Heute findet man die Stadt Königsberg nicht mehr auf der Karte, aber eine besondere Eigenheit in ihrer geografischen Struktur machte sie zu einer der bekanntesten Städte in der Mathematik. Die mittelalterliche deutsche Stadt lag auf beiden Seiten des Pregel. Im Stadtzentrum gab es zwei große Inseln. Diese zwei Inseln waren miteinander und mit den Flussufern durch sieben Brücken verbunden. Der Mathematiker Carl Gottlieb Ehler, der später Bürgermeister einer benachbarten Stadt wurde, war von diesen Inseln und Brücken fasziniert. Er stellte sich immer wieder eine einzige Frage: Welche Strecke muss man gehen, um alle 7 Brücken zu überqueren, ohne auch nur eine davon mehr als einmal zu überqueren? Denke einen Moment darüber nach. 7 6 5 4 3 2 1 Du gibst auf? Das solltest du auch. Denn es ist nicht möglich. Aber mit den Erklärungsversuchen entdeckte der berühmte Mathematiker Leonhard Euler ein neues Gebiet der Mathematik. Ehler schrieb an Euler und bat ihn um Hilfe. Euler lehnte die Frage zunächst ab, da sie nichts mit Mathematik zu tun hatte. Aber umso mehr er mit der Frage rang, umso mehr schien es, dass da doch ein Zusammenhang bestand. Die Antwort, die er fand, hatte nichts mit der existierenden Geometrie zu tun; es war die Geometrie der Lage, die heute als Graphentheorie bekannt ist. Euler erstes Erkenntnis: Die Strecke zwischen dem Betreten einer Insel oder einem Flussufer und dem Verlassen derer, tat nichts zur Sache. Also konnte die Karte vereinfacht werden: Jede der vier Landmassen wird als ein einziger Punkt dargestellt, was wir heute "Knoten" nennen, mit Linien, oder Kanten, zwischen ihnen, um die Brücken darzustellen. Dieser vereinfachte Graph erlaubt es uns, die Grade eines jeden Knotens ganz leicht zu zählen. Das ist die Anzahl der Brücken, die jede Landmasse berührt. Warum sind die Grade wichtig? Den Regeln der Herausforderung zufolge müssen Personen, die über eine Brücke an einer Landmasse ankommen, diese über eine andere Brücke wieder verlassen. Die Brücken, die auf einer Strecke zu und von jedem Knoten hin- und wegführen, müssen in verschiedenen Paaren auftreten, d. h. die Anzahl der Brücken, die jede besuchte Landmasse berühren, muss eine gerade Zahl sein. Die einzig möglichen Ausnahmen sind der Anfang und das Ende des Wegs. Sieht man sich den Graph an, wird offensichtlich: Alle vier Knoten haben einen ungeraden Grad. Ganz gleich, welcher Weg gewählt wird, an irgendeinem Punkt muss eine Brücke zweimal überquert werden. Euler nutzte diesen Beweis, um eine allgemeine Theorie zu formulieren, die für alle Graphen mit zwei oder mehr Knoten gilt. Ein Eulerischer Weg, der jede Kante nur einmal betritt, ist nur in einem von 2 Szenarios möglich. Erstens, wenn es genau zwei Knoten mit ungeraden Grad gibt, was bedeutet, die anderen sind alle gerade. Dann ist der Ausgangspunkt einer der ungeraden Knoten und der Endpunkt der andere. Zweitens, wenn alle Knoten einen geraden Grad haben. Dann beginnt und endet der Eulerische Weg am selben Ort, wodurch ein sogenannter Eulerischer Rundgang entsteht. Wie könntest du also einen Eulerischen Weg in Königsberg entstehen lassen? Ganz einfach: Entferne einfach eine Brücke. Sogar die Geschichte schaffte sich ihren eigenen Eulerischen Weg. Im Zweiten Weltkrieg zerstörte die sowjetische Luftwaffe zwei der Brücken und ermöglichte somit einen Eulerischen Weg. Aber zugegeben, das war bestimmt nicht ihre Absicht. Diese Bombardierungen radierten Königsberg fast von der Karte aus. Später wurde sie als die russische Stadt Kaliningrad wieder aufgebaut. Obgleich die Stadt Königsberg und ihre 7 Brücken nicht mehr existieren, wird man sich wegen eines scheinbar trivialen Rätsels immer an sie erinnern, das zu einem neuen Gebiet der Mathematik geführt hat.