Was macht ein Musikstück schön?
Die meisten Musikwissenschaftler
würden behaupten,
Wiederholung sei ein wichtiger
Aspekt von Schönheit.
Die Idee ist, dass eine Melodie, ein Motiv,
ein musikalischer Gedanke
wiederholt wird und so die Erwartung
auf Wiederholung erzeugt wird.
Diese Erwartung wird entweder erfüllt,
oder die Wiederholung wird unterbrochen.
Und das ist ein wichtiger Bestandteil
von Schönheit.
Wenn also Wiederholung und Schemata
der Schlüssel zu Schönheit sind,
wie würde dann das Fehlen
von Schemata klingen
in einem Musikstück,
das überhaupt keine
Wiederholung beinhaltet?
Tatsächlich ist das eine interessante
mathematische Frage.
Kann man ein Musikstück komponieren,
das überhaupt keine Wiederholung beinhaltet?
Das ist nicht zufällig.
Zufall ist einfach.
Es stellt sich heraus, dass es
ohne Wiederholung sehr schwer ist,
und es geht
überhaupt nur
wegen eines Mannes,
der U-Boote verfolgte.
Jemand, der versuchte,
den perfekten Sonar-Ping
zu entwerfen,
löste das Problem
schemaloser Musik.
Und darum geht es heute.
Im Sonarverfahren
sendet ein Schiff
Schall ins Wasser
und horcht
nach einem Echo.
Der Schall geht runter, hallt zurück,
geht runter, hallt zurück.
Die Zeit, bis der Schall zurückkommt,
gibt an, wie weit etwas entfernt ist.
Wenn er in einer höheren Tonlage kommt,
kommt das Ding auf Sie zu.
Wenn er tiefer zurückkommt,
dann bewegt es sich fort.
Wie würde man also einen
perfekten Sonar-Ping entwerfen?
In den 60er Jahren arbeitete
John Costas
am extrem teuren Sonarsystem
der Marine.
Es funktionierte nicht,
weil ungeeignete Pings
verwendet wurden.
Der Ping war so wie
der folgende hier,
den Sie sich als diese Noten
vorstellen können,
und das ist die Zeit.
(Musik)
Das war also der damals verwendete
Sonar-Ping: ein negatives Chirp.
Das ist ein ziemlich
schlechter Ping.
Warum? Weil er wie eine Verschiebung
von sich selbst aussieht.
Das Verhältnis zwischen den ersten
beiden Noten ist das gleiche
wie zwischen den folgenden
und so weiter.
Also entwarf er einen
anderen Sonar-Ping:
einen, der zufällig aussieht.
Sie sehen aus wie zufällige Punktmuster,
aber das sind sie nicht.
Wenn Sie genau hinschauen,
fällt Ihnen vielleicht auf,
dass das Verhältnis zwischen
jedem Punktpaar verschieden ist.
Nichts wird je wiederholt.
Die ersten zwei Noten
und alle anderen Notenpaare
haben ein anderes Verhältnis.
Es ist ungewöhnlich, dass wir
von diesen Schemata wissen.
John Costas ist der Erfinder
dieser Schemata.
Dieses Foto ist von 2006,
kurz vor seinem Tod.
Er war ein Sonaringenieur
bei der Marine.
Er dachte über
diese Schemata nach
und dachte sie sich bis
zur Größe 12 aus --
12 mal 12.
Dann kam er nicht mehr weiter
und dachte,
es gäbe vielleicht
keine größeren.
Also schrieb er an
den Mathematiker hier in der Mitte,
ein junger Mathematiker in Kalifornien:
Solomon Golomb.
Solomon Golomb war einer
der talentiertesten diskreten
Mathematiker unserer Zeit.
John fragte Solomon,
ob er ihm die geeignete Referenz
zu diesen Schemata geben könne.
Es gab keine Referenz.
Niemand hatte je über
eine wiederholungs-, eine schematafreie
Struktur nachgedacht.
Solomon Golomb dachte den ganzen
Sommer lang darüber nach.
Und er baute auf der Mathematik
dieses Herren hier auf,
Evariste Galois.
Galois ist ein sehr
berühmter Mathematiker,
weil er einen ganzen Zweig
der Mathematik erfunden hat,
der nach ihm benannt ist:
die Galoistheorie.
Es ist die Mathematik
von Primzahlen.
Er ist auch berühmt
wegen seiner Todesart.
Es heißt, er trat für die Ehre
einer jungen Frau ein.
Er wurde zu einem Duell
herausgefordert und nahm an.
Kurz vor dem Duell
schrieb er all seine
mathematischen Ideen auf,
schrieb Briefe
an all seine Freunde,
in denen er sie bat --
das ist 200 Jahre her --
"Bitte, bitte, bitte
seht zu, dass diese Sachen
irgendwann veröffentlicht werden."
Dann duellierte er sich, wurde erschossen
und starb mit 20 Jahren.
Die Mathematik, mit denen Ihre Handies
und das Internet funktionieren,
die Kommunikation ermöglicht, DVDs,
das kommt alles von
Evariste Galois' Ideen,
einem Mathematiker,
der mit 20 Jahren starb.
Wenn man über sein
Vermächtnis spricht,
natürlich hätte er sich
nicht vorstellen können,
wie seine Mathematik
verwendet werden würde.
Zum Glück wurde sie
letztendlich veröffentlicht.
Solomon Golomb erkannte, dass es
genau diese Mathematik war,
die nötig ist, um das Problem
schemaloser Strukturen zu lösen.
Also schickte er John einen Brief
zurück und sagte:
"Man kann diese Schemata
mit Primzahltheorie erzeugen."
Und so löste John das
Sonarproblem für die Marine.
Wie sehen diese
Schemata also aus?
Hier ist eins.
Das ist eine 88x88 Costasmatrix.
Sie wird auf einfache
Weise erzeugt.
Grundschulmathematik reicht,
um dieses Problem zu lösen.
Man multipliziert immer
wieder mit 3.
1, 3, 9, 27, 81, 243 ...
Wenn man über 89
hinauskommt,
was eine Primzahl ist,
dann zieht man immer 89 ab,
bis man wieder darunter liegt.
So kann man dann
das ganze Raster füllen, 88x88.
Es gibt 88 Töne
auf dem Klavier.
Heute wird hier die Weltpremiere
der weltersten schemafreien
Klaviersonate stattfinden.
Zurück zur Musik.
Was macht Musik schön?
Denken wir mal an eines der schönsten
Musikstücke überhaupt:
Beethovens fünfte Symphonie
und das berühmte
"da na na na" Motiv.
Dieses Motiv kommt mehrere
hundert Mal in der Symphonie vor,
allein schon
im ersten Satz,
und in den
anderen Sätzen auch.
Diese Wiederholung
ist so wichtig
für Schönheit.
Wenn wir über zufällige Musik
als zufällige Noten nachdenken --
und hier ist Beethovens Fünfte
in einem Schema --
wenn er völlig schemafreie
Musik geschrieben hätte,
dann wäre sie
ganz hier draußen.
Ganz am Ende der Musik
würden diese schemafreien
Strukturen stehen.
Die Musik, die wir vorher gesehen haben,
die Sterne auf dem Raster,
ist weit vom Zufall entfernt.
Sie ist völlig schemalos.
Es stellt sich heraus,
dass Musikwissenschaftler --
der berühmte Komponist
Arnold Schönberg
dachte sich das in den 30ern,
40ern und 50ern aus.
Sein Ziel war es,
Musik zu komponieren,
die völlig strukturlos ist.
Er nannte das die Emanzipation
der Dissonanz.
Er erschuf diese
sogenannten Zwölftonreihen.
Das hier ist eine Zwölftonreihe.
Sie klingt ähnlich
wie eine Costasmatrix.
Leider starb er 10 Jahre,
bevor Costas das Problem löste,
wie man solche Strukturen
mathematisch erschaffen kann.
Heute werden wir die Weltpremiere
des perfekten Pings hören.
Dies ist eine 88x88-Costasmatrix,
auf Klaviernoten abgebildet,
mit einem sogenannten
Golomb-Lineal für den Rhythmus:
Die Anfangszeit für
jedes Notenpaar
ist auch verschieden.
Das ist mathematisch
fast unmöglich.
Rechnerisch ginge das gar nicht.
Wegen der Mathematik,
die vor 200 Jahren entworfen wurde --
wegen eines modernen
Mathematikers und Ingenieurs --
können wir so was jetzt komponieren,
oder konstruieren
durch Multiplikation mit 3.
Der Sinn dieser Musik ist nicht,
dass sie schön sein soll.
Sie soll das hässlichste
Musikstück der Welt sein.
Es ist Musik, die nur ein Mathematiker
komponieren könnte.
Ich flehe Sie an, wenn Sie
sich dieses Musikstück anhören,
versuchen Sie,
Wiederholung zu finden.
Versuchen Sie, etwas
zu finden, das Ihnen gefällt,
und dann schwelgen Sie darin,
dass Sie nichts finden werden.
Okay?
Ohne Weiteres, Michael Linville,
Leiter der Kammermusik
der New World Symphony,
wird die Weltpremiere
des perfekten Pings vorführen.
(Musik)
Vielen Dank.
(Beifall)