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Neil Gaiman hält eine Rede vor der "University of the Arts"- Klasse 2012.

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    Danke
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    [Gelächter]
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    Ich hätte wirklich nie gedacht, dass ich einmal Leuten, die
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    einen Abschluss an einer höheren Schule machen, Ratschläge erteilen würde.
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    Ich habe nie einen Abschluss an solch einer Institution gemacht.
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    Ich habe nicht einmal mit so etwas angefangen.
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    Ich bin so bald ich konnte aus der Schule abgehauen,
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    als die Aussicht auf vier Jahre weiterer Büffelei
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    ehe ich der Schriftsteller, der ich sein wollte, werden konnte, mich zu ersticken schien.
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    Ich ging hinaus in die Welt, ich schrieb
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    und ich wurde ein besserer Schriftsteller je mehr ich schrieb.
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    Und ich schrieb mehr
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    und niemandem schien es etwas auszumachen,
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    dass ich mir alles einfach so ausdachte.
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    Sie haben nur gelesen, was ich geschrieben habe und sie haben mich dafür bezahlt
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    oder auch nicht.
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    [Gelächter]
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    Und oft bekam ich von ihnen Aufträge
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    noch etwas für sie zu schreiben, was in mir
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    einen gesunden Respekt und ein herzliches Gefühl für die höhere Bildung hervorgerufen hat,
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    dass diejenigen meiner Freunde und Familienangehörigen, die Universitäten besucht haben,
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    schon lange verloren hatten.
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    Im Rückblick hatte ich einen bemerkenswerten Lebensweg.
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    Ich bin nicht sicher, ob ich es als Karriere bezeichnen kann,
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    weil Karriere impliziert, dass Ich eine Art Karriereplan hatte,
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    und das war nie der Fall.
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    Was dem am nächsten kommt, war eine Liste, die ich gemacht habe als ich etwa 15 war -
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    von allen den Dingen, die ich tun wollte.
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    Ich wollte einen Roman für Erwachsene schreiben,
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    ein Kinderbuch
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    einen Comic, einen Film,
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    ein Hörbuch aufnehmen,
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    eine Folge von Dr. Who schreiben und so weiter.
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    Ich hatte keine Karriere,
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    ich habe nur die nächste Sache auf der Liste gemacht.
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    Deshalb dachte ich, dass ich euch alles darüber erzähle, von dem ich wünschte, dass ich es gewusst hätte als ich angefangen habe
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    und ein paar Dinge, von denen ich, wenn ich so zurückblicke,
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    glaube, dass ich sie wusste.
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    Und ich gebe euch den besten Rat, den ich je bekommen habe
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    und dem ich absolut nicht gefolgt bin.
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    Erstens:
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    wenn ihr eine künstlerische Karriere beginnt,
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    habt ihr keine Ahnung davon, was ihr gerade tut.
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    Das ist großartig.
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    Leute, die wissen was sie tun, kennen die Regeln
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    und sie wissen was möglich und was unmöglich ist.
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    Ihr wisst das nicht und das solltet ihr auch nicht.
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    Die Regeln darüber was in der Kunst möglich und unmöglich ist,
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    werden von Leuten gemacht, die die Grenzen des Möglichen nicht getestet haben,
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    indem sie versuchten sie zu überschreiten.
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    Und ihr könnt das.
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    Wenn ihr nicht wisst, dass es unmöglich ist,
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    ist es einfacher.
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    Und weil niemand es vorher getan hat,
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    gibt es keine Regeln, die einen davon abhalten
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    diese spezielle Sache wieder zu machen.
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    [Applaus]
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    Zweitens: wenn ihr eine Ahnung davon habt, was ihr tun wollt,
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    warum ihr hier seid,
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    dann geht und tut das.
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    Und das ist viel schwieriger als es klingt
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    und manchmal am Ende so viel einfacher als ihr es euch vielleicht vorstellen konntet.
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    Denn normalerweise gibt es Dinge, die ihr tun müsst
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    ehe ihr zu dem Ort kommen könnt zu dem ihr hinwollt.
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    Ich wollte Comics und Romane und Geschichten und Filme schreiben,
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    deshalb wurde ich Journalist,
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    weil Journalisten Fragen stellen und einfach losziehen dürfen,
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    um herauszufinden wie die Welt funktioniert.
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    Und außerdem, um die Dinge zu tun, die ich brauchte, um zu schreiben
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    und gut zu schreiben.
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    Und ich wurde dafür bezahlt, dass ich lernte wie man schreibt
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    sparsam, knackig, manchmal unter widrigen Umständen
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    und mit einer Deadline.
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    Manchmal ist die Art wie man etwas tut, was man tun möchte klar.
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    Und manchmal scheint es fast unmöglich
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    eine Entscheidung darüber zu treffen, ob man das richtige tut,
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    weil man seine Ziele und Hoffnungen abwägen muss,
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    man muss essen
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    Rechnungen zahlen, Arbeit finden,
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    nehmen was man kriegen kann.
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    Etwas das bei mir geklappt hat, war
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    mir vorzustellen, wo und was ich sein wollte
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    - das war ein Autor, vorzugsweise für Fiktion,
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    gute Bücher machen, gute Comics machen,
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    gutes Theater machen
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    und mich selbst durch meine Worte finanzieren -
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    ich stellte mir vor, das da ein Berg wäre
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    ein weit entfernter Berg, mein Ziel.
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    Und ich wusste, dass solange ich in Richtung des Berges ging
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    alles in Ordnung wäre.
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    Und wenn ich wirklich nicht sicher war, was ich tun sollte,
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    konnte ich anhalten und darüber nachdenken,
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    ob es mich zum Berg hin oder weg von ihm
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    führen würde.
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    Ich sagte nein zu Redakteurjobs bei Zeitschriften
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    - anständige Jobs, die mir anständiges Geld eingebracht hätten -
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    weil ich wusste, dass sie, wie anziehend sie auch waren, für mich
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    hätten sie bedeutet in die falsche Richtung - vom Berg weg - zu gehen.
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    Und wenn diese Jobangebote früher gekommen wären,
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    hätte ich sie vielleicht angenommen,
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    weil sie da noch näher am Berg gelegen hätten,
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    als zu dem Zeitpunkt als ich sie bekam.
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    Ich lernte durch Schreiben zu schreiben.
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    Ich tendierte dazu alles zu tun, was sich für mich wie ein Abenteuer anfühlte
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    und damit aufzuhören, wenn es sich wie Arbeit anfühlte,
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    was bedeutete, dass das Leben sich nicht wie Arbeit anfühlte.
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    Drittens: wenn ihr anfangt, müsst ihr euch mich Fehlschlägen herumschlagen.
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    Ihr müsst ein dickes Fell haben,
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    lernen, dass nicht jedes Projekt ein Erfolg ist.
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    Das Leben als Selbstständiger, als Künstler
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    ist manchmal wie Flaschenpost auf einer einsamen Insel zu verschicken
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    und zu hoffen, dass jemand eine deiner Flaschen findet
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    und sie öffnet und liest
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    und etwas in eine Flasche steckt, die den Weg zurück zu dir findet
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    - Anerkennung oder einen Auftrag oder Geld oder Liebe.
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    Und man muss akzeptieren, dass man vielleicht hunderte von Sachen losschicken muss
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    für eine einzige Flasche, die den Weg zurück zu dir findet.
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    Misserfolge, Enttäuschungen,
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    Hoffnungslosigkeit, Hunger.
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    Man wünscht sich, dass alles passiert und am besten sofort
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    und die Dinge laufen schief.
  • 5:40 - 5:44
    Mein erstes Buch, ein journalistisches Werk, dass ich nur wegen des Geldes geschrieben habe
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    und das mir bereits im Voraus eine elektrische Schreibmaschine eingebracht hatte,
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    hätte ein Bestseller sein sollen.
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    Es hätte mir eine Menge Geld einbringen sollen,
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    wenn der Verlag nicht pleite gegangen wäre -
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    zwischen der ersten ausverkauften Auflage
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    und der zweiten Auflage, die es dann nie gab
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    und bevor irgenwelche Tantiemen bezahlt werden konnten.
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    Es wäre gut gegangen.
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    Und ich zuckte mit den Schultern
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    und ich hatte immer noch meine elektrische Schreibmaschine
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    und genug Geld, um die Miete für einige Monate zahlen zu können.
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    Und ich beschloss, dass das beste, was ich in der Zukunft tun könnte, wäre
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    keine Bücher nur wegen des Geldes zu schreiben.
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    Wenn man das Geld nicht bekam, dann hatte man gar nichts.
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    Und wenn ich an etwas arbeitete auf das ich stolz war und wenn ich das Geld nicht bekam,
  • 6:22 - 6:25
    dann hätte ich immer noch die Arbeit,
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    Hin und wieder
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    vergesse ich diese Regel
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    und immer, wenn das passiert, kriege ich einen harten Tritt vom Universum
  • 6:31 - 6:33
    zur Erinnerung.
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    Ich weiß nicht, ob das ein Thema für sonst jemanden ist,
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    aber es ist wahr, dass nichts von dem was ich gemacht habe,
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    und bei dem der einzige Grund das Geld war,
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    war es jemals wert,
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    höchstens als negative Erfahrung.
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    Normalerweise
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    [Gelächter]
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    Die Sachen, die ich gemacht habe, weil ich begeistert war
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    und wollte, dass sie real werden,
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    haben mich nie enttäuscht und ich habe niemals
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    die Zeit bedauert, die ich in sie investiert habe.
  • 7:00 - 7:02
    Misserfolge sind hart.
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    Erfolge können härter sein,
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    weil niemand einen davor warnt.
  • 7:08 - 7:12
    Das erste Problem bei jeglich geartetem, selbst bei geringem Erfolg
  • 7:12 - 7:14
    ist die unerschütterliche Überzeugung, dass man mit etwas davon kommt
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    und dass man jeden Moment demaskiert wird.
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    [Gelächter]
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    Das ist das Betrüger-Syndrom,
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    etwas, dass meine Frau Amanda als "Die Betrugs-Polizei" getauft hat.
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    Ich jedenfalls war davon überzeugt, dass es an die Tür klopfen
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    und ein Mann mit einem Klemmbrett
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    - ich weiß nicht, warum er ein Klemmbrett hatte,
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    aber in meinem Kopf hatte er immer ein Klemmbrett -
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    würde da stehen und mir sagen, dass alles vorbei sei
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    und dass sie mich einholen würden
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    und jetzt würde ich los und mir einen richtigen Job besorgen müssen,
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    einer der nicht darin bestand, sich Dinge auszudenken und sie aufzuschreiben
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    und ide Bücher zu lesen, die ich lesen wollte.
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    Und dann würde ich leise weggehen
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    und diese Art von Job bekommen
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    Ich würde morgens früh aufstehen müssen
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    und eine Kravatte tragen
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    und mir keine Dinge mehr ausdenken.
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    Die Probleme des Erfolges sind real
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    und mit etwas Glück werdet ihr sie erleben.
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    Der Moment in dem man aufhört, zu allem ja zu sagen,
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    weil die Flaschen, die man ins Meer wirft alle zurückkommen.
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    Und man muss lernen "Nein" zu sagen.
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    Ich betrachtete Gleichaltrige, meine Freunde und diejenigen, die älter als ich waren
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    und ich sah wie unglücklich einige von ihnen waren.
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    Ich hörte, wie sie erzählten, dass sie sich keine Welt vorstellen konnten,
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    in der sie taten, was sie schon immer tun gewollt hätten.
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    weil sie jetzt jeden Monat eine gewisse Summe verdienen mussten,
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    um zu bleiben wo sie waren.
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    Sie konnten nicht losziehen und die Dinge tun, die wichtig waren
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    und die sie wirklich tun wollten
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    und das schien eine genauso große Tragödie zu sein wie der Misserfolg.
  • 8:49 - 8:52
    Und danach ist das größte Problem, dass der Erfolg mit sich bringt, dass
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    die Welt sich verschwört, um
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    dich dabei zu stoppen die Dinge zu tun, die du tust,
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    weil du erfolgreich bist.
  • 8:58 - 9:02
    Es gab einen Tag, an dem ich aufsah und mir klar wurde,
  • 9:02 - 9:04
    dass ich zu jemandem geworden war,
  • 9:04 - 9:07
    der beruflich auf E-Mails antwortete
  • 9:07 - 9:10
    und er schrieb als Hobby.
  • 9:10 - 9:12
    Ich begann weniger E-Mails zu beantworten
  • 9:12 - 9:16
    und war erleichtert, festzustellen, dass ich viel mehr schrieb.
  • 9:17 - 9:22
    Viertens: Ich hoffe, dass ihr Fehler machen werdet.
  • 9:22 - 9:26
    Wenn man Fehler macht, dann bedeutet das, dass ihr etwas tut
  • 9:26 - 9:29
    und die Fehler selbst können sehr nützlich sein.
  • 9:29 - 9:33
    Ich habe einmal in einem Brief Caroline falsch geschrieben,
  • 9:33 - 9:36
    das A und das O vertauscht,
  • 9:36 - 9:38
    und ich dachte "Coraline
  • 9:38 - 9:41
    sieht fast wie ein echter Name aus".
  • 9:41 - 9:44
    Denkt daran, was auch immer eurer Gebiet ist,
  • 9:44 - 9:46
    ob ihr ein Musiker oder ein Fotograf seid,
  • 9:46 - 9:48
    ein bildender Künstler oder ein Cartoonist,
  • 9:48 - 9:51
    ein Schriftsteller, ein Tänzer, ein Sänger, ein Designer,
  • 9:51 - 9:54
    was auch immer ihr tut, ihr besitzt eine Sache, die einzigartig ist:
  • 9:54 - 9:57
    Ihr habt die Fähigkeit, Kunst zu schaffen.
  • 9:57 - 10:01
    Und für mich und für so viele Leute, die ich kennengelernt habe,
  • 10:01 - 10:03
    ist das eine letzte Rettung gewesen.
  • 10:03 - 10:05
    Der ultimative Rettungsring.
  • 10:05 - 10:06
    Es hilft euch durch die guten Zeiten und auch durch
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    die anderen.
  • 10:09 - 10:12
    Manchmal ist das Leben schwer, Dinge gehen schief
  • 10:12 - 10:16
    im Leben und in der Liebe und im Geschäft und in der Freundschaft
  • 10:16 - 10:20
    und in der Gesundheit und in all den anderen Bereichen des Lebens in denen etwas schief gehen kann.
  • 10:20 - 10:25
    Und wenn es hart wird, solltet ihr folgendes tun.
  • 10:25 - 10:29
    Macht gute Kunst.
  • 10:29 - 10:31
    Ich meine es ernst.
  • 10:31 - 10:32
    [Gelächter]
  • 10:32 - 10:34
    Der Ehemann haut mit einem Politiker ab?
  • 10:34 - 10:36
    Macht gute Kunst.
  • 10:36 - 10:38
    [Gelächter]
  • 10:38 - 10:42
    Bein gebrochen und dann von einer mutierten Boa Constriktor gefressen?
  • 10:42 - 10:45
    Macht gute Kunst.
  • 10:45 - 10:48
    Die Steuerbehörde ist euch auf den Fersen? Macht gute Kunst.
  • 10:48 - 10:54
    Katze explodiert? Macht gute Kunst.
  • 10:54 - 10:57
    Jemand im Internet denkt, das was ihr tut,
  • 10:57 - 10:59
    ist dumm oder böse oder wurde alles schon mal gemacht?
  • 10:59 - 11:02
    Macht gute Kunst.
  • 11:02 - 11:04
    Wahrscheinlich werden die Dinge irgendwie klappen,
  • 11:04 - 11:06
    vielleicht wird die Zeit ihnen den Stachel nehmen
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    und selbst das ist egal.
  • 11:08 - 11:11
    Tut was nur ihr am besten könnt.
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    Macht gute Kunst.
  • 11:14 - 11:16
    Macht sie an schlechten Tagen
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    und auch an den guten Tagen.
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    Und fünftens: Wenn ihr schon dabei seid,
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    macht eure Kunst.
  • 11:23 - 11:25
    Macht die Dinge, die nur ihr tun könnt.
  • 11:25 - 11:27
    Der Drang, anfangs, ist zu kopieren
  • 11:27 - 11:29
    und das ist nicht schlimm.
  • 11:29 - 11:30
    Die meisten von uns finden ihre eigenen Stimmen erst,
  • 11:30 - 11:33
    nachdem wir wie eine Menge anderer Leute geklungen haben.
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    [Gelächter]
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    Aber eine Sache, die nur ihr habt, die niemand sonst hat,
  • 11:38 - 11:45
    seid ihr, eure Stimme, euer Geist, eure Geschichte, eure Vision.
  • 11:45 - 11:48
    Deshalb schreibt und zeichnet und baut und spielt
  • 11:48 - 11:51
    und tanzt und lebt wie nur ihr es könnt.
  • 11:51 - 11:56
    Der Moment in dem ihr den Eindruck habt, dass ihr möglicherweise
  • 11:56 - 11:59
    nackt die Straße entlanglauft,
  • 11:59 - 12:02
    zu viel von eurem Herzen und eurem Geist entblößt
  • 12:02 - 12:05
    und was in euch drin ist, zu viel von euch selbst zeigt,
  • 12:05 - 12:11
    das ist der Moment, in dem ihr vielleicht anfangt, es richtig zu machen.
  • 12:11 - 12:13
    Die Dinge, die ich getan habe und die am besten funktioniert haben,
  • 12:13 - 12:15
    waren die Dinge deren ich am wenigsten sicher war.
  • 12:15 - 12:17
    Die Geschichten bei denen ich sicher war, dass sie entweder funktionieren würden
  • 12:17 - 12:21
    oder, wahrscheinlicher, sich zu peinlichen Mißerfolgen entwickeln würden,
  • 12:21 - 12:25
    deretwegen sich die Leute versammeln und bis zum Ende aller Zeiten diskutieren würden.
  • 12:25 - 12:28
    Sie hatten immer eins gemein: Im Rückblick
  • 12:28 - 12:31
    erklären die Leute, warum sie unvermeidliche Erfolge waren
  • 12:31 - 12:34
    und als ich sie machte, hatte ich keine Ahnung davon.
  • 12:34 - 12:36
    Habe ich immer noch nicht.
  • 12:36 - 12:38
    Und wo bliebe der Spass, wenn man etwas machen würde
  • 12:38 - 12:39
    von dem man wüsste, dass es funktioniert?
  • 12:39 - 12:43
    Und manchmal haben die Sachen, die ich gemacht habe, wirklich nicht funktioniert.
  • 12:43 - 12:46
    Es gibt Geschichten von mir, die niemals wieder aufgelegt wurden.
  • 12:46 - 12:49
    Einige von ihnen haben nicht mal das Haus verlassen.
  • 12:49 - 12:53
    Aber ich habe von ihnen genauso viel gelernt wie ich von den Sachen,d ie funktioniert haben, gelernt habe.
  • 12:53 - 12:59
    OK, sechstens: Ich werde euch geheimes Selbständigenwissen anvertrauen.
  • 12:59 - 13:02
    Geheimwissen ist immer gut und es ist nützlich
  • 13:02 - 13:06
    für jeden, der jemals plant, Kunst für andere zu schaffen,
  • 13:06 - 13:08
    sich in irgendeine Selbständigenwelt zu begeben.
  • 13:08 - 13:10
    Ich hab's in Comics gelernt
  • 13:10 - 13:13
    aber es funktioniert auch in anderen Bereichen und lautet folgendermaßen:
  • 13:13 - 13:19
    Leute werden angeheuert, weil sie - irgendwie - angeheuert werden.
  • 13:19 - 13:20
    [Gelächter]
  • 13:20 - 13:24
    In meinem Fall habe ich etwas getan, dass heutzutage einfach zu überprüfen gewesen wäre
  • 13:24 - 13:25
    und eine Menge Ärger für mich bedeutet hätte
  • 13:25 - 13:28
    und als ich anfing, in der Vor-Internet-Ära,
  • 13:28 - 13:30
    schien es eine vernünftige Karrierestrategie zu sein.
  • 13:30 - 13:34
    Als ich von Redakteuren gefragt wurde für wen ich geschrieben habe,
  • 13:34 - 13:35
    hab ich gelogen.
  • 13:35 - 13:38
    [Gelächter]
  • 13:38 - 13:41
    Ich zählte eine Handvoll Zeitschriften auf, die wahrscheinlich klangen
  • 13:41 - 13:43
    und ich gab mich sicher und ich bekam Jobs.
  • 13:43 - 13:53
    [Jubelgeschrei]
  • 13:53 - 13:56
    Und dann machte ich eine Ehrensache daraus, etwas für
  • 13:56 - 13:58
    jede Zeitschrift zu schreiben, die ich aufgelistet hatte,
  • 13:58 - 14:01
    um diesen ersten Job zu bekommen.
  • 14:01 - 14:02
    Damit ich nicht wirklich gelogen hatte,
  • 14:02 - 14:05
    ich musste mich nur einer chronologischen Herausforderung stellen.
  • 14:05 - 14:07
    [Gelächter]
  • 14:07 - 14:10
    Aber man bekommt Arbeit
  • 14:10 - 14:14
    Aber die Leute arbeiten weiterhin in einer Freelancer Welt
  • 14:14 - 14:17
    - und immer mehr der heutigen Welt ist Freelance -
  • 14:17 - 14:20
    weil die Arbeit gut ist
  • 14:20 - 14:22
    und weil man gut mit ihnen klarkommt
  • 14:22 - 14:25
    und weil sie rechtzeitig liefern.
  • 14:25 - 14:29
    Und man braucht noch nicht einmal alle drei.
  • 14:29 - 14:32
    Zwei von drei ist fein.
  • 14:32 - 14:33
    [Gelächter]
  • 14:33 - 14:37
    Leute werden tolerieren wie unfreundlich ihr seid,
  • 14:37 - 14:39
    wenn eure Arbeit gut ist und ihr sie rechtzeitig abliefert.
  • 14:39 - 14:41
    [Gelächter]
  • 14:41 - 14:45
    Die Leute werden euch zu späte Abgaben verzeihen,
  • 14:45 - 14:46
    wenn eure Arbeit gut ist und sie euch mögen.
  • 14:46 - 14:47
    [Gelächter]
  • 14:47 - 14:50
    Und ihr müsst nicht so gut wie die anderen sein,
  • 14:50 - 14:53
    wenn ihr rechtzeitig abliefert und es immer eine Freude ist, von euch zu hören.
  • 14:53 - 14:56
    [Gelächter]
  • 14:56 - 15:05
    [Applaus]
  • 15:05 - 15:08
    Als ich zugestimmt habe, diese Rede zu halten,
  • 15:08 - 15:11
    dachte ich darüber nach, was der beste Ratschlag war, den ich je erhalten hatte
  • 15:11 - 15:15
    und mir wurde klar, dass es sich um einen Ratschlag handelte,
  • 15:15 - 15:18
    den ich nicht befolgt habe
  • 15:18 - 15:19
    und er kam von Stephen King.
  • 15:19 - 15:22
    Ich war 20 Jahre alt und auf dem Gipfel des Erfolges
  • 15:22 - 15:23
    - des ersten Erfolges -
  • 15:23 - 15:27
    von Sandman, dem Comic, den ich schrieb.
  • 15:27 - 15:29
    [Applaus] Oh, danke.
  • 15:29 - 15:30
    Ich schrieb einen Comic, den die Leute liebten
  • 15:30 - 15:32
    und den sie ernst nahmen
  • 15:32 - 15:34
    und Stephen King mochte Sandman
  • 15:34 - 15:37
    und meinen Roman mit Terry Pratchett "Ein Gutes Omen"
  • 15:37 - 15:39
    und er sah den Wahnsinn, der ablief
  • 15:39 - 15:41
    - die langen Warteschlangen beim Signieren, all diese Dinge -
  • 15:41 - 15:43
    und sein Rat war folgendes:
  • 15:43 - 15:46
    Er sagte: "Das ist echt großartig,
  • 15:46 - 15:49
    du solltest es genießen."
  • 15:49 - 15:52
    Und ich hab's nicht getan.
  • 15:52 - 15:54
    Bester Ratschlag, den ich bekommen und ignoriert habe.
  • 15:54 - 15:57
    Stattdessen hab ich mir Sorgen gemacht.
  • 15:57 - 15:59
    Ich hab mir über die nächste Deadline Sorgen gemacht,
  • 15:59 - 16:01
    die nächste Idee,
  • 16:01 - 16:03
    die nächste Geschichte.
  • 16:03 - 16:05
    Es gab keinen Augenbilck in den nächsten 14 oder 15 Jahren,
  • 16:05 - 16:07
    in dem ich nicht irgenwas in meinem Kopf schrieb
  • 16:07 - 16:08
    oder mir Fragen darüber stellte.
  • 16:08 - 16:11
    Und ich hielt nicht an, schaute mich um und dachte:
  • 16:11 - 16:14
    "Das macht wirklich Spass."
  • 16:14 - 16:16
    Ich wünschte, ich hätte es mehr genossen.
  • 16:16 - 16:18
    Es war eine erstaunliche Reise,
  • 16:18 - 16:20
    aber Teile der Reise habe ich verpasst,
  • 16:20 - 16:22
    weil ich mir zu große Sorgen darüber machte, dass etwas schief gehen könnte,
  • 16:22 - 16:25
    Sorgen darüber, was als nächstes kam, ich verpasste den Teil der Reise zu genießen in dem ich mich gerade befand.
  • 16:25 - 16:28
    Das war für mich die schwerste Lektion, glaube ich:
  • 16:28 - 16:31
    loszulassen und die Reise zu genießen.
  • 16:31 - 16:34
    Weil die Reise dich zu einigen bemerkenswerten
  • 16:34 - 16:37
    und unerwarteten Orten führt.
  • 16:37 - 16:40
    Und hier, auf dieser Platform, heute, ist für mich
  • 16:40 - 16:42
    einer dieser Plätze
  • 16:42 - 16:46
    und ich habe größten Spass.
  • 16:46 - 16:57
    [Applaus]
  • 16:57 - 16:59
    Ich hatte das übrigens in Klammern gesetzt.
  • 16:59 - 17:01
    Falls es nicht so gewesen wäre, hätte ich es nicht gesagt.
  • 17:01 - 17:05
    [Gelächter]
  • 17:05 - 17:08
    An alle Graduierenden des heutigen Tages:
  • 17:08 - 17:11
    Ich wünsche euch Glück. Glück ist nützlich.
  • 17:11 - 17:13
    Oft werdet ihr feststellen, dass je härter ihr arbeitet
  • 17:13 - 17:15
    und je weiser ihr arbeitet
  • 17:15 - 17:17
    desto glücklicher werdet ihr werden.
  • 17:17 - 17:20
    Aber es gibt Glück und es hilft.
  • 17:20 - 17:24
    Wir befinden uns gerade in einer Zeit des Übergangs,
  • 17:24 - 17:27
    wenn ihr euch auf irgendeine Art und Weise künstlerisch betätigt,
  • 17:27 - 17:30
    denn die Art der Verteilung ändert sich.
  • 17:30 - 17:33
    Die Modelle durch die Künstler ihr Werk hinaus in die Welt trugen
  • 17:33 - 17:35
    und ein Dach über ihrem Kopf behielten,
  • 17:35 - 17:37
    und ihre Brötchen kaufen, während sie das taten
  • 17:37 - 17:39
    sie verändern sich alle.
  • 17:39 - 17:42
    Ich habe mit Leuten am oberen Ende der Nahrungskette gesprochen,
  • 17:42 - 17:44
    in der Verlagsbranch und der Buchbranche,
  • 17:44 - 17:46
    in der Musikbranche, in allen diesen Bereichen
  • 17:46 - 17:49
    und niemand weiß, wie es in zwei Jahren,
  • 17:49 - 17:52
    geschweige denn in einem Jahrzehnt aussehen wird.
  • 17:52 - 17:54
    Die im letzten Jahrhundert aufgebauten Verbreitungswege
  • 17:54 - 17:57
    aufgebaut worden sind, befinden sich im Wandel:
  • 17:57 - 18:00
    für Printmedien, für bildende Künstler, für Musiker,
  • 18:00 - 18:03
    für Kreative aller Art.
  • 18:03 - 18:05
    Das ist auf der einen Seite einschüchternd,
  • 18:05 - 18:10
    aber auf der Anderen unglaublich befreiend.
  • 18:10 - 18:12
    Die Regeln, die Annahmen, die "so-wirds-gemacht"s,
  • 18:12 - 18:16
    darüber wie ihr eure Werke publik macht und was ihr dann tut,
  • 18:16 - 18:19
    sie brechen zusammen.
  • 18:19 - 18:23
    Die Torwächter verlassen ihre Tore.
  • 18:23 - 18:27
    Ihr könnt so kreativ sein wie nötig, um eure Werke publik zu machen.
  • 18:27 - 18:31
    YouTube, das Internet und was immer nach Youtube und dem Internet kommt,
  • 18:31 - 18:32
    kann euch ein größeres Publikum bescheren
  • 18:32 - 18:35
    als das Fernsehen es jemals getan hat.
  • 18:35 - 18:37
    Die alten Regeln zerbröckeln
  • 18:37 - 18:40
    und niemand kennt die neuen Regeln.
  • 18:40 - 18:43
    Also macht eure eigenen Regeln.
  • 18:43 - 18:45
    Jemand fragte mich neulich,
  • 18:45 - 18:47
    wie sie etwas, das sie als schwierig erachtete, schaffen sollte,
  • 18:47 - 18:49
    in diesem Fall die Aufnahme eines Hörbuchs.
  • 18:49 - 18:55
    Und ich schlug ihr vor, so zu tun als sei sie jemand,
  • 18:55 - 18:56
    der das tun könne.
    [Gelächter]
  • 18:56 - 19:00
    Nicht so tun als ob sie es tun würde, sondern so tun als könne sie es.
  • 19:00 - 19:03
    Sie hat sich eine entsprechende Notiz an die Wand
  • 19:03 - 19:06
    ides Studios geheftet, und sie sagte es helfe ihr.
  • 19:06 - 19:10
    Seid also weise, denn die Welt braucht mehr Weisheit
  • 19:10 - 19:14
    und wenn ihr nicht weise sein könnt, tut so als ob ihr weise wärt
  • 19:14 - 19:17
    und dann, verhaltet euch einfach, wie eine solche Person es tun würde.
  • 19:17 - 19:29
    [Applaus]
  • 19:29 - 19:32
    Und jetzt geht, macht interessante Fehler,
  • 19:32 - 19:34
    macht unglaubliche Fehler,
  • 19:34 - 19:37
    macht ruhmreiche und phantastische Fehler.
  • 19:37 - 19:38
    Brecht die Regeln.
  • 19:38 - 19:41
    Macht die Welt durch eure Anwesenheit zu einem interessanteren Ort.
  • 19:41 - 19:44
    Macht gute Kunst.
  • 19:44 - 19:46
    Danke.
  • 19:46 - 19:54
    [Applaus]
Title:
Neil Gaiman hält eine Rede vor der "University of the Arts"- Klasse 2012.
Video Language:
English
Duration:
19:55

German subtitles

Revisions