Vorspann-Musik Ja, schönen guten Morgen. Wie schon gesagt: Ich bin Sebastian von Cadus. Cadus ist eine Hilfsorganisation, die sich in Berlin vor ungefähr 1 1/2 Jahren gegründet hat, aus so subkulturellen Zusammenhängen, zum Teil mit sehr viel Erfahrung in der Feldarbeit, zum Teil über 15 Jahre in der humanitären Hilfe, zusammengefunden, deswegen, weil wir abgegessen waren davon wie es bei vielen Organisationen läuft. Deswegen auch dieser hochtrabende Titel "Refine Global Solidarity". Ob wir das immer so einhalten, werden wir sehen. Das ist ein bisschen ungewöhnlich, dass ich vor dem Podium hier vielleicht einen Vortrag halten kann, weil ich bin von IT so weit entfernt, wie man das nur sein kann. Also ich bin froh, wenn ich den Rechner an und aus kriege. Meistens lasse ich ihn an, damit nix passiert. Lachen Applaus Aber tatsächlich kann ich, glaube ich, ganz gut einen Überblick darüber geben, wie der Ist-Zustand gerade ist und mit welchen Problemen wir zu kämpfen haben im Feld sozusagen. Ich werde nachher versuchen, Lösungsansätze darzustellen - seid geduldig mit mir und seid gnädig, weil, ähm, ich habe mir die Fachbegriffe aus Wikipedia rausgezogen. Die stehen ... lacht so auf den Folien drin. Ich glaube, ich kann die Ideen ganz gut skizzieren. Tiefgehende Fachfragen - da wird es irgendwann schwierig, da bin ich eher über Anregungen dankbar. Ich möchte ganz kurz darstellen, was wir als Cadus jetzt machen, warum wir der Meinung sind, dass man bei so Kommunikation und Katastrophe vielleicht nachlegen sollte, wo wir gerade unterwegs sind, wo wir jetzt gerade im Einsatz stehen und an was für Schwierigkeiten wir da stoßen. Unser Haupteinsatzgebiet momentan ist Nordsyrien, auch bekannt als Rojava, das sind die dort kurdisch befreiten Gebiete, also mehrheitlich kurdisch befreiten Gebiete. Dort arbeite gerade quasi fast niemand, das ist vielleicht nur eine Handvoll NGOs, 5 an der Zahl, die man dort vor Ort findet. Wir machen da zum Teil, zur Zeit Ausbildungsprojekte für paramedics, für SanitäterInnen und für PflegerInnen mit dem Schwerpunkt natürlich chirurgische Versorgung, weil das ist ein Land im Kriegszustand, wo wir einfach schauen müssen, den Leuten wieder die Skills beizubringen, ihre Gesellschaft selbst zu versorgen. Wir arbeiten dort mit einer zivilen Hilfsorganisation zusammen: Heyva Sor a Kurdistanê, dem Kurdischen Roten Halbmond. Das 2. große Projekt ist daraus entstanden, dass in solchen Bürgerkriegsgebieten von den Kombattanten gerade Einrichtungen der zivilen Versorgung - hauptsächlich - Ziel von Anschlägen und Attacken sind. Das sind jetzt mal Bilder von Krankenhäusern aus Kobane. Kobane ist den meisten von Euch vielleicht bekannt aus dem letzten Jahr: die Stadt, die fast vollständig vom Islamischen Staat eingenommen war, bis auf wenige Straßenzüge, und sich dann wieder freigekämpft hat. Das ist so ein Beispiel für ein Krankenhaus von MSF, von Ärzte ohne Grenzen wie es nach dem Granatbeschuss aussieht. Und da seht ihr uns in einer Krankenstation, die gerade vor einer Woche dem Erdboden gleichgemacht wurde, in Til Temir, also im Frontgebiet zum IS, wo wir auch ausgebildet haben. Unsere Reaktion darauf hin war zu sagen: Hochgefährliches Gebiet, stationäre Einheiten dort aufzubauen - schwierig. Weswegen wir gerade an einem Konzept für ein komplett mobiles Krankenhaus auf Allrad-Basis arbeiten. Da sind wir gerade in Berlin dabei den ersten LKW umzubauen. Bei den weiteren LKWs mangelt es gerade noch so ein bisschen an den Finanzen, aber wir sind dran mit dem Konzept dann im Nordirak und in Nordsyrien komplett mobil zweiwöchentlich wechseln zu können, aus Sicherheitsgründen. Einfach, um unsere Teams und die Teams mit denen wir zusammenarbeiten, nicht zu gefährden. Wir engagieren uns in der technischen Rettung vor Ort, wir versuchen gerade so Feuerwehr-Basiswissen, was es hier gibt, in Form von hydraulischen Rettungssätzen, nach Nordsyrien zu bringen. Da nicht nur Rojava. Weil, das muss man auch mal klar sagen: Das ist nicht die Region, die es gerade am schlimmsten trifft. Aleppo z. B. sieht momentan noch wesentlich ungünstiger aus. Und unser letztes großes Einsatzgebiet ist jetzt Lesbos, wo wir nächste Woche starten mit einem eigenen Boot. Das ist daraus entstanden, dass wir mit den Communities auf den Inseln selber in Kontakt getreten sind. Es gibt ja da dieses massive Problem: Über 800.000 Rettungswesten, die rumliegen, woraus wir gerade ein Upcycling-Projekt machen, welches wiederum die Seenotrettung vor Ort finanzieren soll. So viel zu uns, wo wir gerade stehen. Nun zu dem grundsätzlichen Problem. Die Folien sind generell in Englisch, aber das sollte, denke ich, kein großes Problem sein. Als erstes Beispiel möchte ich da Haiti zeigen. Haiti 2010, das Erdbeben. Es gab ein massives Erdbeben mit mehreren Nachbeben. Bei dem Erdbeben, das den Hauptschwerpunkt in Port-Au-Prince, in der Hauptstadt hatte sind fast 300.000 Menschen ums Leben gekommen. Es sind unglaublich viele Menschen obdachlos gewesen und es gab eine sehr schnelle, sehr beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft. Man muss dazu wissen: Die Infrastruktur war komplett zerstört. Also, man muss sich das so vorstellen: Krankenhäuser kaputt, alle Funkanlagen kaputt, Telefonnetze kaputt, Abwasser - egal, was man sich vorstellen kann: Alles tatsächlich zerstört. Und innerhalb kürzester Zeit waren unzählige Hilfsorganisationen vor Ort. Haiti hatte den großen Vorteil, dass die USA sehr nahe gelegen ist und die USA immer so ein bisschen in der Region auch schaut, wie sie sich politisch aufstellt. Die hatten im Nullkommanichts eine ganze Luftlandeeinheit, eine ganze Division - die 82. Luftlandedivision - auf Haiti. Die haben natürlich technisches Besteck dabei gehabt, mit dem sie sehr schnell eine grundsätzliche Telefonnetzversorgung wieder gewährleisten konnten. D.h. auf Haiti war es nicht das Problem, telefonieren zu können, sondern die Frage war tatsächlich eher: Mit wem kann denn überhaupt telefonieren? Wer ist denn überhaupt da? Dadurch, dass erstmal das Telefonnetz, das örtliche Telefonnetz komplett zerstört war, war alles an Wissen, was es vorher gab, nicht mehr gegeben. Wie erreiche ich Ministerien? Wie erreiche ich staatliche Stellen? Was für Notrufnummern gibt es? Die waren langfristig ausgeschaltet. Es wurde ja sozusagen durch die USA ein komplett neues Notfalltelefonnetz on top drauf gesetzt. Was das erstmal verhinderte, dass jetzt Helferinnen und Helfer mit den notwendigen Gütern zusammenkamen. Was mir von damals noch so in Erinnerung ist: Ich bin 2 oder 3 Tage lang so ein bisschen ziellos durch die Gegend geirrt, um herauszufinden, wo denn jetzt die große Zentralapotheke ist, wo die Hilfslieferungen kommen, wo die kleineren NGOs sich für ihre mobilen Einheiten das Material abholen konnten. Einfach, weil dieses Wissen nicht über Internet oder irgendetwas abrufbar war. Es gab, wie gesagt, nur ein Notfalltelefonnetz. Das nächste Problem ist dann natürlich die Frage: Wie koordiniere ich mich vor Ort mit den Plätzen, wo ich eigentlich hinkommen möchte? Es gibt unzählige Einsatzorte. Es gibt wahnsinnig viele wild gewachsene kleine Refugee Camps, die Leute suchen sich irgendwo ihren Space, wo sie sich zurückziehen, wo sie sich sicher fühlen. Wo sie erstmal sagen: Wenn ein Nachbeben kommt - hier kann nix passieren. Wie finde ich die? Wie kann ich sicher sein, dass sie versorgt wurden? Wie werden Informationen weitergeleitet? Wie kann ich also dafür sorgen, dass dieser Kreislauf, diese 3 Dinge, in irgendeiner Art und Weise miteinander gematched werden. Hat auf Haiti gar nicht stattgefunden. Haiti war aus humanitärer Sicht ein Milliardengrab. Da sind unglaubliche Summen verschütt gegangen, weil die Hilfsmaßnahmen und die Hilfsgüter und die Betroffenen nicht zueinander gefunden haben. Um das nochmal kurz zusammenzufassen: Es waren über 900 Hilfsorganisationen innerhalb kürzester Zeit vor Ort. Nach 3 Wochen war das tatsächlich ein unüberschaubarer Schauplatz von großen Organisationen bis hin zu so genannten MoNGOs - "my own NGO" - gerade in den USA ein sehr beliebtes Ding. Bin christlich motiviert, oder was, meine, jetzt was tun zu müssen, evangelikal oder was, und mache halt eine Hilfsorganisation zu zweit, packe einen Koffer voll Medikamente und gehe halt in so ein Krisengebiet und meine, dort Hilfe leisten zu können. Könnt ihr euch vorstellen, was das für eine unüberschaubare Anzahl an Menschen und Organisationen ist, die man versuchen muss, in irgendeiner Art und Weise zusammenführen. In Woche 3 waren es, glaube ich, 12.000 Helfende vor Ort - da sind die Soldaten der USA noch gar nicht mitgezählt. Unglaublich viele verschiedene working fields. Es ist ja nicht nur die Medizin. Das geht von Statik von Gebäuden - welche Gebäude sind noch sicher, sind einsturzgefährdet? Über Leichenbergung, über Wasserversorgung, über Nahrungsmittel. Und selbst innerhalb von medizinischen Gebieten reden wir ja über ganz unterschiedliche Dinge: Langzeitversorgung, Akut-Rettungsdienste, Gesundheitsvorsorge, Impfkampagnen. Das alles zu matchen - Wahnsinn. Das einzige Tool, was es dafür gibt, wird zur Verfügung gestellt von der UN OCHA, vom Office for the Coordination of Humanitarian Affairs. Und das nennt sich Cluster Meeting. Cluster Meeting klingt total gut, gibt es in linken Zusammenhängen total viel, nennt sich: Plenum. Lachen Das meinen die dann ernst. 900 Organisation vor Ort und es gibt ein Zelt, wo dann draußen Pläne dran geheftet sind und wo sich dann 900 Organisationen treffen sollen, um sinnvoll abzusprechen, wie man diese Notfalllage jetzt sozusagen unter Dach und Fach kriegt. geht natürlich nicht. In Folge davon entwickeln sich zahlreiche Unter-Cluster-Meetings. Es gibt also ein Health-Cluster, es gibt ein Technical-Cluster, ein Logistical-Cluster. Die gibt es dann auch noch teilweise national. Das THW geht natürlich zur deutschen Botschaft und sagt: Alle deutschen Hilfsorganisationen treffen sich jetzt hier. Warum, weiß kein Mensch, weil die Einordnung nach Nationalität keine sinnvolle ist in diesem Moment. Aber, das ist der Ist-Zustand, wie es 2010 aussah, und wie es auch heute bei Katastrophen noch aussieht. Das ist für das Fallbeispiel Naturkatastrophe mit massiven weiträumigen Zerstörungen. Ähnliche Geschichte ist jetzt das Beispiel Syrien, Rojava, dort wo wir arbeiten. Wenn man sich diese Karte anschaut - einige kennen das vielleicht, die diesen Verlauf dort ein bisschen aufmerksamer verfolgen in den Medien: Das schwarze Gebiet ist das Gebiet des Islamischen Staates. Das sieht riesengroß aus, wirkt schon kleiner, wenn man es reduziert auf die schwarzen Punkte. Das sind nämlich die bewohnten Siedlungen. Das heißt ein riesiger Teil ist unbewohnbare Wüste. Die ist relativ einfach zu erobern, denke ich mal. vereinzeltes Lachen Der rote Teil ist das, was die Assad- Regierungstruppen zur Zeit noch besetzen. Der grüne Teil ist eine Melange aus syrischen Rebellen - bekannt aus den Medien ist die Freie Syrische Armee. Dazu zählen aber auch viele, islamistischere-re-re, noch nicht ganz IS-mäßige Brigaden. Das ist ein wilder Mix, wo man immer nicht genau weiß, welcher Straßenzug, wer hat dort jetzt wie wo wann die Oberhand. Die gelben Gebiete sind mittlerweile das, Stand Mitte Dezember, was die demokratischen Kräfte und die kurdischen Kräfte zusammen freigekämpft haben. Man reduziert das immer gerne auf die bösen Kurden, wenn man sie mit der PKK vergleicht, das sind aber wesentlich mehr Player am Start. Also, es gibt eine große assyrische Gemeinde mit eigenen Millizen. Es gibt eine aramäische Gemeinde, es gibt arabische Einheiten, die miteinander unter einer Dachorganisation diese Gebiete freigekämpft hat. Jetzt muss man sich das so vorstellen: In diesen Gebieten gibt es keine Staatsmacht mehr, zur Zeit. In diesen Gebieten haben überall Kampfhandlungen stattgefunden. In diesen Gebieten sind irrerweise Flüchtlinge aus dem Nordirak, die freiwillig nach Syrien gehen, weil sie den nordirakischen Peschmerga nicht vertraut haben, sodass in diesem Bereich Syriens, der total zerbombt ist und der von allen Seiten mit einem Wirtschaftsembargo belegt ist, noch viel mehr Menschen sind aus dem Nachbarland, ja, die per se schon mal, da sie in Refugee Camps leben, keine Kommunikationsstruktur mitbringen außer ihren mobilen Endgeräten. In den Städten, die so tatsächlich aussehen. In dieser Stadt, das ist Kobane, leben zur Zeit 40.000 Menschen in den Trümmern. Und das sind keine ausgewählten Fotos, um zu zeigen, wie schlimm das ist, sondern das sieht rundherum tatsächlich so aus. Gibt es natürlich auch keine bestehende, normale Kommunikationsstruktur mehr. Wie machen die Menschen das da gerade vor Ort? Internet und Telefon funktioniert nur über das Netz, das abgestrahlt wird aus der Türkei. Das heißt, wer das Geld hat kann sich glücklich schätzen, weil er kann halt mit Mobilkarten von Turkcell auch das Internet mobil nutzen. Wer das Geld nicht hat, der sitzt auf dem Trockenen. Heißt: Hier auch wieder kein Staat, der in irgendeiner Art und Weise versuchen würde, das Ganze wieder zu richten. Assad hat gerade kein Interesse, in diesem Gebiet die Kommunikationsstruktur wieder aufzubauen. Keine UN, spannenderweise, was bei großen Naturkatastrophen der Fall ist. Weil die UN hier, in Anführungszeichen, "nicht zuständig" ist, weil es ein Bürgerkrieg ist und Assad die Genehmigung zur Arbeit in diesen Gebieten nicht erteilt. Die Türkei ist in der Lage das Netz natürlich nach Belieben abzuschalten, passiert auch immer wieder. Wer die Medien gerade verfolgt, es gibt gerade extreme Clashs im Norden vom kurdischen Siedlungsgebiet, was der Süden der Türkei ist. Da werden regelmäßig Internetdienste, Telefondienste von der Türkei abgeschaltet. Das betrifft dann natürlich auch immer den kompletten Bereich in Syrien, auf den das vorher abgestrahlt hat. Das heißt, die komplette Kommunikation - über Logistik, über Infrastruktur, wo gibt es Krankenstationen, wo sind Krankenhäuser etc. - ist gerade runter gebrochen auf Zettel und Stift. Die gute alte Briefkommunikation. Das geht dann halt so weit: Es gibt halt handgeschriebene Telefonlisten von Menschen, weil es gibt nicht einmal mehr internetbasierte Spenderdateien für Blut. Wenn es also Schwerverletzte gibt durch die Kämpfe, dann haben die Krankenhäuser handgeschriebene Listen, wo sie halt durchgehen, und dann von Handy zu Handy, wenn das Turkcell-Netz denn gerade funktioniert und nicht kollabiert ist oder abgeschaltet wurde, sozusagen händisch versuchen können, SpenderInnen für eine Warmblutspende zu finden. Also absolut irre Situation 2015 - kann man sich gar nicht vorstellen. Das 3. Beispiel sind Massenproteste, da muss ich gar nicht so viel zu sagen. Die Beispiele sind vielzählig: Ägypten, der komplette Arabische Frühling eigentlich, China: Dauerzustand; Thailand - überall da, wo Bevölkerung sich auflehnt und wo halt Organisationsprozesse stattfinden, innerhalb von demokratischen oder weniger demokratischen Protestbewegungen, ist es natürlich so: Wenn die Telekommunikation, wenn das Internet in den Händen des Staates ist, kann er nach Belieben Dienste einfach abschalten oder einschränken. Was für Lösungsansätze gibt es? Jetzt kommt der Part, wo ihr mich gnadenlos vorführen könntet. Firechat ist einer der 1. Anbieter im Messaging, die peer-to-peer funktionieren, wenn denn die Netze nicht da sind, sagen aber selber, sie funktionieren bedingt, ich selber hab keine Erfahrung damit. Problem bei Firechat ist: bislang ist das Ganze unverschlüsselt. Das ist natürlich für Massenprotestbewegungen dann denkbar ungünstig. Sie wollen's demnächst verschlüsselt anbieten, sagt der Hersteller... sagt der Anbieter Problem ist: Es ist ein reiner Nachrichtendienst D.h. damit hab ich vom Organisationsgrad her noch gar nichts gewonnen. Ich könnte also in Gebieten wo das Netz abgeschaltet wird, wieder über Mesh-Netze kommunizieren, aber davon ist diese Organisationslage noch kein bisschen besser geworden. Dann gibt es verschiedene Ansätze, von denen ich 2 vorstellen möchte, die dieses Mesh-Networking benutzen, und entweder mit einem Extender arbeiten oder sogar mit noch komplizierterer Hardware dahinter. Das eine ist ein australisches Projekt, sogenanntes Serval Project, die haben 2013 Crowdfunding gemacht, um ihre Extender, ihre Funkextender für die Mesh-Netzwerke refinanziert zu bekommen. Das hat leider nicht funktioniert damals. Die hatten einfach die Idee, dass sie herkömmliche Funkwellen nutzen über diesen Extender, um in Katastrophengebieten wieder für eine Kommunikation zu sorgen. Problem ist das Gleiche: Kommunikation hab ich dann zwar, Organisationsgrad hab ich immer noch nicht erhöht. Eine ähnliche Idee gibt's in Berlin. Das sogenannte Ingenium-Projekt an der TU. Die sind ein bisschen weitergegangen, die haben tatsächlich zu der Hardware-Erweiterung auch 'ne App entwickelt, eine App, die halt die Bevölkerung in die Lage versetzen soll, Missstände, Probleme in Katastrophen zu melden. Ich würd die hier mal selber sprechen lassen wollen, von ihrer Website, sie sagen dazu nämlich: "Hierfür wurde extra eine Website und App entwickelt, welche die Betroffenen wie auch die Rettungsdienste und staatliche Organe in gleichem Maße befähigt, organisierte Maßnahmen schnellstmöglich einzuleiten. Somit können Betroffene und Menschen vor Ort angeben, welche Straßen intakt, welche Hilfe benötigt und wo welche Hilfe bereits geleistet wird. Die Einträge werden analysiert und an die relevanten Stellen weitergesendet, sowie in Karten verzeichnet. Hierdurch kann die Organisation verbessert, unnötige Wege vermieden und die Aufbaumaßnahmen schnellstmöglich eingeleitet werden. Das System ist so konzipiert, dass es eine sehr geringe Aufbauarbeit benötigt, und bis zu einer Woche in der Luft bleiben kann." Sie reden von "Luft" weil ihre Idee ist, den Extender per Luftschiff, per fixiertem Luftschiff, in den Katastrophengebieten zum Einsatz zu bringen. Könnte man jetzt sagen, dann ist das Problem ja gelöst, aber aus der praktischen Sicht aus der Feldarbeit kommen da mehrere Sachen, wo ich sagen würde schnalzt mit der Zunge schwierige Geschichte. Punkt Nr. 1: Das funktioniert nur in Katastrophengebieten, die ein hohes internationales Interesse hervorrufen. Denn das ist Technikequipment, was massiv teuer ist. Sowohl die Funkextender, die Serval-Projects als auch die Luftschiffe des Ingenium-Projekts müssen ja irgendwie refinanziert werden, d.h. es muss tatsächlich erstmal so sein, dass diese Katastrophe entweder medial die Aufmerksamkeit erzeugt hat, dass freie Spenden zur Verfügung stehen, oder die UN muss bereit sein, Gelder dafür zu Verfügung zu stellen. Das ist in Katastrophen nicht immer der Fall. In Syrien war es jetzt über 3 Jahre lang so, dass die 'bösen Kurden' im Norden nicht versorgt wurden, und dass dafür auch Gelder nicht bereitgestellt wurden. Man muss aber gar nicht in so Bürgerkriegsgebiete kucken, da reicht es schon, sich die Philippinen anzuschauen, 2013 nach dem Taifun 'Yolanda', da war's nämlich so, dass ... das Hauptgebiet das betroffen wurde, war die Insel Leyte. Und die war der Zentralregierung ein Dorn im Auge, weil dort lokal die Opposition an der Macht war. Das hieß für uns als Hilfsorganisationen, die vor Ort gearbeitet haben, gab's massive Einschränkung dadurch, dass der Staat einfach die Hilfeleistungen, die er hätte leisten können, gar nicht ausgeübt hat. Und wieder der Punkt: Wenn die UN tätig werden will, muss die UN das immer mit der Genehmigung des existierenden Staates machen, d.h. wenn der nicht mitspielt, hat die Bevölkerung vor Ort halt gelitten. Das ist der eine Punkt, der daran schwierig ist. Der 2. Punkt ist: Gerade in Bürgerkriegsgebieten wie in Syrien ist natürlich ein fest installiertes Luftschiff, ich hab's vorhin zu den Krankenhäusern gesagt, sowas sind als allererstes die Anknüpfungspunkte, wo Anschläge und Sabotage ansetzen, das wäre hier wahrscheinlich auch der Fall. Das wäre natürlich sowohl für die Türkei, für den IS, für rivalisierende Brigaden, wäre es überhaupt kein Problem, dieses Kommunikationsnetz wieder lahmzulegen. Ähm, genau... Es gibt eine weitere Methode, das ist nämlich die Datensammlung via Crowdmapping. Dazu ist die App Ushahidi, ich glaub auch vor 2, 3, 4 Jahren richtig an den Start gegangen, wobei ich auch schon Screenshots von 2010 gefunden habe. Die Idee ist grundsätzlich natürlich total super, dass halt die komplette Community vor Ort gemeinsam die Daten sammelt. Das wollt ich nämlich grad noch sagen, zu dem Ding vorher, immer wenn darauf verwiesen wird, "Daten werden gesammelt, Daten werden analyisert, Daten werden an relevante Stellen weitergeleitet", muss man immer die Frage hinterher stellen: Wer macht das denn? Ja? Weil wenn man sich darauf verlässt, es gäbe eine Institution, das ist immer wieder eine Institution, die refinanziert sein muss, und die auch in irgendeienr Art und Weise ja wieder 'ne ganz große Steuerfähigkeit erlangt darüber, ne? Wenn ich die Informationen zentral leite, über eine Information bewerten soll, welche Informationen wichtig sind, dann geb ich dieser einen Institution ganz schön viel Macht in die Hand. Das wäre hier anders beim Crowdmapping, wäre aber zeitgleich auch wieder das Problem. Crowdmapping heißt: Jeder und jede könnte tatsächlich bei dieser App drauf zugreifen und könnte halt irgendwie eintragen, wozu sie gerade lustig ist, Jetzt geht man davon aus natürlich, dass in Krisengebieten die Menschen nur ernsthafte Informationen dort eintragen würden, da übersieht man aber, dass das humanitäre Geschäft leider auch perverserweise ein riesen Wirtschaftszweig ist, in dem es um Milliarden an Spendengeldern geht, sodass ich mal sagen würden: Bei 900 Organisationen, wo auch kleine und Kleinstorganisationen dabei sind, wo keinerlei Zertifizierung dabei ist, was das Fachwissen dieser Organisationen bedeutet, wäre ein reines Crowdmapping irgendwann eine Sammlung von Informationen, die genauso unüberschaubar wäre wie das Chaos, das es vorher gab. Unsere Idee dazu, aus all diesen Ansätzen, alle Ansätze sind eigentlich ganz gut, oder haben halt den richtigen Kernpunkt des Problems "Katastrophe und Kommunikation" erfasst, bei allen Ansätzen ist aber das Problem, dass sie diese 3 Teilbereiche von Katastrophe, von Kommunikationskatastrophe, nicht vollständig erfassen. Entweder wird die Nummer "Naturkatastrophe" nicht erfasst, wie beim Crowdmapping, da brauch ich ein funktionierendes Netz, oder es wird der Punkt nicht erfasst, dass ein Staat vielleicht auch willentlich versucht, Kommunikation zu verhindern, oder es wird nicht erfasst, dass es diese zentrale Einheit, die alles analysieren und zielgerichtet weiterleiten kann, dass es die gar nicht gibt. Wir arbeiten momentan da zusammen mit Prof. Dr. Thomas Schwotzer von der HTW Berlin, der hat ein Framework entwickelt, Sharknet nennt sich das, da hatten wir vor 1 Jahr mal angefangen, es ist dann aber eingeschlafen, weil wir mit Syrien, das klingt jetzt zwar profan, aber einfach zu viel zu tun hatten, um das sinnvoll die ganze Zeit weiter zu leiten. Wir sind aber zumindest soweit gekommen, Ideen zu entwickeln, wie denn so eine Lösung für Kommunikation in Katastrophe aussehen könnte, die jetzt zumindest so in Form von Mock-ups schon mal vorliegt. Und zwar, wie gesagt, wenn man so etwas angeht, dann muss man versuchen, diese ganze Situation mehrdimensional zu erfassen. D.h. auf der einen Seite muss ich schon mal anfangen, und muss Organisationen erfassen. Welche Organisationen sind da, und was können diese Organisationen? Ich muss aber auch weitergehen, ich muss Individuen erfassen in diesen Organisationen. Abgeleitet davon muss ich jetzt sagen: Organisation CADUS e.V. ist vor Ort mit 3 Medizinern/Medizinerinnen, die können ja ganz unterschiedliche Skills mitbringen und ganz unterschiedliche Fachgebiete. Das ist etwas, was vor Ort tatsächlich ein riesen Problem darstellen kann. Ihr müsst euch das so vorstellen, wir machen eine mobile Klinik, nach einem Erdbeben, ich hab da einen Anästhesist und eine Chirurgin dabei und dann kommt jemand mit einer massiven Augenverletzung. Und da stellt sich mir die Frage, wie finde ich jetzt unter 900 Organisationen und mehreren 1.000 Freiwilligen in einem Gebiet, das zerstört ist, und wo ich gar nicht weißt, wo die alle campen, wo sie ihre Zentralstationen haben, wie find ich da jetzt vielleicht einen Facharzt für Augenheilkunde. Das würd man dadurch lösen, dass man's mehrdimensional aufstellt, nicht nur die Organisation muss da sein, sondern auch das Individuum mit den jeweils dazugehörigen Skills, wäre halt so ein Beispiel, wie so eine Organisation aussehen könnte. Und dann müsste diese App, die man daraus entwickeln würde, jedem die Möglichkeit geben, Angebote und Suchanfragen zu erfassen, sodass tatsächlich die direkte Kommunikation von Individuum zu Individuum möglich wird. Ja? Ich kann sagen, ich brauch einen Anästhesisten, du kannst sagen, ich brauch eine Chirurgin, du kannst sagen, ich brauch eine Statikerin, können wir schauen, wie wir das austauschen können. Und das Ganze müsste natürlich noch kartenbasiert sein, damit ich tatsächlich diese Informationen weiträumig teilen kann. D.h. was wir versucht haben, aufzubauen, ist eine kartenbasierte, verteilte Datenbank, die über peer-to-peer funktionieren sollte. Wenn ich denn auf dieser Grundkarte, die sich jeder sozusagen runterladen könnte, einfach nur noch kleine Zusatzinformationen vermerke, "diese Straße ist blockiert", "hier sind noch Leichen zu bergen", "hier ist ein Flüchtlingslager, das nicht versorgt wurde, bislang", "hier ist ein Haus, das einsturzgefährdet ist", dann sind die Datenmengen, die diesen Pin darstellen, nicht so groß, sodass unsere Hoffnung war, wir würden das über ein peer-to-peer Netzwerk tatsächlich hinbekommen. Unterstützt dadurch, dass wir sagen würden, mir Raspberry Pis könnte man unauffällig so genannte Datenhotspots aufstellen. Denn auch in Katastrophengebieten gibt es eine Sozialstruktur, die sich sehr schnell und sehr deutlich abbildet. Das klingt auch immer so ein bisschen profan, aber da, wo's als allererstes wieder eine offene Kneipe gibt, da treffen sich irgendwann alle Hilfsorganisationen, so doof, wie das klingt. Es gibt also gewisse Hotspots, wo ist die UN OCHA, wo ist der Airport, wo ist die erste Bar, die wieder aufmacht, wo sind Möglichkeiten, heiß zu duschen, das sind Räume in Katastrophengebieten, wo sich über kurz oder lang alle Organisationen über'n Tag irgendwann mal treffen oder zumindest einzelne VertreterInnen treffen würden, sodass man dieses peer-to-peer Netzwerk mit Hotspots mit Datenknotenpunkten versehen könnte. Kurz zusammengefasst also: "Natural Hotspots" in Katastrophengebieten zu nutzen, zusammen mit diesem peer-to-peer-Netzwerk. Es wäre immer noch sehr sinnvoll, diese App, diese Datenbank, wenn denn die Netzwerke wieder funktionieren, weil sie dann immer noch natürlich die Daten erfassen könnten und untereinander weiter teilen könnten. Man kann es also ganz alleine für sich sogar benutzen, wieder ein Bsp. aus der Praxis: Wenn wir grad nen Antrag schreiben wollen für Nordsyrien, dann fragen natürlich die Stiftungen, die ja Gelder ausspucken wollen: Wie sieht die Lage vor Ort aus? Wie viele Gesundheitsstationen gibt es? Wie viele Krankenwagen gibt es denn vor Ort? Wie viele Refugee-Camps gibt's denn vor Ort? Diese Informationen, die bekommt man momentan nicht gesammelt, die könnten alle in so einer App auch mit gespeichert werden, und wir könnten damit diese Ära von Zettel und Stift hoffentlich langsam der Vergangenheit angehören lassen. Soviel von mir, vielen Dank für's Zuhören. Jetzt wär' ich offen für Fragen! Applaus ... ich weiß nicht genau, wie ihr das macht mit Frage/Antwort. Engel: Ja, richtig. Kommen wir jetzt zur Q&A-Session, Mikrofon ist an. Erstmal super herzlichen vielen Dank nicht nur für deinen Vortrag, auch für euer Engagement, was ihr dort vor Ort macht und wo ihr sehr viel Infrastruktur und eben auch Kommunikationsstruktur leistet, um sowas zu ermöglichen. Das Spiel ist immer das Gleiche, wir machen jetzt eine Q&A-Session, aber weil wir ja drüben auch im Stream dafür sorgen wollen, dass die Kollegen, wie heißt es, die draußen jetzt vielleicht im Video es sich anhören, geht bitte, links und rechts stehen jeweils Mikrofone, an den Mikrofonen dann die Fragen sozusagen rein, hat den Vorteil, dass dann das, was ihr sagt, auch sozusagen aufgenommen werden kann damit die Menschen, die das im Nachhinein sich anhören, weil gerade dieser Talk war wirklich, ist prädestiniert dafür, auch nachgekuckt zu werden, wird bestimmt sehr gut verbreitet werden. Ja, dann einfach jetz zu den Mikrofonen gehen. Ansonsten, gibt es noch irgendwelche Sachen? Ich seh auch drüben eben, aus'm Internet, aus'm Weltnetz gibt's auch irgendwelche Fragen, die werden wir dann danach verlesen lassen. Aber erstmal zur linken Seite, oder von mir linken Seite. Vortragender: Ich nutz die Sekunde noch, hier vorne liegen so kleine Flyer, ich weiß, Offlineworld, aber da sind nochmal unsere Kontaktdaten drauf, wen dieses Projekt interessiert, wir sind über Kontaktaufnahme immer sehr, sehr dankbar. Da sind auch so E-Mail-Adresse und was man so hat, steht, könnt ihr sehr gerne mitnehmen. Aus dem Publikum: ... Sammelbox Vortragender: Und ne Sammelbox steht da auch! Ja! lacht Frage: Also mein Name ist Magdalena Sassen, ich lebe, arbeite und wohne seit 1968 in Hamburg und ... als Wahlheimat, und als Flüchtling, Wirtschaftsflüchtling, Ausbildungsflüchtling aus Nordrhein-Westfalen. Meine Frage ... Lachen aus dem Publikum Meine Frage zielt darauf hin, können Sie... 2 Fragen... 2 Fragen. Können Sie den Flächenmaßstab von Syrien und dem ganzen Kriegskontinent sag ich jetzt mal, vergleichen mit einem europäischen Land? Das war die 1. Frage. 2.: Zu Ihrem Krisenmanagement in Berlin ausgearbeitet, möchte ich Folgendes sagen: Stellen Sie sich vor, ein Atommeiler wie Fukushima, hier in Europa, geht kaputt. Was für ein Krisenszenarium und Katastrophenhilfeprogramm werden wir erwarten können, wenn unsere Politik und Regierung nicht mal in der Lage ist, innerhalb der Zeit das "Flüchtlingsproblem" hier so zu organisieren und gestalten? Das macht mich derart betroffen und wütend, dass ich gar nicht mehr weiß, wie ich noch an meine positive Zukunft denken kann. ich möchte eigentlich hier noch in Europa 30 Jahre leben. Dankeschön, ich freu mich, wenn Sie mir diese beiden Fragen beantworten. Und nochmal herzlichen Dank für diesen hervorragenden Vortrag. Ich werde vieles davon weitergeben können. S: Die eine Frage ist kurz zu beantworten, Syrien, ich würd jetzt mal so sagen, das müsste ungefähr die Größe von Frankreich haben, das Land Syrien selber. Aber so genau ... da würd ich Onkel Google lacht mal in die Fremde schicken wollen. vereinzeltes Lachen aus dem Publikum Die Grenze, die Nordgrenze von Syrien zur Türkei, und es geht ja dann quasi bis zu der Ostgrenze, die hat sowas um die 800 - 1000 km. Das ist so ungefähr der Maßstab. Zu der 2. Frage muss ich ganz klar sagen: Da kann ich leider nicht viel zu sagen, denn diese Krisenhilfe in diesen Maßstäben ist in industrialisierten Ländern ganz anders aufgestellt. Es gibt hier Hilfsorganisationen wie das THW, wie das Deutsche Rote Kreuz, Malteser, UNITA usw., usw. Den Verweis zu der Flüchtlingskrise, sogenannten "Krise" ... ich find' das Wort ja ... furchtbar Applaus Da würd ich jetzt mal nicht als CADUS antworten, sondern meine persönliche Meinung, weil das ist nicht rückbesprochen. Ich glaube, das eine andere Versorgung natürlich möglich wäre, ich hab halt lange für ne deutsche Hilfsorganisation auch gearbeitet, die in Deutschland tätig ist. Es ist so, dass nach dem 2. Weltkrieg ein sehr umfassendes Bevölkerungs- Katastrophenschutzprogramm aufgestellt wurde. Es sind unwahrscheinliche Ressourcen da, bei all den großen Hilfsorganisationen. Das THW ist ne sehr gut finanzierte Bundesanstalt. Die 4 großen Hilfsorganisationen ASB, Johanniter, Malteser und Rotkreuz sind riesige Organisationen mit nem riesigen Katastrophenschutz. Dass es Zustände in Berlin wie vor'm LaGeSo geben muss, dass Menschen, dass 1000 Menschen über Nacht in der Kälte stehen ... das glaub ich nicht, dass das nicht bearbeitbar wäre, wir haben auf einer anderen Veranstaltung auch ne Vertreterin des Gesundheits... äh... der Abteilung Gesundheit aus dem Senat da gehabt, wo wir gefragt haben: Warum wird denn nicht das in Gang gesetzt, was eigentlich da wäre? Es gibt tatsächlich ein sehr umfassendes Katastrophenschutzsystem. Wo gesagt wurde: Ja, das würde ja auch nix bringen, wenn wir den Katastrophenfall jetzt ausrufen würden. Das halte ich für falsch. Man hat da gesagt, es gibt 2 Argumentationen. Das eine Argument, was immer gebracht wird, ist: Man möchte ja Geflüchtete nicht als Katastrophe bezeichnen, das halt ich für vorgeschoben, weil bei der Oderflut hat man auch gesagt: Den Menschen, denen jetzt das Wasser zu den Knien steht, das ist auch ne Katastrophe. Also, da seh' ich den Unterschied nicht. Und der 2. Punkt, dieses "Würde halt nix bringen", das stimmt meiner Meinung nach nicht. Das THW, Rotkreuz, wären ganz easy in der Lage, die Zuwanderung, die mhomentan stattfindet, viel menschenwürdiger abzufangen. Das ist, mehr oder weniger... Applaus Vielleicht zu dem Thema "Was passiert bei einer großen Katstrophe" Das THW hat ein Datenprojekt, das dafür da ist, die großen Hilfsorganisationen hier zu vernetzen. So ein Datenprojekt, da haben wir auch ein bisschen abgekuckt, wie man so die eine oder andere Sache organisatorisch lösen könnte, solche Geschichten sind natürlich komplett internetbasiert, weil man hier davon ausgeht, wenn eine Katastrophe stattfindet, dann hat man eben das technische Knowhow, die Ressourcen von ner Bundeswehr, von THW, von Nachbarstaaten etc. zur Verfügung, etwas, worauf wir in Trikont-Ländern einfach nicht zugreifen können. Engel: Ok, ich sehe, wir haben noch 7 Leute an Mikrofonen und noch Fragen aus dem IRC, wieviele? Einmal kurz anzeigen! Noch 2, also haben wir 9 Fragen, 25 Minuten, nur, damit ihr euch in etwa so die time slots so vorstellen kann. Ich wechsle mal ab, damits keine Bandenbildung gibt. Hier vorne, das rechte vordere Mikrofon bitte. F: Ok. Ich Frage mich, wenn man z.B. irgendwie WLAN Access Points oder sowas z.B. in dem Bereich stellt, inwieweit man das verstecken muss, also, sind die z.B. vom IS in der Lage, sowas zu orten, oder reicht es, wenn man eine Kiste drum macht und die irgendwie in Tarnfarben anmalt, und dann finden sie's wahrscheinlich eher nicht? S: Also, um den IS und um den Geheimdienst des IS, da ranken sich wahnsinnige Gerüchte. Manche sagen, der ist so gut aufgestellt, man darf nicht mal bei Facebook irgendwas posten, sollte man ja eh nicht, ich weiß. Vereinzeltes Lachen aus dem Publikum Andere sagen, die sind auf nem Niveau von anno dazumal. Ich würde halt mal so sagen: Alles, was ein beständigerer Infrastrukturpunkt ist, der auch bekannt wird, ist ein Risiko, in den Gebieten, die, unter Anführungszeichen, "noch umkämpft" sind. Ich kann das nur für die Gesundheitsstation sagen. Die sind jetzt auch nicht groß außen markiert, aber irgendwann ist halt bekannt, wo halt verletzte Menschen versorgt werden. Und wenn man die langfristig dort hat, Und so ähnlich würde es halt bei Stromgeschichten, bei Generatoren usw. ... alles, was eine beständige Infrastruktur ist, ist natürlich Anschlagsziel in Bürgerkriegsgebieten. Deswegen meine Kritik, dass ich denke, in solchen Situationen sind halt sehr deutlich sichtbare Strukturmaßnahmen nicht allzu geeignet. Deswegen fand ich so diese Idee mit den Raspberry Pis so sexy, und natürlich in der Bar ... das wär vielleicht ne ganz gute Lösung. Engel: Ok, dann hinten rechts bitte! F: Ja , ich bin Karl aus den Niederlanden, und ich hab noch eine Frage: Vergessen Sie nicht ein sehr großes Netz, das Netz der Radio Synth Amateure und der Packet Radios? S: Ja. lacht Mit Sicherheit! Applaus Ich kann dazu gar nichts sagen, kommen wir gerne mal in Kontakt, wenn's da Möglichkeiten gibt und Ideen gibt, das sozusagen on top dazuzunehmen... F: Zum Bsp. Mit der Überflutung in den Niederlanden und England in 1953 fiel das Strom- und Telefonnetz aus und die Radio Synth Amateure werden berichtet haben, wo da Flüsse sind, wo da ein Krankenhaus sind, wo Flüchtlinge empfangen wurden, das müssen Sie nicht vergessen. Und das ist ein weltweites Netz. S: Mhm (zustimmend). Engel: So, dann jetzt eine Frage aus dem Internet, IRC! F: Ja, die 1. Frage: "Damit dieses System, diese Datenbank funktioniert, müssen ja alle auch, also auch die Großen, mitspielen. Ist das überhaupt realistisch?" S: Ich glaube schon. Die Frage wurde schon öfter gestellt, ich glaub, da gibt es 2 Stellschrauben, an denen man drehen kann. Das eine ist natürlich das UN OCHA selber mit Sicherheit ein großes Interesse hat, dass es so Systeme gibt, sie haben nur keine eigenen Forschungsgelder um halt diese Systeme anzustoßen. Und die 2. Schraube ist halt, dass das Personal, das im Feld arbeitet, sehr große Lust dazu hat. Die Großen, und das ist vielleicht auch Teil so einer gewissen Hilfsorganisationskritik, ein großes Interesse, die Kommunikation sehr deutlich zu verbessern, gibt es von organisatorischer Leitung manchmal nicht unbedingt. Was ich schon meinte, es ist ein riesen Wirtschaftsfeld, und man hat auch gerne den für sich abgegrenzten Part, wo man sich medial sehr gut einzeln darstellen kann. D.h. Gelder werden da mit Sicherheit nicht freigesetzt, aber wenn so ne Lösung angeboten wird, die nichts kostet und nur was bringt, und die UN OCHA sagt, das macht Sinn, und das working field personnel auch noch sagt so, ja, auf jeden Fall, dann können sich die Organisationen da eigentlich nicht verweigern. Engel: Dann hinten links bitte! F: Was den Aufbau der Infrastruktur angeht, bin ich ganz spontan über dieses Mesh- Netzwerk auch an Freifunk erinnert worden, bei dem mit extrem geringem finanziellen Aufwand du ja auch ne ziemlich große selbst- organisierendes Netzwerk aufbauen kannst. Also, wenn du da, was weiß ich, 200, 300 Router hast, die du ins Feld reinschmeißt, die Dinger sind unauffällig, die siehst du nicht, das einzige, was sie brauchen, ist Strom, und dann mit irgendwie Ras Pis oder sonstirgendwas dahinter, was halt auch unauffällig ist und ein bisschen Plattenplatz und Speicherplatz hat, dann glaub ich, bist du da auf ner Möglichkeit, relativ unkompliziert irgendwas aufbauen zu können. Und selbst, wenn einer dann zerbombt wird, stellst du halt den nächsten hin. Die 20 Euro machen den Kohl ja auch nicht fett. S: Mhm (zustimmend) F: Ähm, das war der eine Punkt, der andere Punkt wär eben auch die Frage gewesen, inwiefern diese eigenentwickelte App tatsächlich ne Chance hat, auch in der Breite eingesetzt zu werden. Und ob die Datenstrukturen, die dahinterstecken, tatsächlich... - die ihr aus eurer Sicht entwickelt habt - ob die tatsächlich für alle Hilfsorganisationen dann auch passen. Wär so Frage gewesen. S: Also, es ist so, dass wir in der Entwicklung auch noch versuchen, andere Organisationen mit reinzuziehen, in Gesprächen stehen auch mit einigen wenigen größeren Playern, bei denen wir denken, dass sie so als Flagschiffe taugen würden, also wir sind durchaus nicht so arrogant, zu glauben, dass wir die Lösung für alle bieten, sondern versuchen, da schon auch Fachwissen von außen mit dazuzuholen. Mit den Freifunklern stehen wir derzeitig auch in Kontakt, und es gibt Menschen, die halt Interesse haben, da bei der Entwicklung noch mit zu schauen, und ... die Lösung wird halt nachher eine Mischung sein aus verschiedenen Lösungsansätzen, die es bislang schon gegeben hat. F: Danke. Vielleicht noch kurz eine Anmerkung, kurz noch ne Anmerkung zu dem Katastrophenschutz, ich hab's in meiner Vergangenheit auch schon oft erlebt, dass der Katstrophenfall sehr, sehr ungern ausgerufen wird, weil da tatsächlich komplett andere Organisations- und Machtstrukturen plötzlich zum Tragen kommen. Also ... S: Ja. F: Du hast's ja wahrscheinlich... weißt's ja wahrscheinlich genauso gut wie ich, wie stark die Katastrophenschutzeinrichtungen, Katastrophenschutzplanungen zurückgefahren in den letzten 20 Jahren. S: Ja. F: Von daher ... ja. Engel: Dann hier vorne links bitte. F: Hallo erstmal. Danke für den Vortrag und für die schönen Anregungen. Ich frage mich, wenn ihr eine verteilte peer-to-peer Datenbank aufbaut, über Standorte von Infrastruktur, inwiefern schützt ihr denn die Helfer und die Organisationen, dass die nicht missbraucht werden um dann wieder gezielte Angriffspunkte zu sein, für Kriegsparteien? S: Das ist 'ne gute Frage, tatsächlich muss man da wieder den Einsatzfall sich anschauen, im Fall einer Naturkatastrophe ist es ja sogar gewünscht, dass Informationen gespreaded werden und so viele Einsicht bekommen wie möglich. Für den Fall Syrien ist es tatsächlich eine Fragestellung, an der wir arbeiten. Genauso wie halt an einem Sicherheitsprotokoll, was es vielleicht verhindert, oder wie man halt... möglichst verhindern kann, dass Falschmeldungen in so einer Datenbank auftauchen. Das ist eine momentan noch etwas offene Frage, an der wir arbeiten. Die finde ich genauso spannend wie du. Da kann ich aber viel mehr auch nicht... Jetzt würde mir so ein IT-Fachmensch fehlen, der da vielleicht mehr Ideen zu hat. Engel: Ja, dann hier vorne rechts wieder, bitte! F: Ja, der eine Kollege hat ja schon gesagt, Low-Tech ist sehr sinnvoll. UNHCR hat dazu auch Case Studies ebenso das ICRC, also vielleicht setzt's euch mit denen ein bisschen in Verbindung, Freifunk ist ganz wichtig find ich, weil das ist eben halt passiv, kann man gut arbeiten. Und die meisten Use Cases, die sie sich rausgesucht haben, waren aus den 40ern bis 70er/80er-Jahren, d.h. sehr viel einfache Technik mit landgebundenen Kabeln usw., die man... die auch vor Ort jemand, also, sagen wir der lokale Dorfschmied reparieren kann. S: Mhm, ja. F: Ja? Damit spread ich's auch. Zu den Daten von der App: Auf jeden Fall verschlüsseln. Sonst hast du da potenzielle Todeslisten, das ist nicht gut lacht Ja! lacht Und zur Flüchtlingskrise, diese Sache mit den großen Hilfsorganisationen, die arbeiten auf Einladung. D.h. viele der Helfer und viel der Infrastruktur darf gar nicht eingesetzt werden, sofern der Staat es nicht beantragt. Und soweit ich das weiß, wurde schon angefragt, ob sie deployen dürfen, und sie durften einfach nicht. Ja, also.. die helfen dann privat, aber nicht mehr mit dem ... S: Das war auch durchaus als Kritik am Staat deutlich gemeint. lacht Lachen aus dem Publikum Applaus Engel: Wir haben noch 5 Fragen, 15 min, nur für's... time slots. F: Ok, ich versuch, mich kurz zu halten. Meine Frage betrifft nicht den Katastrophenteil, sondern eher den Konfliktteil eurer Arbeit, eurer Arbeitsbereiche, und betrifft eher den Schutz vom zivilen Sicherheitsbedürfnis bei der Förderung von lokalen Protestorganisationen. Und zwar genauer, wie NGOs im Fall von eurer NGO, oder allgemein, den Schutz vor, die Zivilbevölkerung vor katastrophalen Folgen, von der Aktivität von westlichen NGOs schützen können. Ähm, ich wiederhol die Frage nochmal: Lachen Entschuldigung, ich bin immer nervös, ich spreche selten vor Publikum. Aber ich versuch's nochmal, mit der Frage vorweg, und dann erläutere ich das an 1, 2 Punkten. Wie gewährleisten NGOs, die Zivilbevölkerung vor potenziell katastrophalen Folgen durch die Aktivität westlicher NGOs in Konfliktgebieten zu schützen? Ich will das an einem Schema für Aktivismus erläutern, man kann Menschenrechts-, Sozialaktivismus und sowas dergleichen in verschiedene Punkt vielleicht unterteilen. Einmal gibt es die Sache, den Weg und das Ziel. Im Bsp. von NGOs, die Infrastruktur für Protestbewegungen in der Arabischen Welt z.B. unterstützt haben, die wollen, die haben das Ziel, die Menschen dort vor staatlicher Repression zu schützen, die Strategie, die die verfolgen, ist, der Aufbau von Infrastruktur und ... SJ (leise): Ich hab die Frage noch nicht... F: Das Ziel ist, Menschenrechte und Demokratie zu fördern. Engel: Entschuldigung, wenn ich dich kurz unterbreche... F: Es tut mir leid, es tut mir leid Engel: Sag 1x bitte die konkrete Frage, weil wir haben noch 5 andere und aus dem Internet und es soll kein Monolog werden. F: Ich verstehe, es tut mir leid, es tut mir leid, aber es erfordert... Manche Fragen sind komplex, ... Engel: Ja, das glaub ich dir, darum komm jetzt bitte zur Frage! F: Genau. Ok... Lachen Im Fall von Syrien... Klatschen Die Frage ist: Wie kann man in Zukunft verhindern, dass, wie im Fall von Syrien, westliche NGOs den lokalen Aktivisten, den Freiheits- und Menschenrechtsaktivisten ein Versprechen geben, das nicht eingehalten werden kann, Bsp.: Bevor der Syrienkonflikt eskaliert ist, gab es Investitionen in Kommunikationsstrukturen von, durch Avaaz z.B., und es gab aber auch externe Akteure, also Staaten, die auch das Land destabilisieren wollten, wie kann man in Zukunft ... S: Kann ich nur kurz sagen... Kann ich nicht viel zu sagen, also tatsächlich, ist mir jetzt nicht so bekannt, dass Hilfsorganisationen, also... Engel: Vielen Dank für.. S: Versprechen nicht einhalten... vereinzeltes Lachen Engel: Vielen Dank für die Frage! Gehen wir weiter, wir kommen jetzt zu der Frage ausm Internet und dann geht's wieder den Kreis rum. F: Ja, vorher noch eine Anmerkung von Twitter: Syrien hat 28,7% der Fläche von Frankreich. Zum Vergleich. Und als Frage: Gibt es Fälle von Sabotage bei oder gegen Hilfsorganisationen? S: Ja, das hab ich ja vorhin gezeigt, z.B. das Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen. Oder z.B. auch das andere Krankenhaus, das vorher zu sehen war, es ist tatsächlich so, dass halt Hilfsorganisationen, gerade vom IS vermerktes Ziel sind, auch mit der Idee natürlich, darüber eine Angst zu schüren, die dafür sorgt, dass die Helfer/Helferinnen abgezogen werden und die Zivilbevölkerung nicht versorgt wird. Das hat zum Teil geklappt... (unverständliche Wortmeldung) Engel: Ssscht! S: Es hat zum Teil geklappt, in Aleppo arbeitet niemand mehr, meines Wissens. Auch ich würd mich da nicht hintrauen, ganz klar. Und z.B. im Fall von MSF, die dürfen momentan auch nicht mehr mehr, oder längere Tage in Kobanê bleiben, die müssen tatsächlich jeden Tag das Land verlassen um in der Türkei zu übernachten, wobei ich mich gerade frage, ob es da jetzt gerade sicherer ist. Aber das ist natürlich was, was auch eine Folge davon ist, dass diese Einrichtungen tatsächlich gezielt angegriffen wurden. Engel: Ok. Jetzt hier vorne, hinten links bitte! F: Lieber Kollege, vielen Dank für die Info, 28% von Frankreich ist die Fläche von Syrien. Ich frage jetzt: Stichwort Flying Doctors. Wie können die Hilfskräfte sich dort fortbewegen? Nicht gerade mit ner Cessna oder so, wenn die ... S: In Syrien meinst du jetzt? F: In Syrien, ja. S: Da wurden so Sachen erf... So Autos! Lachen Klatschen Es gibt in Syrien zur Zeit keinen Flugverkehr, außer von den Resten der syrischen Luftwaffe von Assad und den bekannten internationalen Akteurinnen. F: Mit anderen Worten, wenn die geordert werden, woher auch immer, können die das Ziel ja vielleicht gar nicht mehr erreichen, weil's nicht mehr da ist oder was. S: Was? Lachen F: Die Hilfskräfte oder Ärzte, Flying Doctors, die Sie geordert haben, von der Organisation. Den Anästhesisten da und den Operateur da, Pipapo, Entschuldigung, dass ich mich so ausdrücke. S: Ja, ja, ja. F: Wenn Sie die ordern, und die können doch nicht innerhalb von einer bestimmten Zeit vor Ort sein, das ist doch ein ganz enormer Aufwand, per Auto, wie Sie sagen, oder LKW, mit und ohne Hilfsgüter kommen. S: Den Punkt muss man... F: Also, ... S: Momentan ist es halt so, in Syrien... F: Problem der Logistik! S: Ja, ja! Von den Einsatzorten, tatsächlich, wo halt Krankenwagen zur Zeit gebraucht werden, bis zu den Zentren der Versorgung wie Krankenhäusern, klar, da muss man teilweise mit 3-4 Stunden Fahrt rechnen. Das stimmt schon so, ja. Ist halt Kriegsgebiet. Engel: Ja, dann hinten rechts bitte nochmal! F: Ja, Stichwort Stift und Papier. Wir haben ja jetzt diese tolle Smartphone-Technologie und wollen die natürlich auch einsetzen, weil Post-Singularität, blabla. Aber es gab ja auch schon bevor es das gab Entwicklungshilfe. Sind die Kompetenzen und Möglichkeiten aus dieser Zeit bereits im Einsatz und daraus folgt diese Organisationskatastrophe, die Sie jetzt bei Haiti beschrieben haben? Oder sind diese mehr oder weniger zusammengebrochen und könnten als Übergangslösung vielleicht doch noch angeschlossen werden. S: Na, ich glaub man muss dazu vor allem sehen, dass sich diese Hilfsorganisationslandschaft massiv verändert hat. In den letzten 30 Jahren sind so unglaublich viele neue Hilfsorganisationen entstanden, es gab ja eine sehr manifeste Kritik, beginnend in den 80ern an den großen, bekannten Hilfsorganisationen. Da gab es Desaster wie in Ruanda etc., woraus sich eine Kritik entwickelt hat, wo sehr viele kleine Organisationen nachgeschossen sind. Einen Zustand, dass 900 Organisationen auf so einer Halbinsel wie Haiti unterwegs sind, das hat's vor 30 Jahren nicht gegeben, weil schlicht und ergreifend nicht so viele Organisationen bestanden haben. D.h. dieses Organisationschaos hat sich auch durch den Anstieg der Anzahl der Organisationen auch zum Teil erst entwickelt. Q: Danke. Engel: Ok, nehmen wir jetzt nochmal eben kurz die Fragen ausm Internet, alle anderen Fragen und die, die noch am Mikrofon stehen im Zweifelsfall hinterher, du bist ja bestimmt noch ein bisschen hier, dann sozusagen im Direkttalk angehen. Liebes Internet! Q: Ja, hier sind noch 2 Fragen: "Habt ihr die Skalierbarkeit mal abgeschätzt? Wenn da wirklich viele Clients dabei sind, könnte es eng werden in den Funknetzen." S: Also tatsächlich gibt es sowieso eine Debatte darüber, dass man halt überlegt: Wen möchte man eigentlich vernetzen? Da bin ich jetz mal ganz kritisch, wenn da tatsächlich diese 1-Menschen-Organisationen, die mit nem Koffer unsortierter Medikamente in die Region reisen, das wird auch weiterhin so sein, dass das Satelliten sind, die dort rumkreisen, die man nicht einfangen wird. Wobei der Punkt dann auch ist: Wenn es Menschen mit hohen Skills sind, dann werden die nicht einfach nicht so in der Regel dort aufschlagen, sondern ein sehr erfahrener Chirurg, eine erfahrene Statikerin, die aus dem Arbeitsleben sich die Zeit freiboxen um dort hinzugehen, die wird ziemlich früh überlegen: Welcher Struktur schließe ich mich an? D.h. es wird immer so sein, es wird eine Menge an Satelliten geben, die man über so ein Datennetzwerk auch nicht erreichen wird. Das muss man einfach mit einkalkulieren. Engel: Die 2. Frage? Q: Und die 2. Frage wäre, als Zusatzfrage zur vorherigen, oder davor noch: "Gab es auch Sabotage zwischen Hilfsorganisationen?" S: Ahm... Ich würd's mal nicht Sabotage nennen, es gibt unschöne Szenen. Es gibt unschöne Szenen, es gibt Platzhirschgehabe, gerade in Haiti war tatsächlich so ein bisschen Goldgräberstimmung teilweise, da wurden Claims abgesteckt, und man musste teilweise als Einsatzpersonal so ein bisschen hilflos dabei zusehen, wie auch dann die Organisationen auf Entscheidungsebene miteinander ins Gehake gekommen sind und wo halt sinnvolle Kooperationen nicht eingegangen wurden, weil es nicht gewollt war, das muss man deutlich so sagen. Es ist tatsächlich ein Punkt, Organisationen in der humanitären Hilfe leben zum großen Ganzen von Spenden und da gibt's nen Kampf mit teilweise harten Bandagen. So weit, in Richtung Sabotage, würd ich jetzt nicht gehen. Mir hat noch keiner Abführmittel ins Essen gemacht, aber ... Lachen Mal kucken... Lachen Engel: Dann hinten rechts bitte! F: Ich hätte eine Frage zu den mobilen Krankenstationen. Und zwar werden ja auch Hospitäler und sowas ab und zu mal von befreundetem Militär beschossen, wie gut ist denn da die Kommunikation zwischen den Leuten vor Ort und dem Militär und vor allem bei der Mobilstation, wie wird denn da die Kommunikation sichergestellt? S: Also ein gewisses Restrisiko bleibt immer. Also dass halt auch Krankenhäuser, ihr kennt ja den Fall von Ärzte ohne Grenzen und dem amerikanischen Militär, das war mit Sicherheit auch vorher kommuniziert, wo dieses Krankenhaus war. Es ist so, dass in den nordsyrischen Gebieten eine gute Kommunikation besteht, weil man sich einfach kennt, weil wir länger dort arbeiten, sodass wir den Milizen, die dort tätig sind, durchaus sagen können, wo wir stehen und wo wir keinen Granatbeschuss wollen. Es ist aber auch so, man muss es sich in Nordsyrien jetzt nicht so vorstellen... Menschen denken immer, da wird überall an jedem Ort gekämpft - das ist ja nicht so. Der gelbe Bereich, der vorhin gezeigt wurde, ist wirklich flächendeckend von Kampfhandlungen befriedet, und da, wo die Grenzen ineinander übergehen, dort gibt's dann eine klassische Front, wo halt gekämpft wird. Wenn man jetzt nicht so verrückt ist, und ein mobiles Krankenhaus in der Frontlinie aufbaut, sondern dort, wo die Zivilbevölkerung die Versorgung braucht, die ja auch nicht an der Front rumspringt, dann kann man da eigentlich relativ gesichert sein, und hat eher das Problem tatsächlich von Anschlägen. Und da ist eine der Ideen, das mobile Konzept zu nutzen, um nicht langfristig... um die Planbarkeit von Anschlägen einfach massiv zu erschweren. Engel: Oh, da kommt noch ne Frage! Hinten rechts bitte! F: So, last but not least: Nr. 1: Danke mal für deinen Einsatz, weil das zu tun, glaub ich, fordert schon sehr viel Encouragement. Applaus Und ja, man hört's, ich komm aus Österreich, und ich komm auch aus dieser Gegend, wo du... also, ca. 40 km von Spielfeld entfernt, diesem Übergang, wo jetzt ja viele tausende Flüchtlinge durchgegangen sind, die letzten Monate. Die Frage, die sich mir vor allem stellt, weil ich dort vor Ort mit vielen Hilfskräften und auch Beamten gesprochen hab: Wie oft werdet ihr ausgewechselt? Also wie schauen bei euch dir Circles aus, die Turnuszeiten vor Ort, wie lange seids ihr im Einsatzgebiet und wie kannst du auch ab und an einmal relaxen, dass du überhaupt das erträgst? S: Da kann ich ganz klar keine klare Antwort zu geben, weil das extrem organisationsabhängig ist. Also ich weiß das von Ärzte ohne Grenzen, dass sie z.B. in der Regel in ihren Hilfseinsätzen, wenn's um eher Entwicklungszusammenarbeit geht, von 3 Monaten ausgehen, 3-6 Monaten, die man vor Ort sein sollte. Da hat jede Organisation für sich so ein bisschen ein Safety Protocol entwickelt. Bei uns ist es so, da wir momentan noch vollkommen ehrenamtlich sind, können wir uns das nicht so gut aussuchen, in der Regel ist es, dass wir nicht länger als 2-3 Wochen ins Bürgerkriegsgebiet gehen, weil das tatsächlich eine hohe Belastung ist. Was die Refugeehilfe gerade anbelangt, d.h. die Lesbos-Geschichten, da ist es ja anders planbar und die Rückkehr in die Normalität ist auch relativ einfach. Da kann man auch in die Unterkunft gehen, die Tür zumachen und hat wieder, in Anführungszeichen, eine "andere" Normalität als einem Bürgerkriegsgebiet. Da kann man durchaus auch länger bleiben. Aber das bestimmen Organisationen für sich, quasi intern. Es gibt leider, gerade bei der Refugee-Frage, da da sehr, sehr viel auf freie Volunteer-Kräfte abgeladen wird, gibt's da durchaus Menschen, die seit 2 Monaten irgendwo in diesen Grenzregionen unterwegs sind und sich auch ganz massiv kaputtmachen. Also denen gilt mein ganzer Respekt auf jeden Fall. F: Danke dir auf jeden Fall. Applaus Engel: Ja, dann kommen wir hinten links jetzt zur letzten Frage, just in time. F: Hört ihr mich? Ah, so geht's! Das ganze Hilfsgeschäft ist ja irgendwie so ein bisschen Community-getrieben zumindest wenn man die Spender miteinbezieht, Und jetzt nochmal zu dem technischen Aspekt eurer Lösungsansätze, hab ich bisher in deinem Talk den Begriff Open Source Community vermisst. Seid ihr auch da irgendwie in der Richtung unterwegs, dass ihr versucht, eben einfach technisches Personal zur Entwicklung von Lösungen aus der Open Source Community zu akquirieren? S: Total. Ist einfach ein Begriff, den müsste ich mir wieder bei Wikipedia suchen, Lachen aber wenn ich richtig verstehe, was du meinst, dann, ja, total. Also es gibt viele verschiedene Menschen aus verschiedenen Bereichen, die da gerade Interesse zeigen, mitzuarbeiten, und das ist ein bunter Kreis gerade, bin gespannt, wie das wird, aber, ja. Engel: Ja, wunderbar, damit haben wir den 1. Talk des Tages hier im Saal 6 erleben dürfen, also ich bin nachhaltig begeistert, einen herzlichen Applaus an Sebastian Jünemann! Applaus Abspann-Musik subtitles created by c3subtitles.de Join, and help us!