WEBVTT 00:00:09.587 --> 00:00:13.903 Was muss man sich unter einer Analytischen Philosophie vorstellen? 00:00:14.324 --> 00:00:16.030 Philosophen beim Analytiker? 00:00:16.514 --> 00:00:18.141 Philosophie im Labor? 00:00:18.356 --> 00:00:20.198 Philosophierende Computer? 00:00:21.121 --> 00:00:25.902 Die Analytische Philosophie ist eigentlich keine einheitliche Philosophie, 00:00:25.902 --> 00:00:28.924 sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Richtungen, 00:00:28.924 --> 00:00:30.809 die eines gemeinsam haben: 00:00:30.892 --> 00:00:34.851 Mit Kontinentalphilosophie wollen sie nichts zu tun haben. 00:00:35.040 --> 00:00:36.623 Kein Platon, Augustinus, 00:00:36.623 --> 00:00:39.231 kein Descartes, Leibniz und auch kein Kant! 00:00:39.681 --> 00:00:43.379 Zum Glück stammen die Gründerväter Bertrand Russell und George Edward Moore 00:00:43.379 --> 00:00:46.812 nicht vom Kontinent sondern von der Insel. 00:00:47.121 --> 00:00:50.057 Und noch was haben sie gemeinsam: Sie sind überzeugt, 00:00:50.057 --> 00:00:52.791 dass die Untersuchung der Sprache eine zentrale Rolle 00:00:52.791 --> 00:00:55.246 bei der Lösung philosophischer Probleme hat. 00:00:55.895 --> 00:00:59.614 Diese Hinwendung zur Sprache, auch linguistic turn genannt, 00:00:59.614 --> 00:01:03.369 führt dazu, dass analytische Philosophie häufig auch schlicht 00:01:03.369 --> 00:01:06.210 als Sprachphilosophie bezeichnet wird. 00:01:06.718 --> 00:01:09.384 Ludwig Wittgensteins vertritt in seinem Frühwerk 00:01:09.384 --> 00:01:12.791 "tractatus logico-philosophicus", folgende Ansicht: 00:01:13.116 --> 00:01:17.062 Man kann philosophische Probleme nur verstehen, wenn man begreift, 00:01:17.062 --> 00:01:21.730 durch welche Fehlanwendung von Sprache sie überhaupt erzeugt werden. 00:01:22.188 --> 00:01:24.487 Ziel dieser Untersuchung ist die Unterscheidung 00:01:24.487 --> 00:01:27.379 von sinnvollen und unsinnigen Sätzen. 00:01:28.322 --> 00:01:32.830 1911 verließ Wittgenstein zeitweise den Kontinent und ging nach Cambridge, 00:01:32.830 --> 00:01:35.439 um das damalige Mastermind der Sprachphilosophie, 00:01:35.439 --> 00:01:37.292 Bertrand Russel zu hören. 00:01:37.565 --> 00:01:39.993 Russel war zunächst wenig beeindruckt: 00:01:40.393 --> 00:01:44.330 "Nach der Vorlesung kam ein hitziger Deutscher, um mit mir zu streiten. 00:01:44.406 --> 00:01:47.796 Eigentlich ist es reine Zeitverschwendung, mit ihm zu reden." 00:01:48.234 --> 00:01:50.529 Doch bald änderte er sein Urteil. 00:01:51.433 --> 00:01:55.564 Der Tractatus hatte großen Einfluss auf den "Wiener Kreis". 00:01:55.767 --> 00:01:58.331 Und Wien liegt eindeutig auf dem Kontinent. 00:01:58.595 --> 00:02:01.998 Rudolf Carnap der Mitbegründer des Wiener Kreises 00:02:01.998 --> 00:02:06.531 findet, dass metaphysische Sätze sinnlose Scheinsätze sind. 00:02:06.531 --> 00:02:09.437 Das heißt, wenn in einem Satz Worte vorkommen wie "Gott", 00:02:09.437 --> 00:02:11.805 "das Unendliche", das "Wesen", 00:02:11.805 --> 00:02:13.789 dann kann man mit diesen Satz nichts anfangen. 00:02:14.366 --> 00:02:17.664 Ein Amerikaner mit dem schönen Namen Willard Van Orman Quine 00:02:17.664 --> 00:02:19.491 sorgte dann mit einem einzigen Aufsatz 00:02:19.491 --> 00:02:22.106 für eine Krise in der Analytischen Philosophie, 00:02:22.106 --> 00:02:25.602 in dem er mit "Zwei Dogmen des Empirismus" aufräumte: 00:02:26.086 --> 00:02:27.430 Theorien können nicht immer 00:02:27.430 --> 00:02:30.147 in empirisch überprüfbare Einzelaussagen zerlegt werden. 00:02:30.147 --> 00:02:32.121 Und die Unterscheidung zwischen 00:02:32.121 --> 00:02:35.432 analytischen und synthetischen Sätzen ist Quatsch. 00:02:36.095 --> 00:02:37.506 Synthetische Sätze? 00:02:37.651 --> 00:02:39.092 Was soll das denn wieder sein? 00:02:39.293 --> 00:02:41.017 Sätze aus dem Synthesizer? 00:02:42.494 --> 00:02:43.397 Nein! 00:02:43.397 --> 00:02:47.530 Ein analytischer Satz ist z. B. "Der Pudel ist ein Hund". 00:02:47.777 --> 00:02:50.129 Im Subjekt "Pudel" ist das Prädikat "Hund sein" 00:02:50.129 --> 00:02:52.175 als gedanklicher Inhalt schon enthalten. 00:02:52.654 --> 00:02:54.269 "Der Pudel ist frisiert." 00:02:54.486 --> 00:02:56.683 Hier ist die Eigenschaft nicht im Wort enthalten. 00:02:56.683 --> 00:02:59.560 Man kann nicht davon ausgehen, dass jeder Pudel frisiert ist. 00:02:59.577 --> 00:03:02.362 Also ist dies ein synthetischer Satz. 00:03:02.486 --> 00:03:03.412 Alles klar? 00:03:03.412 --> 00:03:04.438 Pudel Hin oder her, 00:03:04.438 --> 00:03:08.186 ob Quine damit überhaupt noch als analytischer Philosoph gelten darf, 00:03:08.186 --> 00:03:10.076 ist eine andere Frage ... 00:03:10.076 --> 00:03:13.743 Er lebte zumindest nicht auf dem Kontinent, sondern in den USA. 00:03:13.981 --> 00:03:17.971 Und unser Schlusszitat kommt von dem berühmten Philosophen Karl Popper: 00:03:18.690 --> 00:03:22.177 "Ein Philosoph, der sich sein Leben lang mit der Sprache beschäftigt, 00:03:22.177 --> 00:03:25.985 ist wie ein Zimmermann, der seine ganze Arbeitszeit damit verbringt, 00:03:25.985 --> 00:03:27.879 seine Werkzeuge zu schärfen." 00:03:28.794 --> 00:03:32.972 Das Wittgenstein einmal auf Popper mit einem Feuerhaken losgegangen ist, 00:03:33.332 --> 00:03:35.584 ist eine andere Geschichte …