Letztes Jahr im April war ich abends mit Freunden aus, um einen Geburtstag zu feiern. Wir hatten uns seit Wochen nicht gesehen. Es war ein perfekter Abend miteinander. Am Ende des Abends nahm ich die letzte U-Bahn ans andere Ende Londons. Die Fahrt verlief ruhig. Ich erreichte meine Station und begann meinen 10-minütigen Heimweg. Als ich in meine Straße einbog -- mein Haus war schon in Sicht -- hörte ich Schritte, die aus dem Nichts auf mich zukamen und schneller wurden. Bevor mir klar war, was geschah, wurde mir der Mund zugehalten, sodass ich nicht atmen konnte, und der junge Mann hinter mir zog mich zu Boden, schlug meinen Kopf mehrfach auf den Gehweg, bis mein Gesicht blutete, trat mich in Rücken und Hals und machte sich über mich her. Er zerriss meine Kleidung und sagte: "Sei still", als ich um Hilfe schreien wollte. Mit jedem Schlag meines Kopfes gegen den Betonboden ging mir eine Frage durch den Kopf, die mich bis heute verfolgt: "Ist das jetzt mein Ende?" Mir war nicht bewusst, dass er mich den ganzen Weg von der Station weg verfolgt hatte. Stunden später stand ich mit freiem Oberkörper und nackten Beinen vor der Polizei, die meine Verletzungen und blauen Flecken für die Beweisaufnahme fotografierte. Es ist kaum möglich, die verzehrenden Gefühle von Verwundbarkeit, Scham, Ärger und Unrecht zu beschreiben, die mich in jenem Moment und in den Wochen darauf befielen. Aber ich wollte diese Gefühle in eine Struktur zusammenfassen, die ich abarbeiten konnte. Ich tat, was sich am besten anfühlte: Ich schrieb darüber. Es begann als kathartische Übung. Ich schrieb meinem Angreifer einen Brief, vermenschlichte ihn als "du", um ihn als Teil der Gemeinschaft zu identifizieren, die er an dem Abend gewaltsam missbrauchte. Um die flutwellenartige Wirkung seiner Tat zu betonen, schrieb ich: "Hast du je an die Menschen in deinem Leben gedacht? Ich weiß nicht, wer sie sind. Ich weiß nichts über dich. Aber eins weiß ich: Du hast nicht nur mich angegriffen. Ich bin eine Tochter, Freundin, Schwester, Schülerin, Cousine, Nichte, Nachbarin. Ich bin die Angestellte im Café unter der Bahn, die Kaffee servierte. All diese Menschen, zu denen ich Beziehungen habe, sind meine Gemeinschaft. Du hast sie alle angegriffen. Du hast die Wahrheit attackiert, für die ich kämpfe und für die all diese Menschen stehen: dass es viel mehr gute als schlechte Menschen gibt." Dieser Vorfall sollte nicht meinen Glauben an meine Gemeinschaft oder die Menschheit allgemein zerrütten. Also dachte ich an die Terroranschläge des 7. Juli 2005 in London, und wie der damalige Bürgermeister von London sowie meine Eltern darauf bestanden hatten, am nächsten Tag U-Bahn zu fahren, damit wir nicht von den Attentätern definiert oder verändert würden. Ich sagte zu meinem Angreifer: "Du hast mich angegriffen, aber ich fahre jetzt wieder U-Bahn. Wir werden uns nicht dabei unsicher fühlen, nachts heim zu gehen. Wir werden die letzten Züge nehmen und alleine die Straßen entlanggehen, weil wir uns nicht der Vorstellung unterwerfen, dass wir uns dadurch in Gefahr bringen. Wir werden uns weiterhin versammeln, wie eine Armee, wenn ein Mitglied unserer Gemeinschaft bedroht wird. Du wirst diesen Kampf nicht gewinnen." Als ich den Brief schrieb -- (Beifall) Danke. (Beifall) Als ich den Brief schrieb, lernte ich für meine Prüfungen in Oxford und arbeitete dort für die Studentenzeitung. Trotz der Unterstützung meiner Familie und Freunde fühlte ich mich isoliert. Ich kannte niemanden, der das Gleiche erlebt hatte; so dachte ich zumindest. Ich wusste von Statistiken, wie häufig sexuelle Übergriffe sind, aber ich kannte persönlich niemand, den ich über eine solche Erfahrung hatte sprechen hören. Also entschied ich mich spontan dazu, meinen Brief in der Studentenzeitung zu veröffentlichen, um andere in Oxford zu erreichen, die ähnliche Erfahrungen hatten und sich ähnlich fühlten. Am Ende des Briefes ermutigte ich andere, unter dem Hashtag #NotGuilty an uns zu schreiben, um zu verdeutlichen, dass Opfer von Übergriffen ohne Scham oder Schuld darüber sprechen konnten -- dass wir sexueller Gewalt die Stirn bieten können. Ich hätte nie gedacht, dass der Brief sich fast über Nacht wie ein Lauffeuer verbreiten würde. Wir erhielten Hunderte von Geschichten von Männern und Frauen weltweit, die wir auf einer Website veröffentlichten. Das Hashtag wurde zu einer Kampagne. Eine australische Mutter in ihren Vierzigern schrieb, dass ihr ein Mann auf eine öffentliche Toilette folgte und ihr mehrfach zwischen die Beine fasste. Ein Mann aus den Niederlanden schrieb, dass er auf Besuch in London bei einem Date vergewaltigt wurde und niemand seine Geschichte ernst nahm. Leute aus Indien und Südamerika schrieben mir auf Facebook und wollten die Botschaft unserer Kampagne dort verbreiten. Einer unserer ersten Beiträge kam von Nikki, die als Kind von ihrem Vater sexuell belästigt worden war. Freunde erzählten mir von Erfahrungen, die eine Woche bis mehrere Jahre zurücklagen, von denen ich nichts wusste. Je mehr Nachrichten wir erhielten, desto öfter erhielten wir hoffnungsvolle Nachrichten; Menschen fühlten sich durch die Gemeinschaft gestärkt, die gegen sexuelle Gewalt und Opferbeschuldigung auftrat. Eine Frau namens Olivia, die von jemandem angegriffen wurde, dem sie vertraut und den sie gemocht hatte, sagte: "Ich habe hier viele Geschichten gelesen und hoffe, dass, wenn so viele Frauen weiterleben können, ich das auch kann. Ich bin inspiriert worden und hoffe, irgendwann auch so stark zu sein, und das werde ich sicher." Menschen weltweit twitterten unter dem Hashtag, die Presse im ganzen Land berichtete von dem Brief und er wurde weltweit in mehrere Sprachen übersetzt. Mir fiel aber etwas an dem Medienrummel auf, den der Brief verursachte: Damit etwas auf die Titelseite kommt, als "Neuigkeit" bezeichnet wird, sollte es auch neu oder überraschend sein. Aber sexuelle Übergriffe sind nichts Neues. Sexuelle Übergriffe und anderes Unrecht sind ständig in den Medien. Aber durch die Kampagne war dieses Unrecht nicht nur ein Nachrichtenbeitrag, sondern direkte Erfahrungen von echten Menschen, die mit gegenseitiger Solidarität etwas Nötiges und Neues schufen: eine gemeinsame Plattform, die Bestätigung, nicht alleine zu sein oder Schuld zu tragen und offene Diskussionen, um Stigma abzubauen. Die Stimmen der direkt Betroffenen standen im Vordergrund, nicht die Stimmen von Journalisten oder Kommentatoren in sozialen Medien. Das machte diese Geschichte zur Neuigkeit. Wir leben in einer sehr vernetzten Welt, wo soziale Medien weit verbreitet sind, was ein großartiges Mittel für sozialen Wandel ist. Aber es hat uns auch reaktionsfreudiger gemacht, von kleinen Ärgernissen wie "Mein Zug hat Verspätung" bis zum größten Unrecht wie Krieg, Völkermord und Terroranschlägen. Unsere Standardreaktion heute auf jeden Missstand ist, Hashtags zu twittern, auf Facebook zu posten; anderen zu zeigen, dass auch wir reagiert haben. Das Problem mit solchen Massenreaktionen ist, dass wir manchmal gar nicht reagieren; zumindest nicht, indem wir wirklich etwas tun. Wir mögen uns besser fühlen, als würden wir zur kollektiven Trauer oder Entrüstung beitragen, aber es ändert nichts. Mehr noch: Es kann die Stimmen derer übertönen, die direkt von dem Unrecht betroffen sind, die gehört werden müssen. Beunruhigend ist auch, wenn man auf Ungerechtigkeit reagiert, indem man mehr Mauern baut und schnell auf andere zeigt, um komplexe Probleme auf einfache Art zu lösen. Eine britische Boulevardzeitung druckte diese Schlagzeile zu meinem Brief: "Oxford-Studentin startet Online-Kampagne, um Angreifer zu beschämen." Aber die Kampagne sollte niemanden beschämen. Sie sollte Menschen sprechen und andere zuhören lassen. Trolle auf Twitter schufen noch mehr Ungerechtigkeit, indem sie über Herkunft und Stand meines Angreifers diskutierten, um ihre Vorurteile zu verbreiten. Mir wurde sogar vorgeworfen, alles erfunden zu haben, um -- und ich zitiere, mein "feministisches Programm des Männerhasses voranzutreiben". (Lachen) Nicht wahr? Als würde ich sagen: "Hey, sorry, heute geht nicht, ich bin damit beschäftigt, alle Männer zu hassen, bis ich 30 bin." (Lachen) Ich bin ziemlich sicher, dass mir das niemand ins Gesicht sagen würde. Aber weil sie am Bildschirm sitzen, gemütlich zu Hause, vergessen viele in sozialen Medien, dass sie etwas Öffentliches tun -- dass andere Menschen es lesen und davon betroffen sein werden. Zurück zu meinem Beispiel, weiterhin U-Bahn zu fahren: Ich sorge mich auch darum, dass dieser eskalierende Lärm der Onlinereaktionen auf Unrecht uns leicht die Opferrolle zuweisen kann -- was zu Pessimismus führen kann, zu einer Art geistigen Barriere gegen jede Chance auf Positives oder Wandel nach einer negativen Situation. Ein paar Monate vor der Kampagne und vor dem Ereignis besuchte ich einen TEDxEvent in Oxford und sah Zelda la Grange, Nelson Mandelas ehemalige Privatsekretärin. Eine ihrer Geschichten berührte mich. Die südafrikanische Rugby-Union brachte Mandela einmal vor Gericht, nachdem er eine Ermittlung veranlasst hatte. Im Gerichtssaal ging er zu den Anwälten der Rugby-Union, schüttelte ihre Hand und sprach mit ihnen allen in ihrer Sprache. Zelda wollte widersprechen; sie hatten kein Recht auf seinen Respekt nach dem Unrecht, das sie ihm angetan hatten. Er wandte sich zu ihr und sagte: "Erlaube niemals deinem Feind, das Schlachtfeld festzulegen." Als ich diese Worte hörte, war mir nicht klar, warum, aber sie erschienen mir wichtig und ich notierte sie. Ich habe seitdem viel darüber nachgedacht. Rache oder der Ausdruck von Hass gegenüber denen, die uns Unrecht tun, mag eine menschliche, instinktive Reaktion auf Unrecht sein. Aber wir müssen den Kreislauf stoppen, wenn wir Unrecht in positiven sozialen Wandel verwandeln wollen. Andernfalls erlauben wir unserem Feind weiterhin, das Schlachtfeld festzulegen, und es bilden sich zwei Lager: Wir, die Leidtragenden in der Opferrolle gegen sie, die Täter. So wie wir wieder U-Bahn gefahren sind, dürfen wir uns auf unseren Plattformen der Vernetzung und Gemeinschaft nicht geschlagen geben. Aber ich möchte Reaktionen in sozialen Medien nicht verhindern, weil die Entstehung der #NotGuilty-Kampagne vor allem auf ihnen basiert. Ich möchte eher ihre bedachte Nutzung im Umgang mit Unrecht fördern. Wir sollten uns zuerst zwei Dinge fragen. Erstens: Warum empfinde ich dieses Unrecht? In meinem Fall gab es dafür mehrere Antworten. Jemand hatte mich und meine Liebsten verletzt und nahm an, er würde nicht zur Rechenschaft gezogen oder müsse den Schaden anerkennen. Zudem erfahren täglich Tausende Männer und Frauen sexuelle Gewalt und schweigen, und doch sprechen wir weniger darüber als über andere Probleme. Viele Opfer werden immer noch beschuldigt. Zweitens: Wie kann ich, wenn ich die Gründe erkannt habe, diese umkehren? In meinem Fall zogen wir meinen und andere Angreifer zur Rechenschaft. Wir konfrontierten sie damit, was sie verursacht hatten. Wir schufen eine Plattform für das Problem sexueller Gewalt, eröffneten Diskussionen mit Freunden, Familien und in Medien, die zu lange verschlossen waren, und wir betonten die Unschuld der Opfer an dem, was ihnen passiert war. Wir haben noch viel zu tun, bis dieses Problem gelöst ist. Aber auf diese Weise können wir soziale Medien für soziale Gerechtigkeit einsetzen -- um zu bilden, zum Dialog anzuregen, Entscheidungsträger auf ein Problem hinzuweisen, indem wir denen zuhören, die davon betroffen sind. Denn auf manche Fragen gibt es keine leichten Antworten. Auf die wenigsten. Das heißt nicht, dass wir unbedacht darauf antworten sollten. Wenn Ihnen nichts einfällt, wie Sie dieses Unrecht umkehren können, können Sie immer noch darüber nachdenken, was Sie nicht tun sollten. Sie sollten Unrecht nicht mit Vorurteilen oder noch mehr Hass bekämpfen. Sie sollten nicht die direkt Betroffenen übertönen. Sie sollten nicht auf Unrecht reagieren, und es am nächsten Tag vergessen, weil niemand mehr auf Twitter darüber spricht. Ironischerweise ist manchmal keine sofortige Reaktion die beste sofortige Reaktion. Wir mögen wütend, aufgebracht und empört über das Unrecht sein, aber wir sollten über unsere Reaktion nachdenken. Wir sollten Menschen zur Rechenschaft ziehen, ohne sie selbst zu beschämen und ungerecht zu sein. Wir sollten an den Unterschied zwischen Kritik und Beleidigung denken, der im Internet oft vergessen wird. Wir sollten denken, bevor wir sprechen, auch wenn wir am Bildschirm sitzen. Wenn wir in sozialen Medien Lärm machen, sollten wir nicht die Betroffenen übertönen, sondern ihre Stimmen verstärken, sodass man im Internet keine Ausnahme ist, wenn man über eine eigene Erfahrung spricht. Dieser besonnene Umgang mit Unrecht stützt sich auf die Grundpfeiler des Internets: Vernetzen, Zeichen setzen -- Menschen zusammenbringen, nicht sie trennen. Schlagen Sie "Gerechtigkeit" im Wörterbuch nach. Noch vor Strafe, Rechtsgewalt und Gerichtsbehörden finden Sie: "Die Aufrechterhaltung des Richtigen". Wenige Dinge auf der Welt sind "richtiger", als Menschen zusammenzubringen; als Verbindungen. Wenn wir den sozialen Medien das ermöglichen, können sie uns eine sehr kraftvolle Art von Gerechtigkeit bringen. Vielen Dank. (Beifall)