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Von Krieg zu Frieden: Die Geschichte einer Studentin

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    Ich erinnere mich daran,
    als wäre es gestern gewesen.
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    Dieser so dunkle Tag,
    an dem die Funken flogen
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    und der Knall von Gewehre
    und Bomben meine Ohren zerrissen.
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    Das ist mein unvergesslicher Tag,
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    im Juli 2007, als ich das erste Mal
    ein Flugzeug bestieg,
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    um aus meiner Heimat Burundi zu fliehen,
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    auf der Suche nach einem sicheren Ort,
    der mein neues Zuhause werden würde.
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    Zurückblickend war mir klar,
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    dass ich einen Teil von mir zurückließ,
    den ich nie vergessen würde.
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    Aber nach vorne schauend war mir klar,
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    dass ich zum Ort meiner Träume gelangte.
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    Ich wurde in Burundi geboren,
    einem dicht besiedelten Land,
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    dass stark von Armut geprägt ist.
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    Rückblickend hatten
    meine Familie und ich das Glück,
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    ein Haus, Essen und Zugang
    zu Bildung zu haben.
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    In meiner Heimat haben weniger als
    5 % der Bevölkerung Elektrizität.
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    Deshalb richtet sich Leben und Arbeit
    der meisten Burundis
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    nach dem natürlichen Lauf
    des Lichts der Sonne aus.
  • 1:16 - 1:23
    Wir lebten in einem zivilisierten Teil
    von Bujumbura, Burdundis Hauptstadt.
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    Wir Schwestern hatten das Privileg, eine
    katholische Schule besuchen zu können
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    und eine ordentliche Bildung zu erhalten.
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    Als Kind
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    fragte ich mich, warum unser Haus
    und die Häuser unserer Nachbarn
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    von Betonmauern umschlossen waren.
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    Warum brauchten wir alle
    geschlossene Tore?
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    Ich fragte mich, warum meine Eltern uns
    nie außerhalb der Mauern spielen ließen.
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    Ich fragte mich: Warum brauchten wir alle
    unterschiedliche Nachnamen,
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    obwohl wir eine Familie waren?
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    Ich fragte mich, warum wir nachts alle
    Lichter ausschalten mussten,
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    wenn wir Schüsse hörten.
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    Und uns danach unter
    dem Küchentisch versteckten
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    und die Rufe und Schreie von Menschen
    draußen in der Dunkelheit hörten.
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    Es ist richtig: mein Heimatland
    war nie ein sicherer Ort.
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    Wir lebten in ständiger Angst
    vor Angriffen auf dem Schulweg
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    oder zu Hause oder mitten in der Nacht.
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    Als das Flugzeug startete,
    wurde mein Rücken in den Sitz gedrückt.
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    Ich atmete tief durch und meine Hand
    umklammerte fest den Arm meines Vaters.
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    Ich drehte mich um und sah
    meine starke und mutige Mutter,
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    die uns sagte, dass wir uns vor dem,
    was vor uns liegt, nicht fürchten sollen.
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    Stattdessen sollten wir mit Vertrauen und
    Optimismus in die Zukunft blicken.
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    Unser Leben in Kanada gab meiner Familie
    und mir Sicherheit und Seelenfrieden
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    Unter meinen ersten Eindrücken, die ich
    2007 als 8-Jährige vom Leben dort hatte,
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    war der Anblick von Kindern, die einfach
    unbekümmert draußen spielen konnten.
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    Es war jedoch nicht einfach für mich,
    ein neues Leben zu beginnen.
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    Es war, als könnte ich wieder nur krabbeln
    und müsste wieder sprechen lernen.
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    Manchmal war ich sehr verwirrt.
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    Es brauchte viel Selbstdisziplin,
    nicht frustriert und entmutigt zu werden.
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    Aber selbst als Kind wusste ich,
    dass ich Risiken eingehen musste.
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    Manchmal waren sie es wert
    und manchmal waren sie es nicht,
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    aber man weiß im Leben nie,
    wie etwas wird, bis man es versucht hat.
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    Neben diesen ganzen Herausforderungen,
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    denen ich mich anfangs in
    dieser anderen Zeitzone stellen musste,
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    musste ich außerdem lernen, auf Englisch
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    mit den Kindern in unserer
    Nachbarschaft zu kommunizieren,
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    da ich nur Französisch und Kirundi konnte.
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    In der Schule musste ich meine Komfortzone
    verlassen, um Freunde zu finden.
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    Klassenkameraden kamen oft zu mir,
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    um mir Fragen über mein Leben
    in Afrika, Burundi, zu stellen.
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    Fragen wie:
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    Gibt es da Schulen? Internet?
    Computer oder "richtige" Häuser?
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    Musstest du früh aufstehen,
    um zur Schule zu gehen?
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    Wie viele Schüler waren in deiner Klasse?
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    Sie hatten noch viel mehr Fragen.
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    Aber ich hatte auch eigene Fragen.
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    Zum Beispiel:
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    Wie fühlt sich Schnee an?
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    Was finden die Kanadier nur so toll
    an der [Restaurantkette] 'Tim Hortons'?
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    Und wie fühlt es sich an, jeden Morgen
    mit dem Wissen wach zu werden,
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    dass man sicher zur Schule
    und nach Hause gehen kann?
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    Aber wisst ihr, ich konnte
    diese Fragen nie stellen,
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    da ich immer damit beschäftigt war,
    die meiner Mitschüler zu beanworten.
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    Manchmal frustrierte mich das und manchmal
    wünschte ich mir, es würde aufhören.
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    Aber dann sagte ich mir, dass sie nur
    versuchten, zu verstehen, wer ich war
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    und mich in ihrer eigenen
    Welt einzuordnen.
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    Bei all diesen Schwierigkeiten
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    erinnerten mich meine Eltern an ein Zitat
    von Meg Cabot, einer Autorin aus den USA.
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    Sie sagt:
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    „Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst,
    sondern vielmehr die Erkenntnis,
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    dass etwas anderes
    wichtiger ist als Angst."
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    Ich beschloss, dass ich lernen musste, die
    Person zu werden, die ich sein wollte,
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    und dass dies auch in dieser neuen Welt
    wichtiger war als meine Angst zu versagen.
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    Ich strengte mich an und sagte mir,
    dass ich niemals aufgeben durfte.
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    Ich stelle mir oft einen
    großen Felsbrocken vor.
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    Und dieser Felsbrocken hat Risse, die in
    viele verschiedene Richtungen gehen.
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    Aber was kümmert es den Felsbrocken?
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    Er ist weiterhin stark und ganz.
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    So fühle ich mich manchmal. Zerrissen.
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    Weil ein Teil von mir noch Familie
    in Burundi in Afrika hat,
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    mein neues Leben aber hier in Kanada ist.
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    Jeder von Ihnen ist auf einer Reise.
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    Für mich ist die Arbeit
    noch nicht zu Ende.
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    Ich habe noch Arbeit vor mir.
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    In den vielen kommenden Jahren, will ich
    mein Studium in Bauingenieurwesen beenden
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    und Erfahrungen in Kanada
    und auf der ganzen Welt sammeln.
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    Mein Hauptziel ist es jedoch,
    diese Kompetenzen und dieses Wissen
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    in Gemeinden und in Enwicklungsländern,
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    darunter mein Heimatland
    Burundi, anzuwenden.
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    Ich möchte mein Bestes tun,
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    denn ich möchte auf meiner Reise
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    meiner kanadischen Gemeinschaft
    etwas zurückgeben.
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    Sie gaben mir einen sicheren Ort,
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    an dem ich lernen, wachsen
    und vorankommen konnte.
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    Durch alle diese Herausforderungen
    lernte ich, meine Ziele zu verfolgen.
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    Und ich mache mir immer wieder klar,
    wie kraftvoll Selbstbestimmung ist.
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    Selbstbestimmung ist eine Kombination
    von Können, Wissen und Überzeugungen
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    die es einer Person erlaubt,
    auf ein Ziel hinzuarbeiten.
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    Es fängt mit Positivität
    und Optimismus an.
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    Und ja, ich bin diese Person,
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    die ihre Kommilitonen, Kollegen
    und Freunde immer ermuntert.
  • 7:41 - 7:45
    Sie ermuntert, ihr Vertrauen zu wahren,
    fröhlich und selbstbewusst zu sein
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    und immer das Positive in
    jeder Situation zu sehen.
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    Im Leben muss man immer etwas wagen,
    sonst ändert sich nie etwas.
  • 7:59 - 8:03
    Jeder von Ihnen ist auf einer Reise.
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    Und es wird immer Momente geben,
    in denen Sie Risiken eingehen,
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    euch Herausforderungen stellen
    und kämpfen müsst.
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    Aber genau in diesen Momenten müssen Sie
    sich entscheiden, selbstbestimmt zu sein.
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    Sie selbst sind der Autor
    Ihrer eigenen Geschichte.
  • 8:18 - 8:21
    Seien Sie Herr Ihrer eigenen Reise.
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    Haben Sie eine Bestimmung.
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    Gehen Sie Risiken ein
    und konzentrieren Sie sich auf Ihre Ziele.
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    Vielen Dank.
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    (Applaus)
Title:
Von Krieg zu Frieden: Die Geschichte einer Studentin
Speaker:
Staecey Merveille Ngabire
Description:

Als Staecey Merveille Ngabire aus ihrem vom Krieg zerrüttetem Heimatland floh, um ein sicheres Leben als Geflüchtete in Kanada aufzubauen, war sie nicht sicher, wie sie sich einleben würde. In diesem energischen Vortrag erzählt Staecey, wie ihr Selbstbestimmtheit geholfen hat, ein neues Leben aufzubauen, ohne den Bezug zu ihren burundischen Wurzeln zu verlieren. Für Staecey war das Wichtigste, den Mut zu finden, Risiken einzugehen. "Ich beschloss, dass es wichtiger war, zu lernen, wie ich die Person werden konnte, die ich sein wollte, als die Angst zu versagen."

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TED-Ed
Duration:
08:35

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