
TL: Um zum Abschluss zu kommen: Wir würden
auch gerne über unsere Sprache sprechen,
die Kampagnen-Sprache, die wir diesen
politischen Vorhaben entgegengesetzt
haben. Wir haben das Sicherheitspaket ganz
bewusst als das bezeichnet, was es ist,
ein Überwachungspaket. Und wir haben es
damit geschafft, wirklich auch medial
durchzukommen. Es haben viele Medien den
Begriff übernommen und immer öfter auch
ohne Anführungszeichen. Das war kein
Sicherheitspaket, das war ein
Überwachungspaket, weil da weder
Sicherheit drin ist, aber dafür sehr viele
Überwachungsmaßnahmen. Und genau diese
Änderung des Narrativs ist der
Schlusspunkt mit dem ich enden will, weil
ich glaube, dass das auch der Aspekt von
dieser ganzen Geschichte ist, der
vielleicht allen anderen Campaingnern und
Menschen, die sich für diese Themen
interessieren oder auch im privatem Umfeld
darüber sprechen, am hilfreichsten sein
könnte. Nämlich die Änderung des
Narrativs, die wir vollziehen müssen. Wir
gewinnen die Überwachungsdebatte nur,
indem wir sie zu einer Sicherheitsdebatte
machen. Massenüberwachung funktioniert in
großen Teilen nicht. Andere Maßnahmen sind
nicht nur viel sinnvoller für die
Sicherheit sondern auch schonender für die
Grundrechte. Und gerade diese anderen
Maßnahmen sind das beste Gegenargument,
das wir diesen sinnlosen Vorgaben
entgegensetzen können. Diesen Spielzeugen,
die man sich hier anschaffen will. Wir
brauchen eine grundrechtsfreundliche,
faktenbasierte Sicherheitspolitik und das
sind die besten Gegenargumente. Deshalb
fordern wir auch immer eine Überwachungs-
Gesamtrechnung. Das wäre eine Evaluierung
von allen Überwachungsmaßnahmen in einem
Land, auf ihre Verfassungskonformität und
ihrem realen Beitrag zur Sicherheit. Damit
dürfen wir uns bedanken.
Applaus
TL: Wir haben jetzt, glaube ich, gar keine
Zeit mehr wirklich für Fragen. Aber wir
haben eine Assembly in Saal 3, direkt
neben IFF und EDRi, schaut da vorbei.
Wir sind bis Tag 3 noch dort, also ich
glaube Tag 4 auch noch ein bisschen. Ah ja
und wir sind ein spendenfinanzierter
Verein und damit wir weiter unabhängig das
tun können, was wir tun, brauchen wir euch
als Fördermitglieder, das wäre ganz toll.
Vielen Dank.
Applaus
Herald: Ja, vielen Dank Thomas Lohninger,
Werner Reiter und Angelika Adensamer. Wir
haben heute leider in diesem Talk keine
Zeit für Fragen, aber nochmal einen großen
Applaus für unsere drei Gäste hier aus
Österreich.
Applaus
Abspann
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im Jahr 2019. Mach mit und hilf uns!