Der Antiheld in uns – Tim Adams

Die ganze Lektion unter: http://ed.ted.com/lessons/an-anti-hero-of-one-s-own-tim-adams

Was kann uns ein Antiheld über die heldenhaften – und manchmal unheldenhaften – Eigenschaften lehren, die den Protagonisten einer Geschichte ausmachen? Tim Adams zeigt uns, wie Antihelden von Eifersucht bis Selbstzweifel die äußerst menschlichen Schwächen spiegeln, die in uns allen zu finden sind.

Lektion von Tim Adams, Animation von Wood Goblin Studios.

Laut dem Literaturkritiker Northrop Frye

waren die literarischen Helden
der Urzeit -- naja, fast Götter.

Im Laufe der Zivilisation
stiegen sie von ihrem Olymp herab

und wurden menschlicher,
weniger perfekt, weniger heldenhaft.

Von den göttlichen Helden wie Herkules

geht es bergab zu den sagenhaften,
aber sterblichen Helden wie Beowulf,

den großen Herrschern wie König Artus

und den großen, aber fehlbaren Helden
wie Macbeth oder Othello.

Noch weiter unten kommen Personen,
die sich unerwartet als Helden entpuppen,

wie Harry Potter,
Luke Skywalker oder Hicks.

Am Fuß des Berges
begegnen wir dann dem Antihelden.

Auch wenn es so klingt, ist der Antiheld
kein Bösewicht oder Widersacher.

Vielmehr ist er in einigen modernen
literarischen Werken die Hauptfigur,

z. B. Guy Montag in "Fahrenheit 451"
oder Winston Smith in "1984".

Letzterer fordert unwissentlich
die Mächtigen heraus --

also jene, die ihre Macht missbrauchen,
um der Bevölkerung vorzugaukeln,

die gesellschaftlichen Missstände
seien beseitigt worden.

Im Idealfall sollten
die Gegner der Mächtigen klug,

selbstbewusst und mutig sein,

physisch stark und charismatisch,
um Anhänger zu inspirieren.

Der Antiheld besitzt jedoch bestenfalls
ein paar verkümmerte Merkmale

und ist schlimmstenfalls völlig unfähig.

Gewöhnlich läuft die Geschichte
eines Antihelden etwa so ab:

Erst passt er sich an und akzeptiert
kritiklos die herrschende Meinung --

als typisches, gehorsames,
manipuliertes Mitglied der Gesellschaft.

Beginnende Zweifel
erschweren ihm die Anpassung.

Womöglich findet er andere
Außenseiter mit ähnlichen Zweifeln

und spricht naiver- und unklugerweise
mit einer Autoritätsperson darüber.

Er fordert die Gesellschaft offen heraus

und bekämpft Lügen und Strategien,
mit denen das Volk unterdrückt wird.

Diesen Schritt tut er selten

aufgrund mutigen, weisen
und heldenhaften Widerstands.

Vielleicht bekämpft und stürzt
der Antiheld die Machthaber --

mit mehr Glück als Verstand.

Vielleicht gelingt ihm die Flucht
und er setzt den Kampf später fort.

Allzu oft wird der Antiheld jedoch getötet
oder einer Gehirnwäsche unterzogen

und wird wieder Teil der gefügigen Masse.

Kein heroischer Triumph,
keine Revolte eines mutigen Individuums

gegen gesichtslose Institutionen
der modernen Welt,

kein Vorbild für andere, zu kämpfen

oder die übermächtige Armee
des Reichs des Bösen zu überlisten

und in die Knie zu zwingen.

Um unsere Furcht
vor Ohnmacht zu besänftigen,

erfanden unsere Vorfahren
starke Helden wie Herkules.

Sie wehrten Dämonen und Monster ab,

die, wie wir glaubten, im Dunkel
abseits der Lagerfeuer lauerten.

Doch schließlich erkannten wir:
Die Monster sind nicht dort draußen --

sie hausen in uns.

Beowulfs ärgster Feind
ist die Sterblichkeit,

Othellos die Eifersucht.

Hicks hat Selbstzweifel.

In den Geschichten
über untaugliche Antihelden

wie Guy Montag und Winston Smith

warnen uns die modernen Erzähler,
die mit unseren Urängsten spielen,

dass wir zu schwach sind,
um die Monster zu besiegen.

Nur diesmal sind es nicht jene Monster,
die das Lagerfeuer verscheucht,

sondern gerade die, die es entzündeten.