David R. Dow: Was wir von Todestrakt-Insassen lernen können
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0:02 - 0:03Vor zwei Wochen
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0:03 - 0:06saß ich am Küchentisch
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0:06 - 0:09mit meiner Frau Katya
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0:09 - 0:13und wir unterhielten uns über das Thema
meines heutigen Vortrags. -
0:13 - 0:18Wir haben einen elfjährigen Sohn. Er heißt Lincoln.
Er saß auch mit am Tisch -
0:18 - 0:21und machte seine Mathe-Hausaufgaben.
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0:21 - 0:23Während einer Pause im Gespräch
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0:24 - 0:26mit Katya sah ich zu Lincoln hinüber
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0:26 - 0:28und war plötzlich wie vom Blitz getroffen
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0:30 - 0:34von einer Erinnerung an einen meiner Mandanten.
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0:34 - 0:37Mein Mandant war ein Mann namens Will.
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0:37 - 0:38Er kam aus Nordtexas.
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0:38 - 0:44Er hatte seinen Vater nie näher kennengelernt, weil sein Vater
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0:44 - 0:47seine Mutter verlassen hatte,
als sie mit ihm schwanger war. -
0:47 - 0:52Und so war es sein Schicksal, von seiner Mutter
alleine erzogen zu werden, -
0:52 - 0:53was vielleicht okay gewesen wäre,
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0:53 - 0:55nur dass seine Mutter
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0:55 - 0:59an paranoider Schizophrenie litt
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0:59 - 1:03und versuchte, Will mit einem Fleischermesser
umzubringen, als er fünf Jahre alt war. -
1:03 - 1:05Sie wurde
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1:05 - 1:09von den Behörden abgeholt
und in die Psychiatrie eingewiesen -
1:09 - 1:13Und so lebte Will für die nächsten paar Jahre
bei seinem älteren Bruder, -
1:13 - 1:16bis der sich das Leben nahm,
indem er sich durchs Herz schoss. -
1:16 - 1:19Danach
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1:19 - 1:22wurde Will zwischen Familienmitgliedern
hin- und hergeschoben, -
1:22 - 1:27bis er im Alter von neun Jahren praktisch alleine lebte.
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1:27 - 1:32An dem Morgen, als ich mit Katya und Lincoln
zusammensaß, sah ich meinen Sohn an -
1:32 - 1:36und mir wurde klar, dass mein Mandant Will
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1:36 - 1:38in seinem Alter
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1:38 - 1:42schon zwei Jahre lang auf sich gestellt gelebt hatte.
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1:42 - 1:45Will wurde schließlich Mitglied einer Gang
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1:45 - 1:46und verübte
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1:46 - 1:49eine Reihe sehr schwerer Verbrechen.
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1:49 - 1:52Eines davon, das schlimmste,
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1:52 - 1:54war ein furchtbarer, tragischer Mord.
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1:54 - 2:00Und Will wurde schlussendlich zur Strafe
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2:00 - 2:01für dieses Verbrechen hingerichtet.
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2:01 - 2:04Doch ich will heute nicht
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2:04 - 2:06darüber sprechen,
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2:06 - 2:10ob die Todesstrafe moralisch ist.
Ich bin sicher nicht der Meinung, dass mein Mandant -
2:10 - 2:15hätte hingerichtet werden sollen.
Aber ich würde heute lieber -
2:15 - 2:18über die Todesstrafe
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2:18 - 2:21in einer neuen Weise sprechen,
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2:21 - 2:22in einer Weise,
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2:22 - 2:25die vollkommen unkontrovers ist.
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2:25 - 2:28Ich glaube, das geht,
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2:28 - 2:30denn es gibt in der Debatte
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2:30 - 2:32um die Todesstrafe einen Bereich,
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2:32 - 2:34vielleicht den wichtigsten von allen,
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2:34 - 2:37wo sich alle einig sind,
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2:37 - 2:41wo die leidenschaftlichsten Befürworter der Todesstrafe
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2:41 - 2:45und die lautstärksten Gegner
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2:45 - 2:48komplett übereinstimmen.
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2:48 - 2:52Diesen Bereich will ich untersuchen.
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2:52 - 2:56Vorher will ich Ihnen allerdings
in ein paar Minuten erklären, wie ein solcher -
2:56 - 2:58Todesstrafenprozess abläuft.
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2:58 - 3:03Und dann will ich Ihnen zwei Lektionen verraten,
die ich in meinen 20 Jahren als Strafverteidiger -
3:03 - 3:06gelernt habe, in denen ich den Ablauf
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3:06 - 3:10von weit mehr als einhundert
Todesstrafenfällen beobachtet habe. -
3:10 - 3:14Sie können sich einen solchen Fall
wie eine Geschichte vorstellen -
3:14 - 3:16mit vier Kapiteln.
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3:16 - 3:20Das erste Kapitel jedes Falls ist genau gleich
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3:20 - 3:22und es ist tragisch.
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3:22 - 3:23Es beginnt mit dem Mord
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3:23 - 3:26an einem unschuldigen Menschen
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3:26 - 3:27und wird gefolgt von einem Gerichtsprozess,
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3:27 - 3:30bei dem der Mörder zur Todesstrafe verurteilt wird
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3:30 - 3:32und dieses Todesurteil wird schließlich bestätigt
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3:32 - 3:34vom Berufungsgericht des Bundesstaates.
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3:34 - 3:39Das zweite Kapitel besteht aus
einem komplizierten Berufungsverfahren, -
3:39 - 3:41das "State Habeas Corpus Appeal" heißt.
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3:41 - 3:45Das dritte Kapitel ist ein noch
komplizierteres Rechtsverfahren namens -
3:45 - 3:47"Federal Hebeas Corpus Proceeding".
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3:47 - 3:49Im vierten Kapitel schließlich
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3:49 - 3:53können viele Dingen passieren.
Die Anwälte reichen vielleicht ein Gnadengesuch ein, -
3:53 - 3:56vielleicht eröffnen sie einen noch komplizierteren Rechtsstreit
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3:56 - 3:58oder vielleicht tun sie überhaupt nichts.
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3:58 - 4:00Aber das vierte Kapitel endet immer
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4:00 - 4:02mit der Hinrichtung.
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4:02 - 4:07Als ich vor 20 Jahren anfing,
Häftlinge im Todestrakt gerichtlich zu vertreten, -
4:07 - 4:11hatten diese Insassen noch kein Recht
auf einen Anwalt im zweiten -
4:11 - 4:14oder vierten Kapitel dieser Geschichte.
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4:14 - 4:15Sie waren auf sich gestellt.
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4:15 - 4:19Überhaupt erhielten sie erst in den späten 1980ern das Recht
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4:19 - 4:21auf einen Anwalt im dritten Kapitel der Geschichte
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4:21 - 4:23zugesprochen.
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4:23 - 4:25Also mussten sich all diese Häftlinge im Todestrakt
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4:25 - 4:28auf freiwillige Anwälte verlassen,
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4:28 - 4:31um ihre Gerichtsverfahren zu regeln.
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4:31 - 4:34Das Problem war, dass es viel mehr Todestrakt-Insassen gab
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4:34 - 4:39als Anwälte, die sowohl das nötige Interesse
als auch die Erfahrung hatten, diese Fälle zu bearbeiten. -
4:39 - 4:41So kam es,
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4:41 - 4:44dass die Anwälte unweigerlich die Fälle übernahmen,
die schon im vierten Kapitel waren. -
4:44 - 4:48Das macht natürlich Sinn. Diese Fälle sind am dringlichsten,
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4:48 - 4:50diese Leute sind ihrer Hinrichtung am nächsten.
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4:50 - 4:55Manche dieser Anwälte waren erfolgreich.
Sie verschafften ihren Mandanten neue Verhandlungen. -
4:55 - 4:58Manch andere konnten das Leben ihrer Mandanten
verlängern – manchmal um Jahre, -
4:58 - 5:00manchmal um Monate.
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5:00 - 5:03Das Einzige, was nicht geschah:
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5:03 - 5:07Es gab nie einen ernsthaften oder dauerhaften Rückgang
in der Zahl der -
5:07 - 5:10jährlichen Hinrichtungen in Texas.
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5:10 - 5:14Wie Sie in diesem Diagramm sogar sehen können:
Seit der zweiten Hälfte der 1990er, -
5:14 - 5:17als die Hinrichtungsmaschinerie in Texas effizient wurde,
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5:17 - 5:21gab es nur ein paar Jahre,
in denen die Zahl jährlicher Hinrichtungen -
5:21 - 5:23unter 20 sank.
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5:23 - 5:25In einem typischen Jahr in Texas
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5:25 - 5:27sind wir durchschnittlich bei
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5:27 - 5:29zwei Menschen pro Monat.
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5:29 - 5:34In einigen Jahren haben wir in Texas
beinahe 40 Menschen hingerichtet, eine Zahl, -
5:34 - 5:38die über die letzten 15 Jahre nie bedeutend zurückgegangen ist.
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5:38 - 5:42Doch während wir weiterhin jedes Jahr ungefähr
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5:42 - 5:44die gleiche Anzahl Menschen hinrichten,
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5:44 - 5:47ist die Zahl derer, die zum Tode verurteilt werden,
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5:47 - 5:48im Jahresmittel
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5:48 - 5:50recht deutlich gesunken.
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5:50 - 5:52Das ist doch paradox,
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5:52 - 5:56dass die jährliche Anzahl Hinrichtungen hoch geblieben ist,
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5:56 - 6:01die Anzahl der Todesurteile jedoch gesunken ist.
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6:01 - 6:02Wie kommt das?
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6:02 - 6:05Das kann man nicht mit einer sinkenden Mordrate erklären,
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6:05 - 6:07denn die Mordrate ist nicht annähernd so steil gesunken
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6:07 - 6:11wie die rote Linie in diesem Diagramm.
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6:11 - 6:14Tatsächlich ist dies passiert:
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6:14 - 6:18Geschworenenjurys verurteilen jetzt mehr und mehr Leute
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6:18 - 6:21zu lebenslangen Gefängnisstrafen ohne Bewährung,
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6:21 - 6:24statt sie in die Hinrichtungskammer zu schicken.
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6:24 - 6:27Warum ist das passiert?
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6:27 - 6:31Nicht etwa, weil der Glaube an die Todesstrafe in der Öffentlichkeit
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6:31 - 6:35abgenommen hätte. Gegner der Todesstrafe sehen mit Erleichterung,
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6:35 - 6:39dass die Todesstrafe in Texas so unbeliebt ist wie noch nie.
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6:39 - 6:41Doch wissen Sie, was das in Texas bedeutet?
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6:41 - 6:44Das bedeutet, mehr als 60 Prozent sind dafür.
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6:44 - 6:48Das ist zwar sehr gut im Vergleich zu den 1980ern,
wo die Zustimmung -
6:48 - 6:49bei über 80 Prozent lag,
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6:49 - 6:54doch können wir so nicht die Abnahme
an Todesurteilen und -
6:54 - 6:58die größere Neigung zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen
ohne Bewährung erklären, -
6:58 - 7:00denn die Leute befürworten die Todesstrafe noch.
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7:00 - 7:03Was ist stattdessen der Auslöser?
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7:03 - 7:05Stattdessen
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7:05 - 7:06haben Anwälte,
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7:06 - 7:09die zum Tode Verurteilte vertreten, ihren Fokus auf
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7:09 - 7:14immer frühere Kapitel in der Prozessgeschichte verlegt.
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7:14 - 7:17Vor 25 Jahren haben sie sich auf Kapitel vier konzentriert.
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7:17 - 7:21In den späten 1980ern sind sie dann von Kapitel vier
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7:21 - 7:23zu Kapitel drei übergegangen.
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7:23 - 7:26Und zwischen den späten 80ern und Mitte der 90er
sind sie zu Kapitel zwei -
7:26 - 7:29übergegangen. Und ab Mitte bis Ende der 90er haben sie sich
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7:29 - 7:33auf das erste Kapitel der Geschichte konzentriert.
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7:33 - 7:37Jetzt mögen Sie denken, dass weniger Todesurteile
und mehr lebenslängliche Urteile -
7:37 - 7:39entweder eine gute oder schlechte Entwicklung sind.
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7:39 - 7:42Darüber will ich aber heute nicht reden.
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7:42 - 7:45Ich will Ihnen nur sagen, dass der Grund
für diese Entwicklung ist, -
7:45 - 7:48dass die Anwälte in diesen Prozessen verstanden haben,
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7:48 - 7:51je eher sie sich in einen Fall einschalten,
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7:51 - 7:55desto größer ist ihre Chance, das Leben
ihres Mandanten zu retten. -
7:55 - 7:57Das war meine erste Lektion.
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7:57 - 7:59Hier ist meine zweite:
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7:59 - 8:00Mein Mandant Will
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8:00 - 8:04war keine Ausnahme dieser Regel,
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8:04 - 8:07er war die Regel.
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8:07 - 8:10Ich sage manchmal, nennen Sie mir den Namen
eines Häftlings im Todestrakt -
8:10 - 8:13– egal in welchem Bundesstaat er ist
oder ob ich ihn schon jemals getroffen habe – -
8:13 - 8:16und ich schreibe Ihnen seinen Lebenslauf.
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8:16 - 8:19Und in acht von zehn Fällen
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8:19 - 8:21werden die Details in diesem Lebenslauf
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8:21 - 8:23mehr oder weniger richtig sein.
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8:23 - 8:27Und das ist so, weil 80 Prozent der Leute,
die auf ihre Hinrichtung warten, -
8:27 - 8:31aus derselben Art von zerrütteten Familienverhältnissen
stammen wie Will. -
8:31 - 8:33Achtzig Prozent der Insassen im Todestrakt
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8:33 - 8:35sind Menschen, die schon
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8:35 - 8:38im Jugendstrafvollzug waren.
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8:38 - 8:40Das ist die zweite Lektion,
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8:40 - 8:42die ich gelernt habe.
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8:42 - 8:45Jetzt sind wir ganz nah an der Stelle,
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8:45 - 8:48wo sich alle einig sein werden.
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8:48 - 8:51Die Leute hier im Raum mögen streiten,
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8:51 - 8:53ob man Will hätte exekutieren sollen oder nicht,
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8:53 - 8:55doch ich denke, dass alle übereinstimmen,
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8:55 - 8:59dass die bestmögliche Version seiner Geschichte
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8:59 - 9:00eine Geschichte wäre,
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9:00 - 9:05in der niemals ein Mord geschieht.
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9:05 - 9:07Wie machen wir das?
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9:07 - 9:11Als unser Sohn Lincoln an seiner Matheaufgabe gearbeitet hat
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9:11 - 9:14vor zwei Wochen – das war eine große, fiese Aufgabe –
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9:14 - 9:17lernte er, dass es manchmal die beste Lösung
für so eine große, fiese Aufgabe ist, -
9:17 - 9:21sie in kleinere Aufgaben aufzuteilen.
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9:21 - 9:25So machen wir das mit den meisten unserer Aufgaben,
in Mathe, Physik, sogar in der Sozialpolitik: -
9:25 - 9:29Wir teilen sie in kleinere, besser handhabbare Aufgaben auf.
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9:29 - 9:30Doch wie Dwight Eisenhower sagte:
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9:30 - 9:32Ab und zu löst man
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9:32 - 9:34eine Aufgabe am besten dadurch,
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9:34 - 9:36sie zu vergrößern.
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9:36 - 9:40Wir lösen diese Aufgabe am besten,
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9:40 - 9:44indem wir das Problem der Todesstrafe ausweiten.
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9:44 - 9:46Wir müssen sagen: Okay,
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9:46 - 9:48wir haben diese vier Kapitel
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9:48 - 9:51eines Todesurteils,
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9:51 - 9:53doch was passiert,
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9:53 - 9:55bevor die Geschichte beginnt?
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9:55 - 10:00Wie können wir in das Leben eines Mörders eingreifen,
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10:00 - 10:03bevor er ein Mörder ist?
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10:03 - 10:05Was haben wir für Möglichkeiten,
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10:05 - 10:06diese Person von ihrem Kurs
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10:06 - 10:08abzubringen,
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10:08 - 10:12der ein Ende nimmt, das alle Leute
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10:12 - 10:15– Befürworter und Gegner der Todesstrafe –
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10:15 - 10:15immer noch
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10:15 - 10:18bedauerlich finden:
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10:18 - 10:20der Mord an einem unschuldigen Menschen.
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10:22 - 10:25Manchmal sagen Leute doch,
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10:25 - 10:26dass etwas
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10:26 - 10:28keine Wissenschaft sei.
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10:28 - 10:32Und damit meinen sie,
dass eine Wissenschaft sehr kompliziert ist, -
10:32 - 10:35während unser Problem hier sehr simpel ist.
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10:35 - 10:37Das hier ist Raketenwissenschaft.
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10:37 - 10:38Das ist der mathematische Ausdruck
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10:38 - 10:42für den Schub einer Rakete.
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10:42 - 10:45Worüber wir heute sprechen
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10:45 - 10:47ist genauso kompliziert.
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10:47 - 10:50Worüber wir heute sprechen ist also auch
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10:50 - 10:52Raketenwissenschaft.
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10:52 - 10:54Mein Mandant Will
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10:54 - 10:57und 80 Prozent der zum Tode Verurteilten
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10:57 - 11:00hatten fünf Kapitel in ihrem Leben,
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11:00 - 11:02die vor den vier Kapiteln
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11:02 - 11:04der Geschichte ihres Todesurteils kamen.
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11:04 - 11:08Ich halte diese fünf Kapitel für Interventionspunkte,
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11:08 - 11:11Abschnitte ihres Lebens, wo unsere Gesellschaft
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11:11 - 11:16hätte eingreifen und sie von ihrem Kurs
abbringen können, der einen Ausgang -
11:16 - 11:20genommen hat, den wir alle – Befürworter und Gegner
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11:20 - 11:22der Todesstrafe –
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11:22 - 11:24als schlimmen Ausgang bezeichnen.
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11:24 - 11:27Also, während jedes dieser fünf Kapitel –
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11:27 - 11:28als seine Mutter mit ihm schwanger war,
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11:28 - 11:31in seiner frühen Kindheit,
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11:31 - 11:32als er in der Grundschule war,
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11:32 - 11:35als er auf der weiterführenden Schule
und dann an der Highschool war, -
11:35 - 11:38und als er im Jugendstrafvollzug war – während jedes dieser fünf Kapitel
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11:38 - 11:41gab es eine breite Palette an Dingen,
die die Gesellschaft hätte tun können. -
11:41 - 11:44Wenn wir uns nur mal vorstellen,
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11:44 - 11:49dass es fünf Eingriffsmöglichkeiten gibt,
wie die Gesellschaft in jedem -
11:49 - 11:50der fünf Kapitel eingreifen kann,
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11:50 - 11:53und dass wir sie kombinieren können wie wir wollen,
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11:53 - 11:57dann gibt es 3000, sogar mehr als 3000 mögliche Strategien,
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11:57 - 12:01die wir einsetzen könnten, um Kinder wie Will
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12:01 - 12:04von ihrem Kurs abzubringen.
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12:04 - 12:05Zwar stehe ich heute nicht mit der
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12:05 - 12:07Lösung vor Ihnen.
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12:07 - 12:12Aber der Umstand, dass wir noch viel zu lernen haben,
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12:12 - 12:15bedeutet nicht, dass wir nicht schon eine Menge wissen.
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12:15 - 12:18Wir wissen aus der Erfahrung anderer Bundesstaaten,
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12:18 - 12:22dass es eine breite Palette an Eingriffsmöglichkeiten gibt,
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12:22 - 12:26die wir in Texas einsetzen könnten
und in jedem anderen Bundesstaat, der sie noch nicht hat, -
12:26 - 12:31um einen einvernehmlich schlimmen Ausgang abzuwenden.
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12:31 - 12:33Ich nenne nur ein paar.
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12:33 - 12:37Mir geht es heute nicht um eine Reform des Rechtssystems.
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12:37 - 12:42Das sollte wohl am besten einem Raum
voller Anwälte und Richter vorbehalten bleiben. -
12:42 - 12:46Lassen Sie mich stattdessen
nur einige Interventionsmaßnahmen erwähnen, -
12:46 - 12:48bei denen wir alle mithelfen können,
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12:48 - 12:51weil diese Maßnahmen zustande kommen werden,
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12:51 - 12:55wenn Gesetzgeber und Entscheidungsträger,
wenn Steuerzahler und Bürger -
12:55 - 12:57übereinstimmen, dass wir es so machen sollten,
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12:57 - 12:59dass wir so unsere Mittel einsetzen sollten.
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12:59 - 13:02Wir könnten frühkindliche Pflege anbieten
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13:02 - 13:07für ökonomisch benachteiligte
oder sonstwie belastete Kinder -
13:07 - 13:10und wir könnten das kostenlos tun.
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13:10 - 13:14Und wir könnten Kinder wie Will von ihrem Kurs abbringen.
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13:14 - 13:18Andere Bundesstaaten tun das, wir aber nicht.
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13:18 - 13:22Wir könnten Spezialschulen anbieten,
sowohl auf der Highschool wie auf der Sekundarstufe, -
13:22 - 13:25aber sogar auf Grundschul-Niveau,
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13:25 - 13:30für ökonomisch und anderweitig benachteiligte Kinder
und besonders solche Kinder, die schon -
13:30 - 13:31mit dem Jugendstrafvollzug
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13:31 - 13:33in Berührung gekommen sind.
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13:33 - 13:35Eine Handvoll Bundesstaaten macht das,
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13:35 - 13:37Texas nicht.
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13:37 - 13:39Noch eine Sache können wir machen...
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13:39 - 13:42Naja, es gibt noch viele Dinge, aber da ist diese eine Sache,
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13:42 - 13:44die ich noch erwähnen werde – das einzig Kontroverse,
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13:44 - 13:47das ich heute sage.
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13:47 - 13:48Wir könnten viel
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13:48 - 13:50entschiedener eingreifen
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13:50 - 13:53in gefährlich zerrüttete Haushalte
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13:53 - 13:55und die Kinder da rausholen,
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13:55 - 14:01bevor ihre Mütter Fleischermesser nehmen
und drohen, sie zu töten. -
14:01 - 14:03Wenn wir das machen,
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14:03 - 14:05müssen wir sie irgendwo hingeben.
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14:05 - 14:08Selbst wenn wir all das tun, werden uns einige Kinder
durch die Lappen gehen, -
14:08 - 14:12und sie werden im letzten Kapitel auftauchen,
bevor die Geschichte des Mordes beginnt. -
14:12 - 14:14Sie werden im Jugendstrafvollzug ankommen.
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14:14 - 14:17Und selbst wenn das passiert,
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14:17 - 14:19ist es noch nicht zu spät.
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14:19 - 14:22Wir können sie noch abbringen,
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14:22 - 14:23wenn wir sie abbringen wollen,
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14:23 - 14:26statt sie nur zu bestrafen.
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14:26 - 14:29Es gibt im Nordosten zwei Professoren,
einen in Yale und einen in Maryland, -
14:29 - 14:30die eine Schule gegründet haben
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14:30 - 14:34angeschlossen an ein Jugendgefängnis.
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14:34 - 14:37Die Kinder sind im Gefängnis,
aber sie gehen in die Schule von acht Uhr morgens -
14:37 - 14:39bis vier Uhr nachmittags.
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14:39 - 14:41Das war ein logistisches Problem.
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14:41 - 14:42Sie mussten Lehrer anwerben,
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14:42 - 14:45die im Gefängnis lehren wollten,
sie mussten eine strikte Trennung -
14:45 - 14:49zwischen dem Schulpersonal und der Gefängnisleitung schaffen
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14:49 - 14:52und am schwierigsten von allem
war die Schaffung eines neuen Lehrplans, -
14:52 - 14:53denn wissen Sie was?
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14:53 - 14:58Leute sind nicht auf Semesterbasis im Gefängnis.
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14:58 - 15:02Doch sie haben das alles geschafft.
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15:02 - 15:04Und was haben all diese Dinge gemeinsam?
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15:04 - 15:11Sie haben alle gemeinsam, dass sie Geld kosten.
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15:11 - 15:14Manche hier im Raum könnten alt genug sein,
sich an diesen Typen -
15:14 - 15:17aus dem alten Werbespot für Ölfilter zu erinnern.
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15:17 - 15:21Er sagte immer: "Sie können jetzt bezahlen
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15:21 - 15:24oder Sie können später bezahlen."
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15:24 - 15:26Was wir mit dem System
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15:26 - 15:29der Todesstrafe tun:
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15:29 - 15:32Wir bezahlen später.
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15:32 - 15:34Aber der Knackpunkt ist:
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15:34 - 15:38Für jede 15.000 Dollar, die wir für Interventionen ausgeben,
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15:38 - 15:42um ökonomisch oder anderweitig benachteiligten Kindern zu helfen
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15:42 - 15:44in diesen früheren Kapiteln,
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15:44 - 15:48sparen wir später 80.000 Dollar in der Verbrechensbekämpfung.
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15:48 - 15:50Selbst wenn Sie nicht zustimmen,
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15:50 - 15:52dass es moralisch geboten ist, dass wir es tun,
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15:53 - 15:56macht es ökonomisch einfach Sinn.
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15:59 - 16:03Ich will Ihnen von meinem letzten Gespräch mit Will erzählen.
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16:03 - 16:07Es war der Tag, an dem er hingerichtet werden sollte
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16:07 - 16:11und wir sprachen einfach miteinander.
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16:11 - 16:12Es gab in seinem Fall
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16:12 - 16:14nichts mehr zu tun.
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16:14 - 16:16Und wir sprachen über sein Leben.
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16:16 - 16:19Er erzählte zuerst von seinem Vater, den er kaum kannte,
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16:19 - 16:20der gestorben war,
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16:20 - 16:22und dann von seiner Mutter,
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16:22 - 16:24die er sehr wohl kannte
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16:24 - 16:26und die noch lebte.
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16:26 - 16:29Und ich sagte zu ihm:
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16:29 - 16:31"Ich kenne die Geschichte.
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16:31 - 16:33Ich habe die Akten gelesen.
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16:33 - 16:36Ich weiß, sie hat versucht, dich zu töten.
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16:36 - 16:38Aber ich habe mich immer gefragt, ob du dich
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16:38 - 16:40wirklich daran erinnern kannst.
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16:40 - 16:42Ich erinnere mich an nichts aus der Zeit,
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16:42 - 16:44als ich fünf Jahre alt war.
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16:44 - 16:47Vielleicht weißt du nur noch, was man dir erzählt hat?"
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16:47 - 16:49Und er sah mich an und lehnte sich vor
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16:49 - 16:53und sagte: "Professor," – er kannte mich seit 12 Jahren
und nannte mich immer noch Professor. -
16:53 - 16:56Er sagte: "Professor, ich will nicht unhöflich sein,
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16:56 - 16:58aber wenn Ihre Mama
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16:58 - 17:01ein Fleischermesser nimmt, das größer aussieht als Sie selbst,
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17:01 - 17:05und Sie durchs Haus jagt und schreit, dass sie Sie umbringen wird,
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17:05 - 17:08und Sie sich im Badezimmer einschließen
und sich gegen die Tür stemmen müssen -
17:08 - 17:11und um Hilfe schreien, bis die Polizei kommt,"
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17:11 - 17:14er sah mich an und sagte:
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17:14 - 17:18"Das ist etwas, was Sie nie vergessen."
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17:18 - 17:20Ich hoffe, dass Sie alle eine Sache nicht vergessen:
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17:20 - 17:23Zwischen Ihrer Ankunft hier heute Morgen und unserer Mittagspause
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17:23 - 17:27werden vier Tötungsdelikte in den USA
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17:27 - 17:28verübt werden.
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17:28 - 17:32Wir werden der Bestrafung der Täter enorme soziale Mittel widmen,
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17:32 - 17:34und das ist angemessen, weil wir Menschen, die Böses tun,
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17:34 - 17:37bestrafen sollten.
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17:37 - 17:40Aber drei dieser Verbrechen wären vermeidbar.
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17:40 - 17:43Wenn wir unseren Blick weiten
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17:43 - 17:48und den früheren Kapiteln Aufmerksamkeit schenken,
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17:48 - 17:51dann werden wir den ersten Satz nie schreiben,
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17:51 - 17:53mit dem die Geschichte eines Todesurteils beginnt.
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17:53 - 17:55Danke.
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17:55 - 17:56(Applaus)
- Title:
- David R. Dow: Was wir von Todestrakt-Insassen lernen können
- Speaker:
- David R. Dow
- Description:
-
Was passiert, bevor ein Mord geschieht? David R. Dow suchte nach Möglichkeiten, die Anzahl der Todesstrafenprozesse zu verringern. Schließlich fiel ihm auf, dass überraschend viele der Häftlinge im Todestrakt sehr ähnliche Biografien hatten. In diesem Vortrag stellt er einen mutigen Plan vor, die Morde, die zu den Todesurteilen führen, erst gar nicht geschehen zu lassen.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 18:16
Katja Tongucer approved German subtitles for Lessons from death row inmates | ||
Katja Tongucer edited German subtitles for Lessons from death row inmates | ||
Katja Tongucer edited German subtitles for Lessons from death row inmates | ||
Annegret Krueppel accepted German subtitles for Lessons from death row inmates | ||
Jan Wilberg edited German subtitles for Lessons from death row inmates | ||
Jan Wilberg edited German subtitles for Lessons from death row inmates | ||
Jan Wilberg added a translation |