Vielen Dank. In Geist der heutigen Konferenz möchte ich gern über eins meiner aktuellen Forschungsprojekte und seine Anfänge sprechen. Ich hatte nämlich eine irritierende Karte gesehen. Ich zeige Ihnen mal diese Karte und erkläre Ihnen den Hintergrund. Zunächst sollte ich erwähnen, dass ich ein Verhaltensökonom hier in Yale bin. Ich untersuche, wie Menschen im Zeitablauf Entscheidungen treffen und wie sie über die Zukunft denken. Letzteres beeinflusst ihr Verhalten beim Sparen, beim Lernen für Prüfungen, dabei, ob man eine Diät einhält oder mit dem Rauchen aufhört. Was genau irritierte mich an dieser Karte? Die Europäische Wissenschaftsstiftung veröffentlichte sie in den späten 90ern. Was mich besonders irritierte, war dieser blaue Bereich. Auf der folgenden Karte ist es einfacher zu sehen. Dies ist eine Karte Nordeuropas. Was mich so verwirrte, war Folgendes: Die Europäische Wissenschaftsstiftung hatte einen Bericht veröffentlicht, demzufolge eine Gruppe renommierter Forscher behauptet hatte, alle Regionen im blauen Bereich seien absolut zukunftslos. (Gelächter) Das ist eine ziemlich starke Behauptung. Als Ökonom bin ich es zwar gewohnt, Vorhersagen zu machen, die total daneben liegen, (Gelächter) aber das hier schießt den Vogel ab. Mit Ausnahme vielleicht von Island -- (Gelächter) man denke an die aktuelle europäische Finanzkrise -- geht es den Ländern im blauen Bereich tatsächlich sogar am besten. Als Ökonom erscheint es mir verrückt, diese Länder "zukunftslos" zu nennen. Es geht hier um Länder, die massiv sparen, mit privaten Haushalten, die unglaublich viel sparen, es sind Länder ohne Probleme am Anleihenmarkt, die sehr viel in öffentliche Infrastruktur und in die Zukunft investieren. Diese Länder sind also anscheinend sehr zukunftsbezogen. Der Grund für diese Verwirrung war: Die Forscher der Europäischen Wissenschaftsstiftung unter Leitung von Austin Dole, einer Art Superstar, meinten mit "zukunftsloser Ort" nicht dasselbe wie Ökonomen, denn sie waren ein Linguisten-Team. Tatsächlich meinten sie nicht, dass sich die Haushalte dort nicht um die Zukunft scheren, sondern dass in diesen Sprachen anders über die Zukunft gesprochen wird als in Sprachen außerhalb dieser Zone. Das brachte mich auf Gedanken zu etwas, über das ich näher sprechen will, nämlich den Zusammenhang zwischen Ökonomik, der eigenen Einstellung zur Zukunft, und wie einen die Sprache zwingt, über die Zukunft zu sprechen. Ich gebe dazu ein Beispiel: Sie sehen sicher, dass ich Chinese bin. Als ich aufwuchs, merkte ich, dass chinesische Familien sich in vielem von anderen unterscheiden. Ein sehr feiner Unterschied ist -- ich habe ihn erst spät bemerkt --, dass Chinesisch seine Sprecher zwingt, über ihre Familie anders zu sprechen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Angenommen, Freunde fragen Sie: "Willst du mit uns essen gehen?" Wenn Sie mit ihnen Englisch sprechen, können Sie sagen: "Das ist wirklich eine tolle Idee, aber leider ist mein Onkel hier und morgen bin ich schon mit ihm zum Essen verabredet. Aber wenn Sie Chinesisch sprechen, dann zwingt Sie diese Sprache, viel mehr preiszugeben, als ich das eben getan habe. Die allgemeine Bezeichnung "Onkel" gibt es hier nicht; Sie müssten es genauer angeben. Ihre Sprache würde Sie dazu zwingen, zu sagen, ob es ein Onkel mütterlicherseits oder väterlicherseits ist. Außerdem müssten Sie sagen, ob es ein angeheirateter Onkel ist. Sprachen unterscheiden sich hier also sehr grundsätzlich. Wie Sie hier sehen, brachte es der Linguist Roman Jakobson auf den Punkt, als er sagte: "Sprachen unterscheiden sich im Kern darin, was man sagen muss, nicht darin, was man sagen kann." So zwingt Sie Chinesisch etwa dazu, viel über Ihre Familienstruktur zu sagen; als englischer Muttersprachler dagegen denken Sie vielleicht: "Das müssen sie nicht wissen" oder: "Das geht sie nichts an." Zurück zu Austin Dole und seiner Gruppe von europäischen Linguisten. Die Linguisten der Europäischen Wissenschaftsstiftung untersuchten viele Sprachen weltweit und entdeckten dabei, dass sich Sprachen grundsätzlich sehr darin unterscheiden, wie sie ihre Sprecher zwingen, über die Zukunft zu sprechen. Die Forscher unterscheiden zwei Sprachgruppen: Die erste nenne ich "schwach zukunftsbezogen", das sind Sprachen mit geringem Zukunftsbezug. Das sind Sprachen wie Chinesisch, Finnisch und Deutsch: In ihnen muss man nicht, aber kann die Präsensform benutzen, um über die Zukunft zu sprechen. Dagegen sind Englisch, Griechisch, Italienisch und Russisch "stark zukunftsbezogene Sprachen", deren Grammatik Sprecher dazu zwingt, sich so auszudrücken, als ob sich Zukunft und Gegenwart im Kern unterscheiden. Zurück zu dem Beispiel, wo ich meinen Freunden sage, dass ich mit meinem Onkel essen gehe: Auf Chinesisch würde ich üblicherweise ganz einfach sagen: "Ich kann morgen nicht ausgehen. Ich esse mit meinem Onkel." Für einen englischen Muttersprachler klingt diese Zeitform merkwürdig. Viele, denen ich diese Liste zeigte, fanden das sehr seltsam. Wie viele von Ihnen sicher wissen, ist Englisch als germanische Sprache eng mit dem Deutschen verwandt. Trotzdem verhalten sich diese Sprachen hier gegensätzlich. Sicher sprechen viele von Ihnen Deutsch. Ich gebe ihnen mal ein Beispiel auf Deutsch. Angenommen, ich rede über das morgige Wetter. Da kann ich einfach sagen: "Es regnet morgen." oder "Morgen regnet es" oder "Morgen ist es kalt." Auf Englisch klingt das seltsam, denn wörtlich hieße das: "[Tomorrow it] is cold" oder "Tomorrow it [rains]", anstatt "Tomorrow it will rain." Die Frage ist: Kann sich das auf Ihr Verhalten auswirken? Kann es Ihre wirtschaftlichen Entscheidungen beeinflussen? Ich tat also das, was Ökonomen mit einer verrückten These tun, nämlich sie zu widerlegen, indem ich weltweit Datenmaterial suchte und es auf Herz und Nieren testete. Kurz zusammengefasst lautete die These: Können Sprachen mit ähnlichen Sprachformen für Gegenwart und Zukunft bewirken, dass ihre Sprecher Gegenwart und Zukunft ähnlich wahrnehmen? Warum könnte das wichtig sein? Wenn das zutrifft, sollte es diesen Sprechern leichter fallen, zu sparen, für Prüfungen zu lernen, sich nicht zu überessen und etwa mit dem Rauchen aufzuhören. Kurz zusammengefasst: Das ist tatsächlich das Ergebnis der Untersuchung. Alle eben beschriebenen Muster finde ich stark ausgeprägt überall auf der Welt, und egal wie kritisch man die These testet, das Muster bleibt dasselbe. Schauen wir uns das mal genauer an: Dies hier sind die OECD-Länder: reiche Erste-Welt-Länder, normalerweise also marktwirtschaftliche Demokratien. Über die europäische Finanzkrise sprachen wir schon. Sehen Sie sich die Staaten von links nach rechts an -- das ist die durchschnittliche Sparquote in den letzten 25 Jahren -- und am rechten Ende ist Griechenland. (Lachen) Griechenland spart nur knapp über 10 % seines BIP. Das ist keine Überraschung, weil wir wissen, dass das Land ein Problem mit dem Sparen hat. Es ist ein bisschen unhöflich, es hier zu erwähnen, aber vielleicht haben Sie ja bemerkt, dass wir hier in den USA gleich daneben liegen. (Lachen) Bitte beachten Sie: Hellblau sind Länder mit Sprachen, die nicht stark zwischen Gegenwart und Zukunft unterscheiden. Laut unserer Hypothese sollte es dort leichter sein, zukunftsorientiert zu handeln und zu sparen. Wie man sehen kann, trifft das voll zu. Ist dies nur ein Merkmal reicher Industrieländer? Nein, denn hier sehen wir sehr viel mehr Länder weltweit, und die schräg abfallende Kurve zeigt, dass genau dasselbe Muster im Grunde weltweit überall gilt. Man spart einfach mehr mit einer Sprache, die kaum zwischen Zukunft und Vergangenheit unterscheidet. Der Graph zeigt auch noch etwas anderes, womit wir die These noch stärker testen können. Worum handelt es sich? Alle sieben Länder hier in der Mitte haben mehrere Landessprachen. Das Gute daran ist, dass man in vielen solcher Länder praktisch benachbarte Familien findet, die unterschiedliche Sprachen sprechen. Warum ist das für uns nützlich? Es gibt uns einen genaueren Einblick in Länder wie die Schweiz, wo die einen Deutsch sprechen, andere Französisch, wieder andere Italienisch, und manche Familien Romanisch. Das gilt auch für Länder in ganz anderen Weltgegenden, wie Nigeria, wo Hausa-Sprecher direkt neben Yoruba-Sprechern und Igbo-Sprechern wohnen. Worauf will ich damit hinaus? Dies sind -- nein, es kommt noch ein achtes Land mit diesem Merkmal dazu. Ich will, ähnlich wie ein Epidemiologe, passende Familien-Paare finden. Was heißt das? Stellen Sie sich Folgendes vor: Ich stehe hier auf der Bühne mit 1,4 Milliarden Behältern und sortiere jeden von Ihnen in einen davon. Nach welchem Prinzip? Danach, in welchem Land Ihre Familie geboren ist und wo sie lebt, nach Geschlecht und Alter des Haushaltsvorstands, nach dem genauen Haushaltseinkommen, dem Bildungsgrad, dem Familienstand -- in Europa gibt es sechs verschiedene Arten der Ehe --, der Anzahl der Kinder in diesem Haushalt und der enorm wichtigen Frage nach der Religionszugehörigkeit, also welcher der 72 Weltreligionen Sie angehören. 1,5 Milliarden sind eine Menge Behälter. Wenn Sie Glück haben, sind Sie nicht allein im Behälter, sondern zusammen mit einer anderen Familie. Dann haben Sie Glück, denn Sie haben viel miteinander gemein. Es ist ein Glücksfall für uns Forscher, wenn wir mal zwei Familien im selben Behälter haben, deren Sprachen sich im Zukunftsbezug unterscheiden. Alles, was ich Ihnen jetzt erzähle, stimmt sogar dann, wenn man nur Familien mit ansonsten identischen Merkmalen vergleicht. Wir sehen also genau das, was wir vorhergesehen haben -- selbst unter Berücksichtigung der 1,4 Milliarden Behälter: In einem gegebenen Jahr sparen Haushalte mit Sprachen, die kaum zwischen Gegenwart und Zukunft unterscheiden, mit einer 30 % höheren Wahrscheinlichkeit. Das gilt wie gesagt auch bei gleichem Einkommen. Bis zur Rente haben diese Haushalte 25 % mehr Vermögen erwirtschaftet. Die Wahrscheinlichkeit starker Raucher ist 24 % geringer. Das ist mehr als eine Packung pro Tag über ein Jahr irgendwann im Leben. Dasselbe Verhalten findet man auch in anderen Bereichen, etwa im Gesundheitsverhalten: Die Wahrscheinlichkeit für Fettleibigkeit ist 13 % geringer; die, dass schon mal geraucht wurde, ist 24 % geringer. Diese Gruppe ist langfristig in fast jeder Hinsicht eindeutig gesünder. Griffstärke, Lungenvolumen, Laufgeschwindigkeit, all diese Aspekte, es ist sozusagen die Fähigkeit zur Sorge um Ihr zukünftiges Ich -- Sie essen besser, treiben Sport, lassen das Rauchen sein. All das scheint zuzutreffen, sogar wenn man Familien im selben Behälter vergleicht. Lassen Sie mich mit Folgendem schließen: Zunächst einmal vielen Dank fürs Zuhören. Dies ist ein Forschungsgebiet, das gerade erst in Gang kommt. Im Moment führe ich hier in Yale mit einem Team von Linguisten und Psychologen Experimente durch, um die psychologischen Wirkmechanismen für diese Zusammenhänge zu bestimmen. Besuchen Sie gerne meine Homepage und verfolgen Sie dieses spannende Projekt weiter, um zu sehen, was Ökonomen von Linguisten lernen können. Vielen Dank! (Applaus) (Jubel)