Mich traf es, als mein Freund mich
nicht zu seiner Hochzeit einlud.
Zuerst hat es mich kaum interessiert,
ich dachte er gibt einen kleinen Empfang.
Dann traf ich immer wieder Leute,
die zu dieser Hochzeit gingen,
aber dem Bräutigam nicht
so nah standen wie ich.
Ich fühlte mich ausgeschlossen.
Das war wirklich ätzend.
Es war unfair.
Bei meinen Töchtern, Lipsi und Greta,
passierte es letzte Woche.
Sie wechselten sich ab,
den Rücken ihrer Mutter
mit einem Spielzeug zu massieren.
Eines der Mädchen dachte,
dass das andere länger dran war.
Als ich den Raum betrat,
fand ich Greta wütend
schreien: "Das ist unfair!"
und Lipsi weinte
und meine Frau hielt eine Stoppuhr
damit jedes Mädchen das Spielzeug
genau eine Minute lang hatte.
Sollten Sie wie ich
oder wie meine Kinder sein,
dann hatte das Letzte,
was Sie wütend gemacht hat,
wahrscheinlich auch
mit Ungerechtigkeit zu tun.
Denn Ungerechtigkeit reizt uns so stark,
dass wir nicht mehr klar denken können.
Wir werden ängstlich und misstrauisch.
Unsere Ungerechtigkeitsfühler fahren aus.
Wir spüren Schmerz und laufen davon.
Ungerechtigkeit ist eins der zentralen
Themen unserer Gesellschaft.
Sie ist eine der Hauptursachen
für Polarisierung
und schlecht für's Geschäft.
Am Arbeitsplatz macht sie Menschen
defensiv und unmotiviert.
Eine Studie zeigt, dass in den USA
70% der Arbeiter innerlich gekündigt haben
und das kostet die Firmen
550 Mrd. Dollar pro Jahr, jedes Jahr.
Das entspricht der Hälfte dessen, was
in den USA für Bildung ausgegeben wird.
Es entspricht dem BIP
eines Landes wie Österreich.
Ungerechtigkeit beseitigen
und Gerechtigkeit fördern
sollte unsere Priorität sein.
Aber was bedeutet das praktisch?
Geht es um mehr Regeln?
Geht es um Systeme?
Geht es um Gleichberechtigung?
Nun, zum Teil, aber Gerechtigkeit ist
mehr als nur Regeln und Gleichwertigkeit.
Gerechtigkeit wirkt
auf überraschende Weise.
Vor 15 Jahren verließ ich
eine amerikanische Investment-Bank,
um bei einer großen staatlichen
Öl-Firma in Italien zu arbeiten.
Es war eine andere Welt.
Ich dachte der Schlüssel für hohe Leistung
sei ein Risiko-Belohnungssystem,
in dem man Leistungsstarken
Bonusse und Beförderungen gibt,
und Leistungsschwachen etwas,
worüber sie sich Sorgen machen müssen.
Aber in dieser Firma
hatten wir feste Gehälter
und unbefristete Arbeitsverträge.
Karrieren waren abgesteckt
und meine Methoden wirkungslos.
Ich war frustriert.
Aber dann entdeckte ich, dass diese Firma
ein paar Exzellenzzentren hatte,
Bereiche, in denen sie die Konkurrenz
in harten, umkämpften Bereichen schlugen.
Dies galt für den Handel,
für das Projektmanagement --
es galt vor allem für die Exploration.
Unser Suchteam fand mehr Öl und Gas
als jede andere Firma in der Welt.
Es war ein Phänomen.
Jeder versuchte herauszufinden,
wie das möglich ist.
Ich dachte, dass es Glück sei,
aber bei jeder neuen Entdeckung
wurde das unwahrscheinlicher.
Hatten wir ein Spezialwerkzeug? Nein.
Hatten wir eine Mörderanwendung,
die sonst niemand hatte? Nein.
War es ein Genie,
das das Öl für das Team fand?
Nein, wir hatten seit Jahren
keinen mit Erfahrung eingestellt.
Was war also das Geheimnis?
Ich schaute mir das Team genau an.
Zum Beispiel meinen Freund,
der sieben trockene Quellen bohrte,
was der Firma 1 Milliarde Dollar kostete,
bis er Öl in der achten fand.
Ich machte mir Sorgen um ihn ...
aber er war so entspannt.
Also, die Männer wussten, was sie tun.
Und dann kam es über mich:
Es ging um Gerechtigkeit.
Sie arbeiteten in einer Firma,
in der sie sich keine Sorgen um
kurzfristige Ergebnisse machen mussten.
Sie würden für Pech oder
einen Irrtum nicht bestraft werden.
Sie wussten, dass sie für das Ziel
ihrer Arbeit geachtet werden,
nicht für das Ergebnis.
Sie wurden als Mensch geschätzt,
waren Teil einer Gemeinschaft.
Was auch passierte,
die Firma stand hinter ihnen.
Für mich ist das
die Definition von Gerechtigkeit.
Wenn man die Ungerechtigkeitsfühler
einfahren und begraben kann.
So entstehen großartige Dinge.
Diese Männer konnten ihrem Auftrag,
Öl und Gas zu finden gerecht werden.
Sie mussten sich nicht um Firmenpolitik,
Habgier oder Angst zu kümmern.
Sie konnten Risiken eingehen,
weil sie nicht zu defensiv waren
und sie zockten nicht,
um große Gewinne einzustreichen.
Sie waren hervorragende Teamarbeiter.
Sie konnten den Kollegen vertrauen.
Sie mussten sich nicht rückversichern.
Sie hatten im Grunde Spaß.
Sie hatten so viel Spaß,
dass mir einer sogar gestand,
bei der Firmenweihnachtsfeier
mehr Spaß zu haben,
als bei seiner eigenen zu Hause.
(Gelächter)
Diese Männer arbeiteten im
Grunde in einem fairen System
in dem sie tun konnten,
was sie für richtig hielten,
anstatt was egoistisch,
was schnell, was bequem ist.
Das tun zu können,
was man für richtig hält,
ist eine Schlüsselzutat für Gerechtigkeit,
und es ist auch ein guter Motivator.
Es waren nicht nur die Schürfer,
die das richtige taten.
Da war der Leiter der
Personalabteilung, der vorschlug,
dass ich eine Leitungsposition
intern besetzte.
Die Person war sehr gut,
hatte aber kein Abitur;
formell hatte er keine Qualifikationen.
Er war aber so gut, dass es Sinne machte,
daher gaben wir ihm den Job.
Oder der Kollege, der mich um
die Finanzierung einer Käsefabrik bat;
im Dorf neben unser Fabrik in Ecuador.
Es machte keinen Sinn.
Niemand hat je eine Käsefabrik gebaut.
Aber das Dorf wollte es, weil die Milch,
die sie hatten schlecht wurde,
bevor sie sie verkaufen konnten;
das war der Grund.
Also bauten wir die Fabrik.
In diesen Beispielen, und vielen andern,
habe ich gelernt, dass meine Kollegen
und ich für die Gerechtigkeit
Risiken eingehen und etwas wagen mussten.
In einem gerechten System geht das.
Man kann Fairness wagen.
Ich merkte, dass diese Männer
und andere Kollegen
super Resultate erlangten,
und tolle Sachen machten,
die kein Bonus kaufen kann.
Ich war fasziniert.
Ich wollte lernen, wie das funktioniert.
Ich wollte es für mich lernen,
um ein besserer Leiter zu sein.
Ich sprach mit Kollegen, Berater,
Headhunter und Neurowissenschaftler
und entdeckte,
dass, was die Männer anpeilten,
und wie sie arbeiteten
wird von neuester Hirnforschung gestützt.
Und ich entdeckte, dass es
auf allen Ebenen funktioniert,
in jeder Firma.
Man braucht keine festen
Gehälter oder stabile Karrieren.
Denn die Wissenschaft zeigt,
dass Menschen einen intrinsischen
Sinn für Gerechtigkeit haben.
Wir wissen was richtig und was falsch ist,
bevor wir darüber sprechen
oder denken können.
Mein Lieblingsexperiment
ist mit sechsmonatigen Babys,
die einen Ball beobachten wie er
mühsam den Berg hoch rollt.
Es gibt ein hilfsbereites, nettes Quadrat,
das den Ball den Berg hoch schubst,
und ein gemeines Dreieck,
das den Ball zurück drängt.
Nachdem sie dies ein paar Mal sahen,
geben sie den Babys die Wahl,
mit was sie spielen wollen.
Sie können einen Ball, ein Quadrat
oder ein Dreieck aussuchen.
Sie wählen nie das Dreieck.
Alle Babys wollen das Quadrat sein.
Die Wissenschaft zeigt,
wenn wir Gerechtigkeit sehen
oder wahrnehmen,
schüttet unser Gehirn eine Substanz,
für Behaglichkeit, echte Freude, aus.
Aber wenn wir Ungerechtigkeit
erkennen, dann fühlen wir Schmerz,
noch größeren Schmerz,
wie den Schmerz, wenn
ich mich selbst verletze.
Denn Ungerechtigkeit steuert
das primitive, protoreptilische Gehirn,
den Teil, der mit Gefahr
und Überleben zu tun hat.
Wenn Ungerechtigkeit Gefahr auslöst,
dann können wir noch daran denken.
Motivation, Kreativität, Gruppenarbeit,
all das wird unwichtig.
Es macht Sinn, dass wir so angelegt sind,
denn wir sind soziale Tiere.
Wir müssen Teil einer Gemeinschaft
sein, um zu überleben.
Wir werden so hilflos geboren,
dass sich jemand um uns kümmern
muss bis wir vielleicht 10 sind.
Weil unser Gehirn Nahrung
zum wachsen braucht,
müssen wir in einer Gemeinschaft sein.
Ob ich es mag oder nicht,
nicht zur Hochzeit des Freundes
eingeladen zu sein,
löst in meinem Reptiliengehirn
die gleiche Reaktion aus,
wie der Ausschluss
aus meiner Gemeinschaft.
Die Wissenschaft erklärt sehr deutlich,
warum Gerechtigkeit gut ist,
und warum uns Ungerechtigkeit
defensiv macht,
aber sie zeigt auch, dass wir
in einer gerechten Umgebung
nicht nur alle das Quadrat sein wollen,
sondern dazu tendieren,
das Quadrat zu sein.
Das wiederum erlaubt Anderen fair zu sein.
Dies erzeugt einen schönen
Gerechtigkeitskreis.
Auch wenn wir gerecht beginnen ...
wird ein Tropfen Ungerechtigkeit
das ganze Becken verschmutzen,
und leider sind viele Tropfen im Becken.
Deshalb sollten wir überall so viel
Ungerechtigkeit wie möglich herausfiltern,
Angefangen bei unseren Gemeinden,
angefangen bei unseren Firmen.
Ich kümmere mich sehr darum, da ich
ein Team von 3000 exzellenten Leuten leite
und es ist entscheidend, ob 3000 Leute
glücklich und motiviert zusammen arbeiten,
oder 3000 Leute nur auf die Uhr achten.
Das wichtigste, was ich versuche --
in meinem Gerechtigkeitskreuzzug --
ist mein Versuch,
mich selbst herauszunehmen.
Das bedeutet meine Vorlieben zu kennen.
Zum Beispiel mag ich Leute, die zu allem
was ich vorschlage 'Ja' sagen.
(Gelächter)
Aber das ist nicht gut für die Firma
und es ist nicht gut
für Leute mit anderen Ideen.
Daher förderten wir
eine Kultur der Meinungsvielfalt
und der Charaktervielfalt.
Das Zweite ist mehr Prozessorientiert.
Wir prüften alle Regeln, Prozesse
und Systeme in der Firma.
Die, die wir zur Entscheidungsbildung
oder zur Ressourcenzuteilung nutzen.
Wir eliminieren alles, was nicht klar,
nicht vernünftig ist; keinen Sinn macht.
Wir versuchen alles zu verbessern, was
den Informationsfluss der Firma hindert.
Aus dem gleichen Grund
betrachteten wir Kultur und Motivation.
Mein Punkt ist, dass wir
Regel noch so prüfen können
die Prozesse, die Systeme --
und wir müssen das tun --
aber so sehr wir auch prüfen,
wir werden nie genug tun, um
zur Essenz der Gerechtigkeit zu gelangen.
Denn die letzte Meile zur Gerechtigkeit
braucht etwas anderes.
Es geht darum, was Leute fühlen,
was sie brauchen,
was in ihrem Privatleben vor sich geht,
was die Gesellschaft braucht.
Dies sind alles Fragen und Elemente,
die man nicht so einfach in einer Tabelle
oder einem Algorithmus unterbringt.
Es ist schwer, sie bei einer
rationalen Entscheidung einzubinden.
Aber wenn wir das auslassen,
dann versäumen wir Schlüsselpunkte
und das Resultat fühlt sich
wahrscheinlich ungerecht an.
Wir sollten unsere Entscheidungen mit
aktivierten Fairnesszentrum prüfen.
Ist es richtig, dass dieser den Job
bekommt, den er so gerne will?
Ist es richtig, dass jener entlassen wird?
Ist es richtig, dass wir für
das Produkt so viel verlangen?
Das sind schwierige Fragen.
Aber wenn wir uns
die Zeit nehmen zu fragen,
ob die rationale Antwort
die richtige ist ...
kennen wir alle
ganz tief innen die Antwort.
Wir wissen es seit dem Babyalter.
Und zu wissen, was
die richtige Antwort ist,
ist ziemlich cool beim Entscheiden.
Unser Herz anschalten
ist der Schlüssel, um
das Beste aus Leuten zu holen,
denn sie riechen es, wenn man sich sorgt.
Sie legen Ängste ab, wenn du dich sorgst
und bringen ihr wahres Ich zur Arbeit.
Wenn Gerechtigkeit
ein Eckstein des Lebens ist,
warum ist es dann nicht
die Priorität aller Leiter?
Wäre es nicht cool in
einer faireren Firma zu arbeiten?
Wäre es nicht super Kollegen
und Chefs zu haben,
die aufgrund von Fairness und Charakter
ausgewählt und ausgebildet wurden,
und nicht aufgrund
veralteter Eignungstests?
Wäre es nicht schön an die Tür eines
"Chief Fairness Officers" zu klopfen?
Das wird passieren,
aber warum ist es noch nicht Realität?
Nun, teilweise wegen Trägheit,
teilweise, weil Gerechtigkeit
nicht immer einfach ist.
Sie braucht Urteilsvermögen
und Risikobereitschaft.
Die achte Quelle zu bohren,
war ein Risiko.
Den Mann ohne Schulabschluss
zu befördern, war ein Risiko.
Die Käsefabrik in Ecuador
zu bauen, war ein Risiko.
Aber Gerechtigkeit ist ein Risiko,
das man eingehen sollte.
Daher sollten wir uns fragen,
wo können wir dieses Risiko eingehen?
Wo können wir uns
ein wenig mehr herausfordern,
und nicht nur Vernunft-getrieben
das Richtige tun?
Danke.
(Applaus)