Paddy Ashdown: Die globale Machtverlagerung
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0:00 - 0:02Es gibt ein Gedicht
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0:02 - 0:04von einem sehr berühmten englischen Poeten
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0:04 - 0:06vom Ende des 19. Jahrhunderts.
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0:06 - 0:09Man sagt, dass Churchill sich 1930
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0:09 - 0:11dieses Gedichtes besonnen hat.
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0:11 - 0:13Es geht wie folgt:
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0:13 - 0:15"Auf dem ruhigen Sommerhügel,
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0:15 - 0:17faul mit dem Geräusch der Flüsse,
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0:17 - 0:19Horch, ein Trommler in der Ferne,
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0:19 - 0:21Trommeln wie ein Klang im Traum,
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0:21 - 0:24fern und nah und tief und höher auf den Straßen geh'n vorbei,
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0:24 - 0:27teuer zu Freund und Futter für Pulver,
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0:27 - 0:29marschieren Soldaten
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0:29 - 0:31in ihren Tod."
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0:31 - 0:33Falls Sie Interesse an Poesie haben,
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0:33 - 0:36dieses Gedicht war "A Shropshire Lad" von A.E. Housman.
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0:36 - 0:38Doch was Housman verstand,
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0:38 - 0:42und Sie werden es auch in Nielsens Symphonien hören,
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0:42 - 0:46war, dass die langen, heißen, fruchtbaren Sommer
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0:46 - 0:48der Stabilität des 19. Jahrhunderts
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0:48 - 0:50sich ihrem Ende näherten,
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0:50 - 0:52und dass wir davor waren,
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0:52 - 0:54in einen dieser schrecklichen Abschnitte der Geschichte zu geraten,
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0:54 - 0:56in denen Macht wechselt.
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0:56 - 0:58Und dies sind immer Zeiträume,
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0:58 - 1:01meine Damen und Herren, begleitet von Unruhe,
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1:01 - 1:03und allzu oft von Blut.
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1:03 - 1:05Und meine Botschaft an Sie ist,
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1:05 - 1:07dass ich glaube, wir sind dazu verurteilt, wenn man so will,
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1:07 - 1:10zu genau so einem geschichtlichen Moment zu leben:
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1:10 - 1:12Wenn die Säulen, auf denen
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1:12 - 1:15die etablierte Ordnung der Macht sitzt, sich zu ändern beginnen,
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1:15 - 1:17und das neue Gesicht der Welt,
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1:17 - 1:20die neuen Mächte der Welt,
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1:20 - 1:22sich zu formen beginnen.
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1:22 - 1:25Und dies sind – und wir sehen es heute sehr klar –
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1:25 - 1:28fast immer sehr unruhige Zeiten, sehr schwierige Zeiten,
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1:28 - 1:30und allzu oft sehr blutige Zeiten.
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1:30 - 1:33Dies passiert im Übrigen etwa einmal in jedem Jahrhundert.
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1:33 - 1:35Man könnte sagen, das letzte Mal passierte es –
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1:35 - 1:38und das ist, was Housman kommen sah und auch Churchill spürte –
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1:38 - 1:41als Macht von den alten Nationen,
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1:41 - 1:43den alten Mächten Europas,
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1:43 - 1:45über den Atlantik zu der neu erstandenen Macht
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1:45 - 1:47der Vereinigten Staaten von Amerika überging –
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1:47 - 1:49der Beginn des amerikanischen Jahrhunderts.
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1:49 - 1:51Und in dem Vakuum, natürlich,
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1:51 - 1:54in dem sich die veralteten europäischen Mächte befanden,
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1:54 - 1:57spielten sich die zwei blutigen Katastrophen
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1:57 - 1:59des letzten Jahrhunderts ab –
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1:59 - 2:02eine im ersten und eine im zweiten Teil: die beiden großen Weltkriege.
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2:02 - 2:05Mao Tse Tung beschrieb sie immer als die europäischen Bürgerkriege,
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2:05 - 2:08und das ist vermutlich eine genauere Beschreibung.
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2:08 - 2:10Nun, meine Damen und Herren,
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2:10 - 2:12wir leben in einer dieser Zeiten.
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2:12 - 2:15Aber für uns: Ich möchte heute über drei Faktoren sprechen.
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2:15 - 2:18Und die ersten, die ersten zwei davon,
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2:18 - 2:20betreffen einen Übergang von Macht.
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2:20 - 2:23Und der zweite ist über eine neue Dimension, über die ich reden will,
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2:23 - 2:26welche es in der heutigen Form nie zuvor gegeben hat.
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2:26 - 2:29Doch sprechen wir über die Machtwechsel, die in der Welt vor sich gehen.
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2:29 - 2:31Und was heute passiert ist,
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2:31 - 2:33in gewisser Hinsicht, angsteinflößend,
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2:33 - 2:36weil es nie zuvor passiert ist.
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2:36 - 2:38Wir haben laterale Machtübergänge gesehen –
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2:38 - 2:41als die Macht von Griechenland nach Rom überging
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2:41 - 2:43und die Machtwechsel, die während
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2:43 - 2:46der europäischen Zivilisationen stattfanden –
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2:46 - 2:48aber wir sehen etwas geringfügig anderes.
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2:48 - 2:50Denn Macht bewegt sich nicht nur lateral
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2:50 - 2:52von Nation zu Nation.
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2:52 - 2:54Sie bewegt sich auch vertikal.
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2:54 - 2:57Heute ist die Macht, die innerhalb
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2:57 - 3:00der Institution der Regierung eingeschlossen war,
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3:00 - 3:03ihrer Rechenschaft, ihrem Gesetz unterworfen,
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3:03 - 3:06nun in großen Teilen auf die globale Ebene übergegangen.
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3:06 - 3:08Die Globalisierung von Macht –
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3:08 - 3:10wir sprechen über die Globalisierung der Märkte,
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3:10 - 3:14doch in Wirklichkeit ist es die Globalisierung wahrer Macht.
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3:14 - 3:16Und während diese Macht auf nationaler Ebene
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3:16 - 3:18Rechenschaft unterworfen ist –
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3:18 - 3:20abhängig vom Rechtsgrundsatz –
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3:20 - 3:23ist sie das auf internationaler Ebene nicht.
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3:23 - 3:26Die internationale Ebene und die globale Ebene, in der sich Macht nun aufhält:
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3:26 - 3:29Die Macht des Internets, die Macht von Rundfunkanstalten,
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3:29 - 3:32die Macht der Geldwechsler –
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3:32 - 3:34dieser riesige Geldkreislauf
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3:34 - 3:38der nun 32-mal so viel Geld zirkuliert von dem, was nötig wäre,
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3:38 - 3:41für den Handel, den es eigentlich finanzieren soll –
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3:41 - 3:43die Geldwechsler, wenn man so will,
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3:43 - 3:45die finanziellen Spekulanten,
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3:45 - 3:48die uns vor kurzem alle in die Knie gezwungen haben,
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3:48 - 3:50die Macht der multinationalen Unternehmen,
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3:50 - 3:53welche heute Haushalte führen,
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3:53 - 3:55die oft größer sind als die von mittelgroßen Staaten.
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3:55 - 3:57Diese leben in einem globalen Raum,
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3:57 - 3:59der größtenteils unreguliert ist,
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3:59 - 4:02keinem Gesetz unterworfen,
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4:02 - 4:04und in dem Menschen ohne Einschränkungen handeln.
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4:04 - 4:07Nun, das ist den Mächtigen recht –
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4:07 - 4:09bis zu einem gewissen Punkt.
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4:09 - 4:12Es ist immer passend für die mit der größten Macht,
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4:12 - 4:15in einem Raum ohne Beschränkungen zu handeln,
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4:15 - 4:18aber Geschichte lehrt uns, dass früher oder später
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4:18 - 4:20unregulierter Raum –
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4:20 - 4:22Raum der keinem Gesetz unterworfen ist –
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4:22 - 4:25nicht nur von gewollten Sachen gefüllt wird –
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4:25 - 4:27internationaler Handel, das Internet, usw. –
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4:27 - 4:29sondern auch von unerwünschten Sachen –
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4:29 - 4:32internationale Kriminalität, internationaler Terrorismus.
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4:32 - 4:34Die Offenbarung vom 11. September ist,
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4:34 - 4:39dass selbst die mächtigste Nation der Erde,
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4:39 - 4:42trotz allem
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4:42 - 4:44von denjenigen, die diesen Raum bevölkern, angegriffen werden kann,
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4:44 - 4:46selbst in der symbolträchtigsten Stadt
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4:46 - 4:48an einem klaren Septembermorgen.
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4:48 - 4:50Man sagt, dass etwa 60 Prozent
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4:50 - 4:53der vier Millionen Dollar, die den 11. September finanziert haben,
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4:53 - 4:56tatsächlich durch die Institutionen der Zwillingstürme geflossen sind,
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4:56 - 4:58die der 11. September zerstört hat.
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4:58 - 5:00Sehen Sie, unsere Feinde benutzen diesen Raum ebenso –
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5:00 - 5:03den Raum von Massenreisen, des Internets, der Satellitennetzwerke –
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5:03 - 5:06um ihr Gift zu verteilen,
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5:06 - 5:09welches unsere Systeme und Traditionen zerstören soll.
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5:09 - 5:11Früher oder später,
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5:11 - 5:13früher oder später,
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5:13 - 5:15so die Lehre der Geschichte,
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5:15 - 5:17muss, wo Macht hingeht,
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5:17 - 5:20Regierung folgen.
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5:20 - 5:22Und wenn es daher der Fall ist, so wie ich vermute,
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5:22 - 5:24dass eins der Phänomene unserer Zeit
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5:24 - 5:26die Globalisierung der Macht ist,
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5:26 - 5:29dann folgt daraus, dass es eine der Herausforderungen unserer Zeit ist,
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5:29 - 5:32den globalen Raum zu regulieren.
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5:32 - 5:35Und ich glaube, dass die Turbulenzen der
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5:35 - 5:39kommenden Jahre davon abhängen,
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5:39 - 5:42wie wir dieses Ziel verwirklichen können:
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5:42 - 5:44den globalen Raum zu regulieren.
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5:44 - 5:46Beachten Sie, dass ich nicht über eine Regierung spreche.
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5:46 - 5:48Ich rede nicht davon,
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5:48 - 5:51eine globale demokratische Institution einzurichten.
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5:51 - 5:53Meine Meinung übrigens, meine Damen und Herren, ist,
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5:53 - 5:55dass dies wahrscheinlich nicht
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5:55 - 5:57durch die Gründung weiterer UN-Institutionen möglich ist.
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5:57 - 5:59Wenn wir die UN nicht hätten, müssten wir sie erfinden.
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5:59 - 6:01Die Welt braucht ein internationales Forum.
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6:01 - 6:05Sie braucht ein Mittel, um internationales Eingreifen zu legitimieren.
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6:05 - 6:07Aber wenn es zur Regulierung des internationalen Raums kommt,
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6:07 - 6:10vermute ich, dies wird nicht durch die
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6:10 - 6:12Erschaffung neuer UN-Institutionen geschehen.
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6:12 - 6:15Es wird wirklich geschehen, wenn die Mächtigen zusammenkommen
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6:15 - 6:17und abkommenbasierte Systeme schaffen,
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6:17 - 6:19abkommenbasierte Vereinbarungen,
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6:19 - 6:21um den globalen Raum zu steuern.
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6:21 - 6:24Sie können die Anfänge dessen sogar schon heute sehen.
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6:24 - 6:27Die Welthandelsorganisation: eine abkommenbasierte Organisation,
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6:27 - 6:29basiert komplett auf Abkommen,
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6:29 - 6:32und ist doch mächtig genug, um selbst die Mächtigsten, die USA,
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6:32 - 6:34bei Bedarf zur Rechenschaft zu ziehen.
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6:34 - 6:36Kyoto: der Beginn des Versuchs,
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6:36 - 6:38eine abkommenbasierte Organisation zu gründen.
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6:38 - 6:40Die G-20:
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6:40 - 6:42Wir wissen nun, dass wir eine Institution erschaffen müssen,
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6:42 - 6:44die in der Lage ist, den finanziellen Raum
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6:44 - 6:47für Finanzspekulationen zu regulieren.
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6:47 - 6:50Und dafür steht die G-20, eine abkommenbasierte Organisation.
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6:50 - 6:52Nun, es gibt dabei ein Problem,
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6:52 - 6:54auf das wir gleich zurückkommen werden,
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6:54 - 6:57und das ist, dass wenn man die Mächtigsten zusammenbringt,
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6:57 - 6:59um die Regeln für abkommenbasierte Institutionen zu machen,
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6:59 - 7:02wie der regulierte Raum gefüllt wird,
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7:02 - 7:05was passiert dann den Schwachen, die nicht vertreten werden?
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7:05 - 7:07Und das ist ein großes Problem,
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7:07 - 7:09zu dem wir gleich zurückkommen werden.
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7:09 - 7:11Das also ist meine erste Aussage,
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7:11 - 7:14dass, wenn man diese turbulenten Zeiten überstehen will,
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7:14 - 7:17mehr oder weniger turbulent,
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7:17 - 7:19dann hängt unser Erfolg darin
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7:19 - 7:21hauptsächlich von unserem Vermögen ab,
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7:21 - 7:23vernünftige Regulierung
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7:23 - 7:25in den globalen Raum zu bringen.
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7:25 - 7:28Und Sie sehen bereits den Anfang.
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7:28 - 7:30Mein zweiter Punkt ist,
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7:30 - 7:32und ich weiß, dass ich mit einem solchen Publikum nicht
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7:32 - 7:34über so etwas reden muss,
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7:34 - 7:37aber Macht bewegt sich nicht nur vertikal,
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7:37 - 7:39sondern auch horizontal.
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7:39 - 7:42Man könnte sagen, dass die Story, die Geschichte der Zivilisationen,
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7:42 - 7:45über Zivilisationen an Meeren versammelt war –
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7:45 - 7:48die ersten um das Mittelmeer,
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7:48 - 7:52und die jüngeren Nachkommen der westlichen Macht um den Atlantik.
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7:52 - 7:54Nun sieht es für mich so aus,
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7:54 - 7:57dass wir eine fundamentale Bewegung der Macht sehen, grob gesagt,
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7:57 - 8:00weg von den Nationen um den Atlantik herum
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8:00 - 8:02zu den Nationen um den Rand des Pazifiks.
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8:02 - 8:04Nun, es fängt mit wirtschaftlicher Macht an,
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8:04 - 8:06doch auf die Art fängt es immer an.
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8:06 - 8:09Sie können jetzt schon die Entwicklung der Außenpolitik sehen,
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8:09 - 8:11die Steigerung militärischer Mittel,
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8:11 - 8:14die in den wachsenden Mächten der Welt vonstatten gehen.
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8:14 - 8:16Ich glaube sogar,
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8:16 - 8:18dass dies gar nicht so sehr eine Bewegung von West nach Ost ist;
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8:18 - 8:20es passiert etwas anderes.
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8:20 - 8:22Meine Vermutung ist, wenn Sie mich fragen,
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8:22 - 8:24dass die Vereinigten Staaten
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8:24 - 8:26die mächtigste Nation der Welt bleiben wird
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8:26 - 8:29in den nächsten 10 Jahren, 15,
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8:29 - 8:32aber der Kontext, in dem sie ihre Macht hält,
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8:32 - 8:35ist nun stark verformt, er ist stark verändert.
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8:35 - 8:37Wir haben fünfzig Jahre hinter uns,
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8:37 - 8:39sehr ungewöhnliche Jahre, der Geschichte,
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8:39 - 8:42in denen wir eine vollkommen monopolare Welt hatten,
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8:42 - 8:44in welcher jede Kompassnadel,
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8:44 - 8:46dafür oder dagegen,
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8:46 - 8:49in ihrer Position zu Washington ausgerichtet werden muss –
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8:49 - 8:53eine Welt dominiert von einem einzigen Riesen.
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8:53 - 8:55Doch das ist kein gewöhnliches Ereignis in der Geschichte.
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8:55 - 8:57Vielmehr ist das, was nun hervortritt,
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8:57 - 8:59der viel normalere Fall der Geschichte.
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8:59 - 9:01Sie fangen an, das Hervortreten
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9:01 - 9:03einer multipolaren Welt zu sehen.
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9:03 - 9:05Bis jetzt
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9:05 - 9:08waren die USA das dominante Merkmal unserer Welt.
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9:08 - 9:10Sie werden die mächtigste Nation bleiben,
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9:10 - 9:12doch sie werden die mächtigste Nation
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9:12 - 9:14in einer immer multipolareren Welt sein.
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9:14 - 9:17Und so beginnt man, die alternativen Zentren der Macht aufsteigen zu sehen –
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9:17 - 9:19in China, natürlich,
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9:19 - 9:22obwohl ich vermute, dass Chinas Aufstieg zur Macht nicht sanft ist.
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9:22 - 9:24Es wird eher ruckelig,
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9:24 - 9:26wenn China beginnt seine Gesellschaft zu demokratisieren,
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9:26 - 9:28nachdem es seine Wirtschaft liberalisiert hat.
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9:28 - 9:31Doch das ist eine ganz andere Geschichte.
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9:31 - 9:33Da ist Indien, da ist Brasilien.
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9:33 - 9:35Zunehmend
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9:35 - 9:38sieht die Welt heute sehr so aus, für uns Europäer,
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9:38 - 9:41wie Europa im 19. Jahrhundert.
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9:41 - 9:43Europa im 19. Jahrhundert:
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9:43 - 9:45ein großer britischer Außenminister, Lord Canning,
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9:45 - 9:48beschrieb es als das "Europäische Konzert der Mächte".
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9:48 - 9:50Es gab eine Ausgeglichenheit, eine fünfseitige Balance.
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9:50 - 9:53Großbritannien hat immer das Gleichgewicht angestrebt.
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9:53 - 9:55Wenn Paris mit Berlin kollaborierte,
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9:55 - 9:58stellte Großbritannien sich hinter Wien und Rom, um ein Gegengewicht darzustellen.
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9:58 - 10:00Beachten Sie,
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10:00 - 10:02in einer Zeit, die von einer monopolaren Welt dominiert wird,
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10:02 - 10:04hat man feste Allianzen –
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10:04 - 10:06die NATO, den Warschauer Pakt.
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10:06 - 10:08Eine feste Polarität der Macht
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10:08 - 10:10bedeutet feste Allianzen.
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10:10 - 10:12Aber eine geteilte Polarität der Macht
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10:12 - 10:14bedeutet sich verschiebende und sich ändernde Allianzen.
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10:14 - 10:16Und das ist die Welt, in die wir eintreten,
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10:16 - 10:18In der wir immer mehr sehen,
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10:18 - 10:20dass unsere Allianzen nicht fix sind.
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10:20 - 10:22Canning, der große britische Außenminister, sagte einmal,
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10:22 - 10:24"Großbritannien hat allgemeine Interessen,
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10:24 - 10:26aber keine allgemeinen Verbündeten."
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10:26 - 10:28Und wir sehen immer mehr,
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10:28 - 10:30dass selbst wir im Westen
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10:30 - 10:32unsere Hand außerhalb des gemütlichen Kreises
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10:32 - 10:34der atlantischen Mächte ausstrecken müssen,
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10:34 - 10:36um Bündnisse mit anderen zu schließen,
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10:36 - 10:39wenn wir etwas in der Welt bewegen wollen.
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10:39 - 10:41Sehen Sie, als wir in Libyen eingegriffen haben,
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10:41 - 10:43war es nicht gut genug für den Westen, es alleine zu machen,
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10:43 - 10:45wir mussten andere mit einbeziehen.
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10:45 - 10:48Wir mussten, in diesem Fall, die Arabische Liga miteinbeziehen.
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10:48 - 10:51Ich vermute, dass Irak und Afghanistan die letzten Male waren,
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10:51 - 10:53in denen der Westen versucht hat, es alleine zu regeln,
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10:53 - 10:55und es ist uns nicht gelungen.
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10:55 - 10:57Ich vermute,
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10:57 - 11:00dass wir den Anfang vom Ende von 400 Jahren –
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11:00 - 11:03ich sage 400 Jahre, weil dies das Ende des Osmanischen Reiches war –
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11:03 - 11:05der Vorherrschaft der westlichen Mächte,
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11:05 - 11:08westlicher Institutionen und westlicher Werte erreichen.
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11:09 - 11:12Wissen Sie, bis jetzt, solange der Westen sich zusammenriss,
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11:12 - 11:14konnte er lenken und leiten
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11:14 - 11:16in jeder Ecke der Welt.
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11:16 - 11:18Doch dies ist nicht mehr der Fall.
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11:18 - 11:20Nehmen wir die letzte Finanzkrise
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11:20 - 11:22nach dem Zweiten Weltkrieg.
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11:22 - 11:24Der Westen kam zusammen –
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11:24 - 11:27das Bretton-Woods-System, die Weltbank, der Internationale Währungsfonds –
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11:27 - 11:29das Problem gelöst.
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11:29 - 11:31Heute müssen wir andere hinzurufen.
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11:31 - 11:33Heute müssen wir die G-20 erschaffen.
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11:33 - 11:35Heute müssen wir die Hand ausstrecken außerhalb
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11:35 - 11:37des gemütlichen Kreises unserer westlichen Freunde.
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11:37 - 11:39Lassen Sie mich Ihnen etwas vorhersagen,
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11:39 - 11:42was wahrscheinlich noch alarmierender ist.
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11:42 - 11:45Ich befürchte, dass wir nun das Ende
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11:45 - 11:47von 400 Jahren erreichen,
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11:47 - 11:49in denen westliche Macht genug war.
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11:49 - 11:51Leute sagen mir, "Die Chinesen, natürlich,
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11:51 - 11:53die werden sich nie einmischen
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11:53 - 11:55in Friedensschaffung, vielseitige Friedensschaffung rundum die Erde."
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11:55 - 11:57Wirklich? Warum nicht?
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11:57 - 11:59Wie viele chinesische Truppen
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11:59 - 12:01dienen heute in den UN-Friedenstruppen, dienen unter der blauen Flagge,
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12:01 - 12:03dienen unter dem UN-Kommando in der Welt?
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12:03 - 12:053.700.
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12:05 - 12:08Wie viele Amerikaner? 11.
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12:08 - 12:10Was ist die größte Seemacht,
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12:10 - 12:13die das Problem der somalischen Piraten anpackt?
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12:13 - 12:15Die chinesische Flotte.
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12:15 - 12:17Natürlich sind sie es, sie sind eine unternehmerische Nation.
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12:17 - 12:19Sie wollen die Seewege frei halten.
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12:19 - 12:22Immer häufiger werden wir Geschäfte machen müssen
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12:22 - 12:25mit Leuten, deren Werte wir nicht teilen,
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12:25 - 12:28aber mit denen wir, vorübergehend, ein gemeinsames Interesse haben.
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12:28 - 12:30Es ist ein ganz neuer Weg,
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12:30 - 12:33die Welt zu betrachten, die nun zutage tritt.
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12:33 - 12:35Und hier ist der dritte Faktor,
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12:35 - 12:38der vollkommen anders ist.
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12:38 - 12:40Heute in unserer modernen Welt ist alles,
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12:40 - 12:42wegen des Internets,
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12:42 - 12:45wegen der Art von Dingen, die hier besprochen wurden,
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12:45 - 12:49miteinander verbunden.
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12:49 - 12:51Wir sind nun voneinander abhängig.
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12:51 - 12:53Wir sind nun verflochten,
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12:53 - 12:55als Nationen, als Individuen,
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12:55 - 12:57auf eine Art, wie wir es nie zuvor waren,
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12:57 - 13:00wie nie zuvor.
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13:00 - 13:02Die Wechselbeziehungen von Nationen,
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13:02 - 13:04nun, die hatten wir immer.
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13:04 - 13:07Diplomatie ist das Verwalten des Zusammenhangs der Nationen.
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13:07 - 13:09Aber nun sind wir eng zusammen verflochten.
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13:09 - 13:11Wenn Sie in Mexiko die Schweinegrippe bekommen,
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13:11 - 13:13ist das 24 Stunden später ein Problem für den Flughafen
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13:13 - 13:15Charles de Gaulle.
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13:15 - 13:18Lehman Brothers geht unter, alles bricht zusammen.
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13:18 - 13:21Da sind Feuer in den Steppen Russlands,
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13:21 - 13:23Nahrungsmittelkrise in Afrika.
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13:23 - 13:27Wir sind nun eng, eng, eng miteinander verbunden.
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13:27 - 13:30Und das bedeutet,
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13:30 - 13:34dass die Idee, dass ein Staat auf eigene Faust handelt,
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13:34 - 13:36ohne Verbindung zu anderen,
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13:36 - 13:38ohne Kollaboration mit anderen,
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13:38 - 13:40kein realistisches Vorhaben mehr ist.
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13:40 - 13:43Denn das Handeln einer Nation
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13:43 - 13:45ist weder auf sich selbst beschränkt,
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13:45 - 13:47noch reicht es für einen Staat aus,
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13:47 - 13:49sein eigenes Territorium zu kontrollieren,
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13:49 - 13:52weil die Effekte außerhalb des Staates
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13:52 - 13:55nun anfangen, das, was innerhalb des Staates passiert, zu beeinflussen.
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13:55 - 13:57Ich war ein junger Soldat
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13:57 - 14:01im letzten der kleinen Territorialkriege Großbritanniens.
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14:01 - 14:03Und damals war die Verteidigung meines Landes
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14:03 - 14:06eine Sache und eine Sache allein:
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14:06 - 14:09Wie stark war unsere Armee, wie stark war unsere Luftwaffe,
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14:09 - 14:11wie stark war unsere Flotte, und wie stark waren unsere Alliierten.
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14:11 - 14:13Das war, als unsere Feinde außerhalb unseres Schutzwalls waren.
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14:13 - 14:16Nun ist der Feind innerhalb des Walls.
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14:16 - 14:18Wenn ich nun über die Sicherheit meines Landes reden will,
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14:18 - 14:20muss ich mit dem Gesundheitsminister sprechen,
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14:20 - 14:23weil Pandemien eine Bedrohung für meine Sicherheit sind.
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14:23 - 14:25Ich muss mit dem Landwirtschaftsminister sprechen,
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14:25 - 14:27weil Nahrungsversorgung eine Bedrohung meiner Sicherheit ist.
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14:27 - 14:31Ich muss mit dem Industrieminister sprechen,
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14:31 - 14:34weil die Zerbrechlichkeit unserer Hightech-Infrastruktur
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14:34 - 14:36nun ein Angriffspunkt für unsere Feinde ist –
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14:36 - 14:38wie wir im Cyberkrieg sehen –
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14:38 - 14:41ich muss mit dem Innenminister sprechen,
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14:41 - 14:43denn wer mein Land betreten hat,
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14:43 - 14:46wer in einem Reihenhaus in der Innenstadt lebt,
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14:46 - 14:48hat direkten Einfluss darüber, was in meinem Land passiert –
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14:48 - 14:52wie wir es in London bei den Anschlägen vom 7. Juli sahen.
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14:52 - 14:55Die Landessicherheit ist nicht mehr nur
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14:55 - 14:58eine Sache für die Soldaten und das Verteidigungsministerium.
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14:58 - 15:01Es ist die Fähigkeit eines Landes, Institutionen zu vernetzen.
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15:01 - 15:04Und das zeigt Ihnen etwas sehr Wichtiges.
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15:04 - 15:06Es zeigt Ihnen, dass
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15:06 - 15:09unsere Regierungen, vertikal aufgebaut,
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15:09 - 15:11aufgebaut nach dem ökonomischen Modell der industriellen Revolution –
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15:11 - 15:14vertikale Hierarchie, Spezialisierung von Aufgaben,
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15:14 - 15:16Anweisungsstrukturen –
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15:16 - 15:18die vollkommen falschen Strukturen haben.
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15:18 - 15:20Sie in der Wirtschaft wissen
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15:20 - 15:22dass das Denkmuster unserer Zeit, meine Damen und Herren,
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15:22 - 15:24das Netzwerk ist.
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15:24 - 15:26Wichtig ist Ihre Fähigkeit, Beziehungen zu pflegen,
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15:26 - 15:29sowohl innerhalb der Regierung als auch extern.
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15:29 - 15:31Hier ist also Ashdowns drittes Gesetz.
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15:31 - 15:34Übrigens, fragen Sie mich nicht nach Ashdowns erstem und zweitem Gesetz,
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15:34 - 15:36weil ich die noch nicht erfunden habe.
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15:36 - 15:38Es klingt immer besser, wenn es ein drittes Gesetz gibt, oder?
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15:38 - 15:41Ashdowns drittes Gesetz ist, dass im modernen Zeitalter,
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15:41 - 15:43in dem alles mit allem verbunden ist,
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15:43 - 15:46das wichtigste, was man machen kann,
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15:46 - 15:48das ist, was man mit anderen machen kann.
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15:48 - 15:50Der wichtigste Teil einer Struktur –
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15:50 - 15:52ob man eine Regierung ist, ob man eine Armee ist,
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15:52 - 15:54ob man ein Unternehmen ist –
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15:54 - 15:56sind die Anschlussstellen, die Verbünde,
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15:56 - 15:58die Fähigkeit, sich mit anderen zu vernetzen.
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15:58 - 16:00In der Industrie wird das verstanden,
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16:00 - 16:03in Regierungen nicht.
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16:03 - 16:05Doch nun eine letzte Sache.
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16:05 - 16:08Wenn es der Fall ist, meine Damen und Herren – und das ist es –
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16:08 - 16:10dass wir nun miteinander auf eine Art verbunden sind,
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16:10 - 16:12wie wir es nie zuvor waren,
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16:12 - 16:16dann stimmt es auch, dass wir ein gemeinsames Schicksal teilen.
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16:16 - 16:19Plötzlich, und zum ersten Mal,
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16:19 - 16:22reicht kollektive Verteidigung, die uns
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16:22 - 16:24als Konzept der Staatssicherheit dominierte,
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16:24 - 16:26nicht mehr aus.
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16:26 - 16:28Es war früher so,
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16:28 - 16:30dass, wenn mein Stamm mächtiger war als deren Stamm, ich sicher war,
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16:30 - 16:33wenn mein Land mächtiger war als deren Land, war ich sicher,
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16:33 - 16:36wenn mein Bündnis, wie die NATO, mächtiger war als deren Bündnis, war ich sicher.
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16:36 - 16:38Das ist nicht mehr der Fall.
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16:38 - 16:41Der Morgen der gegenseitigen Abhängigkeit
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16:41 - 16:43und die Waffen der Massenvernichtung
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16:43 - 16:45bedeuten, dass, immer mehr,
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16:45 - 16:47ich ein Schicksal mit meinem Feind teile.
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16:47 - 16:49Als ich als Diplomat
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16:49 - 16:52in Genf in den 70ern über die Demilitarisierung
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16:52 - 16:54der Sowjetunion verhandelte,
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16:54 - 16:56hatten wir Erfolg, weil wir verstanden,
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16:56 - 16:58dass wir ein Schicksal mit ihnen teilen.
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16:58 - 17:01Kollektive Sicherheit ist nicht genug.
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17:01 - 17:03Frieden herrscht nun in Nordirland,
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17:03 - 17:06weil beide Seiten verstanden, dass das Nullsummenspiel nicht aufgehen konnte.
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17:06 - 17:09Sie teilten ein Schicksal mit ihren Feinden.
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17:09 - 17:11Eines der größten Hindernisse zum Frieden im Mittleren Osten
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17:11 - 17:14ist, dass beide Seiten, sowohl Israel und ich glaube auch Palästinenser,
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17:14 - 17:16nicht verstehen,
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17:16 - 17:19dass sie ein gemeinsames Schicksal teilen.
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17:19 - 17:21Und so plötzlich, meine Damen und Herren,
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17:21 - 17:23wird aus einer Behauptung
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17:23 - 17:26von Visionären und Poeten der Geschichte
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17:26 - 17:28etwas, das wir ernst nehmen müssen
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17:28 - 17:30als Gegenstand öffentlicher Ordnung.
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17:30 - 17:33Ich habe mit einem Gedicht begonnen, ich werde mit einem schließen.
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17:33 - 17:36Das großartige Gedicht John Donnes.
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17:36 - 17:40"Frage nicht, wem die Stunde schlägt."
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17:40 - 17:42Das Gedicht heißt: "Kein Mensch ist eine Insel"
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17:42 - 17:44Es geht so:
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17:44 - 17:47"Jedes Menschen Tod betrifft mich,
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17:47 - 17:49denn ich bin Teil der Menschheit,
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17:49 - 17:51darum frage nie,
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17:51 - 17:53wem die Stunde schlägt,
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17:53 - 17:55sie schlägt dir selbst."
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17:55 - 17:58Für John Donne ist das eine moralische Empfehlung.
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17:58 - 18:00Für uns, denke ich,
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18:00 - 18:03ein Teil der Formel unseres Überlebens.
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18:03 - 18:05Danke Ihnen vielmals.
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18:05 - 18:08(Applaus)
- Title:
- Paddy Ashdown: Die globale Machtverlagerung
- Speaker:
- Paddy Ashdown
- Description:
-
Paddy Ashdown behauptet, dass wir in einer geschichtlichen Zeit leben, in der Macht sich wie nie zuvor ändert. In seiner faszinierenden Rede während TEDxBrussels legt er die drei wichtigsten Machtverlagerungen da, die er kommen sieht.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 18:09