Bakterien hacken, um Krebs zu bekämpfen - Tal Danino

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1884 erkrankte ein unglücklicher Patient, der einen schnell wachsenden Krebs im Nacken hatte, an einer nicht damit zusammenhängenden bakteriellen Hautinfektion. Als er sich von der Infektion erholte, begann sich der Krebs überraschenderweise zurückzubilden. Die Infektion hatte das Immunsystem des Patienten stimuliert. Heute programmieren synthetische Biologen Bakterien so, dass sie Wirkstoffe gezielt und sicher zu Tumoren befördern. Wie ist das möglich? Tal Danino geht der Frage nach.

Lektion von Tal Danino unter der Leitung von Chris Bishop.

1884 schien sich das Unglück
eines Patienten weiter zu verschlimmern.

Dieser Patient hatte einen
schnell wachsenden Krebs am Hals

und erkrankte dann an einer
unabhängigen bakteriellen Hautinfektion.

Doch schon bald geschah
etwas Unerwartetes:

Als er sich von der Infektion erholte,
begann sich auch der Krebs zurückzubilden.

Als ein Arzt namens William Coley
den Patienten 7 Jahre später aufspürte,

blieben keine sichtbaren
Anzeichen des Krebses zurück.

Coley glaubte, dass etwas
Bemerkenswertes geschah:

dass die bakterielle Infektion
das Immunsystem des Patienten

zur Bekämpfung des Krebses angeregt hatte.

Coleys glückliche Entdeckung
ermöglichte es ihm,

als Pionier die gezielte
Injektion von Bakterien

zur erfolgreichen
Krebsbehandlung einzusetzen.

Über 100 Jahre später haben synthetische
Biologen einen noch besseren Weg gefunden,

die einst ungewöhnlichen
Verbündeten zu nutzen --

indem sie sie so programmierten,

dass sie Wirkstoffe sicher und gezielt
zu Tumoren transportieren.

Krebs entsteht, wenn sich normale
Zellenfunktionen so verändern,

dass sie sich dadurch schnell vermehren
und Wucherungen bilden,

die Tumore genannt werden.

Behandlungen wie Bestrahlung,
Chemo- und Immuntherapie versuchen,

bösartige Zellen abzutöten,
können aber den gesamten Körper schädigen

und dabei gesundes Gewebe zerstören.

Einige Bakterien wie E. coli haben
jedoch den einzigartigen Vorteil,

dass sie selektiv im Inneren
von Tumoren wachsen können.

Tatsächlich bildet der Kern
eines Tumors eine ideale Umgebung,

in der sie sich sicher und vor Immunzellen
verborgen vermehren können.

Anstatt Infektionen zu verursachen,
können Bakterien so umprogrammiert werden,

dass sie krebsbekämpfende
Medikamente in sich tragen

und als Trojanische Pferde agieren,
die den Tumor von innen heraus angreifen.

Diese Idee, Bakterien so zu programmieren,

dass sie auf völlig neue Art und Weise
wahrnehmen und reagieren,

ist ein Schwerpunkt
der synthetischen Biologie.

Wie können wir Bakterien programmieren?

Der Schlüssel liegt in
der Manipulation ihrer DNS.

Indem man bestimmte genetische
Sequenzen in Bakterien einfügt,

kann man sie anweisen, verschiedene
Moleküle zu synthetisieren,

darunter auch solche,
die das Krebswachstum stören.

Bakterien können auch mit Hilfe
biologischer Schaltkreise

zu ganz bestimmten
Verhaltensweisen angeregt werden.

Diese steuern unterschiedliche
Reaktionen in Abhängigkeit

von der Anwesenheit, Abwesenheit
oder Kombination bestimmter Faktoren.

Zum Beispiel haben Tumore
niedrige Sauerstoff- und pH-Werte

und produzieren zu viele
spezifische Moleküle.

Synthetische Biologen
programmieren Bakterien so,

dass sie diese Bedingungen wahrnehmen
und hierdurch auf Tumore reagieren,

während gesundes Gewebe gemieden wird.

Eine Art biologischer Kreislauf,

der als synchronisierter Lysekreislauf
oder SLC bekannt ist,

ermöglicht es den Bakterien,
nicht nur Medikamente zu befördern,

sondern dies nach
einem festgelegten Zylkus zu tun.

Um eine Schädigung
gesunden Gewebes zu vermeiden,

beginnt die Produktion von Wirkstoffen
erst mit dem Wachstum der Bakterien,

was nur innerhalb
des Tumors selbst geschieht.

Nachdem die Wirkstoffe produziert wurden,

bewirkt ein Notschalter
das Platzen der Bakterien,

wenn eine kritische Populations-
schwelle überschritten wird.

Dadurch wird das Medikament freigesetzt
und die Bakterienpopulation verringert.

Ein gewisser Prozentsatz der Bakterien
bleibt jedoch am Leben,

um die Kolonie wieder zu vergrößern.

Mit der Zeit wird ihre Zahl so groß,
dass erneut der Notschalter umgelegt wird,

und der Zyklus beginnt von vorne.

Dieser Kreislauf kann optimiert werden,

so dass Medikamente nach
dem Zyklus freigesetzt werden,

der am besten zur Bekämpfung
des Krebses geeignet ist.

Dieser Ansatz hat sich bei
wissenschaftlichen Studien mit Mäusen

als vielversprechend erwiesen.

Es gelang den Wissenschaftlern nicht nur,

mit Bakterien injizierte Lymphomtumore
erfolgreich zu beseitigen,

sondern die Injektion stimulierte
auch das Immunsystem,

indem es die Immunzellen dazu brachte,

unbehandelte Lymphome an anderen Stellen
in der Maus zu erkennen und anzugreifen.

Im Gegensatz zu anderen Therapien,

richten sich die Bakterien nicht
gegen eine bestimmte Krebsart,

sondern gegen allgemeine Eigenschaften,
die bei allen soliden Tumoren gleich sind.

Programmierbare Bakterien sind nicht nur
auf die Krebsbekämpfung beschränkt.

Sie können als komplexe Sensoren dienen,

um Orte zukünftiger
Krankheiten zu überwachen.

Unbedenkliche Probiotika könnten
in unseren Eingeweiden schlummern,

wo sie Störungen erkennen,
verhindern und bekämpfen,

noch bevor Symptome auftreten.

Technologische Fortschritte
sorgten für Aufregung

um die Zukunft
der personalisierten Medizin,

die von mechanischen
Nanorobotern angetrieben wird.

Dank der Milliarden von Jahren
währenden Evolution

haben wir vielleicht einen Ausgangspunkt

mit der unerwarteten
Biologie der Bakterien.

Fügt man noch etwas
synthetische Biologie hinzu,

wer weiß, was bald möglich sein könnte.