Ich bin seit 20 Jahren politischer
Karikaturist auf globaler Ebene.
In diesen 20 Jahren
haben wir viele Dinge gesehen.
Wir hatten drei verschiedene
katholische Päpste
und haben diesen
einzigartigen Moment miterlebt:
die Wahl eines Papstes
auf dem Petersplatz --
Sie wissen schon, der weiße Rauch
und die offizielle Verkündung.
[Es ist ein Junge!]
(Gelächter)
(Applaus)
Wir hatten vier amerikanische Präsidenten.
Obama natürlich.
Oh, die Europäer mochten ihn sehr.
Er war ein Multilateralist.
Er war diplomatisch.
Er wollte sich mit dem Iran anfreunden.
(Gelächter)
Und dann ...
wurde die Karikatur zur Realität
an dem Tag als Donald Trump Präsident
der Vereinigten Staaten von Amerika wurde.
(Gelächter)
(Applaus)
Wissen Sie, die Leute sagen zu uns:
"Es ist zu leicht für euch Karikaturisten.
Ich meine -- mit Leuten wie Trump?"
Nein, es ist nicht einfach
einen Mann zu karikieren,
der selbst schon eine Karikatur ist.
(Gelächter)
Nein.
(Applaus)
Populisten sind
kein leichtes Ziel für Satire.
Weil man sie zuerst genau festnageln will
und dann übertreffen sie dich.
Zum Beispiel, als er gewählt worden war,
versuchte ich mir den Tweet vorzustellen,
den Trump am Heiligen Abend senden würde.
Ich machte also das.
[Frohe Weihnachten an alle! Außer an all
diese erbärmlichen Loser. Traurig.]
(Gelächter)
Am nächsten Tag twitterte Trump das:
[Frohes neues Jahr an alle,
auch an meine vielen Feinde,
die mich bekämpft
und kläglich verloren haben
und nun nicht weiterwissen. Alles Liebe!]
(Gelächter)
Es ist genau das gleiche!
(Applaus)
Dies ist die Ära der starken Männer.
Und bald konnte Trump seinen persönlichen
Helden treffen, Vladimir Putin.
So lief das erste Meeting:
[Ich helfe dir die Hacker zu finden.
Gib mit dein Passwort.]
(Gelächter)
Ich erfinde das nicht.
Er kam aus dem ersten Meeting und sagte,
dass sie sich auf
eine gemeinsame Taskforce
für Internetsicherheit geeinigt hatten.
Das ist die Wahrheit. Erinnern Sie sich?
Wer hätte sich das vorstellen können,
was wir die letzten 20 Jahre erlebten?
Wir sahen zu, wie Großbritannien
auf einen EU-Austritt zusteuert.
[Harter Brexit?]
(Gelächter)
Im Nahen Osten glaubten wir eine Zeit lang
an das demokratische Wunder
des Arabischen Frühlings.
Wir sahen den Fall einiger Diktatoren
und andere die durchhielten.
(Gelächter)
Und dann ist da noch
die zeitlose Kim-Dynastie Nordkoreas.
Diese Typen scheinen direkt
dem Cartoon Network zu entspringen.
Ich hatte die Ehre, zwei von ihnen
zeichnen zu dürfen.
Kim Jong-il, den Vater
als er vor ein paar Jahren starb.
Das war ein sehr gefährlicher Moment.
[Das war knapp!]
(Gelächter)
Das war --
(Applaus)
Der Sohn, Kim Jong-un,
erwies sich als ehrwürdiger Thronfolger.
Er ist mit dem US-Präsidenten befreundet.
Sie treffen sich die ganze Zeit
und unterhalten sich wie Freunde.
[Welches Haargel?]
(Gelächter)
Sollten wir überrascht sein,
in einer Welt zu leben,
die von Egomanen regiert wird?
Was ist, wenn diese
nur uns selbst widerspiegeln?
Schauen Sie uns nur an,
jeden einzelnen.
(Gelächter)
Ja, wir lieben unsere Smartphones;
wir lieben unsere Selfies;
wir lieben uns selbst.
Und dank Facebook,
haben wir eine Menge Freunde
auf der ganzen Welt.
Mark Zuckerberg ist unser Freund.
(Gelächter)
Er und seine Kollegen im Silicon Valley
sind die Könige und Kaiser unserer Zeit.
Zu zeigen, dass die Kaiser
keine Kleider haben,
das ist die Aufgabe von Satire, oder?
Den Mächtigen die Wahrheit zu sagen,
war immer schon die historische Rolle
politischer Karikatur.
In den 1830ern im postrevolutionären
Frankreich unter König Louis Philippe,
kämpften die Journalisten und
Karikaturisten hart für Pressefreiheit.
Sie wurden eingesperrt, zahlten Strafen -
aber sie bleiben hartnäckig.
Und diese Karikatur des Königs von Daumier
wurde zum Sinnbild des Monarchen.
Es prägte die Geschichte.
Es wurde ein zeitloses Symbol der Satire
und des Triumphs über die Autokratie.
Besteht heute, 200 Jahre
nach Daumier, das Risiko,
dass politische Karikaturen verschwinden?
Schauen Sie sich diesen leeren Platz
auf der Vorderseite der Zeitung
"Cumhuriyet" der türkischen Opposition an.
Hier wurden immer Musa Karts
Karikaturen veröffentlicht.
2018 wurde Musa Kart zu drei Jahren
Gefängnis verurteilt.
Und wofür?
Für die Veröffentlichung von politischen
Karikaturen in der Türkei unter Erdogan.
Karikaturisten aus Venezuela, Russland
und Syrien wurden ins Exil getrieben.
Schauen Sie sich dieses Bild an.
Es scheint so unschuldig, nicht wahr?
Und doch ist es so provokativ.
Als er dieses Bild postete,
wusste Hani Abbas, dass es
sein Leben verändern würde.
2012 gingen die Syrer auf die Straße.
Natürlich wurde die kleine rote Blume
das Symbol der syrischen Revolution.
Schon bald wurde er vom Regime verfolgt
und musste aus dem Land fliehen.
Ein guter Freund von ihm,
der Karikaturist Akram Raslan,
schaffte es nicht aus Syrien zu fliehen.
Er wurde zu Tode gefoltert.
Erst kürzlich haben in den USA
einige der Top-Karikaturisten wie
Nick Anderson und Rob Rogers --
dies ist eine Karikatur von Rob --
[Memorial Day 2018.
Wahrheit. Ehre. Rechtsstaatlichkeit.]
ihre Jobs verloren,
weil ihre Verleger ihre Arbeit
zu kritisch gegenüber Trump fanden.
Dasselbe passierte dem kanadischen
Karikaturisten Michael de Adder.
Vielleicht sollten wir anfangen,
uns Sorgen zu machen.
Politische Karikaturen wurden
mit der Demokratie geboren.
Sie sind in Gefahr,
wenn die Freiheit es auch ist.
Wissen Sie, in den letzten Jahren
mit der Cartooning for Peace Foundation
und anderen Initiativen,
war Kofi Annan -- das ist
nicht sehr bekannt --
der Ehrenvorsitzende unserer Stiftung,
der verstorbene Kofi Annan,
Friedensnobelpreisträger.
Er war ein großer Verfechter
von Karikaturen.
Oder im Ausschuss der Association of
American Editorial Cartoonists,
haben wir uns für die eingesperrten,
bedrohten, entlassenen
und verbannten Karikaturisten eingesetzt.
Aber ich habe noch nie erlebt,
dass jemand seinen Job verlor,
wegen einer Karikatur,
die er nicht gezeichnet hatte.
Also das passierte mir.
In den letzten 20 Jahren war ich
bei der "International Herald Tribune"
und der "New York Times".
Dann passierte etwas.
Im April 2019
wurde eine Karikatur des berühmten
portugiesischen Karikaturisten,
welche zuerst in der Zeitung "El Expresso"
in Lissabon veröffentlicht wurde,
von einem Verleger
der "NY Times" ausgesucht
und in den internationalen
Ausgaben abgedruckt.
Diese Sache explodierte.
Sie wurde als antisemitisch verurteilt,
löste weltweite Empörung aus,
Entschuldigungen und viel
Schadensbegrenzung seitens der Times.
Einen Monat später,
erzählte mir mein Redakteur,
dass wir politische Karikaturen
komplett rausnehmen würden.
Also können und sollten wir über
diese Karikatur sprechen.
Manche sagen, dass es an die schlimmste
antisemitische Propaganda erinnert.
Andere, Israel inbegriffen,
sagen, dass es nur eine scharfe
Kritik an Trump ist,
der auf dem Bild dem israelischen
Premierminister blindlings folgt.
Ich habe einige Probleme
mit dieser Karikatur,
aber dieses Gespräch fand bei
der "NY Times" nicht statt.
Den Angriffen ausgesetzt, nahmen sie
den einfachsten Weg:
um in Zukunft keine weiteren Probleme
mit politischen Karikaturen zu haben,
nehmen wir sie komplett raus.
Hey, das ist neu.
Haben wir gerade vorbeugende
Selbst-Zensur erfunden?
Ich denke, dass dies
größer ist als Karikaturen.
Es geht um Meinungen und Journalismus.
Schlussendlich geht es um Demokratie.
Wir leben nun in einer Welt,
wo sich moralische Mobs
auf Social Media zusammenfinden
und einen Sturm auslösen.
Die empörtesten Stimmen
bestimmen dabei die Konversation
und die wütende Menge folgt ihnen.
Die Social Media Mobs,
die auch von Interessengruppen
angetrieben werden,
fallen über Nachrichtenredaktionen her
und lassen Herausgeber und Redakteure
um Gegenmaßnahmen kämpfen.
Dabei bleibt kein Platz für
bedeutungsvolle Diskussionen.
Twitter ist ein Ort für Wut,
nicht für Debatten.
Wissen Sie was?
Jemand beschrieb ziemlich gut unseren
menschlichen Zustand in dieser lauten Zeit
Wissen Sie wer?
Shakespeare vor 400 Jahren.
[(Das Leben ist) ein Märchen,
erzählt von einem Blödling,
voller Klang und Wut, das nichts bedeutet]
Das gefällt mir. Shakespeare
ist immer noch aktuell, oder?
Aber die Welt hat sich verändert.
[Zu lang!]
(Gelächter)
Es ist wahr.
(Applaus)
Wissen Sie, Social Media ist beides,
ein Segen und ein Fluch für Karikaturen.
Dies ist das Zeitalter des Bildes,
sie werden geteilt und gehen viral --
aber das macht sie auch zum Hauptziel.
Zu oft jedoch ist das eigentliche Ziel
hinter der Karikatur
das Medium das sie veröffentlicht hat.
[Berichtest du über den Irak?
Nein, Trump!]
Die Beziehung zwischen
traditionellen Medien und Social Media
ist eine seltsame.
Einerseits gibt es
den zeitintensiven Prozess
der Informationsbeschaffung,
Prüfung und Kuration.
Andererseits ist es ehrlich gesagt
ein offenes Buffet
für Gerüchte, Meinungen, Emotionen,
verstärkt durch Algorithmen.
Sogar Qualitätszeitungen
übernehmen die Merkmale
von sozialen Netzwerken
auf ihren Webseiten.
Sie heben die 10 meistgelesenen
und meistgeteilten Stories hervor.
Sie sollten jedoch
die 10 wichtigsten Stories hervorheben.
(Applaus)
Die Medien dürfen sich nicht von
Social Media einschüchtern lassen
und Redakteure sollten aufhören,
sich vor dem wütenden Mob zu fürchten.
(Applaus)
Wir werden keine Warnungen wie
auf Zigarettenpackungen anbringen, oder?
[Satire kann Ihre Gefühle verletzen]
(Gelächter)
Bitte.
[Sie könnten eine Sexbombe unter
Ihrem Burkini verstecken]
Politische Karikaturen sollen provozieren,
genauso wie Meinungen.
Aber in erster Linie sollen sie
zum Nachdenken anregen.
Sie fühlen sich angegriffen?
Lassen Sie es los.
Sie mögen es nicht?
Schauen Sie weg.
Meinungsfreiheit ist nicht
unvereinbar mit Dialog
und sich gegenseitig zuzuhören.
Aber es ist unvereinbar mit Intoleranz.
(Applaus)
Wir dürfen nicht unsere eigenen Zensoren
im Namen der politischen
Korrektheit werden.
Wir müssen dafür einstehen,
uns zur Wehr setzen,
denn wenn wir das nicht machen,
werden wir morgen aufwachen,
in einer gesäuberten Welt,
wo jede Art von Satire und politischer
Karikatur unmöglich ist.
Wenn politischer Druck auf
politische Korrektheit trifft,
geht Redefreiheit zu Grunde.
(Applaus)
Erinnern Sie sich an Januar 2015?
Durch das Massaker
an Journalisten und Karikaturisten
bei "Charlie Hebdo" in Paris,
entdeckten wir
die extremste Form von Zensur:
Mord.
Erinnern Sie sich an das Gefühl.
[Ohne Humor sind wir alle tot]
Was auch immer man von
dem Satiremagazin hielt,
was man auch von diesen speziellen
Karikaturen gehalten hat,
wir haben alle gefühlt, dass hier etwas
Grundlegendes auf dem Spiel stand,
dass Bürger freier Gesellschaften --
eigentlich Bürger aller Gesellschaften --
Humor genauso brauchen
wie die Luft, die wir atmen.
Deshalb können Extremisten,
Diktatoren, Autokraten und ehrlich gesagt
alle Ideologen dieser Welt
Humor nicht ausstehen.
In der wahnsinnigen Welt
in der wir gerade leben,
brauchen wir politische
Karikaturen mehr denn je.
Und wir brauchen Humor.
Danke.
(Applaus)