36C3 Vorspannmusik
Herald: Michael Kreil ist Experte für
Datenanalysen und Datenvisualisierung und
er hat sich sehr intensiv damit befasst,
wie es eigentlich dazu kommen kann, dass
Menschen, die man eigentlich für
vollkommen rational und vernünftig und
auch irgendwie ganz okay hält, sich
plötzlich radikalisieren bis hin zum
Rechtsextremismus. Vor zwei Jahren hat er
hier auf dem Kongress schon einen Talk
gehalten, wo es vor allem um Fake News und
Filterblasen ging, und vieles, was er in
dem Talk gleich erzählen wird, wird daran
anschließen. Also hier eine klare
Empfehlung: Schaut euch das unbedingt mal
an! Einen ganz herzlichen Applaus, bitte,
für Michael Kreil.
Applaus
Michael: Ja, schönen guten Tag! Ich habe
euch in eine Falle gelockt. "Von Menschen
radikalisiert: Über Rassismus im
Internet". Ich habe mal Internet
reingeschrieben, damit überhaupt Leute
kommen. Denn eigentlich geht es nämlich um
Rassismus in der Gesellschaft. Ich habe
vor zwei Jahren einen Vortrag darüber
gehalten, welche Effekte wir im Internet
beobachten können. Filterblasen,
Echokammern, Fake News und so weiter. Und
darauf haben mich ganz viele Leute,
insbesondere aus der Extremismusforschung,
aus den Sozialwissenschaften,
Politikwissenschaften, Psychologie und so
weiter angesprochen, wie denn das zu
erklären ist, was wir da im Internet sehen
und ob es eine Ursache ist oder nur ein
Symptom. Und die schlechte Nachricht ist:
Es sieht so aus, als ob es einfach
wahnsinnig viele Symptome sind und nicht
die tatsächlichen Ursachen dafür. Und ich
habe jetzt in den letzten zwei Jahren mich
mit unterschiedlichen Studien beschäftigt,
um zu gucken: Was ist Rassismus? Was ist
Rechtsextremismus? Wie wechselwirkt das
mit unterschiedlichen Medien? Und ...
genau. Hauptsächlich ist immer die Frage:
Was, welche Effekte sind tatsächlich
relevant? Und was ist die Ursache? Und was
ist die Wirkung? Um ein Beispiel mal
reinzunehmen, mit welchem völligen
Bullshit-Thema sich man da inzwischen
beschäftigt hat, ist das Thema Social
Bots. Die würden die Gesellschaft
radikalisieren. Ich habe dazu einen
Vortrag in Bulgarien gehalten, auf dem
Open Fest "The Army that Never Existed:
The Failure of Social Bots Research". Da
unten ist ne URL, auf github.io habe ich
mal meine ganzen Lecture Notes
zusammengetragen. Ich hoffe, dass in den
nächsten Tagen der Vortrag auch online
ist, dann kann ich ihn da einfügen. Der ist
auf Englisch und ist eine Zusammenfassung,
welche Forschergruppen es gibt, wie die
Berichterstattung aussieht und auf welchen
katastrophalen wissenschaftlichen Methoden
sozusagen dieses gesamte Thema basiert.
Die Studien widersprechen sich
gegenseitig. Man behauptet, ganz
unterschiedliche Accounts seien Social
Bots, aber es ist von vorne bis hinten
völliger Käse, und es ist erstaunlich,
dass sie dann von Fachzeitschriften
angenommen werden und sogar Preise
gewinnen. Weil wissenschaftlich ist das
Unsinn. Wenn wir uns mit dem Thema
Rassismus und wie wechselwirkt Rassismus
mit dem Internet genauer beschäftigen
wollen, müssen wir natürlich auch
verstehen, was Rassismus ist. Und ich habe
festgestellt, wenn ich mich mit Leuten
über Rassismus unterhalte, gibt es
unterschiedliche Vorstellungen davon, was
denn Rassismus tatsächlich ist. Das ist
auch deswegen so, weil Rassismus... das
ist ein extrem hochkomplexes Phänomen, das
mit Soziologie, Psychologie,
Politikwissenschaften, Medienwissenschaft,
Psychologie und so weiter wechselwirkt.
Und da wird heute noch dran geforscht. Bis
heute stellt man neue Zusammenhänge fest,
stellt man fest, dass es dann doch noch
komplizierter ist, als man es sich
vorstellt. Und es führt sogar auch dazu,
dass in den Sozialwissenschaften es
unterschiedliche Strömungen gibt, was man
jetzt noch zu Rassismus dazu zählt und was
nicht. Aber es ist, auch wenn es nervt,
wahnsinnig interessant und wichtig, sich
einmal mit diesem Diskurs zu beschäftigen.
Wenn ich normalerweise Leute frage, was
ist Rassismus, dann heißt es immer
begründet mit der Rassentheorie werden
Menschen auf der Basis ihrer Rasse in
höhere und minderwertige Gruppen
eingeteilt. Damit wird dann Gewalt nach
unten legitimiert. Klassischerweise stellt
man sich irgendwelche kahlgeschorenen
Jugendlichen vor, aber es ist gar nicht so
einfach. Zum Ersten ist es halt, auch wenn
der Begriff Anfang des 20. Jahrhunderts
entwickelt wurde, ist es ja super alt.
Also das Konzept Rassismus ist super alt.
Schon in der Geschichte, in der Antike
wurden Ausländer als Barbaren bezeichnet
und damit Versklavung legitimiert. Der
Sklavenhandel an sich natürlich im 16.
Jahrhundert basierte komplett auf
Rassismus. Afrikaner, die als minderwertig
bezeichnet wurden, wurden verschleppt,
versklavt, es wurden Experimente an ihnen
durchgeführt. Folter, Vergewaltigung, Tod
- alles gehörte dazu. Und das war
Rassismus, auch wenn es den Begriff damals
noch nicht gab. Auch die Idee, dass
sozusagen dann die Rassentheorie die
Ursache dafür ist, ist Blödsinn. Denn die
historische Forschung hat gezeigt, dass
die Wissenschaftler, die die Rassentheorie
entwickelt haben, teilweise auch ihre
Ergebnisse verschoben oder gefälscht
haben. Und der heutige Stand des Wissens
ist: Nicht die Rassentheorie war Ursache
für Rassismus, sondern der Rassismus der
Wissenschaftler war die Ursache für die
Rassentheorie. Die haben sozusagen ein
pseudowissenschaftliches Konzept
entwickelt, um ihren Rassismus zu
legitimieren. Das heißt, wir können den
Punkt komplett weglassen, auch zu dem
nächsten Punkt, dass man sozusagen Leute
in Rassen einteilt. Heute wissen wir
natürlich, dass das kein Konzept ist, das
so stimmt, dass es Menschenrassen gibt.
Und dazu wissen wir auch, dass
beispielsweise Nazis jetzt nicht einen
DNA-Test machen, bevor sie jemanden
angreifen, sondern das wird dann halt auf
Basis von Ethnie, Herkunft,
Staatsangehörigkeit, Hautfarbe, Sprache,
Glaube, Religion durchgeführt. Sozusagen
an Merkmalen, die man außen sehen kann
oder die... ja. Auch Gewalt ist nicht das
zentrale Element des Rassismus, sondern es
geht noch weiter wie Beleidigungen,
Ausgrenzung, Benachteiligung... Genau. Und
wir sehen das Grundkonzept sozusagen: Es
werden Eigenschaften benutzt, damit
Gruppen definiert, die werden
herabgewertet und damit auch solche Sachen
legitimiert. Um das mal graphisch zu
zeigen: Ich habe mal so eine Tabelle
gemacht. Spaltenweise die
unterschiedlichen Eigenschaften, nach
denen diskriminiert wird. Zeilenweise die
unterschiedlichen Formen der
Diskriminierung. Und wenn man dann halt so
in der normalen Bevölkerung rumfragt,
denkt man: Das ist Rassismus, also Gewalt
auf Basis von Rasse. Manche gehen noch
weiter und sagen: Ja, okay, Beleidigung
gehört halt auch noch dazu. Die Wahrheit
ist: Das ist Rassismus. Und das muss den
Leuten klar sein. Und das wissen wir auch
schon relativ lange, schon im Grundgesetz
aus dem Jahr 1949: "Niemand darf wegen
seines Geschlechts, seiner Abstammung,
seiner Rasse, seiner Sprache, Heimat,
Herkunft, Glauben, religiöse politische
Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt
werden". Auch die Europäische Kommission
gegen Rassismus und Intoleranz definiert
das so. Die Vereinten Nationen im
internationalen Übereinkommen zur
Beseitigung jeder Form von
Rassendiskriminierung definiert das
genauso. Das sind alles Formen des
Rassismus. Interessant ist noch, dass hier
im Grundgesetz noch der Begriff Geschlecht
drinnen vorkommt, was ganz interessant ist,
weil wenn wir mal zurück in die vorherigen
Definitionen gehen und dann noch das
Geschlecht eintragen. Es werden Menschen
auf der Basis ihres Geschlechts in höher-
und minderwertige Gruppen eingeteilt, und
damit wird dann Gewalt, Beleidigungen,
Ausgrenzung, Benachteiligung legitimiert:
Das ist Sexismus, und da sieht man, dass
es einen überraschenden
Überlappungsbereich zwischen Sexismus und
Rassismus gibt. Der Mechanismus ist der
gleiche, und das kann man sogar nochmal
ausweiten. Ich habe hier mal eine ganze
lange Liste gemacht: Feindlichkeit,
Sexismus natürlich und Rassismus, aber
auch Antisemitismus, Islamophobie,
Araberfeindlichkeit, Klassismus - wenn man
sozusagen unterschiedliche soziale
Schichten abwertet. Altersdiskriminierung.
Man kennt das vielleicht. Ältere Menschen
kriegen keinen Job mehr oder bekommen
keinen Kredit mehr. Homophobie,
Transphobie, Behindertenfeindlichkeit -
sehr großes Thema. Sizeism, Lookism, sogar
die Diskriminierung auf Basis des
Vornamens, die man... ich hab den Begriff
Kevinismus gefunden. Serophobie,
Linguizismus - die zum Beispiel hab ich
bei mir selber entdeckt, dass ich lange
Zeit Leute, die sächsisch reden, nicht
ernst genommen habe, weil ich das von
Komikern kenne. Aber wenn man darüber
nachdenkt und sich hineinversetzt in
Leute, die in Sachsen leben und alle
lachen sozusagen aus für ihren Dialekt,
ist das halt eine Diskriminierung.
Obdachlosendiskriminierung,
Arbeitslosenabwertung und so weiter und so
fort. Diese unterschiedlichen
Diskriminierungsformen sind
unterschiedlich stark ausgeprägt. Also
jemand, der den Vornamen Kevin hat, ist
zum Beispiel nicht deswegen vom Tode
bedroht. Das ist bei Rassismus, was
einem... was Millionen von Menschen das
Leben gekostet hat, etwas anderes. Aber
die Mechanismen dahinter sind immer die
gleichen. Professor Heitmeyer hat dann den
Begriff der "Gruppenbezogenen
Menschenfeindlichkeit" entwickelt, um
sozusagen einen Überbau dazu zu
entwickeln. Ich weiß, es nervt natürlich:
Jetzt gibt's neun komplexe
Begriffskombinationen, um das zu
beschreiben. Aber die Gedanken dahinter
sind, glaube ich, ganz interessant und
wichtig zu verstehen. Gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit ist, wenn man länger
drüber nachdenkt, auch kein guter Begriff
aus zwei Gründen: Das erste ist: Diese
Gruppen, die da diskriminiert werden,
existieren ja meist gar nicht. Die werden
ja von den Tätern erst konstruiert. Da
sind unterschiedliche Menschen, die kennen
sich gar nicht, und die werden dann alle
zusammen in eine Gruppe geworfen. Das
heißt, die Gruppe ist eigentlich erst eine
Konstruktion des Täters. Und zum anderen,
wenn man zum Beispiel Kinder auf dem
Schulhof hört, wie sie antisemitische
Witze machen, einfach aus Dummheit heraus
oder weil sie vielleicht noch nicht so
gefestigt sind, ist es schwierig, sie dann
als Menschenfeinde zu bezeichnen. Das
heißt, Gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit scheint es auch noch
nicht so richtig im vollen Umfang zu
treffen. Und es gibt noch eine neue
Begriffskonstruktion, die ich sehr gerne
mag, und zwar die "pauschalisierende
Ablehnungskonstruktion" von Professor Kurt
Möller ein Konzept. Da muss man ein
bisschen drüber nachdenken. Wir sehen
Menschen, pauschalisieren über sie und
lehnen sie dann ab, meist aufgrund von
Eigenschaften, die wir sehen können. Das
kennen wir auch tatsächlich aus dem Alltag
und auch aus unserem eigenen Denken.
Beispielsweise so etwas wie: "Wenn du
nicht in der Schule lernst, arbeitest du
bei der Müllabfuhr oder wirst Putzfrau".
Es gibt so eine Art Diskriminierung
gegenüber bestimmten Berufsgruppen. Ich
hab mir mal ein anderes Beispiel
herausgegriffen: "All Cops are Bastards"
ist eine pauschalisierende
Ablehnungskonstruktion. Weil: Sie ist
pauschal, sie sagt alle Polizisten. Und
sie ist eine Ablehnung. Bastard, was
übrigens ein uneheliches Kind ist. Ja.
Alle Polizisten, die sich zum Beispiel
gegen Polizeigewalt engagieren oder gegen
Rassismus oder gegen andere strukturelle
Probleme in der Polizei engagieren, werden
damit auch abgelehnt. Das muss euch
sozusagen klar sein. Dann gibt es noch den
Aspekt des "strukturellen Rassismus". Und
der funktioniert komplett ohne Rassisten.
Ich habe mir mal ein Beispiel
herausgegriffen, das ihr vielleicht kennt:
Da ist ein Mann, der braucht ein weißes
Handtuch, um Seife aus dem Seifenspender
zu bekommen. Denn wenn er es mit der
eigenen Hand macht, geht's nicht. Der
Lichtsensor scheint mit seiner Hautfarbe
ein Problem zu haben. Die Ingenieure, die
das gebaut haben, sind ja keine Rassisten.
Die haben das ja nicht mutwillig gemacht.
Sie haben das gemacht, weil sie einfach
nicht dran gedacht haben. Vielleicht ist
das selber sozusagen ein Mechanismus des
strukturellen Rassismus, dass dort nur
weiße Ingenieure gearbeitet haben und die
gar nicht darüber reflektiert haben, wie
sieht das mit anderen Leuten aus. Ich habe
auch darüber nie nachgedacht. Wenn ich
z.B. ein Pflaster benutze, dass das
eigentlich meine Hautfarbe hat. Und wie
sieht das mit Leuten aus, mit dunkler
Hautfarbe? Gibt es einen Tweet, der so
umgegangen ist. Ich habe nie darüber
nachgedacht, wie sehr sich Leute darüber
freuen, ein Pflaster in ihrer eigenen
Hautfarbe zu haben. Ein Punkt, den ich
schon ein bisschen länger kenne und der
mir immer wieder aufstößt: Ich als
Berliner kann im ägyptischen Museum die
Nofretete besuchen. Ich fahre da einfach
hin, zahle 2,50 Euro Eintritt und kann mir
einen sehr alten und wichtigen ägyptischen
Kulturschatz anschauen. Einen Freund von
mir, der aus Ägypten stammt, habe ich
ausgefragt: Ja, was ist denn das
eigentlich, wenn ein Ägypter sich seinen
eigenen ägyptischen Kulturschatz anschauen
möchte? Er hat mir dann aus der deutschen
Botschaft aus Ägypten dann mal die
Unterlagen zuschicken lassen. Damit sich
ein Ägypter seinen eigenen Kulturschatz
anschauen kann, braucht er einen
Reisepass, ein ausgefülltes
Antragsformular, unterschriebene
Belehrung, biometrisches Passfoto, nicht
älter als 6 Monate, einen
Krankenversicherungsnachweis, eine
Mogamma-Bescheinigung über Reisebewegungen
während der letzten 7 Jahre, Nachweis der
Hotelreservierung, schriftliche
Informationen zum Reiseziel, zur
Reiseroute, Nachweis der Flugreservierung,
aktuelle chronologische Bankbelege der
letzten 6 Monate inklusive Sparbuch und
sonstigem Vermögen, Schreiben des
Arbeitgebers mit Angabe, seit wann, in
welcher Position und mit welchen Einkommen
beschäftigt und für welchen Zeitraum
Urlaub gewährt wird. Das ist Rassismus.
Hier gibt es zahlreiche Beispiele,
insbesondere von der taz recherchiert und
veröffentlicht, von Leuten, die
Schwierigkeiten haben, Wohnungen zu
finden. Hier ist das Beispiel im ersten
Artikel, von einem Herrn Ming Li, der sich
bei unterschiedlichen Wohnung beworben
hat, keine Antwort bekommen hat. Er hat
sich dann nochmal gemeldet und einfach
angegeben er heißt Leon Kuntze. Und dann
hat es halt funktioniert. Das kann man
auch, wie so einen strukturellen
Rassismus, systematisch erforschen. Hier
hat ein Team 528 Jobangebote überprüft und
zu jedem Jobangebot zwei Bewerbungen
geschickt und zwar einmal mit einem
türkischen Namen, einmal mit einem
deutschen Namen und hat die Rücklaufquote
sich angeschaut. Konnte das genau
untersuchen. Kleine Unternehmen versus
große Unternehmen, wie sieht es mit
unterschiedlichen Branchen aus?
Privatwirtschaft versus Verwaltung und so
weiter. Und hier ist zum Beispiel das
große Ergebnis 14 Prozent wahrscheinlicher
ist es, dass man eine Rückantwort bekommt,
wenn man einen deutschen Namen hat. Und
ich habe das nicht gewusst. Ich habe da
nie drüber nachgedacht. Ich merke die
Diskriminierung gar nicht, weil ich keinen
türkischen Nachnamen habe, oder mich damit
um einem Job bewerben möchte. Und das kann
man übrigens auch gleich zum Thema
Sexismus weiterdenken. Das Thema Medien.
Wie häufig nennen Medien die Herkunft von
Tatverdächtigen? Da gibt es eine
Untersuchung vom Mediendienst Integration.
Die haben sich versucht, ganz aktuell,
haben sich versucht anzugucken, wie ist
die Berichterstattung zu Tatverdächtigen.
Auf der linken Seite sieht man laut
Polizeistatistik, wer Deutscher und
Ausländer ist. Und wie sieht das in der
Fernsehberichterstattung aus? Man sieht
interessanterweise auch, dass selbst wenn
die Anteile für ausländische Kriminalität
ungefähr gleich hoch ist wie in der
Statistik, die Deutschen sind völlig
unterrepräsentiert. Und da sehen wir einen
strukturellen Rassismus. Ich habe hier mal
als Modell 10 Deutsche genommen und 10
Migranten. Jeweils davon sind 10 Prozent
kriminell. Und wir sehen sowohl in den
Untersuchungen, dass die Deutschen
unterrepräsentiert und die Migranten
überrepräsentiert sind in der
Berichterstattung. Aber was ein
Kernproblem ist, das sozusagen nicht-
kriminelle Migranten in unserer
Gesellschaft unsichtbar sind. Und das
führt dazu, dass, wenn ich mich jetzt in
den Medien über Migration und Flüchtlinge
und Asylbewerber informieren möchte, sehe
ich eigentlich hauptsächlich nur noch
etwas über Terrorismus und Kriminalität.
Und das prägt natürlich auch mein Bild von
der Welt. Wenn die Medien, oder
journalistische Medien, den Anspruch
haben, die Welt abzubilden. Ich habe bei
einem Bier mit einem Juristen, dessen
Namen ich nicht erwähnen möchte, drüber
gesprochen, und er hat dann spontan den
Begriff der "strukturellen
Volksverhetzung" entwickelt, und das finde
ich ganz interessant. Wenn ich jetzt
sozusagen als Medium die ganze Zeit
behaupten würde: "Flüchtlinge sind
kriminell." Dann wäre das eine
Volksverhetzung. Wenn ich jetzt aber in
meiner Berichterstattung nur die Themen
herrauswähle, wo Flüchtlinge kriminell
sind, dann ist das eine strukturelle
Volksverhetzung. Ich glaube, da müsste man
mal drüber nachdenken. Ein paar Beispiele.
Rassismus aus meiner eigenen Kindheit. Das
Buch, das Lied ist ein zutiefst
rassistisches Lied. Zehn Kinder sterben.
Sie haben Unfälle aus Dummheit, sie
erschießen sich gegenseitig. Sie wollen
einen Bauern beklauen und werden
erschlagen. Und nachdem neun Kinder tot
sind und noch eins übrig ist, findet es
eine Frau und kriegt zehn neue Kinder. Das
ist zutiefst rassistisch, ist das. Da
fragt man sich, ob es hier eigentlich um
Kinder geht, oder ob ihr der Autor hier
Ungeziefer bezeichnen will. Das ist Otto
Waalkes. Viel gelacht. Über seine
rassistischen Witze kann ich nicht lachen.
Die Berichterstattung in Medien, 70er bis
90er, insbesondere die SPIEGEL-Cover,
Bild-Zeitung, auch immer dabei. Hier habe
ich ein interessantes Zitat gefunden:
"Städte wie Berlin, München oder Frankfurt
können die Invasion kaum noch bewältigen:
Es entstehen Ghettos...", sprach man über
die türkischen Migranten. Filme, die ich
sehr gerne mag. Sowas wie "Zurück in die
Zukunft". Wo hat denn eigentlich Doc Brown
sein Plutonium her? Stimmt, von
libanesischen Terroristen. Arnold
Schwarzenegger hat als Gegenspieler
natürlich arabische Extremisten. Indiana
Jones. Indiana Jones ist doch nicht
rassistisch, oder? Gut, ich meine, das
bestätigt schon gewisse Klischees. Die
stehen immer im Weg, sind faul, sind
hinterhältig, gewalttätig und so weiter.
Aber was mich wirklich gepackt hat, ist,
Indiana Jones Aufgabe ist es, in andere
Kulturen zu reisen und dort die
Kulturschätze zu klauen, um sie dann in
westliche Museen zu bringen. Das ist genau
das, was wir vorhin bei Nofretete hatten.
Das ist sozusagen kolonialistisch, aber
sozusagen als Wert. Und das ist fies: Wenn
man sich mit Rassismus beschäftigt, stellt
man ihn miteinmal an so vielen Ecken fest,
und macht einem auch so Filme und
Kulturgut kaputt. Und ich meine, Disney,
Disney kann nicht rassistisch sein, oder?
vereinzeltes Lachen
Michael: Aladin und die Wunderlampe? Also
davon abgesehen, dass die bösen Araber,
die haben natürlich eine krumme Hakennase
und so weiter, Aladin und seine Freundin
sehen aus wie Latino Teenager vom
amerikanischen College. Aber das Krasse
ist, das Eingangslied war ursprünglich
über die Herkunft von Aladin. "Where they
cut off your ear if they don't like your
face, it's barbaric, but hey, it's home"
Wo sie das Ohr abschneiden wenn sie dein
Gesicht nicht mögen, es ist barbarisch,
aber hey, es ist mein Zuhause. Aufgrund
von öffentlichem Druck hat Disney diesen
Eingangs-Song gewechselt. Das ist schon
interessant, wie viele rassistische
Stereotypen man im letzten Jahrhundert so
findet. Araber seien faul und primitiv,
hinterhältig, kriminell, Terroristen. Aber
das Gute ist, das sind ja nur Hollywood-
Klischees. Das stimmt ja gar nicht, das
wissen wir ja alle. Und dann kam die
Hollywood-reife Verfilmung des 11.
September 2001. Ein Schock ging um die
Welt. Menschen wurden durch die Bilder
traumatisiert, Leute saßen am Fernsehen
und haben danach psychologische Betreuung
gebraucht. Die Täter alles muslimische
Männer, alles junge, gewalttätige Araber.
Dann gab es noch zahlreiche terroristische
Anschläge in Europa. Ich habe auf die
Bilder verzichtet, sondern nur von den
Blumen und Denkmälern Fotos genommen. Und
auch hier gibt's die Berichterstattung:
Alles junge muslimische Männer. Die Frage
ist: Was macht das mit einer Gesellschaft,
wenn wir über Jahrzehnte immer wieder die
gleichen Narrative pushen, und sowohl die
Medien, als auch der islamistische Terror?
Was macht das mit der Gesellschaft? 2012
ist eine Studie herausgekommen. "Muslime
und ihre Religion sind so verschieden von
uns, dass es blauäugig wäre, einen
gleichen Zugang zu allen
gesellschaftlichen Positionen zu fordern."
Mehr als die Hälfte der deutschen
Bevölkerung, 57 Prozent stimmt dem zu. Die
Frage hat abgefragt, ob die Leute
rassistisch sind. Aufgrund ihres Glaubens
dürfen sie nicht an der Gesellschaft
teilnehmen. Das ist eine Abfrage, haben
sie sozusagen Islamfeindlichkeit? 57
Prozent stimmen zu. Die Studien kommen
auch zu dem Ergebnis, dass Rassismus und
Rechtsextremismus kein Randphänomen ist,
sondern es ist bereits in der Mitte der
Gesellschaft angekommen. Wir haben den
Punkt erreicht, wo mehr als die Hälfte der
deutschen Bevölkerung rassistische und
islamfeindliche Einstellungen hat. Aber
das Gute ist ja, der Islam ist ja hier
nicht, der ist ja ganz weit weg. In der
arabischen Welt. Und dann kam der Krieg in
Syrien. Die Berichterstattung zeigt uns
Bilder. Alles junge Männer. Die sehen alle
aus wie die Terroristen. Der
Religionsmonitor 2019 der
Bertelsmannstiftung: "Insgesamt empfindet
rund die Hälfte der Befragten den Islam
als Bedrohung." In Ostdeutschland ist
Anteil bei 57 Prozent. Den Absatz
weiterzulesen ist auch ganz interessant.
Offenbar sehen viele Menschen den Islam
derzeit weniger als Religion, sondern vor
allem als politische Ideologie an und
nehmen ihn deswegen von der religiösen
Toleranz aus. Aus ihrer Sicht... Hierzu
haben aus ihrer Sicht auch die
gesellschaftlichen Debatten und
Medienberichte der vergangenen Jahre
beigetragen, die den Islam häufig in einem
negativen und kritischen Zusammenhang
rückten. In unserer Gesellschaft gibt es
rassistische Ängste aber als
Massenphänomen. Ich weiß nicht, wie groß
es ist, je nachdem man es abgrenzt.
Vielleicht 30 bis 50 Prozent haben eine
Angst vor dem Islam und haben eine Angst
vor einer Islamisierung. Und die Frage
ist, wenn so viele Leute Angst davor
haben, was sind die Folgen davon? Das
Erste ist, wenn solche Leute sozusagen,
man muss sich da mal hineinversetzen, man
hat panische Angst vor einer
Glaubensrichtung. Man entwickelt
Narrative, wie Asylflut, Flüchtlingswelle,
Masseneinwanderung, Invasoren, importierte
Gewalt, Migrationswaffe, Asylindustrie,
Islamisierung des Abendlandes,
Bevölkerungsaustausch und so weiter. Das
sind alles Mechanismen, um Menschen zu
entmenschlichen und sie als Waffe oder, in
anderer Form, ihr Menschsein abzusprechen
und zum Beispiel auch Gewalt damit zu
legitimieren. Jetzt gibt es zum Glück auch
Leute, die sich dagegen engagieren und
versuchen, Rassismus zu bekämpfen. Und die
werden dann natürlich von Leuten, die
Panik vor dem Islam haben, als
Volksverräter, Gutmenschen,
linksgrünversifft oder sogar
Linksfaschisten bezeichnet. Medien, die
über Rassismus berichten oder nicht über
die eigentliche Gefahr in Deutschland, die
Islamisierung, berichten sind dann hat
automatisch die Lügenpresse, die
Staatsmedien und man spricht von
Gleichschaltung. Diese Narrative sind
deshalb völlig unlogisch, weil sie
komplett auf einer Gefühlsebene
stattfinden. Man muss sich vorstellen, die
Leute haben Panik, haben Angst und greifen
nach diesen Narrativen, die dann erstmal
auf den ersten Blick keinen Sinn machen.
Hatespeech, auch eine Folge davon. Das ist
für die rassistische Masse einfach nur
verbale Notwehr. Ich möchte mal
insbesondere den Blick auf Frau Chebli und
Frau Dunja Hayali bringen, die über
Twitter einfach zeigen, mit was für einer
Flut an Hass und Morddrohungen sie
konfrontiert werden. Für sie sind sie
nicht nur Projektionsflächen, da sie
sozusagen die Islamisierung in Deutschland
nicht nur nicht wahrnehmen, sondern weil
sie dann auch noch zusätzlich sozusagen
selber einen Migrationshintergrund haben,
sind sie sozusagen Teil der Islamisierung.
Und die Leute, die da irgendwie völlig
abgedreht in dieser Verschwörungswelt
hängen, schreiben dann halt Morddrohungen
an die Frauen. Und ich kann einfach nur
meinen tiefsten Respekt aussprechen
gegenüber diesen Frauen und den vielen,
vielen anderen Menschen, die diesen Scheiß
aushalten müssen.
Applaus
Michael: Menschen mit rassistischen
Ängsten lassen sich kaum mit logischen
Argumenten überzeugen, weil sie sich
komplett auf einer Gefühlsebene finden. Um
das mal zu erklären. Ich habe Höhenangst.
In China gibt es eine Glasbrücke. Mich
würde da keine zehn Pferde rüber bekommen.
Ich würde einfach Panik.. und schwitzen,
einfach, dort. Ich weiß dass diese Ängste,
über eine Glasbrücke zu laufen, völlig
irrational sind. Aber wenn mir jetzt einer
kommt und sagt: Ja, das ist aber, keine
Ahnung, geprüft und, keine Ahnung, und
abgenommen und so weiter, und das ist ganz
sicher. Dann sind das zwar logische
Argumente, die werden mir aber in meiner
Höhenangst nicht weiterhelfen. Man müsste
mich trotzdem so drüber schleifen. Und das
ist ein Problem. Wer hier sozusagen
tatsächlich Angst und Panik hat, dem wird
man mit logischen Argumenten in diesem
Diskurs nicht weiterhelfen können. Und es
hilft auch nicht, Menschen mit
rassistischen Ängsten als Nazis zu
bezeichnen. Sie sind keine Nazis,
zumindest noch nicht. Viele von ihnen sind
noch keine Nazis. Aber Nazis, inzwischen
ja auch ein komplett sinnentleertes
Schimpfwort gewonnen. Ich denke zum
Beispiel an Rechtschreib-Nazi oder sowas.
Heißt, wenn einer mir zum Beispiel von
seinen rassistischen Ängsten erzählt und
ich sage: "Du bist ein Rassist", oder: "Du
bist ein Nazi", dann empfindet die Person
das nur als Beleidigung, und man kommt
dann halt auch nicht weiter. Psychologisch
spricht man auch von einer kognitiven
Dissonanz. Menschen mit rassistischen
Ängsten verstoßen gegen ihre eigenen
Werte. Sie sind ja auch gezwungen, einen
Menschen abzuwerten. Und die Folgen
solcher kognitiven Dissonanz sind unter
anderem: klar könnte ich mich mit meinen
Ängsten beschäftigen, aber ich kann auch
Umgehungsstrategien fahren. Und das mal
aus der Wikipedia, die Beispiele sind dann
von mir. Die Erregung wird auf andere
Ursachen zurückgeführt. "Die Gutmenschen
holen wieder die Nazikeule raus." Der
Widerspruch zwischen dem eigenen Verhalten
und der Einstellung wird heruntergespielt.
"Man wird ja noch mal seine Meinung sagen
dürfen." Das Verhalten wird als gezwungen
dargestellt. "Es ist meine bürgerliche
Pflicht, Deutschland zu verteidigen."
Nichtwahrnehmen, Leugnen oder Abwerten von
Informationen, zum Beispiel das klassische
"Lügenpresse". Und die selektive
Beschaffung und Interpretation von
dissonanzreduzierenden Informationen. "Der
Weihnachtsmarkt heißt jetzt Wintermarkt!"
Die Leute brauchen zur Auflösung ihrer
kognitiven Dissonanz greifen die wirklich
jeden Strohhalm raus. Und vielleicht kennt
ihr das Beispiel, ich habe es nochmal
rausgezogen: ein Foto eines Busses und
seinen Sitzen, und das ging durch die
Medien, weil Leute tatsächlich da drinnen
eine Islamisierung erkannt haben, und zwar
Burkaträgerinnen haben Sie darin gesehen.
Wir haben uns darüber lustig gemacht. Wir
haben gar nicht darüber nachgedacht. Da
gibt es Leute, die haben so eine Angst
davor, dass sie selbst darin eine
Islamisierung erkennen. Menschen mit
rassistischen Ängsten brauchen diese Fake
News zur Selbstbestätigung. Es geht hier
um kognitive Dissonanz, und das
massenhafte Auftreten von Fake News ist
nicht das Problem, sondern ein Symptom
eines viel größeren Problems. Und das kann
weiter wachsen. Verschwörungstheorien.
Menschen mit rassistischen Ängsten können
in Verschwörungstheorien abgleiten.
Beispiel ist dafür "Frau Merkel hat wohl
einen Plan, damit sie die ganzen Moslems
hierher holt". Bis hin zu
Rechtsextremismus, wo man dann einfach zum
Beispiel antisemitische
Verschwörungstheorien abgreift: "Das ist
ein Plan der Juden, die Moslems
herzuholen, um uns umzuvolken." Was
passiert, wenn es in Deutschland 20
Millionen Menschen gibt, die rassistische
Ängste haben? Wahrscheinlich sind es noch
mehr. Sie gehen auf die Straße in Form von
Patriotischen Europäern gegen die
Islamisierung des Abendlandes. Das meinen
die ernst, die glauben das wirklich. Das
sieht man auch in jedem Interview. Die
glauben wirklich, dass der Islam eine
Bedrohung ist. Und sie würden natürlich
auch gerne wählen können. Aber es gibt
keine Parteien, die sie abdeckt, so
richtig, weil Parteien sich normalerweise
an das Grundgesetz halten müssen. Und so
eine Forderung, wie alle Moslems
abzuschieben, verstößt gegen das
Grundgesetz. Aber das Gute ist, es gibt
eine Partei namens Alternative für
Deutschland, und der Begriff Alternative
für Deutschland ist eine super schöne
Projektionsfläche. Andere Parteien haben
Sozialismus oder Grüne oder sonst
irgendwas in ihrem Namen, was einem
Wertesystem entspricht. Alternative für
Deutschland kann alles sein, und das kann
halt auch ein super schöner Magnet sein
für Rassisten und Rechtsextremisten. Und
genau das ist passiert. Bernd Lucke ist
Juli 2015 ausgetreten. Seine Begründung
war Rechtsextremismus in der Partei.
Frauke Petry September 2017 ist
ausgetreten. Begründung Rechtsextremismus
in der Partei. Und rechts, Konrad Adam
hatte Ende 2015 vor dem Rechtsextremismus
in der eigenen Partei gewarnt und ist von
seinem eigenen Kreisverband abgemahnt
worden. Er ist weiterhin in der Partei.
Wäre mal interessant zu hinterfragen,
warum eigentlich? Das Spannende ist, dass
wir hier die Partei als eine Symbiose von
zwei Kräften haben, und zwar
Konservatismus und Rechtsextremismus. Die
Konservativen haben die Aufgabe, innerhalb
dieser Symbiose den Rechtsextremismus
herunterzuspielen, und zu sagen, ach das
ist gar nicht so schlimm. Ich habe ein
Zitat leider rausgeworfen, sowas wie, in
unserer Partei gibt es keinen
Rechtsextremismus. Das Publikum lacht dann
laut, und die Rechtsextremisten haben die
Aufgabe, mit der Radikalität Wählerstimmen
ranzuholen. Es gibt die Leute, die dann
halt sagen, eine AfD, die ist ja schon
angepasst, die sitzt ja in den Parlamenten
und bereichert sich und so weiter. Aber
solange ein Björn Höcke drinnen sitzt und
dann immer noch seinen rechtsradikalen
rechtsextremistischen Scheiss raushaut,
legitimiert er die Partei sozusagen von
der rechtsextremistischen Seite. Und das
ist eine Symbiose, die nur so zusammen
funktioniert. Man sieht ja auch Bernd
Lucke hat versucht, eine Partei zu
gründen. Frauke Petry hat eine Partei
versucht, eine Partei zu gründen, und es
hat nicht funktioniert. Es ist erst die
Symbiose zwischen den Konservativen und
Rechtsextremisten. Wie sieht es
international aus? Hier ist eine Studie in
den westlichen Ländern. Was ist denn die
Einschätzung, die Realität, wie viele
Moslems es in einem Land gibt? In
Deutschland beispielsweise gibt es fünf
Prozent Moslems. In den Befragungen kommt
man aber auf über 20 Prozent, von dem die
Leute glauben, wieviele Moslems es in dem
Land gibt. Diese völlige Überschätzung
gibt es in fast allen Ländern. Hier eine
Studie "Was verbindet die Wählerbasis
unterschiedlicher rechtspopulistischer
Parteien?" Sind da relativ
unterschiedlicher Meinung. Aber wenn es um
Immigration geht, da haben sie alle die
gleiche Meinung. Das muss man verstehen,
das sozusagen eine weite Verbreitung von
solchen rassistischen, islamfeindlichen
Konzepten einfach eine Plattform bildet
für neues Wählerpotenzial, insbesondere
für rechtsextremistische Parteien. Mal ein
paar internationale Beispiele, die
rassistische Bewegung in Großbritannien.
Beim Brexit spielte insbesondere
Islamfeindlichkeit eine Rolle. The
Breaking Point, die EU würde jetzt
sozusagen Großbritannien dazu zwingen, die
ganzen Moslems aufzunehmen. Die
rassistische Bewegung in Frankreich. Ein
84-Jähriger, der Kandidat der Front
National war, hat sogar eine Moschee
angegriffen. Wikipedia schreibt über die
Front National. Besonders die Einwanderung
aus muslimischen Ländern wird kritisch
gesehen. Die Partei warnt vor einer
Islamisierung des Landes. Niederlande,
Geert Wilders. Die Partei warnt vor einer
aus ihrer Sicht stattfindenden
Islamisierung der Niederlande und ruft
offen zu einer Bekämpfung auf. Italien,
Salvini. In der Einwanderungspolitik
wendet sich die Lega Nord gegen weitere
Zuwanderung nach Italien - insbesondere
aus muslimischen und afrikanischen
Ländern. USA. Donald Trump hat seinen
Moslem Ban und seinen, wie können wir das
nennen, rassistischen Schutzwall oder
sowas dort gebaut. Und das haben viele
nicht verstanden. Warum die Leute jemanden
wählen und nicht merken, dass er halt
irgendwie irgendwie Rassist ist oder so.
Und das Problem ist, dass die Leute ihn
nicht wählen, obwohl er Rassist ist. Die
Leute wählen ihn, weil er ein Rassist ist.
Und wir müssen mal drüber nachdenken, wenn
jetzt zum Beispiel ein Impeachment
Verfahren Donald Trump entfernen würde.
Das rassistische Potenzial ist in der
Bevölkerung immer noch vorhanden. Und wen
wählen die denn dann? Vielleicht werden
wir zurückschauen und sagen, Trump war
wenigstens ein Idiot. Der hat wenigstens
nicht ganz so viele schlimme Sachen
verursachen können oder hat z.B.
vielleicht keinen Faschismus oder sowas in
den USA hochgebracht. Ich möchte mal
zurückkommen zu Rassismus und Medien.
Falls ihr euch noch erinnert an das
Kanzlerduell. Mehr als die Hälfte der Zeit
drehte sich um Terror, Islam, Migration
und Abschiebung. Man kann den Leuten halt
auch einfach einreden, dass das die
wichtigsten Themen sind. Strukturelle
Volksverhetzung findet man insbesondere in
der Bild-Zeitung. Ich habe hier mal die 20
auf Twitter meistgelesenen Bild-Artikel
gescraped aus dem Oktober 2019. Von den 20
Artikeln handeln 6 über Kriminalität durch
Migranten in Rot markiert, in Grün
markiert wo Migranten positiv dargestellt
werden. Richtig, ihr seht keinen.. Und die
restlichen schwarzen Artikel das sind
alles Artikel, die die AfD Narrative
pushen. Claudia Roth ist eine Antisemitin.
Die Grünen verzocken 72 000 Euro. Die
Antifa gefährdet unsere Freiheit und so
weiter. Das geht inzwischen so weit, dass
der ehemalige Chefredakteur der Bild am
Sonntag, der hat dort zehn Jahre lang als
Chefredakteur gearbeitet, in Zwischenzeit
die Bild als Vorfeldorganisation der AfD bezeichnet.
Das muss einem klar sein, dass sozusagen die
ganze Narrative, die die AfD aufgreift,
diese teilweise gar nicht selbst
entwickelt hat, die es schon vorher gab
und zum Beispiel auch von der Bild-Zeitung
entwickelt wurde. Man muss leider sagen,
die westliche Medienlandschaft hat
versagt. Sie hat sich für die
Terrorpropaganda instrumentalisieren
lassen. Kurze Anmerkung Terror ist keine
militärische Strategie. Terror ist eine
Kommunikationsstrategie, und spektakuläre
Bilder funktionieren halt immer gut. Auch
für die Klicks. Eigentlich, ich meine, wir
kennen es zum Beispiel davon, wenn ein
Prominenter sich das Leben nimmt, gibt es
den Werther-Effekt. Man muss vorsichtig
sein, darüber zu berichten, sonst gibt es
Nachahmer. Und warum gibt es eigentlich,
wenn man über Terroranschläge berichtet,
nicht den Satz drunter, falls ihnen dieser
Terroranschlag Angst macht oder diese
Berichterstattung darüber, muss Ihnen klar
sein, das ist das Ziel der Terroristen.
Wir wollen darüber berichten. Aber haben
Sie bitte keine Angst? Die
Medienlandschaft begeht seit Jahrzehnten
strukturelle Volksverhetzung, und sie
verdient auch mit beidem Geld. Ich möchte
das bitte nicht pauschalisieren. Ich
möchte ein paar Beispiele hervorbringen,
die das sehr gut machen. Der Norddeutsche
Rundfunk hat z.B. bei #EinMomentDerBleibt
insbesondere Flüchtlinge interviewt. Eine
großartige Sendungsreihe. Viel gelernt,
viel geweint. SPIEGEL ONLINE - Diese
Prominenten waren Flüchtlinge. Der
Tagesspiegel hat mehrere gute Aktionen
gemacht. Eine die mir besonders gut
gefallen hat. Es gab eine Ausgabe, die
komplett nur von Exiljournalisten
produziert wurde. Deutschlandfunk - Philip
Banse hat vor kurzem ein sehr gutes
einstündiges Interview veröffentlicht über
Rassismus in der Gesellschaft und auch in
den Medien. Wie geht unsere Regierung
damit um? Es gibt ein Projekt, das heißt
Demokratie Leben. Ursprünglich initiiert
von der SPD. Es gibt ungefähr eine Million
Euro für unterschiedliche zivile Projekte,
die sich gegen Rechtsextremismus
engagieren. Z.B. ein Exit-Programm. Das
sollte aber Ende 2019 gekürzt werden. Am
9. Oktober gab es einen Anschlag in Halle,
von dem alle mitbekommen haben. Ein paar
Stunden später rudert die Bundesregierung
zurück. Das Förderprogramm läuft weiter.
Das sind mal ein paar Beispiele aus der
CDU. Wir haben einen Robert Möritz, der
Rechtsextremist ist. Kristina Schröder
fällt immer wieder auf mit Positionen, wo
sie im Prinzip den den Muslimen grundsätzlich
gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen
unterstellt. Das Muslime schwerer zu
integrieren sind. Kristina Schröder wollte
Mittel für Rechtsextremismusbekämpfung
kürzen, als Familienministerin. Nachdem
November 2011 der NSU aufgeflogen ist,
wurde wieder zurückgerudert. Das
Rechtsextremismus Programme, die Mittel
gekürzt wurden, das hatten wir schon mal
2011. Der NSU Fall hat das verhindert. Das
muss man sich mal klar werden. Es gab
jetzt inzwischen zwei rechtsextremistische Anschläge,
die Mittelkürzungen verhindert haben. Die
Junge Union will die Förderung für die
Amadeu-Antonio-Stiftung streichen.
Gemeinnützigkeiten sollen entzogen werden.
Das BMBF, hatte ich jetzt mit mehreren
Wissenschaftlern gesprochen, gibt relativ
viel Fördermittel raus für
Extremismusforschung. Meistens geht es
aber um islamistischen Extremismus. Erst
seit 2009 gibt es ein Förderprogramm, das
sich auch intensiv mit Drittmitteln für
Rechtsextremismusforschung
auseinandersetzt. Und das kann doch nicht
sein. Forschung muss doch ansetzen können,
bevor Menschen sterben. Das kann nicht
sein, dass wir erst warten müssen, bis
Leute getötet werden. Dann merkt es die
Politik. Dann gibt's die Fördertöpfe, dann
können sie sich bewerben, dann wird
geforscht, und dann gibt es Ergebnisse. Da
ist die Forschung verkehrt rum. Bettina
Kudla spricht von Umvolkung. Kurt
Biedenkopf "Die Sachsen sind immun gegen
Rechtsextremismus". Kai Wegner nennt
Seenotrettung "Taxidienst". CDU/CSU
stimmen im EU-Parlament gegen
Seenotrettung. Joachim Herrmann verwendet
in einer Talkshow das N-Wort. Hans-Peter
Friedrich nennt Anti-AfD-Demonstranten
"Linksfaschisten". Ein
rechtsextremistisches Narrativ. Dobrindt
(CSU) "Anti-abschiebeindustrie" wurde
"Unwort des Jahres". Söder spricht von
"Asyltourismus" und "Asylgehalt". Stephan
Mayer nennt Seenotrettung
"Shuttleservice". Thomas de Maizière
spricht von "Integrationsverweigerer."
Andreas Scheuer bezeichnet einen
Senegalesen "den wird man nie wieder
abschieben können". Philipp Amthor bei
einer Nationalhymne - "Hier ist ja keiner
von uns Moslem, der das nicht singen
kann". Und das einzig gute Zitat stammt
von Jens Spahn. "Mit der AfD verbindet uns
mehr als mit der SPD".
vereinzeltes Lachen
Die westliche Gesellschaft hat
islamfeindlichen Rassismus als
Massenphänomen. Und wir wollen es nicht
sehen. Stattdessen doktern wir an den
Symptomen rum. Ich habe das mal als Grafik
zusammengefasst. Rassismus als
Massenphänomen. Wahrscheinlich
insbesondere gepusht durch den
internationalen Terrorismus und eine
unreflektierte Berichterstattung. Das wird
weiterhin verstärkt durch Politiker, die
das nutzen wollen, um damit den Rassismus zu
normalisieren. Und auf der anderen Seite
die strukturell rassistische
Berichterstattung, die diesen Rassismus
bestätigt. Ich schlage das Wort
"strukturelle Volksverhetzung" vor. Und
solch eine Massenbewegung hat genau diese
Effekte. Wie Hatespeech, Morddrohungen,
Fake News, Echokammern, AfD, Pegida und
Rechtsextremismus. Das sind alles Folgen
davon. Wir können gerne was gegen
Hatespeech machen. Aber den dicken
Elefanten im Raum, Rassismus als
Massenphänomen, gegen den müssen wir
vorgehen. Ich möchte ein Beispiel bringen.
Der Fall Wächtersbach, wo ein Extremist
versucht hat, einen Mann aus Eritrea zu
erschießen. Hinterher gab es eine
Recherche, wo denn der Mann eigentlich
herkommt. Was war sein soziales Umfeld?
U.a. war man in seiner Stammkneipe, in der ganz
offen Rassismus reproduziert wird. Oder
der Anschlag in Halle. Ein Mann wollte in
eine jüdische Synagoge eindringen. Man hat
in der Backgroundgeschichte ein Interview
mit der Mutter gehabt. Auch sie vertritt
antisemitische Positionen. Das ist ganz
interessant, dass wir uns jetzt mit
Radikalisierung im Internet beschäftigen,
weil wir das im Internet überhaupt
untersuchen können. Was wir nicht
untersuchen können ist, "Wie sieht
Radikalisierung im familiären Umfeld aus?"
Oder "Radikalisierung in der Stammkneipe".
Das ist unsichtbar. Nur weil wir das im
Internet sehen, heißt nicht, dass das
Internet daran schuld ist. Der Rassismus
kommt aus der Gesellschaft. Vier Gründe,
warum ihr euch alle mit Rassismus
beschäftigen müsst. Jetzt kommen die
schlechten Nachrichten. Nur wenn ihr euch
mit Rassismus beschäftigt, könnt ihn
erkennen und bekämpfen. Mir ist es vorher
aufgefallen, bevor ich mich damit
beschäftigt habe. Wenn ich mit Rassismus
konfrontiert wurde, habe ich ihn oft nicht
gesehen. Und zum anderen fehlten mir die
Argumente, ihn erkenntlich zu machen und
zu zerlegen. Erst als ich mich tiefer mit
den Mechanismen beschäftigt habe, ist mir
das klargeworden. Nur wenn ihr euch mit
Rassismus beschäftigt, könnt ihr auch in
euch selbst erkennen. Das ist eine ganz
schlechte Nachricht. Als ich mich damit
beschäftigt habe, habe ich auch festgestellt,
welche rassistischen Vorurteile ich habe.
Und erst dann kann man sie auch
hinterfragen und damit auflösen. Jetzt
kommen die richtig schlechten Nachrichten
für euch. Weiße Menschen profitieren vom
Rassismus, ob sie wollen oder nicht. Wenn
das nächste Mal eine Polizeikontrolle im
Rahmen von Racial Profiling an euch
vorbeigeht, dann profitiert ihr davon,
weil das jemand anderen betrifft. Wann
immer ihr eine Wohnung bekommt und ein
anderer nicht, profitiert ihr davon. Wann
immer ihr einen Job bekommt und eine
andere mit türkischen Namen nicht,
profitiert ihr jedes Mal von diesem
Rassismus. Diesen Rassismus nicht zu sehen
ist Teil des strukturellen Rassismus. Wer
Rassismus ignoriert, macht mit. Und ich
hatte jahrzehntelang den Vorteil zu sagen,
ich wusste nichts davon. Ich konnte sagen,
ich habe nicht mitgekriegt, dass es hier
einen strukturellen Rassismus in dieser
Gesellschaft gibt. Ich habe es nicht
mitbekommen. Tut mir leid. Die schlechte
Nachricht ist, ich habe euch diese
Unschuld gerade genommen.
vereinzeltes Lachen
Ich habe euch damit konfrontiert. Wer
jetzt seine Augen verschließt, macht mit. Dankeschön.
Applaus
Herald: Vielen Dank für diesen äußerst
interessanten Vortrag. Wir haben jetzt
noch ein wenig Zeit für Fragen. Ich würde
vorschlagen, wir fangen mit der
Fragestellerin am Mikro Nr. 1 an.
Mikro 1: Ich werde vielleicht Kristina
Schröder in Kürze begegnen. Was sage ich
zu ihr? Wenn sie irgendwann einen Satz
fallen lässt. Oder noch schlimmer, wenn
sie keinen Satz fallen lässt, auf denen
ich etwas entgegnen kann, sondern wenn ich
sie initiativ drauf ansprechen muss, dass
sie merkwürdige Dinge sagt.
Michael: Das ist eine gute Frage. Das ist
wahnsinnig schwierig. Ich glaube, es gibt
zwei Ebenen, über die wir diskutieren
müssen. Das eine ist "Was kann man gegen
Rassismus tun?". Und das ist kein
einfaches Thema. Insbesondere wenn Leute
in einer rassistischen Angstwelt verloren
gegangen sind. Das würde ich jetzt Frau
Schröder nicht unterstellen, aber
sozusagen einer Gesellschaft. Ich weiß
nicht, wir können keine Angsttherapie
machen für 50% der Bevölkerung. Das Zweite, was wir machen
können und das ist glaub ich das Wichtigste ist, erst
einmal alle Strukturen zu hinterfragen,
die das weiterhin unterstützen.
Insbesondere die, die rassistischen
Narrative weiter unterstützen. Und
Kristina Schröder ist ja sozusagen die
Rassismus- und Extremismus-Expertin
innerhalb der CDU gewesen. Da kann man
vielleicht mal Diskussionen mit anderen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
empfehlen. Sich tiefer in das Thema hinein
zu versetzen. Vielleicht informiert man
sich besser selber über Rassismus und kann
dann mit ihr über diese Aussagen,
insbesondere muslimische Männer besonders
gefährlich seien, darüber diskutieren, was
denn der Rassismus sozusagen daran ist.
Das sie den selber erkennt.
Herald: Als nächstes hätten wir eine Frage
aus dem Internet.
Signal Angel: Im IRC sind einige Leute,
die atheistisch sind und öfter Debatten
führen, zu Themen wie Beschneidung von
Jungen. Und dagegen argumentieren möchten,
dass das eine schlechte Idee ist. Und wo
ist da die Grenze zum Rassismus? Und wie
führt man so eine Debatte, ohne
rassistisch zu werden?
Michael: Das ist wahnsinnig schwierig. Wir
kennen zum Beispiel das Thema, dass es
bestimmte Militäraktionen von Israel gibt,
wo es schwierig ist, zu kritisieren, ohne
dass man damit einmal auf der gleichen
Seite der Antisemiten steht. Das ist
wahnsinnig schwierig. Das tut mir leid zu
sagen Sorry, da gibts keine Antwort.
Bisher fehlte mir aber eigentlich genau
eine vernünftige Debatte darüber, um
überhaupt Lösungen entwickeln zu können.
Vielleicht gibt es ja auch noch gar keine
richtige Lösung dazu. Vielleicht gibt es
auch ein paar, denen wir noch nicht
zugehört haben.
Herald: Als nächstes hätten wir wieder
eine Frage aus dem Saal bei der Nr. 4.
Mikro 4: Großartiger Vortrag. Anknüpfend
an dein extrem utopisches T-Shirt.
Michael: Lachen
Mikro 4: Für uns Kartoffel-Deutsche. Ein
Fakt, der mich überrascht hat und einen
anderen Blick bringt. Du hast von 20
Millionen Menschen geredet, die Angst
haben, rassistische Angst haben. Wir haben
in Deutschland auch 20 Millionen Menschen mit
Migrationshintergrund, die Angst haben
müssen, Angst haben könnten und in der
Debatte vernachlässigen wir deren Gefühle
total und denken immer an die armen
Kartoffel-Deutschen.
Michael: Genau. Die Unsichtbarkeit der
Betroffenen ist ein zentrales Element
dieses strukturellen Rassismus. Das ihnen
nicht zugehört wird. Das man ihnen keinen
Raum verschafft. Es gibt zum Glück ein
paar Programme. Ich möchte zum Beispiel
den "Halbe Kartoffel" Podcast empfehlen.
Dort wird sich viel mit Leuten aus
unterschiedlichen Background unterhalten.
Die scherzen darüber, dass sie einfach,
wenn sie irgendwohin fliegen wollen,
einfach mal zwei, drei Stunden früher
kommen müssen und sich den Bart abrasieren
müssen. Weil sonst werden sie dort durch
Racial Profiling herausgegriffen und
können ihren Urlaub nicht antreten. Das
ist dann schon teilweise normal. Und damit
konfrontiert zu werden, ist extrem
hilfreich. "Halbe Kartoffel" ist ein
Vorschlag. "Maschallah!" von Katrin
Rönicke ist ein sehr guter Podcast.
Generell mit mehr Formaten
auseinanderzusetzen, mit Menschen, die wir
hier treffen könnten, mit denen uns
befreunden könnten. Das die, die
Möglichkeit haben, über den Rassismus zu
sprechen, und dass wir da ein Bewusstsein
für haben und entwickeln können.
Herald: Als nächstes hätten wir wieder
eine Frage aus dem Saal bei der Nr. 7.
Mikro 7: Danke für den Talk. Du hast am
Ende gesagt, "Wer Rassismus nicht sieht,
der macht mit". Am Anfang hast du von der
kognitiven Dissonanz erzählt. Jetzt frage
ich mich, wie helfe ich Menschen, das zu
sehen und zu akzeptieren, dass Rassismus
da ist?
Michael: Das ist schwierig und es fehlen
noch ganz viele Lösungen. Die
Konfrontation könnte tatsächlich helfen.
Vielleicht lädt man einmal eine Familie
ein oder sonst irgendwas. Aber das ist
halt auch schwierig. Ehrlich gesagt, ich
habe da gar keine Lösung dafür. Womit ich
mich jetzt vorrangig beschäftigt habe ist,
"Was sind diese Phänomene?"; "Verschiebung
in der Politik", "Verschiebung der
Berichterstattung", Fake news, Hatespeech
und so weiter. Das ich da den Rassismus
als ein Massenphänomen, als Hauptursache
drinnen sehe. Wie man ihn bekämpft, weiß
ich noch nicht. Vielleicht gibt es auch noch Leute,
die mehr Ahnung haben und dazu was
erzählen können. Was ich auf jeden Fall
plädieren kann. Wir müssen damit aufhören,
ihn weiter anzuheizen und weiter zu
verstärken.
Herald: Wir hätten jetzt noch Zeit für eine
Frage. Bitte die Nr. 4.
Mikro 4: Hallo, hast du im Rahmen deiner
Forschung auch untersucht, welche Rolle der
Schule und dem Schulunterricht zukommt?
Und inwiefern da schon früh Manipulation
stattfindet? Vielleicht durch Lehrerinnen
oder durch Medien oder durch Sprüche auf
dem Schulhof?
Michael: Die Untersuchungen in Kneipen
oder in Schulen oder im Familienumfeld
sind halt extrem schwierig. Insbesondere
Heitmeyer ist Erziehungswissenschaftler.Da
sind oft Wissenschaftler, die sich mit der
Jugend auseinandersetzen. Ich kenne auch
anekdotische Evidenzen aus dem
Schulunterricht. Aber jetzt speziell untersucht
werden kann das glaub ich nicht. Was man dort auch
sieht, sind meist Dinge, die die Kinder
aus dem eigenen Elternhaus mitbringen.
Genaueres weiß ich darüber aber nicht.
Herald: Gibt es noch Fragen?
Mikro: Du hast vorhin gesagt, dass man ja
theoretisch immer rassistisch ist, wenn man einen Job
annimmt oder wenn man die Zusage auf eine
Wohnung annimmt, weil irgendwie wird immer
irgendwer benachteiligt, dann sind alle iin
einem gewissen Sinne auch Rassisten. Aber
dagegen kann man ja eigentlich gar nichts
machen. Rassistisch zu sein. Was soll man
denn sonst machen?
Michael: Ich sage nicht "Wer eine Wohnung
annimmt, ist ein Rassist". Ab wann jemand
ein Rassist ist, ist ganz schwer
abzugrenzen. Ich wollte nur mal darauf
hinweisen, dass wir davon profitieren.
Solange ich weiß bin, bin ich Profiteur
von einem strukturellem Rassismus. Solange
ich ein Mann bin, bin ich Profiteur von
strukturellem Sexismus. Das war mir vorher
gar nicht klar. Erst wenn man sich damit
beschäftigt, merkt man das. Und wenn die
Opfer darüber sprechen, wie sie unsichtbar
gemacht werden. Dann wird man damit
konfrontiert, und deswegen kann ich jedem
damit empfehlen, auch wenn das Profitieren
enorm klein ist und das unterstützen enorm
klein ist. Ist man aber Teil der Struktur
automatisch, weil es sich um strukturellen
Rassismus handelt. Und das bringt uns alle
in die Verpflichtung, sich mit den Themen
auseinanderzusetzen.
Herald: Noch mal eine Frage von der Nr. 1.
Mikro 1: Erstens wollte ich sagen, dass
ich es natürlich nicht schlimmer finde,
wenn Kristina Schröder keine rassistischen
Aussagen macht, sondern nur schwieriger in
dem Moment für mich, sie darauf
anzusprechen. Zweitens wollte ich fragen,
ist es, ist es ein Problem, dass wir über
Dinge, die wir in unserer Gesellschaft
ändern wollen, mit einer Kriegsrhetorik
reden? Dass wir sagen, wir wollen
Rassismus bekämpfen, und wir wissen, wir
müssen es ausrotten. Ich habe das Gefühl,
da gibt es eine Rhetorik, die es Menschen,
die das Gefühl haben, sie würden sich mit
Rassismus auseinandersetzen, wenn sie
nicht das Gefühl hätten, sie müssen sich
selbst an die eigene Nase fassen. Es
schwierig machen, sich damit
auseinanderzusetzen.
Michael: Ganz klar. Ich glaube, dass sich
hier auch Sachen hochschaukeln. Nehmen wir
mal an, ein Freund der Familie sagt etwas
Rassistisches. Dann kocht in mir die Wut
hoch und ich sage "Du wählst eine
faschistische Partei". Obwohl, obwohl er
daran nicht schuld ist. Es ist völlig
irrelevant, ob ich ihn jetzt überzeuge
oder nicht. Meine Wut projeziert sich auf
diese Person. Ist es extrem schwierig,
darüber zu diskutieren. Aber wir machen es
momentan gar nicht. Wenn wir uns beim
Kaffee oder beim Bier treffen. Rassismus
oder Sexismus ist kein Alltagsthema,
obwohl so viele Leute davon betroffen
sind. Und das ist eigentlich schade.
Herald: Als nächstes nochmal eine Frage
von der Nr 7.
Mikro 7: Ich möchte gerne in dem
Zusammenhang, also zu dem ganzen Thema, "Tupoka Ogette" und
insbesondere ihr Buch "Exit Racism -
Rassismuskritisch denken lernen"
empfehlen. Und ich wäre auch neugierig, ob
es noch weitere Empfehlungen gibt vom
Sprecher. Danke.
Michael: Ich habe auch das Buch dazu
gelesen. Es gibt wahnsinnig viel. Wie
gesagt, das einzige Plädoyer, was ich
jetzt gerade machen kann, ist überhaupt zu sagen,
wir müssen mehr über Rassismus sprechen.
Ich bin jetzt gar nicht darauf vorbereitet, dass
jetzt auch sofort direkt zu tun, sondern
ich kann einfach nur sagen, dass das, was
wir jetzt bisher beobachtet haben, sind
Effekte davon. Und was wir jetzt dagegen
tun und was wir selber tun können und
müssen, darauf bin ich jetzt noch gar
nicht eingegangen. Das ist Teil 2.
Herald: Als nächstes nochmal eine Frage
aus dem Saal.
Mikro: Vielen Dank nochmal für den schönen
Vortag. Ich habe zwei Anmerkungen zu
Fragen im Bereich. Ich bin selbst mit
Migrationshintergrund und lebe schon zehn
Jahre in Deutschland und nehme relativ häufig
teil bei solche Art von Diskurs und ich
finde das immer, wieder ganz geteilt. Die
Leute mit Migrationshintergrund reden
darüber ganz alleine und die Deutschen
oder Europäer reden darüber ganz separat.
Weil Rassismus, das ist nicht nur ein
weißes Phänomen. Unter den Migranten gibt
es auch viel Rassismus, und ich finde das
verzuge sich immer zusammen mit
sozioökonomischen Hintergründen: Wo ich
jetzt stehe? Was für Job habe ich? Wie
viel Geld habe ich auch bekommen von
Vorfahren und so weiter. Und diese
Elemente, finde ich irgendwie, sollten
noch mehr angesprochen [werden]. Und was
sind Ihre Meinung dazu? Und warum zum
Beispiel sind diese Elemente nie so ganz
stark in diese Forderung eingetragen
worden?
Michael: Ja, das habe ich selber gemerkt.
Ich war an mehreren Veranstaltungen, die
dann, beispielsweise im universitären
Umfeld, nur Studenten und Studentinnen
betroffen hat oder nur im aktivistischen
Bereich NGOs und so weiter. Die
gesamtgesellschaftliche Debatte fehlt. Ich
habe jetzt dieses Forum, sozusagen meine
Möglichkeit, genutzt, das Thema hier
anzusprechen. Aber auf jeden Fall muss es
größer werden. Ich weiß nicht ob das
hilft?
Herald: So wir hätten jetzt noch Zeit für
eine letzte Frage, und zwar von der Nummer
3.
Mikro 3: Okay, danke ich wollte noch eine
kurze Anmerkung machen zu dem Thema Schule
und wie da schon sozusagen die Wurzeln
gesät werden für diese Arten von
Ausgrenzung. Ich weiß nicht, wie es hier
in Sachsen ist. Meine Kinder haben jetzt
das Glück oder Pech, auf eine königlich
bayerische Grundschule zu gehen. Da gibt
es das Phänomen des Schul-Gottesdienstes.
Und das bedeutet letztendlich: Die Kinder
laufen mit der Lehrerin zusammen in die
nächstgelegene Kirche. Natürlich nur, die
sich zu irgendwelchen christlichen
Religion bekennen. Alle anderen Kinder
müssen in der Schule bleiben und sich mit
irgendetwas beschäftigen. Also hier sehe
ich schon, wie diese strukturelle
Ungleichheit da praktisch in der
Grundschule schon den Kindern eingepflanzt
wird, indem eine bestimmte Religion als
den anderen vielleicht überlegen oder
zumindest gibt's eine Sonderbehandlung.
Ich persönlich als Atheist fühle mich da
auch ausgegrenzt und diskriminiert. Nur so
als Hinweis, wie hier schon in der
Grundschule dann entsprechend die Kinder
indoktriniert werden.
Michael: Ja und sieht man es einmal, fängt
man an es überall zu sehen. Das fällt dann
dann auf.
Herald: Vielen, vielen Dank für eure
vielen Fragen. Ich würde vorschlagen
nochmal einen herzlichen Applaus für
Michael Kalke, seinen wunderbaren Vortrag.
Applaus
36c3 Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2020. Mach mit und hilf uns!