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Warum wir Kindern vorlesen sollten | Rebecca Bellingham | TEDxYouth@BeaconStreet

  • 0:16 - 0:17
    Vor 15 Jahren
  • 0:17 - 0:20
    unterrichtete ich Kunst
    an New Yorker Schulen
  • 0:20 - 0:24
    und eins meiner Projekte
    war die Bearbeitung und Leitung
  • 0:24 - 0:26
    einer Inszenierung von
    "Wilbur und Charlotte"
  • 0:26 - 0:29
    mit einer Gruppe
    Drittklässlern an der PS 220,
  • 0:29 - 0:32
    Mott Haven Village School in der Südbronx.
  • 0:32 - 0:35
    Zu Beginn unserer gemeinsamen Arbeit
  • 0:35 - 0:40
    las ich das erste Kapitel aus E. B. Whites
    berühmtem und schönem Buch laut vor.
  • 0:40 - 0:42
    Wie einige sich vielleicht erinnern,
  • 0:42 - 0:47
    beginnt die Geschichte mit Fern,
    die erfährt, dass ihr Vater, Herr Arable,
  • 0:47 - 0:52
    zum Schweinestall geht, um den Kümmerling
    aus dem Wurf mit seiner Axt zu töten.
  • 0:52 - 0:55
    (Liest vor) "Bitte töte es nicht,"
    schluchzte sie, "das ist ungerecht."
  • 0:55 - 0:57
    Herr Arable blieb stehen.
  • 0:57 - 0:59
    "Fern,", sagte er sanft,
  • 0:59 - 1:01
    "du wirst lernen müssen,
    dich zu beherrschen."
  • 1:01 - 1:03
    "Mich beherrschen?", schrie Fern;
  • 1:03 - 1:07
    "Es geht um Leben und Tod und du
    sagst, ich müsse mich beherrschen?"
  • 1:07 - 1:11
    Tränen liefen ihre Wangen
    runter, und sie ergriff die Axt
  • 1:11 - 1:13
    und versuchte, sie den Händen
    ihres Vater zu entreißen.
  • 1:13 - 1:15
    (Vorlesen endet)
  • 1:15 - 1:17
    Das Ferkel ist gerettet,
    und später an jenem Morgen
  • 1:17 - 1:21
    entdeckt Fern beim Frühstück
    eine Schachtel auf ihrem Stuhl.
  • 1:21 - 1:24
    (Liest vor) Als sie sich dem Stuhl
    näherte, wackelte die Schachtel
  • 1:24 - 1:26
    und ein Kratzen war zu hören.
  • 1:26 - 1:31
    Fern schaute zu ihrem Vater, dann
    hob sie den Deckel der Schachtel.
  • 1:31 - 1:35
    Drinnen saß das neugeborene Ferkel
    und blickte zu ihr auf.
  • 1:35 - 1:36
    Es war weiß.
  • 1:36 - 1:40
    Das Morgenlicht schien durch seine
    Ohren und ließ sie rosa werden.
  • 1:40 - 1:44
    "Es ist deins,", sagte Herr Arable,
    "gerettet vor einem frühzeitigen Tod.
  • 1:44 - 1:48
    Und möge der Herr mir
    meine Torheit vergeben."
  • 1:48 - 1:52
    Fern konnte ihre Augen nicht
    vom kleinen Ferkel lassen.
  • 1:52 - 1:55
    "Oh!", flüsterte sie, "Oh! Schau es an!
  • 1:55 - 1:57
    Es ist absolut perfekt."
  • 1:57 - 1:59
    Sie schloss die Schachtel vorsichtig,
  • 1:59 - 2:02
    küsste ihren Vater, dann
    küsste sie ihre Mutter,
  • 2:02 - 2:03
    dann öffnete sie den Deckel wieder,
  • 2:03 - 2:07
    hob das Ferkel heraus
    und hielt es an ihre Wange.
  • 2:07 - 2:08
    (Vorlesen endet)
  • 2:08 - 2:12
    Nach meiner Lesung stellten sich
    die Kinder zum Mittagessen an
  • 2:12 - 2:15
    und ein kleiner Junge namens Joey
    zupfte an meinem Ärmel und sagte:
  • 2:15 - 2:19
    "Frau B., ich dachte,
    ich war wirklich dort.
  • 2:19 - 2:21
    Als würde ich das Ferkel richtig sehen.
  • 2:21 - 2:25
    Ich war noch nie so tief
    drin in einem Buch."
  • 2:25 - 2:28
    Ich war begeistert, dass
    Joey die Geschichte genoss,
  • 2:28 - 2:30
    aber, um ganz ehrlich zu sein,
    zu jenem Zeitpunkt
  • 2:30 - 2:33
    war ich mehr damit befasst,
    wie in aller Welt wir
  • 2:33 - 2:34
    die ganzen Kostüme der Farmtiere
  • 2:34 - 2:36
    nur aus Kissenbezügen machen sollten,
  • 2:36 - 2:39
    und ob die Kinder alle
    ihren Text können würden.
  • 2:39 - 2:42
    Das taten sie. Und wir auch.
  • 2:42 - 2:44
    Jedes Mal, wenn ich diese Klasse besuchte,
  • 2:44 - 2:48
    konnten die Kinder es kaum erwarten,
    dass ich ihnen wieder laut vorlas.
  • 2:48 - 2:50
    An alle Kinder im Publikum:
  • 2:50 - 2:53
    Hebt eure Hand, wenn ihr es liebt,
  • 2:53 - 2:56
    wenn Lehrer oder Eltern
    euch laut vorlesen?
  • 2:56 - 3:00
    Oder Erwachsene? Erinnern Sie sich,
    als man Ihnen vorlas? Und Sie es liebten?
  • 3:00 - 3:05
    Ich bin seit fast 20 Jahren Pädagogin.
  • 3:05 - 3:09
    Und ich las Tausende und
    Abertausende Seiten laut vor.
  • 3:09 - 3:12
    Und nie traf ich auf eine Gruppe
    Kinder, die es nicht mochte,
  • 3:12 - 3:18
    die immun gegen den Zauber
    des Vorlesens eines tollen Buches war.
  • 3:18 - 3:21
    Als Lehrerin und Mutter
    kann ich mir wenig vorstellen,
  • 3:21 - 3:24
    das für unsere Kinder
    so wichtig ist wie das Vorlesen.
  • 3:24 - 3:27
    In jedem Alter.
    In der Schule und zu Hause.
  • 3:27 - 3:31
    Denn das Vorlesen bietet den
    Kindern einen speziellen Zugang
  • 3:31 - 3:34
    zur transformierenden Kraft der Erzählung
  • 3:34 - 3:37
    und die Erfahrung, worum
    es beim Lesen eigentlich geht,
  • 3:37 - 3:39
    nämlich um das tiefe Verständnis,
  • 3:39 - 3:43
    das Nachdenken, das Lernen und
    Diskutieren über große Ideen der Welt,
  • 3:43 - 3:45
    über das Leben anderer
    und über uns selbst.
  • 3:45 - 3:48
    Wenn ich daran denke, was
    Joey mir vor vielen Jahren sagte:
  • 3:48 - 3:51
    "Frau B., ich dachte,
    ich war wirklich dort.
  • 3:51 - 3:52
    Als würde ich das Ferkel richtig sehen.
  • 3:52 - 3:56
    Ich war noch nie so tief
    drin in einem Buch",
  • 3:56 - 3:58
    verblüfft mich die Vorstellung,
  • 3:58 - 4:00
    dass das Vorlesen
  • 4:00 - 4:02
    Joey das Eintauchen
    in ein Buch ermöglichte,
  • 4:02 - 4:06
    so, als ob er vor dieser
    Erfahrung draußen stand.
  • 4:06 - 4:09
    Joey ist nicht allein mit diesem Gefühl.
  • 4:09 - 4:13
    Lesen kann sich für viele Kinder
    wie eine verschlossene Tür anfühlen.
  • 4:13 - 4:15
    Ohne den richtigen Schlüssel, oder Code,
  • 4:15 - 4:17
    oder die richtigen Erfahrungen
    kommen sie nicht rein.
  • 4:17 - 4:19
    Sie haben das Gefühl, draußen zu stehen.
  • 4:19 - 4:22
    Denn für einige Kinder ist
    der Umgang mit dem Code,
  • 4:22 - 4:27
    dem Wirrwarr aus Buchstaben und Lauten,
    kniffligen Wörtern und Wortschatz
  • 4:27 - 4:29
    aus vielerlei Gründen
    ein schwieriger Vorgang.
  • 4:29 - 4:32
    Das Entschlüsseln der Wörter
    beansprucht so viel Gehirnleistung,
  • 4:32 - 4:34
    dass nicht viel übrig bleibt,
  • 4:34 - 4:38
    um die Erzählung oder
    ihren Sinngehalt aufzunehmen.
  • 4:38 - 4:41
    Anderen Kindern fällt das
    Entschlüsseln nicht so schwer.
  • 4:41 - 4:44
    Doch mitunter scheint es, als würden sie
    bloß Wörter auf der Seite übersetzen,
  • 4:44 - 4:48
    wie ich es mit einem Medizinbuch oder
    einer Medizinzeitschrift machen würde.
  • 4:48 - 4:51
    Ich könnte die Wörter übersetzen
    oder entschlüsseln,
  • 4:51 - 4:54
    sie aber nicht verstehen,
    sie denken oder über sie reden.
  • 4:54 - 4:58
    Wie viele von uns hier fanden sich
    inmitten einer Seite und stellten fest:
  • 4:58 - 5:01
    "Ich habe keine Ahnung,
    was ich gerade gelesen habe."
  • 5:01 - 5:02
    (Gelächter)
  • 5:03 - 5:06
    Wenn Lehrer und Eltern vorlesen,
    übernehmen wir das Entschlüsseln.
  • 5:06 - 5:10
    Wir verarbeiten die Schrift
    und die kniffligen Wörter
  • 5:10 - 5:12
    und geben den Kindern
    die Freiheit zu denken.
  • 5:13 - 5:15
    So können sie all ihre
    Gehirnleistung nutzen,
  • 5:15 - 5:18
    um sich die Erzählung
    vorzustellen und Neues zu lernen.
  • 5:18 - 5:21
    So können alle zuhörenden Kinder
  • 5:21 - 5:25
    an der erstaunlichen Leseparty
    hinter der verschlossenen Tür teilhaben.
  • 5:25 - 5:30
    Wir wollen, dass die Kinder
    zu der Party gehen und dort bleiben.
  • 5:30 - 5:34
    Sogar während sie noch ihre
    Entschlüsselung, ihr Verständnis
  • 5:34 - 5:39
    oder Vokabular mit Büchern festigen,
    die sie auf eigene Faust lesen können.
  • 5:39 - 5:42
    Auch wenn Kinder selbstständig lesen,
  • 5:42 - 5:47
    hat das Vorlesen einen enormen
    Einfluss auf ihre eigenen Leseerfahrungen.
  • 5:47 - 5:50
    Wenn Kinder zu ihren
    eigenen Büchern zurückkehren,
  • 5:50 - 5:54
    wissen sie, die Welt soll beim Lesen
    in ihren Köpfen lebendig werden.
  • 5:54 - 6:00
    Sie wissen, dass echte Leser innehalten,
    zum Staunen, Nachdenken und Hinterfragen.
  • 6:00 - 6:04
    Sie wissen, dass echte Leser
    sich von Erzählungen berühren
  • 6:04 - 6:07
    oder vielleicht sogar verändern lassen.
  • 6:07 - 6:11
    Die Art, wie wir pausieren und
    auf das reagieren, was wir vorlesen,
  • 6:11 - 6:14
    ermöglicht es uns, Mitgefühl vorzuleben,
  • 6:14 - 6:18
    laut auf aufrichtige Weise
    über die Entscheidung zu staunen,
  • 6:18 - 6:20
    die eine Figur oder
    eine Gemeinschaft traf.
  • 6:20 - 6:24
    Wenn wir vorlesen, können wir Kindern
    helfen, sich in andere hineinzuversetzen,
  • 6:24 - 6:27
    die vielleicht grundverschieden
    zu ihnen selbst sind.
  • 6:27 - 6:30
    Oder ihr Abbild zu sehen,
  • 6:30 - 6:33
    was ihnen vielleicht die Einsamkeit nimmt
  • 6:33 - 6:34
    oder Hoffnung gibt.
  • 6:34 - 6:38
    Was passiert, wenn wir uns
    in Kek hineinversetzen,
  • 6:38 - 6:42
    einen jungen Flüchtling aus dem Sudan,
    der in Minnesota ankommt,
  • 6:42 - 6:46
    nachdem er den Tod seines Bruders
    und Vaters im Krieg miterleben musste?
  • 6:46 - 6:48
    Was können wir von Auggie lernen,
  • 6:48 - 6:52
    der mit einer seltenen
    Gesichtsanomalie geboren wurde?
  • 6:52 - 6:53
    Oder Delphine,
  • 6:53 - 6:57
    die 11 Jahre alt ist und 1968
    nach Oakland, Kalifornien, reist,
  • 6:57 - 7:01
    um ihre Mutter zum ersten Mal zu treffen,
    die in der Black Panther Party aktiv ist?
  • 7:01 - 7:02
    Oder Annemarie,
  • 7:02 - 7:05
    die ihrer besten Freundin
    im Holocaust hilft,
  • 7:05 - 7:07
    nach Dänemark zu flüchten?
  • 7:07 - 7:09
    Wir können Kindern den Zugang
  • 7:09 - 7:12
    zu Erzählungen, Büchern,
    Ideen und Informationen ermöglichen,
  • 7:12 - 7:15
    die sie sonst nicht erkunden
  • 7:15 - 7:19
    oder so tiefgründig erkunden könnten.
  • 7:19 - 7:20
    Und letztendlich --
  • 7:20 - 7:24
    Vorlesen gibt uns die Gelegenheit,
  • 7:24 - 7:28
    von unseren Bildschirmen,
    Telefonen, Computern aufzublicken,
  • 7:28 - 7:30
    um Kontakt zueinander herzustellen,
  • 7:30 - 7:34
    einfach durch gemeinsames
    Lesen und Reden.
  • 7:34 - 7:38
    Wenn wir in der Schule vorlesen,
    sammeln wir uns oft an einem Ort.
  • 7:38 - 7:41
    Wir lehren Kinder miteinander
    zu sprechen, zuzuhören,
  • 7:41 - 7:45
    einander in die Augen zu sehen
    und zu sagen: "Was denkst du?"
  • 7:45 - 7:48
    Zu sagen: "Ich denke anders
    und das ist der Grund."
  • 7:48 - 7:52
    Aber wir schaffen auch täglich Momente
    der Verbundenheit und Freude
  • 7:52 - 7:55
    in unseren Klassenräumen.
  • 7:56 - 8:00
    Zu Hause können wir uns Zeit nehmen,
    wenn wir nicht am Telefon sind,
  • 8:00 - 8:03
    sondern völlig auf unsere
    Kinder konzentriert sind.
  • 8:03 - 8:07
    Oder wir setzen uns an ihre Seite
    und lesen und reden gemeinsam.
  • 8:07 - 8:10
    Auch wenn sie nicht mehr auf
    unserem Schoß sitzen können.
  • 8:10 - 8:15
    Auch dann -- und vielleicht gerade dann --
    wenn sie lieber an ihren Telefonen hängen.
  • 8:15 - 8:18
    Auch wenn sie nicht 3 oder 4 sind,
  • 8:18 - 8:20
    sondern 8, 10, 12, Teenager,
  • 8:20 - 8:24
    und nicht mehr gewillt sind
    viel mit uns zu teilen.
  • 8:24 - 8:29
    Ein Buch als Stütze kann uns helfen,
    zu ihnen vorzudringen.
  • 8:31 - 8:35
    In ihrem neuen Buch,
    "Reclaiming Conversation",
  • 8:35 - 8:40
    erinnert uns Sherry Turkle daran, wie
    unerlässlich ein direktes Gespräch ist.
  • 8:41 - 8:46
    Sie sagt: "Wir hoffen oft, dass
    unsere Häppchen Onlineverbindung
  • 8:46 - 8:50
    sich zum großen Happen eines
    echten Gesprächs summieren.
  • 8:50 - 8:51
    Doch das tun sie nicht."
  • 8:51 - 8:54
    Ich glaube, dass gemeinsames Vorlesen
  • 8:54 - 8:58
    die Möglichkeit für einen
    großen Happen schafft.
  • 8:58 - 9:03
    Die Möglichkeit, Kontakt aufzubauen und
    miteinander auf bedeutsame Weise zu reden.
  • 9:03 - 9:07
    Sodass Kinder die Bücher und
    das Lesen nicht nur liebgewinnen
  • 9:07 - 9:09
    und sich darin verbessern,
  • 9:09 - 9:12
    sondern lernen tiefgründig zu denken
  • 9:12 - 9:15
    und andere Blickwinkel zu berücksichtigen.
  • 9:15 - 9:19
    Sie lernen zuzuhören und aufzublicken.
  • 9:20 - 9:21
    Danke.
  • 9:21 - 9:22
    (Applaus)
Title:
Warum wir Kindern vorlesen sollten | Rebecca Bellingham | TEDxYouth@BeaconStreet
Description:

Dieser Vortrag wurde bei einem TEDx-Event gehalten, der dem Format für TED-Konferenzen entspricht, aber eigenständig von einem lokalen Veranstalter organisiert wurde. Erfahren Sie mehr unter http://ted.com/tedx.

Warum sollten wir Kindern weiterhin vorlesen, auch wenn sie "auf eigene Faust" lesen können? Dieser Vortrag zeigt die Magie des Vorlesens auf und erinnert uns alle daran, warum das Vorlesen so wesentlich ist – sowohl in der Schule als auch zu Hause. Dieser Vortrag ist für Eltern und Lehrer, die Verständnis lehren und eine starke Verbindung zu den Kindern aufbauen möchten.
Rebecca Bellingham ist eine Ausbilderin im Literacy Specialist Programm am Columbia University Teachers College. Sie unterrichtet seit 18 Jahren in verschiedenen Funktionen. Rebecca stützt sich auf ihre Erfahrung und Liebe zum Theater, um Lehrern und Absolventen zu helfen, sich mit ihrem "inneren Künstler" zu verbinden und effektiver, eindringlicher und freudvoller zu unterrichten.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDxTalks
Duration:
09:30

German subtitles

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