31C3 Vorspann ohne Ton Applaus Philipp Ruch: Vielen Dank für den netten Applaus und die nette Einführung. Wir freuen uns sehr hier sprechen zu dürfen. Willkommen bei unserem Vortrag „Mit Kunst die Gesellschaft hacken – Das Zentrum für politische Schönheit“. Stefan Pelzer: Ja, mit Kunst die Gesellschaft hacken… habe ich Mikrofon? Philipp: Ja. Stefan: Ja, sehr gut. „Mit Kunst die Gesellschaft hacken“ ist ein sehr, sehr schwieriges Thema und wurde uns auch so halb vorgegeben, um das hier so CCC-Congress-kompatibel zu machen, unsere Themen. Und vor allem ist es aber auch eine sehr, sehr schwierige Aufgabe. Wir haben uns deshalb überlegt, wir müssen die Dramaturgie etwas ändern, und ein Ereignis was eigentlich erst viel später im Vortrag kommen würde, direkt an den Anfang setzen. Vorteil ist, wir haben direkt eine kleine Auflockerung zum Anfang. Audio-Wiedergabe beginnt Jeopardy-Hintergrundmusik setzt ein Willkommen zum SMS-Raten mit dem Zentrum für Politische Schönheit. Das hat einen ganz besonderen Grund dass wir das ganz am Anfang machen, weil wir stehen ein bisschen unter Zeitdruck damit. Ich will euch kurz einführen worum es hier eigentlich geht. Unsere Moderatorin hier hat es gerade angekündigt. Wir reden hier heute auch über so ein paar Kreuze und den ‚Europäischen Mauerfall‘. Im Laufe dieser Aktion, also als die Kreuze Musikwiedergabe endet an die Außengrenzen und die Außenmauern geflüchtet sind, hat uns nach 2-3 Tagen ein Bundestagsabgeordneter der CDU angefangen SMS zu schicken, und daraus hat sich ein reger SMS-Verkehr entwickelt, mit leicht verfänglichem Inhalt. Und den wollen wir euch jetzt gerne präsentieren. Sache ist, wir haben dem entsprechenden Bundestagsabgeordneten vor 5 Minuten noch eine Nachricht geschickt, dass er jetzt bis zum Ende dieses Vortrages Zeit hat, sich selbst zu dem Verkehr zu bekennen. Gelächter, Applaus So, dann wollen wir mal: „Hallo Herr Ruch. Konnten Sie eventuell zwischenzeitlich eine Lösung finden? Beste Grüße“ „Ja, wir sind im Kontakt mit Staatsschutz, Staatsanwaltschaft und Staat an sich. Danke! Ich finde gut dass die Kreuze Sie jetzt endlich interessieren. Da haben wir einmal dasselbe Interesse.“ „Die Kreuze interessieren mich seit ich sie das erste Mal gesehen habe. Würde mich freuen, wenn sie bis 9.11. wieder da sind. Rufen Sie mich einfach an. Grüße aus dem NSA-Untersuchungsausschuss“ „Die kommen definitiv zurück. Liegen mir sehr am Herzen. Wir unterbreiten gerade Angebote, bessere Kreuze hinzumachen.“ Heiterkeit „Gut. Wenn sie bis 9.11. um 8:00 wieder da sind, halte ich mein Wort und bitte die Staatsanwaltschaft vom Ablassen der Klageerhebung. Geben Sie mir einfach Bescheid. Brauche aber 3h Vorlaufzeit, da ich morgen und Samstag in XXXX bin und Fahrzeit beträt 2h.“ Was sehen wir hier? Da ist ein Bundestagsabgeordneter, der erstens uns überhaupt nicht kennt – denn sowas, auf sowas würden wir niemals eingehen. Und zweitens gibt es in Deutschland die Gewaltenteilung. Also hier ist ein Bundestagsabgeordneter, der uns im Prinzip zwischen den Zeilen sagt: „Gebt die Kreuze zurück bis um 8:00 Uhr, ich komme extra angefahren und fotografiere mich mit euch, und kann mich als der Mediator profilieren. Und im Gegenzug dafür gehe ich zum Staatsanwalt hin und sage dem: ‚Jetzt bitte hier keine Klageerhebung gegen das Zentrum für Politische Schönheit‘.“ Philipp: Und wir haben dann noch etwas rumgescherzt und gefragt: „Ist 18:00 Uhr auch okay?“. Gelächter Stefan: Dann hat er gesagt: „14:00 Uhr“ – kein Scherz! lacht Alsoo… ich habe es euch ja gerade schon angefangen zu erzählen – das Problem ist ein bisschen, der hat bisher uns keine Zustimmung gegeben, dass wir ihn persönlich nennen. Ich muss aber ganz klar sagen: also wenn ein Bundestagsabgeordneter einer Aktionskünstlergruppe ein Angebot macht, sich an die Exekutive zu wenden und dort zu raten, dass die nicht weiter zu verfolgen sind, ja, dann ist das an sich schon ein völlig inakzeptabler Zustand. In einem Land mit Gewaltenteilung. Was aber wirklich schlimm ist, Applaus was aber der eigentliche Skandal hier ist, ist, dass wir von jemandem reden, der damit beauftragt wurde, im NSA-Untersuchungsausschuss den schlimmsten Geheimdienstskandal in der Geschichte, und die Verwicklung der deutschen Geheimdienste aufzuklären. Wenn so jemand eine solche Nähe zu den Innenbehörden zeigt, dann kann man dem nicht vertrauen und er muss einfach zurücktreten. Philipp: Er muss weg! Stefan: Nicht sofort als Bundestags- abgeordneter, sondern erstmal auf jeden Fall aus dem NSA-Untersuchungsausschuss. Wir bieten dem jetzt im Gegenzug an, wenn er sich bis zum Ende dieses Vortrags zu diesen Worten bekennt und entschuldigt, dann legen wir ein positives Wort für ihn bei der Zivilgesellschaft ein! Jubel und Applaus So! Ihr habt ja sicherlich in großer Anzahl eure Smartphones und Devices dabei. Und habt die auch an, obwohl sie wohl jetzt mittlerweile von überall aus der Welt gehackt werden können. Wir haben euch mal hier was vorbereitet. Das sind nämlich hier die fraglichen, also unsere Kandidaten. So. Ihr könnt die ja jetzt mal antwittern. Also, findet ihr heraus, habt ja alle Internet. Ihr könnt ja mal ein paar von denen antwittern und sie fragen, ob sie SMS-Verkehr mit dem Zentrum während der Aktion „Erster Europäischer Mauerfall“ hatten. Wir geben euch jetzt schon mal einen Tipp. In einer halben Stunde, so zur Mitte des Vortrags geben wir euch ein paar mehr Tipps. Aber der Tipp 1 ist: Schlagzeug-Tusch erklingt „Es ist jemand, der für euch nicht gerade einen Mehrwert im NSA-Untersuchungsausschuss darstellt“. Lachen und Applaus So. Das war mal vorweg. Die nächste Runde kommt wie gesagt gleich. Aber erstmal: Wer sind wir eigentlich überhaupt, wer sitzt denn hier? Hier neben mir sitzt Philipp. Philipp Ruch ist der Künstlerische Leiter beim Zentrum für Politische Schönheit. Und ich selbst bin Stefan Pelzer, ich bin Eskalationsbeauftragter. kräftiger Applaus Vielen Dank! Ja. leise: Noch einen? Philipp: Wir… was macht das Zentrum für Politische Schönheit? Wir betreiben seit Jahren eine parallele deutsche Außenpolitik. Und wir setzen auf Menschlichkeit als Waffe. Wir sind keine Künstler! Stefan: Künstler sehen so aus! Heiterkeit Philipp: Wir sind keine Satiriker. Stefan: Die machen eher sowas, oder so… Gelächter und Applaus Philipp: Und nicht zuletzt: wir sind keine Aktivisten. Stefan: Naa, die sind nämlich… so! belustigtes Gemurmel Philipp: Nein. Unsere Mitglieder sehen so aus! Sie haben Ruß-Spuren im Gesicht, sie wühlen in den verbrannten politischen Hoffnungen Deutschlands. Und wir sind eine Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit. Applaus Stefan: Und wir sind im weitesten Sinne des Wortes eine ‚Organisation’. Was ist eigentlich eine Organisation? Organisation steht auch für den „Prozess des Organisierens, durch den fortlaufende, unabhängige Handlungen zu vernünftigen Folgen zusammengefügt werden, so dass vernünftige Ergebnisse erzielt werden bzw. so zusammengefügt werden, dass sie zu gewünschten Zielen bzw. Ergebnissen führen“. Das kann dann z.B. so aussehen! Aber wir sind auch kein Schützenverein; Turnverein sind wir auch nicht. Wir verfolgen nämlich als Organisation… naja, wir sorgen für Stress. Ist so der weiteste Begriff den wir da zur Anwendung bringen können. Ich mache jetzt einen kurzen Diskurs mit euch, bevor wir zu den eigentlichen Aktionen kommen. Und zwar will ich mich mit euch unterhalten, wie funktionieren denn Organisationen die so politische Ziele verfolgen, sich politisch betätigen. Und da ist uns aufgefallen, also es gibt verschiedene Typen von Organisationen. Aber ganz oft, eigentlich immer, gibt es einen Mandanten. Oder eine Mandantin. Der Mandant ist quasi die Legitimationsgrundlage. Der gibt das Mandat. Als Mandat bezeichnet man dann wiederum einen Auftrag oder eine Ermächtigung ohne genaue Handlungsanweisungen. Und dann gibt‘s oft noch die Unterstützer. Und das ist eine Person die etwas befürwortet und tatkräftig unterstützt. Unterstützer geben einer Organisation sowas wie gesellschaftliche Legitimation. Also die sagen „Jawoll, ich find das gut!“. Aber vor allem geben sie der Organisation oft Geld. Und dann kann man jetzt ganz gut unterscheiden, also eine Aufspaltung treffen in zwei Gruppen von Organisationen. Da gibt es nämlich einmal die Organisationen, da ist der Mandant oder die Mandantin auch gleichzeitig der Unterstützer. Also die sind dann in Personalunion sozusagen unterwegs ist. Das einfachste Beispiel hier ist der Lobbyist. Ja? Da ist das Wirtschaftsunternehmen oder der Verband, der ist sowohl der Mandant der Organisation, also gibt ihr quasi den Auftrag, als auch der Unterstützer. Der sagt dann „Geht mal zur Regierung, und setzt das-und-das durch. Macht mal bisschen Netzsperre, Vorratsdatenspeicherung, Deep Packet Inspection,…“ und dann sagt die Merkel: „Prost!“ und dann geht das so seinen Gang. Andere Beispiele, wo die Unterstützer und Mandanten genau dieselben Gruppen sind, wären jetzt so die klassische Bürgerinitiative. Die kann sich für alles Mögliche interessieren, wirklich gemüsebeetartig. Z.B. für die eigene Nachbarschaft, oder auch für die Heimat, jetzt im weitesten Sinne des Wortes. Oder für den Verkehr. Oder auch für ganz, ganz andere Sachen. Punkt ist hier, den ich machen will: Mandanten und Unterstützer sind genau dieselben Leute. Pegida, ist ein gutes Beispiel. So, dann gibt es politisch wirkende Organisationen bei denen die Mandanten nicht dieselben Individuen sind wie die Unterstützer. Einfachstes Beispiel sind jetzt die Tierschützer. Da haben wir hier den kleinen Hundewelpen. Der ist der Mandant. Kann aber auch der Eisbär sein. Oder die Legehenne. Und wo sind die Unterstützer? Also die könnten, nur, wirklich nur ein Beispiel, könnten so aussehen. Oder auch so. Oder völlig anders. Jedenfalls sind die Unterstützer nicht dieselben Personen wie die Mandanten. Es gibt auf der einen Seite den Mandant[en], und auf der anderen Seite den Unterstützer. Tierrechtler haben so bisschen ein Problem mit ihren Mandanten, weil, da gibt es manchmal so die … also Tiere können nicht immer sprechen. Und deswegen müssen sie ihr Mandat relativ frei interpretieren; und diese Interpretation hat sich auch über die Jahrzehnte stark verändert. So, wie sieht es bei den Umweltschützern aus? Da ist hier der Mandant. Soo. Und die Unterstützer oder Unterstützerinnen, die könnten z.B. so aussehen. Manche spielen gern Gitarre. Aber sie kommen aus der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“. Punkt ist auch hier: ‚Unterstützer’ ist nicht das Gleiche wie ‚Mandant’. Es gibt einmal den Mandant[en], das ist der Planet Erde. Und es gibt den Unterstützer, und man muss es interpretieren, das Mandat. Philipp: In Deutschland gibt es genug Tier- schützer, Umweltschützer, Hundeschützer, Käferschützer – wer schützt die Menschheit? Wie verhält es sich da? Bei der Menschheit? Unsere Mandanten leben oft noch. In ziemlich gedrängten Verhältnissen. Nicht immer, aber meistens. Und die Menschheit lebt in jedem von uns. Sie befindet sich oft in humanitärer Notlage. Verursacht durch Flucht, Krieg, Vergewaltigung und tiefstes Unrecht. Aber in ein paar Flugstunden ist man sofort bei ihr. Z.B. in den Waldbergen von Gurugu, vor der spanischen Enklave Melilla. Man kann diese Menschheit fragen woran sie leidet und was sie braucht. Und dann gibt sie uns ein Mandat. Stefan: Aber: kommen wir noch mal zurück zur Organisation, und vor allem dem Zusammenspiel von Mandant oder Mandatgeber, Unterstützer und Organisation. Zurück zum Tierschutz. Omi hier ist die Unterstützerin. Die gibt Geld und steht gesellschaftlich für das Handeln der Organisation ein. Hier ist Welpi, der Mandant. Er gibt der Organisation das Mandat. Und – zack! – die Organisation befreit ein anderes Welpi in China aus der Hundezucht. Das Beispiel lässt sich mit anderem Mandant[en] und evtl. auch anderen Unterstützern übertragen. Und – zack! – wird das regierungseigene japanische Walfangschiff weggerammt. Oder auch gleich zwei. Oder man fackelt die Hähnchenmastanlage am Tag vor der Inbetriebnahme ab. Applaus Selbes Prinzip bei den Umweltschützern. Hier die Unterstützerin. Sie gibt Geld und gesellschaftlichen Rückhalt. Mandant Erde erteilt den Auftrag, der von der Organisation nach Belieben interpretiert wird, und – schwupps! – die Organisation besetzt die Ölbohrplattform, oder blockiert den Castor, oder randaliert auf dem Gen-Feld. Philipp: Zurück zur Menschheit. Unsere Mandanten geben uns ein absolut robustes Mandat. Und wir werden für sie tätig. Diese Mandanten z.B. wollen - also die hier im Bild - den Todesstreifen der Europäischen Union überwinden. Im Hintergrund ist Melilla gewesen. Stefan: Also los, spielen wir es durch! Irgendwo da wohnen vielleicht unsere Unterstützer. Die Mandanten hier sind gerade in einer echten Notlage. Aber zum Glück sind die Menschenrechtler schon unterwegs, und rammen die bösen Grenzer weg. Verhindern die illegale Push-Back-Operation, retten unsere Mandanten um sie sicher in einen EU-Hafen zu bringen. Philipp: Hm! Nicht ganz. Ich hab‘ das gestern mal nachgeschlagen. Die falten gerade Schiffchen. Um mal so richtig Druck auf die Bundesregierung zu machen. Diese Kampagne – kein Witz – lief vor 4 Monaten. Sie heißt „Sei dabei: Dein Boot für Flüchtlinge!“, und ich zitiere mal ganz kurz aus der Pressemitteilung: „Mit Tausenden von gefalteten Papierbooten wollen wir der Opfer der europäischen Abschottungspolitik gedenken und einen besseren Flüchtlingsschutz einfordern. Quer durch Deutschland haben über den Sommer Menschenrechts- aktivisten schon unzählige Boote gefaltet. Aber wir brauchen noch mehr. Die Rückseite kann frei gestaltet werden, mit Deinem Namen oder Deiner Botschaft an die Flüchtlinge. Falte so viele Papierboote wie möglich und schick sie uns im Umschlag bis 19. September 2014 an folgende Adresse: […] Ihr könnt Bastelnachmittage veranstalten, oder die Faltbögen an Kollegen austeilen im Büro, oder an der Uni gemeinsam falten und gestalten.“ Stefan: gelangweilt Wie bitte? Oh Mann, was ist das denn? Naja okay, wir machen noch einen Versuch! – Zack! – Wieder unsere Unterstützer aus der Mitte der Gesellschaft. Die geben uns Geld und Rückhalt. Hinter… da, hier, sind unsere Mandanten. Die haben ein echtes Problem, weil hinter dem Zaun den ihr da seht warten schon die Frontex- Kräfte. Und wenn die über den ersten Zaun drüber sind, prügeln sie die runter und schubsen sie durch die Tür die ihr da seht direkt wieder raus. Naja, zum Glück sind die Menschenrechtler schon unterwegs. Da kommen sie. Philipp: Mmm nee, Stefan, die sind noch nicht unterwegs. Die, ehm… Stefan: Was? Philipp: Ja, die stehen mit verbundenen Augen in der Fußgängerzone am Bochumer Hauptbahnhof rum. Applaus Stefan: Und das sind Menschenrechtler? Philipp: So, genau so wie der folgende Slide sieht das Ergebnis von 25 Jahren sogenannten Aktivismus für die Menschenrechte aus. Das ist die Stacheldrahtmauer die den letzten Landweg, also die letzte Landgrenze in die Europäische Union militärisch abriegelt. Flüchtlinge kommen hier nicht mehr rein. Das ist Griechenland. Und 25 Jahre nach dem Fall der Mauer bringen unsere Regierungen heute die Flüchtlinge zu Fall. Diese Bild ist 3 Monate alt. Am Todesstreifen von Melilla entstanden, an den EU-Außengrenzen wurden überall illegale Mauern errichtet. Und diese Mauern zwingen die Menschen wieder zurück aufs offene Meer, muss man sagen, wieder. Während die Mitglieder der Menschenrechtsorganisationen brav Beiträge bezahlen, Schiffchen falten und Geschenkeartikel bestellen wird das Zeugnis ihrer Untätigkeit vom Meer angeschwemmt. So sieht es aus, was Organisationen mit 3 Millionen Mitgliedern nicht verhindern. Stefan: Ja, so sehen Menschenrechtler im Jahr 2014 aus. Sie freuen sich und feiern es als Erfolg wenn 50 Menschen zu ihren Kundgebungen kommen. Trotz des Handlungsspielraums der ihnen ihr robustes Mandat ermöglicht erschöpft sich ihr Handeln im Schreiben von Protestbriefen, E-Mails, Faxen und Petitionsunterschriften an die Regierungen. Ich hab vor weniger als 1 Stunde die Webseite von Amnesty International besucht. Dort laufen gerade 8 Aktionen, die die Organisation macht, also 8 Aktionen, von denen sind 6 Online-Petitionen, wo man mit einem Klick unterschreiben kann. Und 2 sind Online-Briefverschick-Aktionen „Deine (?) Liebesgrüße nach Moskau“, also da kann man dann dem Putin mit einem Klick eine Protest-E-Mail schicken, so. Kernproblem, glaube ich, vieler dieser Organisationen zur Verteidigung der Menschenrechte ist, dass sie sich nicht trauen ihr robustes Mandat auszuüben. Die sind gelähmt. Und die handeln vor allem für ihre Unterstützer. Also im Zentrum derer Interessen sind vor allem die Unterstützer. Die haben Angst, dass die Unterstützer ihnen abspringen oder sagen „Das geht so nicht“. Sie glauben dass ihre Unterstützer nicht bereit sind das Mandat das ihnen ihre Mandanten übertragen haben, auch umzusetzen. Die Welt schreit nach aggressivem Humanismus. Philipp: Aggressiver Humanismus. Was ist damit gemeint? In den meisten Staaten kämpfen Menschenrechtler als Dissidenten und werden von Polizei und Geheimdienst verfolgt. Und sie agieren aus dem Untergrund. In Deutschland, hier bei uns, haben wir einen Rechtsstaat der uns alle schützt. Trotzdem tun die Menschen im Untergrund wesentlich mehr als Menschenrechtler in Deutschland. Die Menschen im Untergrund falten keine Schiffchen sondern kämpfen unter Einsatz ihres Lebens. Stefan: So. Wir sind das Zentrum für Politische Schönheit, oder, nein, wir sind vom Zentrum für Politische Schönheit. Und wir agieren seit über 6 Jahren unter dem Namen ‚Zentrum für Politische Schönheit‘. Wir wollen aber jetzt, weil es hier doch den Rahmen sprengen würde, nicht die gesamten 6 Jahre beleuchten, sondern uns nur 3 Aktionen angucken, die wir gemacht haben. Und da fangen wir dann auch direkt im Jahr 2012 an. Damals haben wir eine Fehde gegen die deutsche Rüstungsindustrie begonnen. Haben vielleicht viele Leute die jetzt auch hier sitzen damals mitbekommen. Das war die sogenannte 25.000-Euro-Aktion. Auf die wollen wir jetzt ein bisschen näher eingehen, weil, die hat in den darauf folgenden Jahren als sowas wie ein Kompass für die Stoßrichtung, in die wir eigentlich gehen wollen, gedient. Was war passiert? Damals, 2012, war der Panzer-Deal mit Saudi-Arabien in aller Munde. Damals sollten 270 Leopard A7+ nach Saudi-Arabien geliefert werden. Saudi-Arabien wird von Human Rights Watch als eine der schlimmsten Diktaturen der Welt bezeichnet. Und beim A7+ steht das Plus für Aufstandsbekämpfung. Also es ist quasi eine Abwandlung vom Leopard-A7-Panzer, der speziell für den urbanen Einsatz entwickelt wurde. Damals war das Thema im Bundessicherheitsrat… Die Firma die den herstellt, die heißt Krauss-Maffei Wegmann, die hatten eine Anfrage gestellt, ob sie Saudi-Arabien diese 270 Panzer liefern dürfen. Und die Bundesregierung stand kurz davor dieser Entscheidung stattzugeben. Also die wollten damals sagen „Ja, okay, das geht.“ Wir haben dann angefangen zu recherchieren und sind auf die Information gestoßen, dass diese Firma Krauss-Maffei Wegmann keine Aktiengesellschaft ist, auch keine Staats-Holding oder irgendeine Form einer anonymisierten Firma, sondern das ist ein Familienunternehmen. Also das ist ein Familienunternehmen was die Welt quasi mit schweren Kriegswaffen beliefert. Philipp: Und im Prinzip gehört dieser Konzern 2 Familien. Man sieht das hier, rechts sind das die von Braunbehrens, und links die Bodes. Stefan: Ja, die Bodes, das könnt ihr euch so vorstellen, die sind einfach so der Prototyp einer abgebrühten Waffenhändlerfamilie. Die sind öffentlichkeitsscheu, die haben überhaupt gar keine Skrupel, die unterhalten Lobby-Büros, bestechen gerne, also, das ist so die dunkle Seite von Krauss-Maffei Wegmann. Philipp: Und die helle sind die von Braunbehrens, das sind die Schöngeister; da sind also ein Blumen malender Künstler dabei, Waldorfschüler, Alt-68er, und auch ein ganz bekannter Mozart-Biograf. Das sind also alle 38 Anteilseigner im Jahr 2012, Stand 2012. Wir haben nachher nicht mehr geguckt. Der eine oder andere hat seither seine Anteile dann doch verkauft. Und man sieht es hier gut, die haben teilweise anders eingeheiratet, und heißen nicht mehr Bode oder von Braunbehrens; aber sie stammen aus diesen 2 Familien. Stefan: Genau. Wir mussten die also erst zuordnen. Die stammen fast zu 100%… Es gibt 2..3 die extern, weil sie da gute Arbeit geleistet haben oder so mit reingekommen sind, z.B. hier der Zimni, ganz unten, der war lange Zeit Geschäftsführer… Aber eigentlich sehen wir hier 2 Familien. Wenn ihr mal die Nummer 27, 28 und 29 angucken wollt, seht ihr die Familie Beutler. Die stammt auch über die Braunbehrens ab. Und jetzt fordere ich mal das Geburtsdatum dieser Leute an. Wir reden hier 1987, ‘85, ‘87. Das sind Leute, die könnten heute hier sitzen. Die haben ihr Abi… Arbeit… Philipp: …Bachelor über Ökologische Nachhaltigkeit… Stefan: …geschrieben. Und die sind Miteigentümer dieses Rüstungsunternehmens. Wir haben dann entschieden, die Leute sind direkt dafür verantwortlich, dass schwerstes Kriegsgerät in Krisengebiete geliefert wird. Das ist leider in der Form in Deutschland aktuell nicht illegal! Deswegen haben wir entschieden, wir bringen sie einfach trotzdem in den Knast. Applaus Das war dann… da hatten wir dann eine relativ aufwändige Vorproduktion, also es hat lange gedauert bis alles stand. Kernpunkte… das sehen wir jetzt hier, habt ihr vor euch, ist hier eine Webseite, da haben wir Bilder von allen, gezeichnet quasi. Und es gibt so eine Art, so ein Teaser für jeden. Wo dann quasi so ein bisschen was… die Person angeteasert wird. Und dann kann man unten sagen, ja, die möchte ich jetzt kennenlernen. Lachen Ja, so sah das Ganze dann im Detail aus. Also wenn ihr dann auf ‚Kennenlernen‘ gedrückt habt, dann sind wir jetzt bei Beatrice von Braunbehrens, die bringen wir gemeinsam ins Gefängnis. Und dann sehr ihr ja, „Wir bitten um Ihre Mithilfe. Beatrice von Braunbehrens lebt vom Geschäft mit schweren Waffen und gehört ins Gefängnis. Als Eigentümerin handelt sie verantwortungslos. Für sachdienliche Hinweise die zur rechtskräftigen Verurteilung ohne Bewährung führen, loben wir eine Belohnung von 25.000 Euro in bar aus.“ Das war ganz am Anfang. Da seht ihr, unten ist so eine Progress Bar, da ist links „Frei“ und rechts „Knast“. Lachen Ja? Und da haben wir… Applaus Da haben wir „Eingegangene Hinweise: 0“, „Status: 0%“. Ganz früher Screenshot, hat sich dann später geändert. So, dann haben wir die Detailansicht. Links ist das komplette Dossier. Philipp: Genau. Da gibt es einen Steckbrief. Ist auch heute noch online. Teilweise mussten wir es zensieren und schwärzen. Aber die Lebensläufe und Steckbriefe sind doch noch da. Genauso wie die Information in der Mitte, wieviel Prozent halten die. Also diese Fotografin aus Wasserburg hält an die 100 Mio. Euro an Krauss-Maffei Wegmann. Und sie hatte eine Homepage, die ist dann sofort vom Netz gegangen, wundersamerweise. Und rechts konnte man also so, mitmachen halt. Ja, also, den Regierungssprecher fragen, der auch mit am Tisch saß, als das Geschäft beschlossen worden ist. Plakate ausdrucken und aufhängen. Nachrichten an die Eigentümer schreiben. Patenschaften übernehmen. Ja. Stefan: Dann seht ihr unten, weiter unten, nochmal unseren Plot, quasi. Also, der Handel ist verboten. Und dann suchen wir nach anderen Vergehen, die relevant sind, z.B. Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Betrugsdelikte, Insiderhandel, illegale Beschäftigung etwa von Haushalts- hilfen. Sowie alle anderen Vergehen. Philipp: Wir reden ja von Millionären im 2..3-stelligen Bereich… Stefan: Genau. Und dann, ganz unten, ne, haben wir ihr dann auch gleich ihr neues Zuhause rausgesucht, die JVA Traunstein. Das ist immer jeweils die nächste Justiz-Vollzugsanstalt von der Person. So sah das Ganze dann während der Aktion aus. Nur, um es nochmal zu veranschaulichen. Also hier die Glinicke war dann 17% im Knast. 11 Hinweise, reicht noch nicht für eine Verurteilung. So. Für die Aktion, also das ist z.B. Teil der Vorproduktion. Sachen die einfach da sein mussten als es dann losging. Dazu gehörten auch so ca. 50 Youtube-Clips, die wir dann quasi nach und nach abgefeuert haben. Also ihr müsst euch das so vorstellen, wir haben sehr viel Feuerwerk gehortet; und haben dann so über einen Zeitraum von 2..3 Wochen einfach abgebrannt gegen die. Und die damit völlig überrannt. Es gab da ca. 50 Videos, und die waren… manche sehr, sehr gut produziert, und hatten tolle Qualität; und manche waren auch extrem trashig. So. Wir zeigen euch jetzt mal eine Auswahl der besseren. Audio/Video beginnt Mann im Video: Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Vergangenheit. teilweise verzerrt Aus einer nicht allzu fernen Zukunft richte ich mich heute über diese Frequenz mit einem wichtigen Anliegen an Sie. Frau im Video: Für Wachstum brauchen Sie: Krieg! Manfred Bode, als er das Bundesverdienstkreuz erhält, … dramatische Musik Originalton-Aufzeichnungen: „Mit ihren Geschäften…“ dramatische Musik Mann: Stellen Sie Ihre Regierung, und die Vertreter von Krauss-Maffei Wegmann zur Rede! Frau: Manfred Bode. Auf dass du den Scherbenhaufen den du über die Welt bringst nicht überstehst! Frau 2: Wir wollen dein Bild an 1000 Türen malen. An Hauswände, an Mauern, an Brückenpfeiler. Tausendfach vergrößert. Mann: Auch eine Lehrerin, ich wiederhole: Lehrerin, ist mit im Club. Ihr Name ist Isabel Glinicke. Reden Sie mit ihren Schülern, und sagen Sie ihnen, sie sollen ihre Lehrerin fragen, ob sie auch ihnen moralische Schizophrenie beibringen könnte. Lachen und Applaus im Saal Frau 2: Deine Söhne werden sterben! Mann 2: Even if I might not like some elements of it, but it seems to me a very creative campaign. I think that it is entirely legitimate to campaign against the people who are profiting from the trade in weapons. This is not a normal trade. This is not about buying and selling fruit and vegetables. This is about selling Weapons of Death. This is about selling Weapons of Oppression. Audio/Video endet Stefan: So, was habt ihr hier gesehen? Ihr habt so einen Zusammenschnitt von 4 Videos von über 50 gesehen. Wir hatten als erstes den Bundeskanzler aus der Zukunft, der sich quasi zurückwendet und die deutsche Bevölkerung dazu auffordert, 1.) die Bundesregierung zur Rede zu stellen, und 2.) die Eigentümer zur Rede zu stellen. Dann hattet ihr die Erinnyen, mit einer Bildnistränkung an den Eigentümern. Philipp: Fließbandhinrichtung, sozusagen. Stefan: Genau. Und dann hattet ihr die ‚Briefe‘, da sagt Philipp was zu. Philipp: „100 Letters“ hieß die Aktion. Wir haben also 100 Menschen die Möglichkeit gegeben den Eigentümern direkt, wir hatten ja die Adressen, Briefe zu schicken, und Botschaften zukommen zu lassen. Und da ist jetzt hier im Film vor allem diese eine Frau zu sehen die dann Burkhard von Braunbehrens zur Rede stellt, den Blumen malenden Künstler. Und ihm, glaube ich, sagt, der sieht ja so nett aus, warum verkauft der denn Panzer, nach Saudi-Arabien? Und wir haben ihr dann die Möglichkeit gegeben, halt auch noch eine Patronenhülse mit in den Umschlag zu legen. Das haben wundersamerweise alle gemacht die über 40 waren. Während die Unter-30-jährigen, da war das schwierig. Stefan: So, und dann haben wir am Ende Andrew Feinstein gesehen, das ist nicht Teil der Vorproduktion, sondern das ist ein ZDF-Interview, was dann, während die Aktion quasi lief, entstanden ist. Andrew Feinstein ist einer der renommiertesten Experten für Waffenhandel, international, und der sagt da, also der legitimiert da so ein bisschen die Aktion und findet das ganz gut. So. Dann… Philipp: „Ganz gut“ ist gut! Er hat gesagt die sollen nachts nicht mehr ruhig schlafen! Stefan: Ja. Philipp: Dann kam ‚der Angriff‘! Wir haben also kleinere Fahndungsplakate geklebt. Hier sieht man eins davon. Gelächter und Applaus Stefan: War nicht ganz billig. Philipp: Wir geben zu, war nicht ganz billig,10m lang, 2 1/2m hoch. Stefan: So, und dann ging die Webseite online, wie ich sie euch gerade schon vorgestellt habe. Philipp: Aber wie gesagt, ganz Deutschland hat sich beteiligt, auch hier in Hamburg. Die Menschen haben wirklich diese Fahndungsplakate ausgedruckt und unter Anderem natürlich in den Orten wo die Waffenhändler gewohnt haben, wirklich zuplakatiert. Stefan: Oder auch mal angesprüht! So, was ist da passiert? Also ihr könnt euch das vorstellen, dass so ein Panzerhersteller und -exporteur, die sind eigentlich darauf vorbereitet, die kriegen dauernd schlechte Presse, die kriegen dauernd Korruptionsvorwürfe. Als die haben in ihrem Hause PR-Experten sitzen die eigentlich mit allen Wassern gewaschen sind. Und die eigentlich ganz gut sich verteidigen können. Die haben aber nicht damit gerechnet, dass wir die Familie, oder „die Panzerfamilie“, die Eigentümer selbst in ihrem ganz persönlichen Umfeld angreifen werden. Die haben immer gedacht, „wir haben hier die GmbH & Co. KG, das ist unser ‚Tor Browser‘ quasi, unser Anonymisierungstool, und wir können einfach da sitzen“, haben aber wahrscheinlich nicht gewusst dass es so Seiten wie handelsregister.de gibt. Lachen und Applaus Ja und dann… …und dass einfach jemand auf die Idee kommt, „warum soll ich eigentlich gegen die Firma…?“ Es gibt niemanden der mehr Macht über eine Firma ausüben kann als der Eigentümer. Da gab es dann eine PR-Krise bei Krauss-Maffei Wegmann. Philipp: Genau. Also der Pressesprecher von Krauss-Maffei Wegmann… Gelächter und Applaus Stefan: Kann man verstehen… Philipp: Das war am ersten Tag, und ich glaube am dritten Tag ist er völlig verstummt. Stefan: Ja. Lachen So. Da hat es natürlich dann extrem viele Reaktionen. Hier seht ihr noch mal so ein anderes Plakat, wo auch die Gesichter mit drauf sind. Jedenfalls hat es extrem viele Reaktionen gegeben. Also weil diese Leute ja, ihr müsst euch das so vorstellen, die haben ein ganz normales Leben gelebt, das war ein Mozart-Biograf, da war ein Künstler, Alt-68er, Führer der Studentenbewegung in Heidelberg, Mitglied im Kommunistischen Bund West. Das sind die Leute über die wir hier reden. Ja? Humanisten, Vorstand der Waldorfschule in Freiburg, usw. Die haben ihr ganz normales Leben gelebt. Und quasi in ihrer Villa gewohnt und einfach… viele auch Privatiers, und einfach, sind ihren Hobbys nachgegangen, und haben auch Freundeskreise gehabt usw. Und dann haben wir jetzt quasi… Gelächter und Applaus …haben wir jetzt quasi, dadurch dass wir von einem Tag auf den anderen deutschlandweites Thema waren, kamen diese Nachrichten die wir überbringen wollten natürlich auch in denen ihren Freundeskreisen an. Und wir haben dann offene Briefe bekommen, von engsten Freunden dieser Leute teilweise, wo die sagen, „…das kann doch nicht sein, wir sind zusammen in den Ski-Urlaub gefahren, wie konntest Du mir das verschweigen, dass Du Panzer verkaufst?“ Ne? Könnt ihr euch vorstellen, wenn ihr euren besten Freunden auf einmal sagen müsst, „Ich verkauf‘ Panzer“ - nicht ganz einfach. Lachen Philipp: Ja, und dann eine kleine Sensation: Burkhard von Braunbehrens, wie gesagt, der Blumen-malende Künstler, kommt aus der Reserve, gibt im ZDF ein Interview, die Sensation, dass ein deutscher Waffenhändler sich mal in den Medien äußert, zu einem Waffengeschäft. Vordergründig will er eigentlich nur über unsere Aktion reden, und sagt er findet uns kriminell. Der Unterschied zu Christoph Schlingensief – der also gesagt hat… der hätte gesagt „Tötet Helmut Kohl“, das hat er aber nicht ernst gemeint – das Unangenehme beim Zentrum für Politische Schönheit sei, dass wir das so ernst meinen. Gelächter Stefan: Ja immerhin hat hier der Künstler, den wir hier sehen, dann offen Widerspruch ausgesprochen gegen diesen Panzerdeal und hat gesagt, auch öffentlich, er könne sich aber im… – der ist Mitglied des Aufsichtsrats gewesen – könne sich aber gegenüber den anderen Eigentümern – also seinen Verwandten – nicht durchsetzen, und hat dann gesagt, er schreibt einen Brief an den Weihnachtsmann… Philipp: …Bundespräsidenten! Stefan: …ääh, an den Bundespräsidenten… Gelächter Philipp: Er war wahrscheinlich auch im Vorstand von Amnesty… Stefan: …Bundespräsidenten! Er… also schreibt einen Brief an den Bundespräsidenten und schreibt ihm: „Bitte, lieber Bundespräsident, ich kann mich in meiner eigenen Firma nicht durchsetzen, aber bitte verbiete meiner Familie, diese Panzer zu verkaufen“. Da ist er natürlich auch gleich aus dem Aufsichtsrat geflogen… Lachen Philipp: …direkt am nächsten Tag nachdem das ZDF das Interview ausgestrahlt hatte. Stefan: Aber ich habe gute Nachrichten für alle von euch: Philipp: Die Lieferung ist bis heute nicht genehmigt. Applaus und Pfiffe Stefan: Ja, jetzt wird‘s witzig! Ich habe jetzt… wir sind jetzt… wir sind jetzt bei der Hälfte des Vortrags angekommen, sogar schon leicht drüber. D.h. es wird ja eigentlich… Jeopardy-Musik setzt ein …echt wieder Zeit, jetzt hier, für eine Runde SMS-Raten… Philipp: Müssen wir ein bisschen nachhelfen! Stefan: …mit dem Zentrum, ne? Wir haben nämlich die nächste Runde Tipps! Also ich glaube bei dir hat sich noch niemand gemeldet? Philipp: Nein, nichts. Stefan: Na, das würde jetzt. Nee, nicht? Hat sich jemand bekannt? Weiß… Hat sich jemand bekannt? Zu dem SMS-Verkehr? Okay, dann haben wir jetzt noch ‘ne Runde Tipps. Philipp: Wir heizen ein. Stefan: Genau, wir heizen ein. Also! Musik stoppt, kurzer Schlagzeugsound Den den wir suchen, der tritt gegen die Gleichberechtigung homosexueller Lebenspartnerschaften ein, Namens-Rufe aus dem Publikum der ist Befürworter der Vorratsdatenspeicherung, und jetzt kommt der wichtigste Tipp: Er sitzt nicht immer im Untersuchungsausschuss, findet aber dass es erwiesen ist, dass die Bevölkerung in Deutschland nicht flächendeckend überwacht wird. Philipp: D.h. er ist in der rechten Spalte von denen die du gezeigt hast, richtig? Stefan: Naja… ja. Philipp: Unklar? Stefan: Also, mit den Tipps könnt ihr jetzt weiterarbeiten. Fragt doch nochmal ein bisschen rum; vielleicht findet es ja jemand raus, wen wir hier meinen. Philipp: Ja, ihr wisst alle, wir haben eine der größten Flüchtlingskatastrophen nach dem 2. Weltkrieg, die der Bürgerkrieg in Syrien ausgelöst hat, der Krieg in Syrien. Das hier ist eine Luftaufnahme aus dem Camp Zaatari an der jordanisch-syrischen Grenze. Und da wohnen… ‚hausen‘ muss man eher sagen, auch zu Weihnachten bei diesen Temperaturen, nur an die Hunderttausend Flüchtlinge. Wir haben 18 Mio. Flüchtlinge in und um Syrien herum. Mit 200.000 Toten. Und da fragt sich natürlich die Mitte der Gesellschaft, der gemeine Bürger in Deutschland: was kann ich dagegen tun? Audio/Video-Wiedergabe beginnt Nachrichtensprecher: Eigentlich müsste sich die Familienministerin freuen. Auf Fotos halten syrische Kinder Schilder hoch, „Danke Manuela Schwesig!“. Im Internet, in ihrem Namen eine perfekt organisierte Hilfsaktion, um 55.000 syrische Flüchtlingskinder nach Deutschland zu holen. Toll! Endlich tut eine Ministerin was. Das Dumme nur, das alles ist gar nicht von ihr. Der Hilfsappell - ein Fake von Aktivisten. Ihr Ziel: aus der Fälschung solle Wirklichkeit werden. Sprecherin aus dem Off: Bilder aus Syrien, Kinder im Bürgerkrieg. Nur spielt nicht mehr, Farah schreit nachts nach seiner Mutter. 55.000 Kinder sollen zu Pflegefamilien nach Deutschland kommen. Ein Appell des Familienministeriums, so scheint es, veröffentlicht auf einer Internetseite, samt Hotline. Mitarbeiterin: telefoniert Geschäftsstelle Kindertransporthilfe des Bundes, Sie sprechen mit… Sprecherin: Nur, das ist nicht das Ministerium, sondern der Fake einer Künstlergruppe. Nur die Anrufer sind echt. Mitarbeiterin: telefoniert Es ist so, dass es grade eine gewisse Stagnation mit der Bundesregierung gibt, dass das Projekt noch nicht verwirklicht werden kann. Sprecherin: Die Rettung syrischer Kinder – eine hyperreale und drastische Kunstaktion die endlich aufrütteln soll. Audio/Video-Wiedergabe endet Philipp: Genau. Wir haben also ein bisschen in der Geschichte gewühlt. Raunen, Lachen und Applaus Im Mai 1938 führen die alliierten Staaten die Visumspflicht [für Deutschland] wieder ein. Und das trifft natürlich in erster Linie die jüdischen Flüchtlinge, die aus dem Deutschen Reich fliehen wollen. Und die werden de facto ihrem Schicksal überlassen. Wir haben nur die britische Regierung, die im November nach den Reichspogromen nochmal verkündet, Kinder ins Land zu lassen. Also die stellen Einreisegenehmigungen, Sammelvisa, aus für Kinder. Und so können ungefähr 10.000, also fast 10.000 jüdische Kinder gerettet werden, in den sogenannten „Kindertransporten“. Die Eltern natürlich nicht, aber man sagt, „die Kinder nehmen wir gerne“. Und dann haben wir überlegt, wenn man das adaptiert auf heute, also: die sogenannte ‚Kindertransporthilfe des Bundes‘, wie sie heißt, spielen wir das mal durch. Wir haben laut UNICEF 5,5 Mio. betroffene Kinder, in und um Syrien. 1% davon zu retten, also dem humanistischen Ideal wenigstens mit 1% gerecht zu werden, und 1 Kind aus 100 zu retten, würde sofort 55.000 Einreisegenehmigungen für die Kinder machen. Und das hat in unseren Augen die Bundesregierung natürlich sofort genehmigt. Und das Familienministerium ist dann auf die Suche gegangen, nach deutschen Pflegefamilien, die bereit sind, ein Kind aufzunehmen. Mit einer kompletten Werbekampagne. Das hat man jetzt hier nicht so gut gesehen. Könnt ihr alles im Internet nachkucken, kindertransporthilfe-des-bundes.de. Wir kriegen bis heute 7-seitige Anträge mit polizeilichem Führungszeugnis, Motivationsschreiben, Lebenslauf, SCHUFA-Auskunft, und was wir nicht alles anfordern… Das kriegen wir… haben wir Hunderte davon. Und natürlich auch die Gesetzeslage, die da beschlossen werden müsste, damit so ein Programm möglich gemacht wird. Und damit haben wir eigentlich den Beweis geliefert, dass also diese Mitte der Gesellschaft etwas tun will. Dass also die Hilfsbereitschaft in Deutschland wirklich enorm ist. Wir hatten nach 48 Stunden bereits über 1000 Anrufer, und 600 Verpflichtungserklärungen von Menschen die bereit waren ein syrisches Pflegekind aufzunehmen. Und… Applaus Und wir konnten uns eigentlich überhaupt nicht vorstellen was dagegen sprechen könnte, dass die Bundesregierung jetzt dieses schlüsselfertige Hilfsprogramm, da ist also alles drin, übernimmt. Ja, also man sieht hier, dass das deutsche Volk wirklich nicht so abgebrüht ist wie seine Politiker. Das ist sozusagen die Dankeswand, die ist vor dem Familienministerium eingerichtet. Das ist Isabella von Ohoven, die Initiatorin des Hilfsprogramms, die dann in Abwesenheit von Frau Schwesig, die halt nicht so gern über ihre Taten redet sondern lieber Gutes tut, Geschenke der deutschen Bevölkerung entgegennimmt. Also es ist wie Buckingham Palace, muss man sich das vorstellen, ein Blumenmeer vor dem Familienministerium. Und da hinten im Hintergrund ist auch die berühmte Schwesig-Standarte, 3 1/2 Meter hoch. 2 Meter lang. Und dann haben wir, wie gesagt, im Prinzip die Bundesregierung gezwungen, mal mit uns zu reden. An dieser Aktion waren auch beteiligt zwei Überlebende des Holocaust, die nur überlebt haben, weil sie selber in diesem Kindertransportprogramm der britischen Regierung drin waren. Und wir haben uns also angekündigt, mit den beiden Überlebenden. Das hier ist Inge Lammel, sie war zu dem Zeitpunkt 90, jetzt ist sie 91. Und ihre komplette Familie ist in Auschwitz vernichtet worden. Und innerhalb von 48 Stunden hatten wir also die Bestätigung von Steffen Seibert, dem Regierungssprecher, dass das Kanzleramt uns empfängt. Das ist jetzt hier, wo wir bei der Rückkehr aus dem Kanzleramt rauskommen. Und wir haben also alles schon im Namen der Bundesregierung vorbereitet, muss man nochmal sagen, alles. Und bereits angefangen, in einer laufenden Kampagne über 1000, das ist also am Freitag dem 5.Tag, über 1000 Verpflichtungserklärungen von Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland die sofort bereit waren, diese Kinder aufzunehmen. Wir haben also die Daumenschrauben angelegt und das Kanzleramt damit konfrontiert: entweder ihr sagt jetzt der versammelten Hauptstadtpresse, dass ihr dieses Hilfsprogramm sofort übernehmt, denn es gibt wirklich gar keinen, aber auch wirklich gar keinen vorstellbaren Grund das nicht zu tun, oder aber ihr erklärt, dass ihr das nicht tut. Audio/Video-Wiedergabe startet Sprecherin: Wir sind die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit. Gestern mittag ist die Installation ‚weiße Kreuze‘, die den Toten an der Mauer gedenkt, aus dem Regierungsviertel in Berlin geflüchtet. Lachen Die Mauertoten sind jetzt in Sicherheit vor den offiziellen Gedenkfeiern am 9. November. Die Mauertoten sind an den Außengrenzen der Europäischen Union. In einem Akt der spontanen Solidarität sind die Kreuze zu den Menschen geflüchtet, die auf dem Weg nach Europa dehydrieren, kentern und ertrinken. Sie sind jetzt in den Armen ihrer zukünftigen Schwestern und Brüder. Flüchtlingen, die als nächstes an den europäischen Außenmauern sterben werden. Sprecher: Heute ist der 3. November 2014. In 6 Tagen wird dem Fall der Mauer gedacht. Ein großer Tag. An dieser Mauer gingen 1200 Menschen zugrunde. Das Unrecht hielt sich 28 Jahre fest. Doch ihr Tod hatte einen Sinn. dramatische Musik An ‚dieser‘ Grenze gehen Zehntausende Menschen zugrunde. Jedes Jahr! Das Unrecht befindet sich gerade erst im Aufbau. Sprecherin: So sieht das aus, was die Ruhe der Mauertoten stört. Ein Verrat an ihrer Geschichte. Das ist das erste, was Menschen in ihrer größten Not von Europa zu sehen bekommen. Und das ist erst der Anfang. Wir leben am Vorabend der militärischen Abriegelung Europas. 25 Jahre nach dem Mauerfall werden Europas Grenzen wieder dichtgemacht. Sprecher: Diese Mauern zwingen Hunderttausende auf das offene Meer. Sind das die Grenzen eines selbstbewussten und hilfsbereiten Kontinents? Audio/Video-Wiedergabe endet Stefan: Da habe ich das Video abgeschnitten!? Tut mir leid, also habt ihr einen Teil nicht gesehen. Aber ihr merkt – die Zeit wird ja auch knapp – ihr merkt wir sind bei unserer aktuellsten Aktion angekommen, und zwar dem ‚Europäischen Mauerfall‘. Worum ging es da? Ganz kurz, wir haben quasi eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um Busse zu organisieren, um dann wiederum friedliche Revolutionäre, die sich bei uns melden konnten, an die EU-Außenmauern zu fahren, und dort dann – das Ganze zum 25. Jubiläum des Mauerfalls – um dort dann das Gedenken wiederaufleben zu lassen, und die europäische Außenmauer abzubauen. Die Aktion, ist jetzt unsere aktuellste, ist, da will ich einen Vergleich mal zu diesen 25.000 Euro ziehen… Die 25.000-Euro-Aktion hat viel Arbeit gekostet, aber sie war im Vergleich zum ‚Europäischen Mauerfall‘ doch wiederum eine Kleine. Also unsere Produktionsanforderungen sind extrem gestiegen in der Zwischenzeit. Weil wir bei der Aktion hier mehrfach hundert Leute und mehr zu einer ganz bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort gebraucht haben, um was ganz Bestimmtes zu tun. Philipp: Genau. Dem voraus gehen 6 Monate Vorbereitungszeit. Mit Recherche. Wir haben alle EU-Außengrenzen… sind wir abgefahren, haben gekuckt, welche kommen da überhaupt in Frage, haben Informationen beschafft. Hier links sieht man wie wir an der Stacheldrahtmauer in Bulgarien stehen, mit dem Kamerasystem EUROSUR der Europäischen Union. Das günstigerweise 25 km ins Inland der Türkei Infrarotaufnahmen liefert, und Wärmebild-CO2-Detektoren, da ist alles dabei. Erdkabel. Wir haben da mit einer offiziellen FRONTEX-Genehmigung gearbeitet. Also ohne die kann man vor Kulisse nicht wirklich arbeiten. Und ganz rechts sieht man auch noch, das sind genau diese Erdkabel von EUROSUR die da verbuddelt werden gerade. Die haben wir einfach 160 km von einem Ort entfernt gefunden, wo die Europäische Union sagt, dass sie die Grenze überwacht. Und da haben wir gedacht, naja, mit so einem Foto hat man ja auch die GPS-Daten für zukünftige Aktionen, und kann die dann wieder ausbuddeln. Also man macht bei so einer… Applaus Stefan: Ja die Standorte von den EUROSUR-Kabeln sind Verschlusssache. Philipp: Oder werden Verschlusssache sein, mit Sicherheit. Das ist unser militärischer Verbindungsoffizier, der mit uns die Grenzen abgefahren ist, ja? Der… wenn man da mal‘n bisschen rangeht sieht man das… Diese Geländewagen die dort die Grenzen patrouillieren sind „provided by the European Union“. Wir haben 141 Geländewagen den Bulgaren geschenkt. Stefan: So. Also, wir haben die Vorproduktion gehabt, wir haben eigentlich alles im Kasten was wir brauchten. Und mussten nur noch auf PLAY drücken, und anfangen. Das Einzige was uns gefehlt hat sind hier die Kreuze. Philipp: Genau. Also wir haben den Gedenktag, den 9. November 2014, 25 Jahre Mauerfall werden in der Republik groß gefeiert, mit einer ‚Lichtgrenze‘, mit Heliumballons, im Prinzip dieses ‚Oktoberfestgedenken‘ was auch Amnesty gut gefällt. Und diese Kreuze… Applaus …diese Kreuze hier stehen ja direkt am Reichstag, am Ufer des Reichstags, und erinnern an die – wie man hier am ersten Kreuz auch gut lesen kann – an die unbekannten Opfer an der Mauer. Und diese sollten natürlich in so einem offiziellen Gedenken jetzt eher verschwinden hinter diesen Heliumballons. Und da haben wir gedacht, das kann so nicht bleiben. Stefan: Ja. Für die Kreuze, haben wir dann recherchiert, für die fühlt sich auch überhaupt niemand zuständig. Also alles was wir finden konnten waren Leute die sagen… also Behörden die sagen „Wir sind nicht zuständig“. So. Also keiner will sich um die Pflege kümmern, und dementsprechend sehen die dann aus. Philipp: Also einfachste Sperrholz- Platten. Und wir haben wirklich mit Allen geredet. Von der Bundestagsverwaltung angefangen, über das Schiffbauamt, über das Grün- und Straßenflächenamt Mitte, weil das sozusagen ein offizieller Weg durch Berlin ist, mit dem Architekten der diese Uferpromenade geplant hat[te]. Keiner kann sich erinnern wem die gehören, wo die herkommen. Und sie haben auch keine Genehmigung… Lachen Stefan: Und dann… Ja dann… ja, die haben keine… und im Lichte der Aufregung, die… also da hat sich ja dann der Norbert Lammert echauffiert, und die gesamte… Philipp: Wowi! Stefan: …Bundespolitik, inklusive Wowi. Im Lichte dessen sollte man aber vor Allem auch sehen, dass die Stadt Berlin seit 2005 versucht das Denkmal abzubauen. Philipp: Ja, ein Brief den wir… Stefan: „…gehört dort nicht hin“! Philipp: Genau. Stefan: Aber… wie entfernt man eigentlich… wie transportiert man eine Gedenkstätte ab die direkt am Reichstag ist? Das ist schwierig! Da gibt es auch laufende Ermittlungen zu. D.h. wir können da nicht so viel zu sagen. Aber wir haben uns selbst ja auch Gedanken dazu gemacht, ne, bevor die dann ‚geflüchtet‘ sind. Und da haben wir erstmal gedacht: am besten wär‘s man müsste das überhaupt gar nicht selber machen. Philipp: Nein. Man hat einen Restaurator, der das für einen macht. Am besten mit Aktenkoffer und Visitenkarte. Stefan: Und so einen Restaurator alleine, der macht sich ja nicht die Finger schmutzig. Der kommt nur zum Beobachten. Der braucht… auf jeden Fall braucht der dann auch noch 2 Helfer, in Warnwesten nach DIN471. Philipp: Und Akkuschrauber nicht vergessen! Stefan: Genau! Und der Restaurator, der braucht das Ganze… der macht das ja nicht einfach nur weil ihm einfällt „heute restauriere ich mal die Kreuze!“, sondern der braucht natürlich einen Auftraggeber, vielleicht so eine Art Heimatverein. Philipp: Und dann sollte der Restaurator auf jeden Fall zufällig den sehr umfangreichen Schriftverkehr zwischen seiner Firma, dem Auftraggeber und diversen Behörden dabei haben. Am besten gleich mit Kostenvoranschlag, Auftragsbestätigung und Hastenichtgesehen. Applaus Stefan: Na, dann wäre jetzt ja der Restaurator schonmal ganz gut ausgestattet. Philipp: Dann gibt‘s aber… Wer den Brief gerade von der Senatsverwaltung genauer sich angekuckt hat, die da bemerkt, es kam zu ‚Handgreiflichkeiten‘ an den Kreuzen, als wir die abbauen wollten… Das hat uns natürlich sehr interessiert, das ist also dieser polizeibekannte Gewalttäter. Der schlägt vor den Kreuzen ab und zu Menschen, das ist der Herr Rust. Und den sollte man auf jeden Fall… mit solchen Leuten sollte man sich auf jeden Fall zur selben Zeit auf der anderen Seite der Stadt verabreden. Lachen und Applaus Stefan: Haben wir uns gedacht, wäre keine schlechte Idee. So. Dann gibt‘s das Problem, dass an so einer Gedenkstätte ja auch einfach normale Laufkundschaft vorbeikommt, und wenn die dann denken, „Häh, was passiert denn da, da ist ja ein Restaurator, und Leute mit Warnwesten, und die schrauben da an den Kreuzen rum…“, da haben wir gedacht, „wär‘ ganz gut wenn wir den Herdeneffekt nutzen“, also dass die sich dann umkucken und sehen, „naja, hier sind ja so viele Leute, die stört das alle überhaupt nicht, dann wird das schon seine Ordnung haben“. Deswegen haben wir gedacht, wir brauchen eine ruhige Menschenmasse… Jubel und Applaus Dazu gehört auf jeden Fall eine 40-köpfige Studentengruppe die Literatur interpretiert, und direkt daneben eine 20-köpfige Touristengruppe aus Westdeutschland. Philipp: So ‚könnte‘ man das machen! Stefan: ‚Könnte‘ man! Also haben wir uns damals gedacht! Wäre ganz gut. Philipp: Was ist aber wenn das alles nicht reicht, Stefan? Stefan: Ja genau, das Problem ist ja, in dem Moment, wenn die Sicherheitsbehörden aufmerksam werden auf den Restaurator, dorthin gehen und dem Restaurator sagen: „Was machst du da?“, dann zeigt der Restaurator seine Unterlagen, und die Sicherheitsbehörden - aus irgendeinem Grund - sagen sie, „das kommt mir hier komisch vor, jetzt ist erstmal Stopp, Pause, Ende. Wir klären das jetzt“. Und in dem Moment haben wir uns gedacht braucht man unseriösere Ablenkungsfaktoren. Heiterkeit Wäre z.B. nicht ganz verkehrt wenn es dort einen Verschwörungstheoretiker mit Alufolie auf dem Kopf, der laut über ‚Strahlung und Konstantinopel‘ referiert, gäbe, ein paar Meter weiter. Außerdem… Philipp: Oder ein paar Flitzer die über die Absperrung vom Reichstag springen… Jubel und Applaus Stefan: Und wenn das wirklich alles nicht klappt, ne, also die immer noch sagen: „Okay das ist hier jetzt wichtiger als der Flitzer, das ist wichtiger als der Freak“, dann brauchen wir ne HoGeSa-Demonstration die vor dem Haupteingang vom Reichstag losgeht. Philipp: Das ist ganz wichtig. Weil, diese Aktion steht und fällt ja damit dass die Kreuze da fliehen, an die EU-Außengrenzen, und drüber hinaus. Stefan: So, jetzt habt ihr unser Gedankenspiel zu dem Thema gesehen. Das war was wir uns überlegt haben, was man braucht. Vieles davon hatten wir. Manches vielleicht nicht. Die eigentliche Frage ist ja: „Was braucht man wirklich, um in der am besten gesicherten Zone von Deutschland, also in der Sicherheitszone 1 so eine Gedenkstätte abzutransportieren?“ Philipp: Nichts! Lachen Stefan: Nichts! Außer vielleicht Werkzeug und Warnwesten nach DIN 471. Applaus Stefan: [unverständlich] Philipp: Warte mal kurz! Applaus Philipp: Deswegen… nächstes Mal nehmen wir den Bundestag mit! Stefan: Ja, nächstes Mal… Gelächter Stefan: So, der Plan war ja, okay, also wir helfen den Kreuzen zur Flucht, dann können wir unser Material abspielen, die Presse wird drauf aufmerksam, die berichtet drüber, die Menschen hören von der Aktion, gehen auf Indiegogo und spenden, und wir können zu der Außenmauer fahren und die quasi abbauen. Philipp: Ja, also bei der seriösen Presse gibt‘s da kein Problem. Die versteht auch den Zusammenhang, mehr oder weniger. Also das führt auch zu so einer Form von medialer Poesie. Das ist ja wirklich die Frage, rechts oben z.B. Berliner Zeitung – was denken Leser die lesen: „Mauerkreuze sind jetzt in Melilla“? Und dann am nächsten Tag den Folgeartikel links, „die Kreuze bleiben in Melilla“. Stefan: Frage ist, wie geht man mit dem Boulevard um, und ganz generell mit Springer. Da ist unser Problem, das kennen wir schon von allen Aktionen, die rufen an, aber in dem Moment steht der Artikel schon da. Also die rufen nur noch an weil sie ein Zitat haben wollen. So, das ändert… man kann… oder, unsere Theorie ist, man kann überhaupt nicht das beeinflussen was die schreiben, egal was man tut. So. Applaus Da haben wir uns dann überlegt: reden wir jetzt mit denen? Nee, haben wir überhaupt gar keine Lust drauf. Legen wir gleich einfach auf? Naja, ist vielleicht zu platt. Und dann haben wir jetzt was für die Fans der Kolumne „Post von Wagner“. Wir haben den nämlich einfach ein Tonband abgespielt, und dann aufgelegt. Gelächter Audio-Wiedergabe startet Sprecher: Post vom Zentrum. Liebe Leser. Um uns herum Flucht und Tod. Lampedusa. Südost-Europa. Wir sind wie auf einer Insel des Glücks. Ich sitze, während ich dies schreibe, im ICE von Hamburg nach Berlin. Unfassbar schön, die weiten Felder, die Dörfer wo Pferde auf den Koppeln stehen, die Wälder. Kein Deutscher hockt zitternd in einem Wald. Kein Deutscher kracht mit dem Boot gegen die neue Mauer. Ich komme gerade von der Geburtstagsfeier eines Freundes. Es gab Bier und Wein unter einem weißen Zelt. Es wurde viel gelacht, alle waren gesund, alle haben schöne Erst- oder Zweitfrauen, nette Kinder, es gab sogar Kinderwürstchen. Darf man glücklich sein bei Flucht und Tod, im Paradies Deutschland? Rekordhoch bei den Beschäftigten, Steuerkassen gefüllt, keine neuen Schulden. Darf man auf einer Gedenkfeier zum Mauerfall glücklich sein, wenn überall um uns herum Menschen sterben, an der neuen Mauer? Darf man die weißen Kreuze der Mauertoten bedenkenlos am Rande stehen lassen, und trotzdem feiern? – Ja. Man darf glücklich sein. Unsere Werte sind, sich zu umarmen, menschlich zu sein, sich miteinander zu betrinken. All dies ist besser als ER-trinken, kentern, dehydrieren. Herzlichst, KG Unmenschlichkeit. Audio-Wiedergabe endet Stefan: So, was dann rauskommt, sieht so aus… lacht …oder auch so. Und zu dem Bild will ich ganz kurz sagen, dass das ganz viel über die Springer-Presse sagt. Weil das Bild was ihr da seht, das soll den Anschein erwecken, es sei eine Videokamera, die da… schreiben sie hier, „entführen die Flüchtlingshelfer die Mauerkreuze“, in Wirklichkeit ist das ein Bild was von uns kommt und dann extra die Qualität vermindert wurde, um es abzudrucken, um dann so zu tun als wäre das irgendein exklusives Kameramaterial. Philipp: Ja, aber, DIE WELT meint, „der hirnrissigste Dreck der in jüngster Zeit aus deutschen Theater gekommen ist“. Nach 5 Tagen hatten wir das Geld zusammen für die 2 Busse, um an die EU-Außengrenze zu fahren, um die dort abzubauen. Applaus Stefan: Da haben sich dann fast 800 Menschen bei uns gemeldet, die gern die Mauer abreißen wollten. Wir mussten, weil wir so kurzfristig nicht so viele Busse besorgen konnten, und auch die Mittel nicht hatten, 7 von 8 Leuten absagen. Oder bzw. sagen dass wir uns nicht um ihren Transport kümmern können. Philipp: Wir haben denen aber alle Informationen zur Hand gegeben, wie die die Stacheldrahtmauer öffnen können. Was braucht man? Stefan: Einen Bolzenschneider ab Klasse 40 HRC, und eine Akkuflex ab 800W. Philipp: Dann wird 6x geflext an den Verbindungsstücken dieser Metallteile. Stefan: Dann muss man 148x knipsen – Philipp: und die Mauer ist gefallen. Stefan: Das sollte man mitnehmen. kräftiger Applaus Philipp: Also das sollte man zur Tarnung mitnehmen. Und dann kommt der große Tag der Abreise. 100 friedliche Revolutionäre, 400 Schaulustige, alle am Gorki-Theater zur festlichen Verabschiedung. Stefan: Und da hatten wir im Prinzip das erreicht, was wir erreichen wollen. Da ist ein Punkt den wir machen wollen, vom Zentrum. Weil, was wir machen wollen ist, die Revolution auf die Straße bringen. Wir stellen euch die Busse hin, wir sorgen für alles, ihr müsst nur noch einsteigen und loslegen. Das ist so… das ist unsere Stoßrichtung. Applaus Philipp: Was wir nicht geahnt haben, war, dass die Bundespolizei das Theater umstellt. Das Gorki ist gerade ‚Theater des Jahres‘ geworden. Das heißt, im deutschsprachigen Raum das beste und wichtigste Theater überhaupt. 100 Bundespolizisten umstellen das Theater und suchen nach Bolzenschneidern. Polizeihubschrauber fliegen über das Theater, usw. Stefan: Genau, die EU-Außenmauern werden am ‚Gorki‘ verteidigt. Gelächter Philipp: So ist es. Stefan: Dann gab‘s die Diskussion, weil die Polizisten das Gepäck durchsuchen wollten und die Personalien aufnehmen. Philipp: Ja, da haben wir sie an die Kunstfreiheit erinnert. Und so ein bisschen… das ist die Szene ‚Gib‘ dem Hund die Wurst‘, ja? Wir wollten sie ja nicht völlig frustriert abtanzen lassen, also haben wir ihnen 1 Bolzenschneider gegeben. Gelächter und starker Beifall Und danach war die Personenkontrolle hinfällig. Stefan: Also, haben sie gesagt, machen sie nicht, Personenkontrolle brauchen sie nicht. Die friedlichen Revolutionäre haben sich dann auf den Weg gemacht. Was sie aber nicht ahnen konnten, ist das hier. Das ist nämlich dann, was danach passiert ist. Das haben wir so übernommen, da gab‘s zwei kleine Anfragen im Bundestag. Und dann haben wir die Antworten uns angekuckt; und im Prinzip stellt sich die Situation so dar: Berliner Polizei ruft das Bundeskriminalamt an und sagt, „Oh, hier, wir sind hier am Gorki, wir können die irgendwie nicht jetzt alle die Personalien aufnehmen. Weil, ist ja voll der Skandal dann, und so, wollen wir nicht…“. Bundeskriminalamt sagt: „Gar kein Problem, wir rufen jetzt einfach unsere Verbindungsbeamten in Serbien, Bulgarien und Griechenland an“. Und dann wurde der Bus in Serbien das erste Mal… oder die Busse in Serbien das erste Mal angehalten. Und das Bundeskriminalamt hat von den serbischen Grenzern die Personenliste komplett bekommen. An der bulgarischen Grenze, und an der griechischen, die kommt dann später, wurden jeweils Abgleiche gemacht, wieviele Leute sind noch drin; sind alle noch da, usw. Also das Bundeskriminalamt war dann federführend bei der Repression gegen den ‚Europäischen Mauerfall‘. So sieht es… Philipp: Die Polizei eskortiert schon ab Serbien. Also durch Serbien hindurch. Und in Bulgarien steigt dann ‚Mephisto‘ ein, ins Theaterstück. Und, das ist dieser freundliche Herr vom Innenministerium. Und der klärt sozusagen auf, über die rechtlichen Konsequenzen von dem, was die da vorhaben. Stefan: Genau, und der hat dann so einen Zettel auch ausgeteilt, auf dem stand drauf: Beschädigung der Grenzanlagen ist in Bulgarien 2 Jahre Haft oder 150 Euro Geldstrafe. Lachen und starker Applaus Haben wir natürlich… haben unsere Revolutionäre dann natürlich gefragt, ob sie vielleicht einen Rabatt bekommen können. Gelächter So, was wir hier sehen sind schon die letzten Kilometer vor der Grenze. Ihr seht, wir ziehen das Tempo ein bisschen an. Da seht ihr – das Foto ist aus dem 2. Bus geschossen – da seht ihr den ersten Bus, und dazwischen alle Fahrzeuge sind Presse in Bulgarien, also nationale Presse. Dazu muss man sagen es hatte kurz vorher eine Regierungsumbildung gegeben, und der neue Innenminister hat sein Amt davon abhängig gemacht, dass die Grenze nicht beschädigt wird. leichtes Lachen Hier, das sind die allerletzten Meter. Oder, Kilometer waren es dann doch bis zur Grenze. Philipp: Und hier wird die EU-Außengrenze abgebaut. Stefan: Leider… leider nein. Philipp: Das ist nicht die EU-Außengrenze, sondern das ist der Eiserne Vorhang. Der ist sozusagen 4 km im Inland von Bulgarien. Der verläuft nicht direkt an der Grenze zur Türkei. Und auf dieser, in dieser Pufferzone sind dann Hunderte Ossis erschossen worden. Wir sind da aber noch drüber hinaus gekommen. Stefan: Ja, so, zurück zur Außenmauer. Also, ein paar Meter weiter wartet dann dieser Mensch auf uns. Das ist kein Autoschieber. Sondern der Chef des bulgarischen Grenzschutzes. Philipp: Und der ist extra mit seiner Spezialeinheit gekommen, aus Sofia. Die Aufstandsbekämpfungstruppen. Um seinen Innenminister zu retten. Stefan: Dann kamen zähe Verhandlungen. Und am Ende sah es aber so aus, da war überhaupt gar kein Durchkommen. Unsere friedlichen Revolutionäre waren aufgrund der Repressionen, über 45 Stunden Busfahrt zu dem Zeitpunkt, total erschöpft. Die Busfahrt hat sich so lang hingezogen, dass wir denen noch nicht mal mehr die Übernachtung… also die sollten eigentlich im Hotel übernachten, aber die komplette Übernachtung musste ausfallen, und die waren direkt auf dem Weg zur Grenze. D.h. an dem Punkt wurde dann gesagt, okay, und dann hat die bulgarische Polizei die Leute raus-eskortiert nach Griechenland. Philipp: Dort haben wir ihnen dann die Hotels bezahlt am Mittelmeer. Die Griechen wussten aber, das wussten wir wiederum nicht, die wussten wie man friedliche Revolutionäre empfängt. Das war nämlich 4 Busse mit Aufstandsbekämpfungstruppen an der Grenze. Die zwei Tage lang entsprechend hungrig auf unsere Revolutionäre gewartet hatten. Stefan: Das war der ‚Europäische Mauerfall‘. Ich will dazu eine Sache noch sagen, bevor wir zu unserem Abschluss hier kommen. Das war damals „nicht alle Tage, wir kommen wieder – keine Frage!“ Jubel und Applaus Philipp: Ich glaube wir haben einen ganz guten Eindruck verschafft, was wir so machen. Stefan: Genau, wir hoffen, wir konnten euch so die Stoßrichtung, also „was ist unser Wirkprinzip“ beschreiben. Und jetzt stellt euch mal vor, wir hätten 3 Millionen Mitglieder! Hätten wir 3 Millionen Mitglieder, dann würden wir Verbrechen an der Menschheit nicht nur dokumentieren und skandalisieren. Sondern wir würden sie beenden, Akteuren das Handwerk legen und Profiteuren das Leben zur Hölle machen. Jubel und Applaus So. Der allerletzte… das allerletzte bisschen von uns ist, was machen wir eigentlich? Okay, wir haben keine 3 Millionen Mitglieder. Davon können wir auch im Moment nur träumen. Wir haben ca. 100 Fördermitglieder. Um unsere Arbeit in Zukunft von Crowdfunding und Kulturförderung unabhängig zu machen… Ihr könnt euch vorstellen, wenn wir Gelder beantragen aus dem Kulturfonds, und die bestellen bei uns ein Kunstwerk und dann liefern wir das Kunstwerk; wir können immer bei jedem Fonds nur einmal Geld beantragen. Lachen Könnt ihr euch vorstellen. Also muss man kein Genie sein, um das zu erkennen. Führt also im Prinzip kein Weg an der Mitgliederfinanzierung vorbei. Deshalb suchen wir für 2015 100 Förder… ääh, 1000 Fördermitglieder denen jedes Mittel recht ist. Applaus Außerdem, unsere… – es ist noch eine Slide – außerdem, wenn hier IT-Spezialisten… aah, mein… Ding ist kaputt, okay. Also, außerdem, wenn hier IT-Spezialisten sitzen die zu spontanen Kommandoaktionen bereit sind, die Kontaktmöglichkeiten findet ihr ebenfalls über unsere Webseite. So, wie sieht es eigentlich mit unserem Bundestagsabgeordneten aus, gibtes da schon Ergebnisse? Rufe aus dem Publikum Also, wir sagen dazu nur: Es gibt wohl Fische die fliegen können. lacht Philipp: Vielen Dank, wir wünsche euch… Stefan: wir wünschen euch viel Spaß noch, ein tolles Wochenende, einen Super-Kongress und danken für eure Aufmerksamkeit. Wir hoffen ihr hattet Spaß mit uns! Philipp: Dankeschön! Jubel und kräftiger Beifall lautloser Abspanntitel Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2017. Mach mit und hilf uns!