36C3 Vorspannmusik Herald: Gamification ist geil, bis sie es nicht mehr ist. Und wann sie es nicht mehr ist, ist unter anderem der Fall, wenn die neue Rechte den Kampf gegen demokratische Grundrechte und unsere Gesellschaft auch durch Gamifizierung vorantreibt. Unser nächster Speaker hat sich das mal genauer angeschaut, welche Techniken da von wem eingesetzt werden und was die Effekte davon sind. Bitte einen großen Applaus: Arne Vogelgesang. Applaus Arne: Hi, danke! Oha, so viele Leute, ich bin ein bisschen aufgeregt, ist doch eine große Ehre, hier sprechen zu dürfen und auch noch so den Ausklang des Tages zu machen. Der Ausklang ist in diesem Raum dann hier jetzt nicht mit den tollsten Inhalten gesegnet. Deswegen Content Warning gleich am Anfang. Es geht naturgemäß um extrem rechte Propaganda. Es geht um Rassismus, Antisemitismus, Gewalt gegen Frauen, Terrorismus. Ich werde davon erzählen. Ich zeige aber auch einiges an Bildern und Videos. Ich habe eindeutigen Hate Content geblurred, hab das aber nicht alles komplett rausgeschmissen, weil ich es wichtig finde, ein Gefühl dafür zu kriegen, wie die kulturellen Räume, über die ich rede, so ästhetisch und inhaltlich miteinander reden oder agieren. Ich weiß aber, dass das immer so eine schwierige Sache ist mit Reproduktionen von Zeug. Und meine Einschätzung ist von meinem Privileg geprägt. Ich habe so ein bisschen das Glück, weiß, männlich und nicht Opfer von Hass im Internet - bis jetzt - zu sein, kann sich ja ändern nach dem Talk. Insofern tut mir leid, falls es irgendjemanden auf dem kalten Fuß erwischt. Falls ihr keinen Bock habt, euch die Stories anzuhören oder die Sachen anzugucken, während dessen, geht einfach raus. Ich bin nicht böse. Ansonsten hoffe ich, wir kommen gut miteinander klar, und es bleibt trotzdem auch noch ein bisschen unterhaltsam. Auch ein kleines Sorry an das Übersetzungsteam: Ich bin mitunter ziemlich schnell, wenn ich rede, und es wird dann manchmal auch ein bisschen dicht, und ich kann mir vorstellen, dass das sehr anstrengend wird, das mit zu übersetzen. Ich möchte euren Job nicht haben, aber sehr schön, dass ihr es macht - vielen Dank dafür! Applaus Arne: Ja, also würde ich sagen, gehen wir an die Arbeit. Ich habe einen Plan gemacht darüber, was wir uns so angucken könnten. Dann hab ich mir den Plan durchgeguckt und gesagt: Vielleicht ist es ein bisschen zu lang für die Zeit, die wir zur Verfügung haben. Ich habe deswegen so ein paar Striche gesetzt. Über die Hälfte von den Sachen, die ich gestrichen habe, werde ich trotzdem reden, wie es dann halt so ist. Ich hoffe aber trotzdem, dass ich in der Zeit einigermaßen durchkomme. Es gibt ja aber auch ein paar Sachen, die ich euch nicht erklären muss, weil es hier eine besondere Crowd ist, vor der ich spreche. Ich muss euch zum Beispiel nicht erzählen, dass Gaming die größte und bald sicher auch die einflussreichste Kulturindustrie der Welt ist. Mit einem globalen Umsatz, der schon 2014 das Doppelte der globalen Filmindustrie hatte und mittlerweile über 150 Milliarden Dollar beträgt. Der größte Anteil davon: Mobile Games. Clash of Clans zum Beispiel wird gespielt von 6,4... hat 6,4 Milliarden Dollar Umsatz gemacht. Lachen Arne: Ich selber hab es nie gespielt, aber soll ein super Spiel sein, hab ich gehört. Ist die erfolgreichste App im Apple Store. 480 Millionen Menschen weltweit spielen Minecraft. Ich gehöre auch nicht dazu. Worum es heute Abend nicht gehen wird, sind letztlich Games, auch politische Games. Das Spiel, erinnern wir uns daran, analog vom NSU. Es geht nicht um KZ Manager Millennium. Es geht nicht um Brettspiele aus den 70er Jahren wie "Jude ärgere dich nicht", die von einem Polizisten vertrieben wurden, auch nicht die Vorläufer aus der Nazizeit. Auch die Kriegsspiele, die damals als "Schlacht um England" oder sowas unterwegs waren, darum geht es nicht. Es geht auch nicht um die entsprechenden Äquivalente vom US-Markt. Es geht auch nicht um Fan Games für reale Kriege wie z.B. "Quest for Saddam" oder auch nicht um das Mod, was der Islamische Staat damals von diesem Spiel gemacht hat und das wiederveröffentlicht hat, als "Night of Bush Capturing". Es geht auch nicht um Spiele wie "School Shooter North American Tour 2012", wo Leute, die Bock auf Amokläufe haben, spielen können. Es geht auch nicht um Sachen wie das Anders-Breivik-Mod für "ArmA 3", wo man auf einer Insel Zivilisten erschießen konnte. Es geht auch nicht um Triple-A- Kriegssimulationen, also so die ganz normalen Spiele, wie wir sie alle kennen und lieben. Zum Beispiel "Modern Warfare 2", was Anders Breivik selbst empfohlen hat als Vorbereitung für seinen eigenen Einsatz. Es geht nicht einmal um die beste "Multiplayer Open World Erfahrung" überhaupt, wenn man der Bundeswehr glaubt, nämlich in der Bundeswehr zu sein. Obwohl die US-Armee hat seit vier Jahren ein eigenes Computerspiel auf Steam, was sie zur Rekrutierung einsetzen, und das finde ich schon relativ interessant. Darum wird es aber nicht gehen, um all das nicht. Es geht auch nicht um die Spielchen mit dem Diskurs, die gewisse Parteien in Deutschland in den letzten Jahren machen. Worum geht es dann? Ich glaube, die meisten hier wissen mehr oder weniger, was Spielifizierung ist. Euphemistisch gesagt für Leute, die der Meinung sind, dass das eine total geile Sache sind, ist das Mind Set dahinter: Wir sind alle Spiele- Designer unseres eigenen Lebens. Das ist quasi die Aktualisierung von Jeder ist seines Glückes Schmied. Etwas weniger euphemistisch könnte man sagen, es ist eine Herrschaftstechnik im Ludo- Kapitalismus, weil Spiele es erlauben, genussvoll gegen die eigenen Interessen zu handeln. Jeder, der schon mal Lotto gespielt hat, der kann das sicher bestätigen. Deswegen ist Gamifizierung sehr beliebt in Markenkommunikation, als Mittel zur Kundenbindung und ein ganz wesentlicher Kern von dem Hype, der Experience Economy heißt. Also, jedem neuen Level von Ökonomie, wo nicht mehr Waren, Produkte oder Services verkauft werden, sondern Erfahrungen mit all diesen Services und Produkten und Waren und die Erinnerung daran, also wo man ganz tief in die Köpfe und Herzen der Menschen hineinkommt und zum Beispiel nicht nur an Kunden verkaufen kann, sondern auch an die eigenen Angestellten ihre Arbeit. Das heißt, dass sie ihre eigene Ausbeutung als Spaß wieder konsumieren können. Ich werde auch nicht über Qualtrics reden von deren großen Experience Economy Summit dieses Ding hier kommt, wo man sagen muss, dass eine Gesellschaft mit solchen Zielen sich über Glaubenskriege nicht wundern muss. Allgemein gesagt: Gamification ist eine Art Methode, menschliches Verhalten und Engagement zu designen und irgendwie genießbar zu machen. Meistens spieltheoretisch fundiert. Beispiele sind den meisten, glaube ich, bekannt. Konsum-Marken gab's früher, Bonus-Marken sammeln, Fortschrittsbalken, den man stundenlang zuschauen kann, daran, wie sie sich entwickeln... Lachen Arne: ...weil es nett ist, irgendwo noch Fortschritt zu sehen, den eigenen Status zu steigern, also eigene Ziele ein bisschen besser in den Griff zu kriegen und auch die Motivation dazu z.B. über Weight Watchers Kalorien zählen oder sowas in der Art. Wir können mit Gamification- Prinzipien bestimmte Entscheidungen regeln, z.B. politische Entscheidungen. Wir können auch soziale Entscheidungen damit regeln, über eine einfache Handbewegung die Menschen finden, die wirklich zu uns passen. Und da gibt es noch so eine schöne Radar-Funktion dazu. Das heißt, der romantische Partner der Zukunft ist eine Art Pokemon irgendwo im näheren Umgebungsraum... Lachen Arne: ...das ich nur noch erlegen muss. Der Witz funktioniert natürlich auch nur - freut mich, dass er es tut - weil wir alle Pokémon Go mittlerweile kennen. Das heißt, wir können auch Bewegung im öffentlichen Raum gamifizieren. Im ersten halben Jahr haben die Kunden von Pokémon Go genug Strecke zurückgelegt, um das Sonnensystem zu verlassen, was eine ganze Menge ist und dem entsprechenden Unternehmen eine massive Datenbasis beschert darüber, wie und wohin Leute so gehen. Das bietet auch tolle Möglichkeiten: einerseits von Kooperationen. Es gibt einen riesigen Werbefaktor. Wenn jetzt eine Firma sich das Pokémon kauft in der Nähe von ihrem Store, dann steigen die Umsätze noch so'n bisschen. Das ist Persuasive Gaming. Andererseits kann man genau solche Beziehungen dann auch hacken, wie zum Beispiel die Neonazis vom Daily Stormer in den USA gemacht haben, die geguckt haben, wo sind denn die Pokémons in den Gyms. Da haben wir gleich zwei Zielgruppen, nämlich die, die irgendwie gerne spielen, und wir haben die, die gerne ihren Körper stählen wollen. Und das sind doch die Richtigen, die wir rekrutieren müssen. Und um zu beweisen, dass ich mir das nicht ausdenke: Hier die "Pokémon GO Nazi Challenge!" auf dem Daily Stormer. Apropos Challenge: Seit 2012 motiviert "Zombies Run" Jogger dazu, schneller zu laufen, indem sie sich vorstellen, dass sie von Zombies verfolgt werden. Man legt dann auch mehr Strecken zurück. Das ist bewiesen, und die Leute lieben es. Das heißt, man kann bestimmte Tätigkeiten oder Verhältnisse fiktionalisieren. Und das ist sehr wirksam. Und wer nicht laufen will, der ruft sich ein Uber und tritt in die Gig Economy ein und kann zuschauen, wie der eigene Taxi-Fahrer oder die eigene Taxi-Fahrerin gamifiziert wird, weil die mit ihrem Arbeitgeber nur noch per App vermitteln. Oder die App ist letztlich der Arbeitgeber. Und die nudged sie dazu, immer noch ein Stückchen zu fahren und noch eine Tour zu machen und noch eine Tour zu machen und bricht damit auf eine gewisse Art und Weise das erste Gesetz der Robotik, das sagt, Roboter sollen die Anweisungen von Menschen ausführen. Und da ist es ja irgendwie schon andersrum. Es gibt Gamification-Services und Toolsets für Tour-Formate und Audio Walks. Es gibt sie für Schulen und für Lehreinrichtungen. Das heißt, man kann den Unterricht gamifizieren. Es gibt gamifizierte Assessment Center, wo man dann vielleicht keinen Job kriegt, aber beim Bewerbungsgespräch eine total großartige Candidate Experience hatte. Lachen Arne: Man kann ganz ernsthaft zu wissenschaftlichen Erkenntnissen über Proteinfaltungen kommen, in dem sehr viele Leute versuchen, Proteine zu falten als eine Art Spielgemeinschaft. Und die meisten hier wahrscheinlich kennen "Capture the Flag" als Format für Crypto- Turniere, weil sie mit ein bisschen Motivation, wenn man gegen andere Leute kämpft, findet man den Exploit dann vielleicht eben etwas schneller. Das ist ein Format, was uns später noch wiederbegegnen wird. Ich will auf die ganzen einzelnen Prinzipien gar nicht eingehen. Was wichtig ist und in dieser Liste oder den anderen Listen, die man oft über Gamification online findet, manchmal nicht vorkommt, ist, dass Spiele freiwillig sind. Das ist eigentlich die wichtigste Eigenschaft davon. Das heißt, sie bringen etwas mit, was man intrinsische Motivation nennt. Wir spielen das Spiel halt, weil es geil ist, das Spiel zu spielen oder weil wir gewinnen wollen. Und was passiert jetzt, wenn man diese Techniken des freiwilligen Engagements benutzt, um damit politisches Engagement zu stimulieren oder zu kanalisieren? Und was für Folgen könnte so eine Stimulation haben in Gesellschaften, die sowieso die Tendenz haben, immer größere, spielifizierte Welten zu erzeugen? Ob jetzt Disney World oder soziale Werbeplattformen wie Facebook. Ab einer bestimmten Größe politisieren sich solche Welten, weil irgendwie das Zusammenleben der Leute dort geregelt werden muss. Und sie politisieren sich entlang ihrer Designregeln. Designregeln sind aber von Unternehmen vorher entworfen worden, die diese Welten kontrollieren. Das heißt, da kommen ganz neue Herrschaftsformen auf uns zu. Vor allem, wenn diese Firmen die Politik, die nötig wäre, um das Zusammenleben zu gestalten, vorher nicht bedenken, weil sie halt hauptsächlich ihren Profit im Auge haben. Allgemein gilt für Spiele: Wer Spiele beherrschen will, der muss die Regeln machen, oder er muss sie erfolgreich brechen. Oder er muss andere dazu bringen, das eigene Spiel mitzuspielen. Und dafür zeige ich ein paar Beispiele Zuerst aus den USA. So, die meisten von euch kennen die Story wahrscheinlich. Ich erzähle sie trotzdem, so kurz ich das irgendwie hinkriege und übermäßig verknappt, wahrscheinlich, an einigen Stellen. 2012 startete die feministische Medientheoretikerin Anita Sarkeesian einen Kickstarter für eine Video Serie über stereotype Darstellungen von Frauen in Videospielen. Sie wollte 6.000 Dollar damit einwerben, sie hat 160.000 bekommen. Es gab also großes Interesse dafür. Und sie hat eine Welle von Hass bekommen. Es gab Todesdrohungen, Vergewaltigungsdrohungen, es gab ein Spiel, indem man sie grün, blau und blutig schlagen konnte. Und das war alles ein Vorgeschmack auf das, was da noch kommen sollte. Anfang 2004 erschien das Text Adventure Depression Quest der Indie- Spiele Macherin Zoë Quinn, die daraufhin auch monatelang Bedrohungen ertragen musste. Dann beschwerte sich ihr Ex-Freund online in einem sehr ausführlichen Blogeintrag, dass sie ihn betrogen habe mit mehreren Spielejournalisten. Rage Face. Und so wurde aus dem Konflikt um Deutungshoheit innerhalb der Spielekultur sehr schnell ein ausgewachsener Kulturkrieg zwischen links und rechts entlang der politischen Divide der USA. Die Basis dafür war die unterstellte Verschwörung linksliberaler Feministinnen und Spieleproduzentinnen mit Journalisten, um unsere Spiele kaputt zu machen. Also das war so eine Art 'Wir sind das Volk' für Gamer. Aber auch nur für eine bestimmte Art für Gamer, nämlich jung, männlich, wütend. In der Regel. Wir wissen heute, dass Verschwörungstheorien der Haupttreiber für rechte Politisierung überhaupt sind. Das war damals eine sehr, sehr erfolgreiche. Das spielte sich so ab, dass eine Seite gedoxxt wurde, aus Wohnungen ausziehen musste, geswatted wurde, Bombendrohungen bei Veranstaltungen erhielt, wo sie auftreten sollten, die dafür abgesagt werden mussten. Und die andere Seite wollte doch eigentlich nur über Ethik im Spielejournalismus diskutieren und schlug dafür ab und zu mal über die Stränge. Meinte man. Im Englischen nennt man einen Kriegsschauplatz Theatre of War und Erfolg in so einem Theater kann davon abhängen, für wen dieser Ganze War eher ein Schauspiel sein kann, also vom Einsatz. Für wen ist es ein Spiel? Und für wen ist das Ganze ernst? Das war so ein bisschen ungleich verteilt damals und ist es immer noch in dem Konflikt, weil eigentlich dauert dieser Gamergate-Kampf immer noch an oder kommt immer wieder hochgekocht. Der Skandal Hashtag selber wurde von Adam Baldwin, den wir hier schon in diesem Twitter-Austausch sehen, gecoined auf Twitter. Sehr erfolgreich. Twitter war das Main Theatre of Operations in diesem Krieg. Mehr als zwei Millionen Tweets mit dem Hashtag Gamergate wurden in zwei Monaten gepostet, und radikal rechte Medien kriegten relativ schnell mit, was da lief und dass sie sich von dem Kuchen eine Scheibe abschneiden konnten. Allen voran Breitbart pushte die ganze Diskussion. Steve Bannon engagierte den Shootingstar-Troll Milo Yianno-Dings, hier, mit dem Namen. Ihr wisst schon. Gelächter Und der postet dann Leaks von angeblichen konspirativen Mailinglisten und so weiter, um diese Verschwörung weiter zu befördern, befeuern und damit ein bisschen mehr die Abspaltung von all denen einzuleiten, die für rechte Ideen besonders empfänglich wären und sie auf die eigene Seite zu kriegen. Die Folge war einerseits eine Kulturkrise der Spieleindustrie und die Popularisierung des Konzepts der Alt- Right, also das, was wir in Europa Metapolitik nennen, für die Rechte, radikale rechte Metapolitik. Und es war ein wichtiger Meilenstein für die politische Selbstorganisation und Mobilisierung von Anons. 4chan gab es seit 2003 als Image Board und Raids, also Schwarmattacken, waren relativ schnell Teil der Kultur geworden. Erst mal auf soziale Räume im Internet, deren soziale Verhältnisse, die sie dort künstlich wieder aufbauten, man so ein bisschen testen konnte. So Pen Testing. Wie funktionieren denn eure Spielregeln. Wo kann man sie brechen? Wo kann man sie unterlaufen? Eigentlich ja, erst mal auch eine ganz gute Sache. Irgendwann gingen die Raids dann real. 2008 gab es Operation Chanology. Das richtete sich gegen Scientology an verschiedenen Orten auf der Welt gleichzeitig. Die nächste Aktion richtete sich gegen Copyright Lobbyisten, weil Spiele sollten frei sein. Operation Payback, 2010. 2011 kam Occupy Wall Street, und spätestens ab dann spalteten sich auch verschiedene Zweige, die politisch uneins waren, voneinander ab in dieser ganzen Anon-Blase. 2012 kam Operation Dub the Dew. Die ist vielleicht nicht so bekannt. Ein US-amerikanischer Softdrink Hersteller wollte einen neuen Apfel-Drink rausbringen und dachte fragen wir doch einfach mal unsere Kunden, wie wir ihn nennen sollen, und machen eine Online-Umfrage. Den ersten Platz gewann "Hitler did nothing wrong". Die anderen Plätze waren auch nicht so gut. Das musste dann abgeblasen werden. Es war also auch eine Beweisführung darüber, dass die Zielgruppenpolitik von Unternehmen oft nicht so gut aufgeht. Wenn sie dann an eine Öffentlichkeit geraten, die mehr enthält, als nur ihre Zielgruppe. 2012 war aber auch das Jahr, wo im Nazi-Forum Storm Front einige Leute sich zusammentaten, um gezielt 4chan zu "redpillen". Also sie aufzuklären über die "race reality", wie sie es nannten, "white genocide", die Weißen werden unterdrückt, wir sollen alle vernichtet werden. Volkstod, Großer Austausch und so weiter. Und sie organisierten das mit einem Brückenkopf auf /pol/, dem Politically Incorrect Board auf 4chan, wo die Leute posteten und je nach der Nummer des Posts zur letzten Ziffer des Posts wurde dann entschieden, welches Board geredpilled wurde an dem Tag. Also das ganze war schon als Propagandaspiel aufgemacht, und dann musste jeweils entsprechend der dortigen Zielpublika angemessen die entsprechenden Inhalte verteilt werden. Also was fressen die Gamer leichter? Was machen wir auf dem Random Board und so weiter und so fort. Und sie waren relativ erfolgreich mit dieser koordinierten Propagandaaktion. Der nächste große Raid 2013 war Operation Lollipop, wo von 4chan aus eine Menge Fake-Accounts auf Twitter angelegt wurden. Von was..., was man so Social Justice Warriors genannt hat. Also besonders extreme schwarze Frauenrechtlerinnen, die an die absurdesten Sachen sagen mit dem Ziel, Streit innerhalb der linken Blase auszulösen. Dass sich dann welche davon distanzieren müssen, die sich alle gegenseitig an die Gurgel gehen. Und man steht daneben und ist lachender Dritter. 2014, ein Jahr später, kam Gamergate. Und dann eskalierte die ganze Sache, das habe ich ja eben schon beschrieben. Und auf 4chan wurden Diskussionen und Verabredungen zu Gamergate gebanned. Und all die Leute, die vorher dort sich so gut miteinander eingeübt hatten, mussten irgendwo anders hin. Es brauchte einen neuen Ort dafür. Das war die Geburt von InfiniteChan oder 8chan. Die Hauptattacken gegen Zoë Quinn 2014 waren eigentlich ausgegangen von einem anderen Image Board, nämlich von Wizardchan. Das war eine kleine Ausgründung von 4chan. Nur für männliche Jungfrauen. Heute nennt man die Incels oder Volcels. Sie selbst nannten sich damals Wizards, weil die Wizards in den Rollenspielen, die haben so viel mit der Magie und so wichtig, die ganze Wissenschaft. Die können einfach nicht mit Frauen, weil sie so klug sind. Das war so ein bisschen das Selbstbild. Ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie bestimmte Defizite glorifizierend angeeignet werden in der Szene, indem man sie überaffimiert und irgendwas total Großes draus macht. Aber natürlich kannte man sich auf Wizardchan relativ gut aus mit Depressionen, meinte man zumindest, weil viele der Leute, die dort waren, tatsächlich daran litten oder an irgendwas ähnlichem oder was, was sie dafür hielten. Das heißt, der Kampf gegen das Spiel von Zoë Quinn war nun nicht nur eins gegen eine Frau, die jetzt ein Spiel macht, sondern gegen eine Frau, die uns auch noch etwas über Depressionen erzählen will. Und da sind wir schließlich die Spezialisten. Und einer der Moderatoren von Wizardchan gründete 8chan, als Gamergate gebanned wurde auf 4chan. Das war der Herr hier. 2016 hat er 8chan wieder verlassen und ist heute ein bisschen sorry über das, was er angerichtet hat. Ich zeige das Bild auch nicht, weil es um ihn geht, sondern weil es ein interessantes Bild ist von einem Mann. Und es sind sehr viele verschiedene Männerbilde zusammengekommen auf 8chan. 8chan wurde so ein bisschen Ort für die Verschmelzung diverser soziopolitischer Kriegsspiele und verschiedener Szenen wütender Männer. Eine andere Szene, die dazukam, war die Pick-up-Szene. Pick-up- Artists, die Manosphere-Leute, die es für ein großartiges Spiel halten, möglichst viele Frauen aufzureißen. Die brachten ihre eigenen Spielebegriff mit. Ich weiß nicht wer letztes Jahr da war, Angela Washko war da und hat einen Talk gegeben über ihr Spiel, über The Game: The Game: The Game. Sehr schön, kann ich empfehlen. Ansonsten einfach mal googlen. Und im Rückschau darauf klingt dieser Satz, finde ich, wir sind alle Spiele Designer unseres eigenen Lebens, nochmal ein bisschen anders, weil er hat ja eine dunkle Seite. Es gibt ja kein eigenes Leben eigentlich. Es gibt nur geteilte Leben. Wir leben halt nicht alleine. Und wenn jetzt eine Partei in so einem Leben beschließt das, was wir miteinander machen oder tun, ist ein Spiel und die andere Partei weiß das nicht, dann gibt's Probleme, und das Machtpotenzial und das Missbrauchspotenzial von solchen Spielframes hat die Manosphere und diese ganze Pick-up-Artist-Szene relativ gut erforscht. Und diese Erkenntnisse brachten sie dann mit in das, was auf dem Politically Incorrect Board /pol/ von 8chan dann verschmolz miteinander. Identitäre, rechtslibertäre, faschistische Szene, Gamer, traurige junge Männer im Keller. All diese verschiedenen Männer mit ihren Auffassungen kamen da zusammen, tauschen sich miteinander aus und wurden aktiv. Und vielleicht das eine Ding, was sie miteinander verband, sie brauchten sehr verschiedene Männerbilder, aber alles, was miteinander verbunden werden konnte, lief gut über Antisemitismus. Antisemitismus geht quasi immer. Und ich habe da diese Krake da draußen auch schon wieder gesehen, hab mich letztes Jahr schon genervt. Vielleicht kann man irgendwann mit dieser Datenkrake auch mal aufhören und was anderes finden. Applaus /pol/, 8chan, zentraler Knotenpunkt zur Produktion fresher rechter Memes. Hitlermemes, Fashwave, extremer Antisemitismus, White-Supremacy-Jokes, Pepe the Frog in 1001 Variationen und Evolutionen und ein ganzes großes Figurenuniversum von Zoomern und Boomern und Doomern und Gloomern für all die verschiedenen Männer, die dort waren. Und natürlich, weil das sind alles die Figuren für einen selbst, für die Ingroup. Auch die Figuren, für die Outgroup, die nicht dazugehörte, nämlich die NPCs. Die Nicht- Spieler-Charaktere, diejenige, die in den Spielen keine eigene Agency haben, die immer nur dem gleichen Script folgen, weil sie so programmiert wurden. Vom System, die Gehirngewaschenen, die Social Justice Warriors, die Gutmenschen, diejenigen, die quasi der Feind sind. Eine ganze eigene große selbstreferenzielle Kultur mit Selbstbildern und Feindbildern zum politischen Rollenspiel. Und über die Jahre hinweg konnte man sich damit wunderbar selbst aufputschen und radikalisieren. Und das brach im März diesen Jahres aus. Mit dem Terroristen von Christchurch, der seine Tat auf 8chan ankündigte und dort postwendend zum Saint erklärt wurde, also zum Heiligen. Und der seinen Massenmord auch, und vor allem erstmal als Unterhaltungsprogramm für die Community konzipierte, auf 8chan. Vom Manifest bis zur Musikbegleitung, den eigenen Kommentaren bis zum Shitposting an die Presse und den ganzen Inside-Jokes aus der eigenen Kultur, die eingearbeitet waren in seinen Massenwort, Massenmord und dazu gehörte auch die eigene Tat als Livestream zur Verfügung zu stellen. Das ist auch was, wie viele andere Sachen, die die radikale rechte Szene von, vom globalen Dschihadismus gelernt hat. Auch die vorher schon mit Live-Streams gearbeitet, aber nicht mit dieser First- Person-Perspektive. So ausführlich, die dazu führte, dass der gesamte Terroranschlag aussah wie ein gigantisches "Let's Play". Also jenes Format, in dem man anderen Leuten beim Spielen, beim Schießen zuguckt, aus der eigenen Perspektive. Helmkamera oben drauf. Und so'n "Let's Play" sagt immer: 'Schau mal, so spiele ich das Spiel. Wie spielst du das denn? Könntest du es auch so gut machen? Könntest du es besser machen als ich?' Das ist die Botschaft, die mit vermittelt wird. Und dass dabei Leute getötet werden, ist dann quasi fast schon nebensächlich, weil das gehört halt dazu. Das ist Teil der Rules of the Game. Der Attentäter war selber nur Nachahmer. Von Anders Breivik in dem Fall. Anders Breivik hält immer noch den höchsten Highscore für First Person Solo Shooter in der Encyclopedia Dramatica, also der Wikipedia der Szene. Und Wiederholbarkeit, in dem Fall Wiederholbarkeit von dem, was Breivik gemacht hat, oder Wiederholbarkeit von dem, was in Christchurch passierte, ist ein wesentliches Spielprinzip. Es ist kein Spiel, wenn es nicht wiederholbar ist. Es ist aber eben auch ein politisches Prinzip. Und irgendwie ist rechter Terror seitdem in so einer Art Coverphase eingetreten, was der Popmusik schon vorher passiert ist. Das heißt, du hast eine Folge von Wannabe-Alleinunterhaltern, die immer noch einmal das gleiche Ding neu interpretieren und versuchen, ein bisschen was dazu zu geben. Zur Förderung dieser Wiederholung kurbelte man auf 8chan postwendend die Memeproduktion an. Es gab den Memetic Warfare Thread im Namen des Christchurch-Mörders. Als der erste Thread voll war, musste man den zweiten Thread aufmachen, um neue Bilder zu produzieren. Dann war der zweite voll, da musste man den dritten machen. Dann kam der vierte, dann kam der fünfte, der sechste bis zu 15, und das wäre auch eine Weile so weitergegangen. Aber dann wurde 8chan der Saft abgedreht. Es gibt ein Spiel aus der Szene, in dem man Hitler spielen kann, Mussolini, Trump, Pepe the Frog oder auch den Terroristen von Christchurch, um liberale Demokraten, queere Menschen oder Frauenrechtlerinnen zu erschießen. Und folgerichtig dauerte es nicht lange, bis es Nachahmer gab. Erst in Poway, da wurden Juden erschossen. Dann in El Paso, da ging es darum, Latinos zu töten. Dann in Oslo, da ging es darum, Muslime zu töten, und kürzlich hier um die Ecke, hier in Halle, da ging es darum, Juden zu töten, aber eigentlich hauptsächlich überhaupt irgendjemanden zu töten. Und der Attentäter von Halle übernahm nicht nur von seinen Vorbildern diverse Spielelemente wie z.B. Achievements zu definieren, die möglichst zynisch und, ja, lustig für die Ingroup daherkommen und livestreamte seinen Terroreinsatz folgerichtig auf Twitch, der Streaming Plattform für Let's Play Formate. Er fügte dem Ganzen auch ein neues Computerspiel- Element hinzu, nämlich Crafting, indem er alle seine Waffen per 3D-Druck selber, nicht entwarf, Vorbilder hatte er gekriegt, aber selber druckte und ausdrücklich sagt in seinem Dokument: "Hey, the whole deal is to show the viability of improvised guns." Ganz klar gibt's Tote, aber die Toten gehören ja eh dazu. Ich will vor allen Dingen beweisen, dass all die in den Ländern, wo man nicht so leicht an Waffen kommt, auch total erfolgreich sein können in diesem Spiel, was wir miteinander spielen, was glücklicherweise nicht so gut funktioniert hat, aber trotzdem noch zu gut. Die Terroristen von Christchurch, von Poway und von El Paso posteten alle auf 8chan ihre Ankündigungen. Das wurde dann vom Netz runtergeschnitten, weil es irgendwann zu viel wurde. Der Attentäter von Oslo postete auf endchan, dem Ende des Internets, einem Klon von 8chan und der Mörder von Halle erst im Zeronet, von dort wanderte dann der Post auf Kohlchan, wo sofort - also Krautchan, Kohlchan ist so ein bisschen die deutsche Version davon. Da zog der Admin sofort den Stecker, als das Ding auftauchte, bevor die Sicherheitsbehörden da sein konnten. Und dann landete der Post auf McGuire XXXX, einem kleinen Anime-Imageboard, was dann so den ganzen Shitstorm einsteckte, dafür. Obwohl, Shitstorm ist das falsche Wort, dafür, muss man sagen. Aber warum diese Wanderung von einzelnen Posts, nachdem 8chan geschlossen wurde oder irgendwie keinen Platz mehr hatte? Weil die Leute waren ja immer noch da. Die Betreiber waren eigentlich immer noch da, aber es gab keinen sicheren Server mehr. Waren plötzlich 1,7 Millionen Besucher pro Monat heimatlos geworden. So viele waren da nämlich vorher dort gewesen. Und die suchten alle eine neue Heimat. Und diese neue Heimat gibt es seit Anfang November. Das ist 8kun, betrieben vom gleichen Betreiber. Der Server wird vom gleichen Menschen betrieben wie vorher. Das ist Jim Watkins. Das ist dieser Herr hier. Der war zur Anhörung vor dem US-Kongress mit einem QAnon-Pin und wurde dafür gefeiert und war früher Mechaniker für Attack Helicopter in der US Army, was ein ganz eigener Joke ist. Und 8kun startete mit einigem Getöse mit Instanzen im Tornetz und auf Lokinet und verhalf letzterem damit zu einem Bekanntheitsschub. Das hat jetzt nichts mehr mit Gamification zu tun. Aber vielleicht kennen auch nicht alle von hier Lokinet. Loki ist ein Projekt, das ein ganz eigenes Ökosystem aufbaut, über einer Blockchain. Dazu gehört auch ein Onion Routing Protokoll, das Proof of Stake ist. Das heißt, es geht nicht nur darum, das Tor, das Tor-Protokoll ein bisschen zu verbessern in technischen Hinsichten, sondern auch ein ökonomisches Incentive einzufügen, um das Ganze sicherer zu machen. Das begründen sie, spieltheoretisch. Der Hauptentwickler von Lokinet war auch auf Endchan aktiv, hat das dort zuerst vorgestellt, hat sein Routingprotokoll LLARP genannt, das ist ein Akronym für Low Latency Anonymous Routing Protocol, und wollte nach eigener Aussage die Server und Client Implementationen Wizard und Bard nennen, steckte also tief in der Szene drin. Und damit beißt sich die ganze Geschichte gleich mehrfach selber in den Schwanz. Einerseits wirtschaftlich, andererseits kulturell. Ich finde , das wirtschaftliche müsste man ein bisschen weiter belichten, nämlich dass eine Privacy-Architektur auf kapitalistische Spiele gegründet wird, ist was signifikant Neues. Das wird sich anders verhalten als die Sachen, mit denen jetzt die meisten Leute unterwegs sind, die ein bisschen anderen Ethos mitbringen, und für die kulturelle Frage vom Rollenspiel komme ich später nochmal zurück. Zuerst aber finde ich nach all diesen Beispielen für Kriegserklärungen, die einseitig sind, und für Gewalt, die einseitig sind, also Leute sagen: Hey, wir spielen jetzt dieses Spiel, ihr wusstet davon nichts, aber jetzt seid ihr tot, ha. Was ist, wenn die Gegenseite diesen Kampf annimmt? Es muss ja auch nicht gleich zum Töten kommen. Was ist, wenn man sich einlässt auf so ein Spiel? Da gibt es auch ein gutes Beispiel, ist eine Kampagne der Chanszene, die vor, ich glaube, 2 Jahren begonnen hat und auch Fragen von politischer Kunstproduktion, von Partizipation und Repräsentation stellt, nämlich: He Will Not Divide Us. Am 20. Januar 2017, dem Tag der Vereidigung von Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, eröffnete das Künstlertrio Labeouf, Rönkkö und Turner eine Videoinstallation an der Außenwand des Museums of Moving Image in New York. Da war eine Kamera angebracht unter der Überschrift He Will Not Divide Us, und die streamte 24 Stunden live auf die Website hewillnotdivide.us. Besucher und Passanten waren eingeladen, so oft sie wollten, in die Kamera hinein, He Will Not Divide Us, He Will Not Divide Us zu sprechen, zu einer Art Mantra, dass irgendwie ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Empowerment für diejenigen erzeugen sollte, die relativ geschockt waren davon, dass dieser Mann jetzt Präsident der USA geworden war. Diese ganze Installation sollte vier Jahre in Betrieb sein, also die komplette Amtszeit von Donald Trump. Nun ist einer der Künstler der Beteiligten, Shia LaBeouf, ein recht berühmter Schauspieler, Just Do It war das meistgesuchte .gif des Jahres 2015, und damit war er ein sehr gutes Target für /pol/. Die hatten sehr viel für Trump gememed, waren also naturgemäß auf der anderen Seite dieses politischen Konfliktes, und man plante also einen Raid in Form eines Spiels: Diesen Live-Stream mit allen Memes zu trollen, und allen möglichen Aktionen, die gerade in waren. Ich habe ein paar Beispiele dafür aus dem Youtube-Video eines Chronisten der Chanblase. Das ist jetzt auch mal ein bisschen Kino, damit ich nicht mehr so viel rede, sondern jemand anders mal was sagt. Ein Sprecher redet 4 x Rufe von He Will Not Divide Us Menschen rufen: He Will Not Divide Us Menschen rufen: He Will Not Divide Us Menschen rufen: He Will Not Divide Us Ein Sprecher redet Menschen rufen: He Will Not Divide Us Ein Sprecher redet Menschen rufen: He Will Not Divide Us Menschen rufen: He Will Not Divide Us Menschen rufen: He Will Not Divide Us Menschen rufen: He Will Not Divide Us Ein Sprecher redet Arne: Nach nicht einmal vier Wochen der geplanten vier Jahre brach das Museum die Installation ab, nachdem die Troller LaBeouf soweit eskaliert hatten, dass er jemanden körperlich angriff, der sich dann auch noch als eigentlicher Unterstützer herausstellte. Dann kam die Polizei, nahm ihn fest im Live-Stream. Es wurde ein Zaun gebaut. Vor der Installation selber, und man jubelte auf /pol/, denn man hatte quasi gewonnen. Ein Sprecher redet Menschen rufen: He Will Not Divide Us Ein Sprecher redet Arne: Das Video, aus dem ich diese Schnipsel herausgeschnitten habe, ist eine Zusammenfassung von Staffel Eins, denn: He Will Not Divide Us stellte sich recht schnell als serielles Unterhaltungsformat heraus, weil Shia LaBeouf halt auch ein bisschen kampflustig ist. Eine Woche später tauchte die Installation in Albuquerque wieder auf. An einem Museum mit dem Live-Stream wurde auch dort getrollt und nach drei Wochen wieder abgebrochen, als jemand vor der Kamera eine Waffe zog. Daraufhin stellte das Künstler*innentrio die Partizipation als Element komplett ein und verlegte die Botschaft lieber noch als eine Flagge an einen unbekannten Ort vor dem Livestream. Dort sollte sie dann vier Jahre lang wehen. Daraufhin triangulierten Leute auf /pol/ den Livestream nach dem Sonnenstand, nach Flugzeug-Kondensstreifen, die sie mit Flugplänen abgleichen, stalkten den Twitterfeed auf Ortshinweise. Und irgendwann gelang es tatsächlich, nachdem man den Ort ausfindig gemacht hatte, ein paar Anons in einer Nacht- und Nebelaktion die Platte runter, die Flagge runter zu ziehen und eine eigene zu hissen. Und man hatte gewonnen. Das ist Capture the Flag. Gelächter Zwei Wochen später tauchte eine neue Flagge auf, auf dem Dach der Foundation für Art and Technology in Liverpool mit bewachtem Zugang. Nun ist das Szenario, in ein bewachtes Gebäude einzudringen und dort irgendwas rauszuholen relativ typisch für Computerspiele. Also es war eine Herausforderung. Leute fingen an, das Gebäude auszuspionieren, versuchten mit starken Lasern diese Flagge anzuzünden. Jemand bastelte eine Drohne mit einem Flammenwerfer dran, um... Gelächter Es gab Psy-ops und E-Mails an Beschäftigte in der Foundation, um sie irgendwie zu turnen oder Unsicherheit zu sehen. Und irgendwann schafften es dann tatsächlich drei Leute übers Dach nach oben in den Livestream hinein und hatten aber eine Schere vergessen, um die Kabelbinder abzumachen. Gelächter Sie wurden dann aber von der Security und der Polizei über das Dach gejagt und daraufhin brach die Stiftung auch dort die Installation ab, weil es ihnen zu gefährlich wurde. Nach einigen Wochen tauchte die Flagge wieder auf. An einer Wand in einem Innenraum. Weiße Wand, keinerlei Merkmale, nur die Flagge. Ganz klare Herausforderung. Es dauerte vier Stunden, da hatte irgendjemand diese Wohnung gefunden. Es war die Wohnung von einem der beteiligten Künstler, von Luke Turner, darum bestellten Leute auf /pol/ ein paar Pizzen dahin, und dann taten sie halt erstmal nichts - weil sie hatten offensichtlich gewonnen. Was angefangen hatte als eine partizipative Installation, wo Leute in eine Kamera sprechen sollten, hatte sich jetzt in dieses Ding verwandelt. Die ganze Sache läuft aber immer noch weiter. Die Flagge gab es kurzzeitig in Polen. Sie wehte auf irgendeiner Hütte in Skandinavien, wo niemand wusste, wo die ist. Die meiste Zeit war sie in der letzten Zeit aber auf dem Dach von diesem Ort, das ist Le Lieu unique in Nantes, auch ein Kulturzentrum oder Kunstort, und überall, wo immer sie auftauchte, wurde entweder der Stream oder der Zusammenhang, in dem eben mit den Künstler*innen gesprochen werden konnte oder eben die Flagge selber attackiert, per Drohne mit Tinte bespritzt, angezündet, you name it. Im Moment weht sie im Live-Stream so. Das ist der gegenwärtige Zustand und ist damit das Dokument dieses auf dem Feld der Kunst ausgetragenen politischen Kulturkampfes. Ich finde, das ist ein Paradebeispiel für die Gamifizierung von einem Verhältnis in der realen Welt und für Serialisierung als Entertainment. Zwingt viele Leute, Künstler, aber auch andere Leute, die mit Öffentlichkeit zu tun haben, irgendwie zu einem bisschen neuen Verständnis davon, was jetzt Öffentlichkeit und Teilhabe eigentlich bedeuten soll, in dem Maße, wie sich politische Verhältnisse eskalieren. Und so etwas ähnliches gab es ja auch schon in Deutschland, ein bisschen früher, nämlich das Drachengame. Das hab ich aber gestrichen, von meiner Liste, werde also deswegen hier nicht drüber reden. Die meisten kennen das Drachengame vermutlich sowieso. Ansonsten ist es auch keine so schöne Angelegenheit. Man muss auch nicht so viel drüber reden, ehrlich gesagt. Stattdessen die Frage, wie in Deutschland diese Impulse des memetic warfare der Chans und der Alt-Right umgesetzt wurden, damit ich nicht immer nur über die USA rede, weil in Deutschland war ja auch ein bisschen was los in der letzten Zeit. Reconquista Germanica. Auch darüber lässt sich glücklicherweise in der Vergangenheit sprechen mittlerweile. Das Logo von Reconquista Germanica vereinzelter Applaus ist zusammengesetzt irgendwie aus dem R und dem G des germanischen Runenalphabets. Sieht aber auch aus wie ein abgebrochenes Bluetooth-Logo. Ist ein Witz, den ich noch nicht verstanden habe, aber es ist auf jeden Fall als Witz gemeint - glaube ich. Bekannt geworden sind sie durch organisiertes Memen und das Pushen der AfD vor dem letzten Bundestagswahlkampf und dann vor allen Dingen durch den Gegenangriff von Jan Böhmermann mit Reconquista Internet. RG hat Sarah Rambatz aus dem Bundestagswahlkampf geshitstormt, den SPIEGEL mit zeitweise bis zu 7000 Tweets pro Stunde bombardiert und hat, wie man an den Memes zur Rekrutierung hier sieht, schon einen ganz eigenen ästhetischen Schwerpunkt gesetzt, der mehr so - weiß ich nicht - teutonisch ist. Man müsste, wenn man über RG redet, auch erwähnen, dass es natürlich auch Krautpol gab: Das deutsche Chan- Äquivalent, die sehr viel gememt haben, auch für die AfD, die aber nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen und deswegen auch nicht so viel Repression abgekriegt haben wie Reconquista Germanica. Hintergrundmusik startet Und die sich deswegen schützen mussten - als Satire oder auch als Live Action Roleplay - als Sie sich wieder zurück meldeten nach der erste Welle von Repressionen. Das sah dann im Video so aus: Elektronische Musik Hintergrundgeräusche Entfernte Schüsse, Schritte und Laubrascheln Das Video ist aus dem Herbst 2018. 3 Jahre nach der Invasion bezieht sich also auf 2015, auf die sogenannte Flüchtlingskrise. Hintergrundmusik, Schritte im Laub und entfernte Schüsse dauern an Und diese ganze Stahlhelm-Romantik ist einerseits ein unironisches Fan-GeLARPe und andererseits Satire auf das Bild, was Jan Böhmermann von Reconquista Germanica gezeichnet hatte in seiner Gegenaktion. Beide Sachen gleichzeitig. Hintergrundmusik und Schritte im Laub dauern an Modem-Einwahlgeräusch Bandansage: Es folgt eine Ankündigung des Ministeriums für Öffentlichkeitsarbeit und soziale Harmonie. Nikolai Alexander: Ich grüße euch! Mein Name ist Nikolai Alexander. Arne: Nikolai Alexander war relativ erfolgreicher rechter YouTuber gewesen vor dem Start dieses Projektes - da als Reconquista Germania - und wechselte dann zum Schutz vor Löschungen auf YouTube nicht nur auf BitChute, sondern zum Start von Reconquista Germanica auch auf Discord. Dieser Wechsel war als Schritt in die Praxis gedacht gewesen. Discord ist eine Chatserver-Plattform, die sich hauptsächlich an Gamer richtet und die entsprechende Gamification-Features hat, also Erfahrungspunkte, die du sammeln kannst, Levels, du aufsteigen kannst, dann werden bestimmte Räume freigeschaltet. Und das modelte man dann für Reconquista Germanica in so eine Hierarchie mit Reichswehr-Metaphern um, wo man diese verschiedenen Level vom Rekruten bis irgendwie zum Sonder-Irgendwas aufsteigen konnte. Also lauter Rollen fürs aktivistische Meme-Spiel, oder Kulturkriegs-LARPen. Jetzt hab ich so oft LARP gesagt - muss ich vielleicht kurz nochmal erklären. LARP: Rollenspiel als Freizeitbeschäftigung. Live. Leute miteinander irgendwo, das ist an sich keine schlimme Sache. Viele Leute machen das. Es gibt eine Vielzahl eigene Welten, die entwickelt wurden; sehr komplex, großartige Events, Leute haben sehr viel Spaß dabei. Es gibt das Format natürlich auch im Militär, als Planspiel. Es gibt das auch als historisches Reenactment. Und sowas bringt dann mitunter etwas fragwürdige Filme hervor mit Hunderten von Weltkriegs- Romantikern, die freiwillig irgendwo in der ostdeutschen Pampa rumkriechen, um die guten alten Zeiten nachzuspielen. Es gibt aber auch im politischen Bereich LARPer, z.B. hier die LARPer vom Dritten Weg - kleine Neonazi-Partei, die die Grenzen politischer Ästhetik auf der Straße austesten, indem sie Hitler-Jugend nachspielt, oder die LARPer von der Atomwaffen-Division, die einerseits mit Software-Waffen posieren und martialisch aussehen und andererseits dann eben auch reale Menschen töten - bis jetzt nur in den USA, zum Glück. Und ob die Terror- Ankündigung real ist oder ob der Original Poster nur LARPt, also nur so tut als ob, ist die Standardfrage, wenn irgendwo was auf einem einschlägigen Forum auftaucht. Und irgendwo in diesem Kontinuum aktivistischen Rollenspiels ist Reconquista Germanica. Wo genau, ist schwer zu sagen, wenn alles Satire und Ironie ist. Weil man ja nie genau weiß, wie man es deuten soll oder nicht. Im öffentlichen Raum sahen Trolle von Reconquista Germanica mitunter ganz anders aus, also hatten keinen Stahlhelm auf, sondern verstanden sich eher als eine Art Punks. Und die Repressionen nach dem Pushen der AfD, nach der ersten Welle und nach Böhmermanns Reconquista Internet machten eine andere Strategie nötig. Das Video, dessen Anfang ich gezeigt habe, hieß auch "Der große Strategiewechsel", und das neue Programm war "Wir werden jetzt elitär". Vorher waren viel zu viele Leute dabei gewesen und als es dann wirklich ernst wurde, waren die plötzlich weg. Wir werden jetzt so eine Art digitales Freikorps mit anspruchsvoller Auslese. Nur die Besten werden reingelassen, so ein kleiner aktiver Stoßtrupp. Und um dieses Selbstverständnis zu verstehen, zeige ich noch ein bisschen mehr von diesem Video. Der Sound ist sehr speziell: "Die Schergen des Systems proklamieren gerne eine rechte Gefahr. Ich kann sie beruhigen: Es gibt überhaupt keine rechte Gefahr. Noch nicht. Denn dieses Land ist derart mit linkem Gedankengut verpestet worden, dass selbst die Rechten, ja selbst die Rechtsextremen, in Wahrheit Linke sind. Es ist ein alles verschlingender Sumpf, der nicht nur keinen festen Punkt bietet, sondern - gleich Treibsand - alles, was fest ist, gar noch zu absorbieren, aber darüber hinaus auch weich zu machen, zu zersetzen und mit seiner Fäulnis zu durchdringen versucht. Die Rechten, das sind im Grunde 'Social Justice Warriors in reverse': Es ist im Kern genau die gleiche Sorte Mensch, die sie vorgeben zu bekämpfen, nur unter einem anderen Etikett. Und diese Sorte Mensch gehört nicht meiner Spezies an, auch wenn sie, ebenso wie ich, auf 2 Beinen gehen mag. Und ich werde nicht eine weitere Sekunde meines Lebens mit Menschen verbringen, die nicht derselben Spezies angehören. Ich würde sie mir nicht einmal als Haustier halten. Ich werde sie aus meinem Leben herausschneiden wie das Pfund Fleisch für den Kaufmann von Venedig. Und ich werde sie der Reconquista Germanica aussaugen, wie Gift aus einer Wunde. Der Wahnsinn hat hier ein Ende. Es wird keine Toleranz mehr geben für Schwäche, denn sie ist der Grund für alles. Schwäche hat uns all das hier eingebrockt. Schwäche hat unser ganzes Land zerstört, unsere Kultur und unser Volk." Arne: Ja, äh Happy Times. Das geht 50 Minuten lang in dem Stil. Das ist verbal reiner Faschismus, und das ist schon auch eine Art von Ge-LARP-re, das ist 1:1 aus Freikorps-Literatur rauskopiert, was der Mann da redet. Das heißt, wir haben es mit einem LARP zu tun, wo Faschisten Faschisten spielen. Und das finde ich als jemand, der vom Theater kommt, eigentlich wahnsinnig interessant. Wenn Ernst und Ironie so total in eins fallen, dann heißt das, dass entweder nur noch das Prinzip "Worte statt Taten" gelten kann, weil das das einzige ist, woran überhaupt noch festmachen kann, ob die Leute politisch etwas meinen oder nicht. Oder man streitet sich ästhetisch und kulturell. In der ersten Phase waren diverse Influencer, AfD-Leute und Leute aus der Identitären Bewegung Teil des Projekts. Jetzt, zu den elitären Zeiten in der zweiten Phase stritten sich Martin Sellner und Nikolai Alexander öffentlich über Stahlhelme und Zielgruppen-Ansprachen und mit welcher Ästhetik man jetzt ihre Politik betreiben sollte: Zoomer vs. Doomer. Nikolai Alexander argumentierte aus strategischen Gründen gegen Terror. Er wolle nicht, dass jetzt alle Leute losziehen und andere Leute erschießen, weil er meinte, das funktioniere jetzt noch nicht. Wir sind zu wenige: Race War - ja, aber dann später. Das half aber nichts. Der Verfassungsschutz beobachtete Reconquista Germanica, und vor vier Wochen verkündete Nikolai per Video die Auflösung des kleinen Häufchens Möchtegern-Elite, was übrig geblieben war von Reconquista Germanica und jammerte über die Beobachtung und meinte, er würde nun das Schlachtschiff selbst versenken, damit es dem Feind nicht in die Hände fällt. Das ist ganz wörtlich, was er sagte. Es ist nicht das schlechteste Schicksal, sein Schlachtschiff selbst versenken zu dürfen. Und dazu dann sehr viele sentimentale Bilder von den großen Zeiten mit Reconquista Germanica. Jetzt widmet er sich ganz wieder dem YouTube- Game, in Konkurrenz mit diesen Kollegen, mit dem er auch mit dem Bedeutungsverlust seiner Bewegung kämpft. Und damit ist dann auch das letzte Kapitel eingeschlagen, und für das Kapitel verabschiede ich mich von den Menschen zu Hause an den Monitoren. Auf Wiedersehen. Schön, dass ihr zugeguckt habt. Das machen wir jetzt hier unter uns Aus dem ganz einfachen Grund, dass Patriot Peer das einzige ist von all den Sachen, die ich zeige, was immer noch entwickelt wird und ich keine Werbung für Nazi-Apps machen möchte, die das dann irgendwann mal im Internet sehen. Applaus Abspannmusik Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2019. Mach mit und hilf uns!