rC3 Vorspannmusik Herald: ...und Beschleuniger von Krisen ist. Wohin wachsen wir also? Lasst uns über den Rückbau geldbasierter Versorgungssysteme sprechen, über Deglobalisierung und Technologieunabhängigkeit. An dieser Stelle bitte begrüßt und mit allen nötigen Emojis im Chat Professor Dr. Niko Paech Einen wunderschönen guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich möchte mich für die freundliche Einladung zur Remote Chaos Experience ganz herzlich bedanken. Der Titel meiner Ausführungen lautet "Globalisierung, Digitalisierung und die Wachstumsfrage". Und die Agenda meines Vortrags hat folgendes Aussehen. Zunächst möchte ich auf eine ganz sporadische Situationsanalyse und den Stand der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte eingehen, um dann mit Ihnen einen kleinen Abstecher in die Welt der Wachstumskrisen, aber auch der Wachstumskritik zu unternehmen. Das beides ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Das heißt, ich kann mich hier nur auf drei Ebenen der Wachstumskritik für heute beschränken. Daran anknüpfend möchte ich Sie Einblick nehmen lassen in das von mir in die Diskussion eingebrachte Konzept der sogenannten Postwachstumsökonomie. Dabei handelt es sich um ein geordnetes Rückbauprogramm für Industrie- und Konsumgesellschaften. Und dieser Rückbau muss natürlich, weil der Markt zwei Seiten hat, eben auch dann auf zwei Ebenen erfolgen. Mit Suffizienz ist gemeint, eine völlig neue Perspektive zu entwickeln für den Zusammenhang zwischen Konsum, Mobilität, naja, Technologie auf der einen Seite und Lebensqualität auf der anderen Seite. Und die Subsistenz markiert hier, dass wir eine ganz andere Güterproduktion brauchen, eine, die graduell zumindest deglobalisiert und deindustrialisiert ist, das heißt, die in gewisser Weise zur Konsequenz hat, dass aus Konsumenten, sogenannte Prosumenten werden. Ich spreche hier in diesem Zusammenhang von interaktiver Güterproduktion. Sollte die Zeit dann noch reichen, würde ich auf mögliche Transformationsszenarien eingehen. Zur aktuellen Situation wäre zu sagen, dass gemäß des Konzepts des Country Overshoot Days immer mehr Länder auf diesem Planeten ökologisch brutalst über ihre Verhältnisse leben. Was ist damit gemeint? Das ist ja eine sehr wertende Aussage. Nun, das Overshoot-Day-Konzept beruht darauf, alle pro Jahr verfügbaren ökologischen Ressourcen, die natürlich begrenzt sind, auf diesem Planeten, egalitär auf alle derzeit lebenden Menschen gleich zu verteilen. Demnach hat dann jedes Land entsprechend seiner Population ein ganz bestimmtes jährliches Budget an ökologischen Quellen- und Senkenfunktionen und müsste mit diesem Budget 365 Tage auskommen. Wenn wir uns nun aber anschauen, wann die Länder dieses Planeten bereits ihre Ressourcen, die eigentlich bis zum 31.12. um 0 Uhr 0 reichen müssten, tatsächlich dann verbraucht haben, dann sehen wir, dass die Bundesrepublik Deutschland schon am 3. Mai diesen Tag erreicht hat und seit Aufzeichnung dieser Daten, die dann einmal jährlich publiziert werden, rückt dieser Tag in Deutschland, aber auch in allen anderen Ländern, immer näher an den Jahresanfang heran. Das Größte unter den ökologischen Problemen, da erzähle ich Ihnen natürlich nichts Neues oder Spannendes, ist der Klimawandel. Hier sehen Sie abgetragen über die Monate, wie sich seit Aufzeichnung valider oder brauchbarer Klimadaten die durchschnittliche Erdtemperatur entwickelt hat. Und Sie sehen auch, dass wir uns der 1,5-Grad-Restriktion, die ja auf der inzwischen legendär verklärten Pariser Klimaschutzkonferenz verkündet wurde, bedrohlich genähert haben. Wenn wir großes Glück haben, erreichen wir vielleicht einen Wert zwischen 1,5 und 2 Grad. Dafür, damit dies Realität wird, alles zu tun, ist das Gebot der Stunde. Zwei Reaktionen gibt es auf diese Gemengelage. Und damit beschreibe ich das Terrain der durchaus kontrovers geführten Nachhaltigkeitsdebatte. Zum einen erleben wir, dass das Konzept des sogenannten grünen Wachstums oder des Green Growths oder der Green Economy die Debatte dominiert. Sowohl in der Politik als auch in der Wissenschaft und natürlich erst recht in den Medien. Damit ist gemeint, dass zeitgenössische Wohlstandsmodell, basierend auf Konsum, immer mehr Mobilität und sonstiger Inanspruchnahme industriegemachter Bequemlichkeit nicht einzuschränken oder strukturell zu verändern, sondern nur die Inhalte, d. h. die Güter, die Technologien, die Science (?) so zu verändern, dass das selber auf Wachstum beruhende Wohlstandsmodell neuerdings eben ökologisch verträglich wird. Hier ist also der technische Fortschritt, wie man so sagen will, der Dreh- und Angelpunkt einer Transformation mit Zielrichtung ökologische Überlebensfähigkeit. Die ökologische Effizienz, auf die ich noch eingehe, ist hier als eine Strategie oder Teilstrategie zu benennen, dann aber auch die erneuerbaren Energieträger und drittens die geschlossenen, entweder technischen oder biologischen Kreisläufe. Dem gegenübergestellt erleben wir im Moment, wenngleich mehr in der Nische befindlich, eben auch eine Nachhaltigkeitsdebatte, die wachstumskritisch ist. Das heißt also, hier ist der kulturelle Wandel, also ein völlig neues Verständnis von dem, was gutes und vor allem verantwortbares Leben ist. Hier erleben wir also den kulturellen Wandel als Schrittmacher der Wende. Und hier haben wir dann kein Schnittmengen- modell, das suggeriert, dass die Wirtschaft weiter wachsen kann und damit eben soziale Probleme gelöst werden können und zugleich die Ökosphäre stabilisiert werden kann. Sondern hier haben wir eher eine Logik, die also dann als Teilmengenkonstruktionen dargestellt ist, die kompatibel ist mit den Gesetzen der Thermodynamik, nämlich dass die Ökologie nicht verhandelbar ist und auch nicht mit sich handeln lässt. D.h. technischer Fortschritt kann nicht bewirken, dass die Wachstumsgrenzen nach außen verrückt werden. Das bedeutet, dass also die Gesellschaft als Ganzes eingebettet sein muss in die ökologischen Grenzen und nicht darüber hinaus wachsen kann. Und die Ökonomie wiederum ist ein Teilsystem der Gesellschaft und stellt keinen Selbstzweck dar, sondern ein Mittel zum Zweck, d. h. der Befriedigung der materiellen Bedürfnisse jener Menschen, die innerhalb dieses Systems ihr Dasein fristen. Hier sind vor allem maßvolle Lebensstile oft auch als Suffizienz bezeichnet, ein relevanter Schrittmacher, ebenso aber wie die partielle und wohlgemerkt nur punktuelle Selbstversorgung, d. h. der Ausstieg aus einer technisierten, globalisierten, industrialisierten Güterversorgung. Wenn wir uns also vor allem das Paradigma des grünen Wachstums und damit die sogenannte Entkopplungungsstrategie näher anschauen, dann stellen wir fest, dass hier so viele theoretische und empirische Widersprüche lauern, dass man diese Strategie nicht ernsthaft in Erwägung ziehen kann. Aber eins nach dem anderen. Zunächst möchte ich noch eine andere Ebene der Wachstumskritik mit Ihnen beschreiten, die aber dann überleitet zu genau diesem Problem, nämlich der Unmöglichkeit eines sogenannten grünen Wachstums. Und diese Ebene, die ich als erstes also beschreiben möchte, bezeichne ich von ihrer, ja, von ihre Funktionsweise her, wenn man so sagen will, als Produktivitätsfalle. Wenn wir mal die Frage stellen, wie es überhaupt zu diesem exorbitanten Reichtum kommen konnte, den wir derzeit auf dem Planeten Erde erzielen und der noch vor wenigen Jahrzehnten selbst für die Reichsten der Reichen Science-Fiction gewesen wäre, vor allem in Bezug auf die vielen technischen und mobilitätsbasierten Möglichkeiten, über die wir verfügen. Da gibt es verschiedene Antworten, verschiedene Narrative, möchte ich fast sagen, die sich in den Sozial- und damit auch Wirtschaftswissenschaften, aber auch in den Geisteswissenschaften finden. Ein roter Faden, der sich durch all diese Narrative zieht ist, dass es – natürlich – 4 industrielle Revolutionen waren, die also menschliche Gesellschaften aus der Not befreit haben. Wobei dann unter Not zu verstehen war, dass jede Art der Transformation von Materie in Güter sich eigentlich nur speisen konnte aus der handwerklichen, der manuellen, der körperlichen Arbeit der Individuen einer Gesellschaft. Und wenn dann alle arbeitsfähigen Menschen ausgelastet waren, dann war damit auch ein Output-Niveau erreicht, das über Jahrtausende hinweg nicht wachsen konnte. Erst mit der industriellen Revolution Nr. 1 – das war die Etablierung der Dampfmaschine, mit der man dann Manufakturen, Werkstätten und zum Teil auch die Agrarproduktion mechanisieren konnte – gelang es plötzlich, aus diesem engen Korsett der begrenzten Produktion auszubrechen, indem die menschliche Hand jetzt nicht mehr direkt den Spaten oder den Hobel anfasst, sondern einen Schalter umlegt und damit Kräfte entfesselt, die weit über die Energievorräte eines menschlichen Körpers hinausreichen. So konnte also bei gleicher Beschäftigung also die Produktion potenziert werden. Und das setzte sich so fort mit entsprechenden Wachstumsraten über die 2. industrielle Revolution, also die Elektrifizierung, dann die 3., die vor allem die erste Welle der Computerisierung, der Mikroelektronik und damit auch der Automatisierung mit sich brachte. Und jetzt erleben wir gerade den Beginn einer noch viel furioseren industriellen Revolution, nämlich der sogenannten Industrie 4.0, die darauf beruht, absolut alles, was in irgendeiner Form in Verbindung mit Wertschöpfung steht, zu digitalisieren. Das Ganze mündet ein – also alle 4 industriellen Revolutionen – in die Erhöhung, teilweise sprunghafte Erhöhung, der Arbeitsproduktivität. Das heißt, wir brauchen immer weniger Arbeitskräfte, um ein bestimmtes Quantum an Produktion zu gewährleisten. Und das hat natürlich dann verschiedene Nebenwirkungen, außer dass wir immens reich geworden sind. Mit wir meine ich natürlich nicht den globalen Süden oder noch nicht den globalen Süden, der noch dort ist ja mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit festzustellen, dass also unser Industriemodell kopiert wird. Also das heikle Verhältnis, das damit herauf beschworen wird, spielt sich ab zwischen technischen, ökonomischen, ökologischen und schließlich auch sozialen Belangen. Denn genau dieselbe Technologieentwicklung, die uns so reich hat werden lassen, bedingt ja auch mit weniger Arbeitskraft in der Lage zu sein, ein bestimmtes Output-Niveau zu erreichen. Und dies, das hat schon Karl Marx sehr trefflich beschrieben, kann dann eben auch zu sozialen Krisen führen, weil wir dann eben Massenarbeitslosigkeit befürchten müssen. Aber die Grundidee eigentlich der Entwicklung aller Industriestaaten und zwar ganz egal, ob wir von sozialistischen Planwirtschaften oder kapitalistischen Marktwirtschaften reden, ist, das hinreichendes Wachstum dafür sorgt, dass die Früchte der Technisierung eben nicht einmünden in soziale Krisen. Das heißt, wenn bei VW beispielsweise eine neue Generation der Robotik dafür sorgt, dass man nur noch halb soviel Arbeiter braucht und Arbeiterinnen, um einen bestimmten Output zu erzeugen und dann die Gefahr besteht, dass man die Hälfte der Belegschaft freisetzen muss, dann müsste schlicht und ergreifend der Output nur verdoppelt werden und schon würde trotz des technischen Fortschritts erreicht werden, dass alle Menschen an Bord bleiben können, die dort bislang auch beschäftigt waren. Aber was uns jetzt ins Haus steht an sprunghafter Steigung der Arbeitsproduktivität, das ist absolut epochal. Die sogenannte Industrie 4.0 beruht auf verschiedenen Paradigmen, die Sie alle wahrscheinlich besser kennen als ich, als Teilnehmer dieser Konferenz. Also künstliche Intelligenz. Also ? Intelligenz, Robotik, ein soge- nanntes Internet der Dinge, Fab-Labing, 3D-Druck, BigData, vor allem in der wissensintensiven Wirtschaft und Dienstleistungswirtschaft, Beratungswirtschaft, auch Finanzwirtschaft. Dann, eine völlig erweiterte Möglichkeit von Sensorik etwa in Fertigungsstätten oder dort, wo Endfertigung stattfindet. Vor allem dann eben dort auch digitale Endgeräte mit der sogenannten SLAM-Charakteristik und den weiteren Entwicklungen, die sich daraus eben ergeben haben. Wenn wir nun also die Frage stellen, wie es also aussieht mit dem Zusammenhang zwischen technischem Fortschritt und der Stabilisierung einer modernen Gesellschaft, dann ist die Frage relevant: Wie viel Arbeit braucht eine Volkswirtschaft? Und die Arbeitsnachfrage hängt eben ab. 1. vom Output der Volkswirtschaft – hier dargestellt als Y – und dem pro Output-Einheit notwendigen Input an Arbeitskräften. Und dieser Quotient ist eben der, der sich permanent verändert durch technischen Fortschritt. Und wir stehen damit an einer Eskalationsstufe. Wenn wir hinreichendes Wachstum bei technischem Fortschritt erzielen, dann haben wir zwei Pluspunkte, nämlich einmal Vollbeschäftigung. Trotz der eben Automatisierung – oder Rationalisierung nennt man das ja auch oft so im Volksmund – und einem höheren Einkommens- und Konsumniveau. Denn: Wenn die Technik die Produktivität erhöht, dann sind diejenigen, die einen Job haben, gesegnet damit, ein höheres Einkommen zu erhalten. Das heißt, sie können dann auch das, was zusätzlich produziert wird, durch den technischen Fortschritt, also die gewonnene Produktivität, eben auch kaufen können. Und das ist das Märchen vom immerwährenden Wohlstand. Und dem gegenübergestellt eben die Tragödie. Würde das Wachstum nicht hinreichen, um also tatsächlich Beschäftigungslosigkeit zu vermeiden, dann drohen soziale Krisen. Ich sag nochmal Karl Marx hat dazu schon als Pionier sehr viel geschrieben. Was sich daraus ergibt, lässt sich im Sinne einer Eskalation sehr gut darstellen, wenn wir zwei Wachstumsraten mal unterscheiden. Wachstumsraten der volkswirtschaftlichen Produktion – oder Sie können auch sagen des Bruttoinlandsproduktes, das würde hier rein heuristisch jetzt von der Argumentation her keinen Unterschied machen –, nämlich das mindestens erforderliche Wachstum, das bei einer ganz bestimmten Automatisierung durch technischen Fortschritt also dann vonnöten ist, um Vollbeschäftigung zu erhalten; und das tatsächlich mögliche Wachstum. Das hängt natürlich nicht von der Produktivität ab, sondern das hängt einfach davon ab, welche limitierenden Faktoren dem Wachstum Grenzen setzen. Und wenn wir mal so ein bisschen auf die Historie dieser 4 industriellen Revolution schauen und mal zunächst nur das nötige Wachstum, um die Volkswirtschaft stabil zu halten – wenn wir uns mal dieses Wachstum näher anschauen, stellen wir fest, dass es permanent natürlich höher gewesen als in der Epoche vorher. Das heißt, je mehr Technik wir einsetzen können, um die Produktivität zu steigern, umso mehr muss die Wirtschaft wachsen, um zu verhindern, dass auf diese Weise eben Arbeitskräfte freigesetzt werden. Und die These, die ich hier schon, also über der Eintragung Industrie 4.0 versuche, graphisch zu kommunizieren, lautet: Jetzt werden wir ein noch viel, viel höheres Wachstum brauchen, um die immensen Produktivitätsfortschritte bedingt durch die Digitalisierung sozial und politisch aufzufangen. Wenn wir uns jetzt die andere Wachstumsrate angucken, also nicht die theoretisch erforderliche, um Vollbeschäftigung trotz Automatisierung zu haben, sondern jene, die überhaupt möglich war – Das ist die Rückschau bis zur dritten industriellen Revolution – oder die vermutlich möglich sein wird – Ab da haben wir ja keine Empirie mehr, sondern das ist schlicht und ergreifend meine These, die ich aufstelle – dann stellen wir fest: Während der ersten 3 industriellen Revolutionen haben wir mit der Brechstange und unter Plünderung des Planeten irgendwie gerade erreichen können, dass das nötige, – für die Vollbeschäftigung – nötige Wachstum dem Möglichen entsprach. Wir haben sogar eine Phase erlebt, wo das Wachstum in Deutschland so boomte, dass trotz anfänglicher 3. industrieller Revolution sogar ein Arbeitskräftemangel vorlag. Das ist die Zeit, als sie viele Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Türkei haben überreden können, in Deutschland die Zelte aufzuschlagen und hier zu arbeiten. Wir sollten diesen Menschen vielleicht sogar dankbar dafür sein. Aber was uns jetzt droht, ist, dass wir in ein doppeltes Dilemma schlingern. Erstens: Noch nie zuvor war Mitteleuropa so reich wie jetzt und stand noch nie unter einem solchen Wachstumsdruck, weil der technische Fortschritt, den wir anstrengen durch die Digitalisierung, eben durch die Freisetzung von Arbeitskräften eben eine Zerreißprobe bedeutet. Gleichzeitig standen wir noch nie vor solch eklatanten Wachstumsgrenzen. Denken wir an den Klimawandel, den Artenschwund, die Verringerung der Ressourcenvorräte, vieles andere mehr. Das muss ich Ihnen hier überhaupt nicht näher erläutern. Und diese Kluft wird nicht durchhaltbar sein. Oder doch? Oder gelingt es doch, das mögliche Wachstum so zu steigern, dass wir trotz ökologischer Grenzen in der Lage sind, den digitalen Fortschritt politisch und sozial integer zu meistern? Nun, damit komme ich auf die zweite Ebene der Wachstumskritik, festgemacht an der Frage, ob es denn nicht doch so etwas wie grünes Wachstum geben kann, mit dem wir in der Lage sein können, tatsächlich die beste aller Welten zu erreichen. Eine bequeme, auf technischem Fortschritt beruhende Güterproduktion und Vollbeschäftigung und damit eben auch eine gerechtere Verteilung natürlich des Überschusses einer Volkswirtschaft. Nun hier habe ich eine kleine Karikatur für Sie. Die stammt aus einem Medium, das in Frankreich Verbreitung findet und den Namen "La décroissance" hat. Das ist die Postille der wachstumskritischen Bewegung in Frankreich, also der Décroissance- Bewegung. Und Sie können vielleicht ja am Stil dieser Karikatur erkennen, dass hier die Macherinnen und Macher von Charlie Hebdo diejenigen sind, die auch dieses Journal am grafisch gestalten. Jetzt mal weniger lustig, wie sieht grünes Wachstum denn überhaupt in Theorie und Praxis aus? Eigentlich ist es ganz simpel. Es gibt zwei technologische Tricks. Der eine wird als Effizienz bezeichnet und was ich hier mache, ist, dass ich diese Logik nur anwende auf den Klimawandel, zu mehr reicht die Vortragszeit nicht. Und da geht es natürlich um Energie und die ökologische Effizienz würde dann als eine der beiden Greengrowth-Strategien bedeuten möglichst wenig Primärenergie pro Wertschöpfung Einheit, pro Produktionsergebnis, können Sie auch sagen, einzusetzen. Und die zweite Strategie als Teil oder als zweiter Stützpfeiler des grünen Wachstums ist die sogenannte ökologische Konsistenz. Hier geht es nicht darum, Ressourcen – in diesem Fall Primärenergie – einzusparen, sondern die Qualität der Umwandlung und der Auswahl von Ressourcen so zu optimieren, dass die Schadintensität einer verbrauchten Input-Einheit, also Primärenergie-Einheit möglichst gering ist. Das heißt hier konkret bezogen auf das Beispiel Klimaschutz die CO2-Intensität einer Primärenergie-Einheit zu minimieren und die erneuerbaren Energieträger und das ist das Paradigma der deutschen Energiewende. Naja, das ist natürlich dann alles nichts anderes als eine Strategie der Vermehrung der Nutzung erneuerbarer Energieträger. Und der Gesamteffekt lässt sich dann als verminderte CO2-Emission pro Wertschöpfung seiner darstellen. Und wenn Sie das grafisch mal anschauen wollen, sieht das so aus wie hier rechts auf der Folie Das Bruttoinlandsprodukt BIP abgekürzt soll weiter wachsen. Hurra! Unser Wohlstand wird nicht eingeschränkt, aber die CO2-Emissionen sollen entweder nicht so schnell wachsen, das nennt man relative Entkopplung, bringt aber gar nichts oder sogar absolut gesenkt werden. Also das CO2-Niveau. Und das müssen wir auch, weil in der B.R.D. verbrauchen die Menschen im Durchschnitt 12 Tonnen an CO2-Äquivalenten pro Kopf und Jahr und wir müssten runter auf eine Tonne laut Angabe des Umweltbundesamtes, dass ja im Auftrag der Bundesregierung eben auch tätig ist. Das heißt, wir müssten also die Pro-Kopf- Emission in Deutschland um den Faktor 12 verringern. Also gut, das ist eben dann das, was das grüne Wachstum, wenn es diesen Namen verdienen wollte, leisten müsste. Und das scheitert auf mind. den folgenden 4 Ebenen. Zunächst einmal scheint ja eine geradezu religiöse Überschätzung des technischen Fortschritts vorzulegen, keineswegs nur in Politik und Medien, sondern mehr noch eigentlich in den Universitäten, die ich inzwischen als "churches of progress" bezeichnen würde. Zweitens vernachlässigen wir ein besonders interessantes Phänomen in hoch modernen, aufgeklärten Konsumgesellschaften, nämlich das, was ich unter ökologischem Versteckspiel oder auch ökologischem Ablasshandel verstehe. Zu den Grundbedürfnissen des Homo sapiens zählt nämlich nicht nur die Deckung essentieller Bedürfnisse und vielleicht noch einiger Bedarfe, die darüber hinausgehen, sondern auch natürlich so etwas wie soziale und psychische Integrität. Und das setzt voraus, kognitive Dissonanzen zu verarbeiten oder in irgendeiner Form zu tilgen. Und die kognitive Dissonanz, die einen besonders mit Umweltbewusstsein und Bildung ausgestatteter Homo sapiens erleidet, wenn er eine Kreuzfahrt bucht, einen SUV kauft oder sich jedes Vierteljahr ein neues Smartphone leistet, ist beträchtlich. Was kann man tun, um diese kognitive Dissonanz zu beseitigen? Indem ganz einfach das gelingt, indem zusätzlich zu den bisherigen ruinösen ökologischen Aktivitäten dann eben auch noch die Photovoltaikanlage aufs Dach gesetzt wird. ökofairer Kaffee getrunken wird oder Unterwäsche von Hess Natur gekauft wird. So wächst also beides um die Wette, das Schmutzigste und weniger Schmutzige und das kann natürlich innerhalb ökologischer Grenzen auch nicht darstellbar sein. Und vor allem ist dieses ökologische Versteckspiel eine Stabilisierung. Einer ökosuizidalen Lebensweise. Dann drittens haben wir eine massive Unterschätzung sogenannter Rebound-Effekte. Das sind also die Nebenwirkungen der eingesetzten technologischen oder sonstigen Innovation mit dem Ziel immer, die Wirtschaft von ökologischen Schäden zu entkoppeln. Da haben wir einkommensbedingte Rebound- Effekte, die darauf beruhen, dass wenn wir effizientere in diesem Fall also um beim Beispiel zu bleiben, energieeffizientere Technologien einsetzen, dass wir dann ja auch am Geld sparen. Und dieses eingesparte Geld kann dann wieder investiert werden für den – wenn's sein muss – schmutzigsten Konsum. Muss nicht so sein, aber laut aller vorliegenden Studien ist es teilweise schon der Fall und ein viel, viel eklatanter Rebound-Effekt. Das ist der materielle Rebound-Effekt beruht darauf, dass bis heute noch nie eine Technologie erfunden oder auch nur ersonnen oder geschweige denn praktiziert wurde, die es vermochte, einen ökologischen Schaden zu beseitigen, ohne ihn räumlich, stofflich, zeitlich oder systemisch zu verlagern. Das muss man sich klarmachen. Auch Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen fallen ja nicht vom Himmel. Und vor allem Sie kommen nicht ohne Platzbedarf aus. Das heißt, sie verlagern eigentlich ein ökologisches Problem in einen bestimmten Aggregatzustand, in diesem Fall gasförmig, einfach nur in einen anderen physischen und damit ökologisch relevanten Aggregatzustand. Das ist alles. Das heißt übrigens nicht, dass Wind und Sonne schlechte Energiequellen sind. Es heißt nur, dass sie das Wachstumsproblem nicht lösen können. Das ist gemeint. In der 4. Ebene, die ich auch ohne Anspruch auf Vollständigkeit noch kurz benenne, geht es mir darum, die Handlungsunfähigkeit und das Versagen moderner Politik herauszustellen. Oft wird ja geklagt darüber: Ah, der Markt ist böse und er schafft das natürlich nicht. Eine ökologische Wende herbeizuführen. Völlig richtig. Das würde ich sofort unterschreiben. Aber die Politik, die versagt, muss dann eben bitte auch genannt werden. Also zur Techniküberschätzung. Hier sehen wir mal das Wunderwerk der deutschen Energiewende. Und nochmal: Die Bundesrepublik Deutschland gilt auf dem internationalen Parkett als Musterschüler des Klimaschutzes! Und nicht nur das, sondern auch vor allem als Musterschüler des grünen Wachstums. Denn wir sind ja nicht nur Klimaschutzweltmeister, sondern wir haben also, wenn wir mal von der Schweiz und vielleicht Neuseeland oder Schweden absieht. Wir haben einen irre hohen Lebensstandard, vielleicht mit den höchsten auf diesem Planeten halt. Und die Königsdisziplin der deutschen Energiewende ist nichts anderes, als den Anteil der erneuerbaren Energieträger an der gesamten Energieverbrauchsmenge kontinuierlich zu steigern. Und was in Deutschland geschehen ist, vor allem auch mit der Brechstange gegen die letzten Landschaften, wenn wir von Windenergie vor allem reden und Biogas, aber auch Photovoltaik- Freiflächenanlagen, das kann sich sehen lassen. Das ist auch gar nicht zu verstecken. Ganze Landschaften sind umgewandelt worden und das Ergebnis ist, dass an der gesamten Primärenergiemenge, die wir in Deutschland verbrauchen, gerade mal 15 % regenerativ sind. Und das ist zum Teil sogar eine sehr katastrophale Energieerzeugung, weil nämlich etwa die nicht mehr ganz, aber bis vor kurzem die Hälfte davon Bioenergie ist. Und Bioenergie hat keine positive CO2-Bilanz, erhöht die CO2-Mengen. Das wissen wir inzwischen auf Basis von vielen Studien zur Öko-Bilanzierung der sogenannten Bioenergie. Also das ist die Elektrizität, die aus Biomassekraftwerken kommt. Und Wind und Sonne sind dann also weitaus kleiner als einfach nur 15 %. Da sagen viele, naja, man muss halt den Endenergieverbrauch eher anschauen, weil der Endergieverbrauch im Vergleich zum Primärenergieverbrauch schon die Umwandlungsverluste, vor allem thermischer Art, bei der Nutzung fossiler Energieträger, weil dies alles eingerechnet wird. Was wir sehen, ist wirklich kein Silberstreif am Horizont. Also der Klimaschutz-Musterschüler verharrt auf einem irre hohen Niveau an Endenergieverbräuchen, bei entsprechend kleinem Teil eben nur an erneuerbaren Energieträgern. Und wenn wir das mal im europäischen Vergleich sehen, dann muss man folgendes konstatieren: Deutschland ist das Klimaschutzschmuddelkind. Alle Länder, die noch schlechter dastehen als Deutschland im im europäischen Vergleich, was den Anteil der erneuerbaren Energieträger am Endenergieverbrauch anbelangt, sind also in gewisser Weise überhaupt nicht bestrebt, überhaupt Klimaschutz zu betreiben. Wenn ich mir etwa Polen anschaue und ähnliche Länder. Deutschland liegt unter dem europäischen Durchschnitt, also die meisten Länder haben einen wesentlich höheren Anteil an erneuerbaren Energieträgern. Woran liegt das? Dabei haben die nicht einmal so verschandelte Landschaften wie dort, wo in Deutschland die Energiewende tobt, ganz einfach: Sie sparen mehr Energie. Sie frönen möglicherweise nicht demselben Wachstumsdogma wie die Bundesrepublik Deutschland. Wenn man sich dann die Bruttostromerzeugung anschaut, wird einem schwindlig und Sie wissen ganz genau, warum die nach wie vor steigt, trotz angeblicher Effizienz. Richtig, es ist die Digitalisierung. Wenn wir uns die CO2-Emission anschauen, stellen wir fest, naja, es hat da so ein paar Einbrüche gegeben im Hinblick auf die makroökonomisch betrachtete Höhe der CO2- Mengen energiebedingt. Nur: Das hat nichts mit grünem Wachstum, auch nichts mit technologischer Entkopplung zu tun. 1. Die energieintensivsten Bestandteile der Produktionsketten, die für unseren Wohlstand in Deutschland maßgeblich sind, werden nach und nach, Tendenz steigend, verlagert. Natürlich nach China, Indien und in einige andere Länder auch. So kann man natürlich die eigene umweltökonomische Gesamtrechnung in Bezug auf CO2 wunderbar aufhübschen. Aber es sind dann Fake News zu behaupten, wir hätten es geschafft, in Deutschland irgendwie einen Fortschritt in Sachen Klimaschutz zu erreichen. Dann gibt's den Honecker-Degrowth-Effekt. Nun, der Zusammenbruch der DDR hat in den 90er Jahren der B.R.D. den Ruf eingebracht, doch mal zu zeigen, wie es wirklich geht mit Klimaschutz auf der einen Seite und der Bewahrung eines rekordverdächtigen Wohlstandsniveaus. Die Lehman Brothers haben Ähnliches geleistet. Man müsste jetzt noch Klaus Wowereit nennen, der der beste Klimaschutzmanager aller Zeiten, ist halt nicht so ein guter Flughafenmanager anscheinend oder politischer Manager. Aber dass er den BER so verzögert hat, heißt, dass er die schlimmste CO2-Schleuder Berlins damit eben auch verzögert hat. Aber noch wichtiger ist mir der 4. Aspekt: Das legendäre, als Klimaschutzdurchbruch verklärte EEG in Deutschland. Bedeutet ja, dass wenn ich Anlagen aufstelle und erneuerbaren Strom produziere, dann kriege ich eine verdammt hohe Vergütung, nicht vom Staat, sondern von den Energiekonzernen, die durch das EEG dazu verdonnert werden. So weit so gut. Und wenn ich dann jetzt plötzlich so mehrere solcher Windparks eröffnet habe – hoffentlich nicht unbedingt im Mittelgebirge, wo ich noch mehr Landschaft zerstöre, sondern an geeigneter Stelle – und ich damit so viel Energie erzeuge, dass ich Kohle oder Braunkohlekraftwerke herunterfahren kann. Hurra, hab ich dann CO2-Emissionen eingespart? Punkt 1: Das klappt ja schon deshalb nicht, weil die Übertragungsnetze und die Speicherkapazitäten so weit davon entfernt sind, sich auf das Niveau zu entwickeln, das wir bräuchten, um eventuell erneuerbare Energieträger hernehmen zu können, damit wir Braun- und Steinkohle ersetzen. Klammer zu. Aber selbst wenn, dann haben wir folgendes Problem: Es gibt nämlich außer dem EEG noch ein viel wichtigeres Rahmenwerk, was den gesetzlichen Klimaschutz anbelangt. Und das ist der europäische Emissionshandel. Das heißt so viel wie, dass jeder Betreiber eines fossilen Kraftwerks natürlich im Umfang der durchschnittlichen jährlichen Emissionen Emissionszertifikate, also Lizenzen braucht. Und die sind Geld wert. Wenn also jemand seine Emissionen senkt, dann unter Umständen auch deshalb, um dann die Zertifikate, die nicht mehr benötigt werden, auf dem dafür vorgesehenen Markt zu verkaufen. Wenn also in Deutschland jemand ein Kohlekraftwerk runter fährt, weil es nicht mehr gebraucht wird durch den Ausbau von Windkraft, dann werden die Zertifikate nicht verbrannt im Kamin, sondern die werden schön hübsch verkauft. Und dann findet sich natürlich irgendwo in Europa ein anderer Kraftwerksbetreiber, der sich freut, dass er diese Zertifikate günstig kriegt. Denn wenn der bisherige Halter der Zertifikate sie nicht los wird, dann wird der Preis solange gesenkt, bis die Zertifikate einen Käufer oder eine Käuferin finden. Und wer sind die Käufer? Das sind diejenigen, die die ineffizientesten Kraftwerke haben, weil für die ist es ja eine Option, lieber Zertifikate zu kaufen, als durch technischen Fortschritt in irgendeiner Form CO2 zurückzuhalten was übrigens – Klammer auf – auch nicht wirklich klappt – Klammer zu –. Das heißt, das Ganze ist am Ende ein Nullsummenspiel. Deswegen können wir an den Verläufen der CO2-Emissionen in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt nicht erkennen, ob wir irgendeinen Fortschritt in Sachen Klimaschutz erzielt haben. Und wenn wir uns dann eben anschauen, wie die Verlagerung der energiebedingten CO2-Emissionen weltweit erfolgt, dann ist das wirklich exorbitant. Das heißt, wir verlagern immer mehr nach außerhalb, auch Europas, also nicht nur innerhalb Europas. Eine zweite Sollbruchstelle des Wachstumsdogmas liegt dort, wo wir nochmal zurückkehren vielleicht zu der Frage, woher unser Wohlstand kommt. Ich habe schon gesagt, es sind 4 industrielle Revolutionen, die maßgeblich dafür sind, aber die gehen natürlich einher mit einer entgrenzten Produktion. D. h. die Technisierung der Produktion bedingt auch eine Zerlegung jeglicher Produktionsprozesse in einzelne spezialisierte, isolierte und standardisierte Einzelprozesse. Und die schieben wir dann auf der Erdoberfläche, die dann zu einer globalen Produktionsstätte wird, immer genau dahin, wo die geringsten betriebswirtschaftlichen Kosten sind, wo keine Steuern gezahlt werden, wo es keine Gewerkschaften gibt oder die Gewerkschafter gerade im Knast sitzen und so weiter und so fort. Und so kann man natürlich die Gesamtkosten entlang der Kette, an deren Ende dann die Wohlstandsartefakte baumeln, die wir uns sozusagen gönnen – die Kosten natürlich senken. Und wenn dann diese gesenkten Kosten noch über Märkte, auf den Konkurrenz herrscht, über Preissenkungen weitergegeben werden: Hurra! Dann kann sich wirklich jeder Menschen Samsung Galaxy leisten, was früher mal ein Wunderwerk der Technik war. Diese Art der Produktion hat aber eben die Charakteristik eines Kartenhauses. Die Komplexität, die Risiken, die Verletzlichkeit und der Verlust vor allem auch an Autonomie und Kontrolle über das, was da wie produziert wird, bedeutet, dass wir eine immer höhere soziale Fallhöhe auch erreicht haben. Das heißt, wenn auch noch so weit entfernt ein Störereignis eintritt, kann passieren, dass die gesamte Kette, das gesamte Netz plötzlich in Erosion versetzt wird. Und die letzten Krisen das Platzen der New Economy, die Peak-Oil-Krise Mitte der Nullerjahre, dann die Lehman-Brothers- Krise, jetzt die Corona-Pandemie. Und mal sehen, was dann noch alles kommt an Finanzkrisen, Inflationskrisen, vielleicht Eurokrisen und so weiter und so fort. Das alles führt dazu, dass das Modell, in dem wir uns bewegen, eben immer fragiler wird. Und einhergegangen mit dieser Art des Wirtschaftens ist eben auch eine Verkümmerung der Fähigkeit, sich zumindest graduell selbst zu versorgen. Und Corona ist in dieser Gemengelage für mich eigentlich eher so ein Prozess der Aufdeckung. Was hier aufgedeckt wird, ist ein Zielkonflikt zwischen einer technisierten und globalisierten Minimierung betriebswirtschaftlicher Kosten, was sich dann niederschlägt in volkswirtschaftlichen Wachstum auf der einen Seite und der Resilienz, d.h. der Krisenrobustheit auf der anderen Seite. Wenn alles mit allem verbunden ist – und das ist das Resultat der Digitalisierung –, dann geht eben auch alles den Bach runter, wenn an bestimmten Stellen eben die exogenen Schocks oder Ereignisse für Schaden sorgen. Und das wirft uns zurück auf die Ebene, da, wo gefragt wird, ob der Spatz in der Hand dann nicht vielleicht besser ist als die Taube auf dem Dach. Denn der Spatz in der Hand heißt, etwas bescheidener zu sein, aber dafür die Sicherheit zu haben, dass eine bestimmte Versorgungsleistung auch erbracht werden kann. Corona-Viren und CO2-Moleküle haben da also tatsächlich eine ähnliche Eigenschaft. Sie ... werfen uns zurück vor die ursprüngliche Fragestellung, also am Vorabend der ersten industriellen Revolution: Was geben wir alles auf? Was ist der Preis dafür, dass wir diesen globalisierten, technisierten Wohlstand eben nutzen? Und diese Wachstumsfrage, an die uns eben nicht nur der Corona-Effekt führt, lässt uns natürlich auch einen ganz neuen Diskurs in Augenschein nehmen, der da überschrieben ist mit Resilienz, also Krisenstabilität. Es gibt in der Tat so etwas wie eine kleine Dogmenhistorie des Denkens in Kategorien von Resilienz, nämlich dass der Spatz in der Hand, ich sage es nochmal, unter Umständen die bessere Lösung ist im Vergleich zur Taube auf dem Dach. Ich will jetzt auf die einzelnen Autoren, die ich abermals ohne Anspruch auf Vollständigkeit vermerkt habe, nicht eingehen. Will nur sagen, dass resiliente Systeme natürlich kleinräumig, genügsam, autonom, flexibel, vielfältig sind und gekennzeichnet sind durch eine viel geringere Komplexität und geringere Distanz zwischen Verbrauch und Produktion. Was übrigens den Nebeneffekt hat, dass wir dann Produktionsbedingungen eventuell eben auch demokratischer, selbsttätiger gestalten können. Genügsamkeit ist aber eine Voraussetzung dafür, denn die Abkehr von der großen globalisierten Wirtschaft bedeutet immer, dass wir nicht dasselbe Wohlstandsniveau aufrechterhalten können. Ja. Damit sind wir letzten Endes schon an dem Punkt, wo es um einen Lösungsvorschlag geht, den ich als Postwachstumsökonomie bezeichne und der sich aus einer zunächst einmal groben oder makroökonomischen Perspektive folgendermaßen skizzieren lässt. Wir sind also durch die 4 industriellen Revolutionen, vermittels eines exponentiellen Anstiegs der Wohlstandsproduktion, immer reicher geworden, haben aber tatsächlich die Belastungsgrenzen der Ökosphäre durchbrochen und müssen jetzt durch einen Rückbau, weil die Technik nicht weiter hilft – Das habe ich ja an Hand eines simplen Beispiels versucht grob zu skizzieren – und müssen durch einen Rückbau praktisch der Gütermengen, der Produktionskapazitäten, dafür sorgen, dass wir wieder innerhalb ökologischer Grenzen verbleiben können. Und in diesem Zusammenhang habe ich versucht, die sogenannte Postwachstumsökonomik, eine ökologisch orientierte, auf den Grundlagen der Thermodynamik basierende Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften zu etablieren. Und hier will ich Ihnen nur ganz kurz sagen, dass es hier um 3 wichtige Aspekte geht. Um Wachstumskritik aus theoretischer und empirischer, also in jeder Hinsicht wissenschaftlicher Sicht. Dann aber auch die Frage nach dem Wachstumszwängen. Und 3. schließlich – und darauf will ich jetzt ganz kurz noch eingehen – 3. schließlich geht es in der Postwachstumsökonomk darum, was sind denn dann zukunftstaugliche, nicht mehr auf Wachstum beruhende Versorgungssysteme, die sich demokratisch, freiheitlich, friedlich auch wirklich umsetzen lassen? Und diese verschiedenen Versorgungsmuster will ich heute nur ganz, ganz grob zusammenfassend noch skizzieren und sie lassen sich unterteilen oder lassen sich erstrecken, eigentlich auf die beiden Seiten eines Marktes, nämlich auf die Nachfrage- und Angebotsseite. Also die Angebotsseite nehme ich als Nächstes, als Übernächstes dran. Erstmal möchte ich den Blick mit Ihnen werfen auf die Nachfrageseite. Es gibt viel Wissen inzwischen darüber, weil wirklich multi-disziplinär dazu geforscht wurde. Über den Zusammenhang zwischen individuellem Wohlbefinden, Sie können auch sagen, Lebensqualität oder Lebenszufriedenheit auf der einen Seite und der Verfügbarkeit von Konsum, Mobilität, Digitalisierung und sonstiger Industrie gemachter Bequemlichkeit auf der anderen Seite. Was wir hier erkennen, ist das eine ganz, ganz grobe extrakthafte Skizzierung der wesentlichen Inhalte oder Ergebnisse dieser Forschung ist: Kein Konsum, ist auch keine Lösung, völlig klar. Aber für Konsum gilt dasselbe wie für jede Medizin, nämlich dass die Dosis das Gift macht. Wir erleben im Moment eine Sättigungserscheinung ausgerechnet in den reichsten Konsum- und Industriegesellschaften. Die durchschnittliche psychische Gesundheit geht zurück. Orientierungslosigkeit, Stress, Burn-out, digitale Demenz oder eben auch Aufmerksamkeitsdefizite. Dies alles greift um sich. Womit ich sagen will ist, dass der Großteil – wir reden von 90% – der Bevölkerung moderner Konsumgesellschaften über ein Nutzen steigerndes, Lebensqualität erhöhendes Reduktionpotenzial verfügt, um endlich stressfrei in der Lage zu sein, die nicht vermehrbare menschliche Aufnahmekapazität und auch die nicht vermehrbaren psychischen Ressourcen auf ein bestimmtes Quantum an Wohlstand zu richten, um das dann auch tatsächlich ausschöpfen zu können, statt in einer Lawine der Multi-Optionalität zu versinken. Das ist, um es ganz kurz und prägnant zu charakterisieren, der aktuelle Zustand, den wir also durchleben. Dazu habe ich ein kleines Büchlein zusammen mit Manfred Folkers vorgelegt. Hier geht es um eine buddhistische und eine eher knallharte ökonomische Analyse der Möglichkeiten einer reduktiven Wende. Wenn wir uns jetzt die Angebotsseite hingegen anschauen, dann müssen wir die Frage stellen, wie denn das, was dann noch übrig bleibt, nach einer Entrümpelung der Gesellschaft, wie das produziert werden kann? Und das verteilt sich auf 3 Produktionssysteme. Und zwar ist es so, dass derzeit ... dass diese 3 Produktionssysteme hinlänglich bekannt sind. Wir haben einmal die globalisierten, kapitalintensiven, technisierten, industrialisierten Wertschöpfungsketten, die uns, wie ich das ja heute grob beschrieben haben, so reich haben werden lassen, uns aber auch an einen ökologischen Abgrund geführt haben. Und da hilft uns die technologische Entwicklung eben nicht weiter. Dieser Teil der Wirtschaft muss zurückgebaut werden, aber bitte nicht auf Null, sondern vielleicht auf 50 %. Und das auch nicht von heute auf morgen im Sinne einer Rosskur, sondern geordnet durch einen allmählichen kulturellen und hoffentlich auch politischen Wandel. Dann müssen aber die beiden anderen Produktionssysteme, nämlich die Regionalökonomie, die weniger komplex, weniger technisiert ist und natürlich kürzere Distanzen zwischen Verbrauch und Produktion aufweist und die reine lokale Subsistenzwirtschaft, – Sie können sagen Eigenarbeit, Selbermachen, Selbstversorgung – diese beiden Bereiche müssen dann eben auch ausgebaut werden. Wenn wir diese Transformation unter dem Aspekt gelingender gesellschaftlicher, sozialer Gerechtigkeit und Stabilität betrachten, haben wir sofort ein Problem. Wie können wir denn Vollbeschäftigung gewähren, wenn die Wirtschaft langsam aber sicher um 50 % gemessen an ihrer Wertschöpfung zurückgebaut wird? Natürlich durch Arbeitszeitverkürzung, durch eine gerechte Verteilung der dann noch erforderlichen monetär entgoltenen Arbeitszeit. Nur mal angenommen, eine 20 Stundenwoche wäre tatsächlich zu etablieren, würde auf die Akzeptanz der Gesellschaft stoßen, dann hätten wir Vollbeschäftigung auch bei einem rapiden Rückgang der Produktion und damit der ökolomischen Belastung. Und wir haben 20 Stunden, die dann sozusagen als ein Bonus verbleiben, die wir als Ressourcenbasis betrachten können, um ergänzend zu herkömmlichen Erwerbsmodellen eigene Leistung zu erbringen in der Subsistenz. Also wir würden dann einen kulturellen Wandel anzetteln müssen, der dazu führt, dass aus Konsumenten und Konsumentinnen, Prosumenten und Prosumentinnen werden. Was sind das für Leute? Die sehen genauso aus wie Sie und ich, sind gut gebildet, arbeiten aber nur noch im Lebenszeitdurchschnitt und das ist wirklich nur ein ganz grober Richtwert und nicht irgend so ein Rasenmäher-Prinzip oder sowas. Arbeiten eben nur noch 20 Stunden. Aber nutzen jetzt die freigewordene Zeit, die marktfreie Zeit wie ich sie nenne, handwerkliche Kompetenzen, die auch durch ein verändertes Bildungs- und Erziehungssystem wieder gefördert werden müssen. Und vor allem neue soziale Netze, Verbindungen, Gebilde und Bewegungen nutzen diese 3 Ebenen um kollaborativ, gemeinschaftlich ein, man könnte sagen eine Nebenökonomie aufzubauen, in der wir selbst gemeinschaftlich produzieren, Dinge gemeinschaftlich nutzen. Dinge reparieren. Und damit natürlich auch Vieles tun für unsere Gesundheit und unsere Selbstwirksamkeit. Auch hier gibt es so viele Studien aus der Bildungswissenschaft, auch aus der Psychologie, die zeigen, dass die Entfremdung der hochtechnisierten, auch digitalisierten Arbeit, die uns krank zu machen droht, allein dadurch rückgängig gemacht werden kann, indem wir wieder auch Verrichtungen, die manueller künstlerischer, handwerklicher oder agrarischer Art sind, wieder tatsächlich etablieren. Das heißt ja nicht, dass wir plötzlich nur so arbeiten, sondern das Modell, um das es hier geht es ein duales Modell, das zwei Standbeine hat. Das eine Standbein – ich wiederhole das nochmal, weil es so oft falsch verstanden wird – heißt: Wir sind gebildet, wir haben eine Industrie und wir verteilen die damit einhergehende Arbeitszeit gerecht auf alle, damit wir auch Geld verdienen und die andere Hälfte, deswegen "duales Versorgungssystem" besteht darin, dass wir die freigestellte Zeit benutzen, um mit anderen gemeinsam eben eine Ökonomie der Selbstversorgung aufzubauen. Stellen wir uns doch mal vor, wir würden dort, wo wir leben, mit unserer Peergroup oder auch mit Nachbarinnen und Nachbarn zu fünft eine Waschmaschine, ein Auto, einen Staubsauger, vielleicht einen Rasenmäher, eine kleine Werkstatt und so weiter teilen. Dann denken sie erstmal: Ahja! Das schlägt der Wachstumskritiker vor, um den Planeten zu retten. Nein! Das schlage ich vor, um unseren Geldbeutel zu retten, weil ich dann natürlich sehr viel weniger Geld brauche. Von allem nur ein Fünftel. Wenn wir dann noch über die Kapazität verfügen, in eigenen Gärten oder in der solidarischen Landwirtschaft und anderswo auf viel günstigere, aber eben auch durch eigene Mitwirkung erzeugte Nahrungsmittel eben auch Geld zu sparen, sogar noch qualitativ höhere Nahrungsmittel zu haben. Wenn wir dann noch die Nutzungsdauer der Produkte, mit denen wir uns umgeben, verdoppeln können durch Instandhaltung, durch Reparatur, durch Upgrading, Updating und so weiter, dann sparen wir so viel Geld, dass es uns nicht weh tut. In einer Welt zu leben, in der wir eben durchschnittlich ein geringeres Geld Einkommen haben. Dafür haben wir aber ein anderes Einkommen. Eines, das man nicht in Geld messen kann. Eines, das zu tun hat Lebensqualität mit Krisenresilienz und vor allem auch mit einer Verantwortbarkeit für das 21. Jahrhundert. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle für die Aufmerksamkeit danken. Und möglicherweise gibt es ja noch die … Chance, dass wir ins Gespräch miteinander kommen. Herald: So Hallo, vielen Dank für den tollen Vortrag, Niko Paech. Dankeschön! Wir machen jetzt noch ein Q&A. Das machen wir per Jitsi. Sorry, dass das heute Mittag nicht direkt geklappt hat, aber das ist alles kein Problem, weil wir haben die Fragen gesammelt und werden die jetzt stellen. Hallo Niko, schön, dass du da bist. Niko: Hallo nochmal, vielen herzlichen Dank für die Einladung. H: So, dann steigen auch direkt ein. Die erste Frage ist: Was siehst du denn als Wege in eine Postwachstumsökonomie? Und wie könnten diese global beschritten werden? N: Zunächst einmal ist es so, dass die globale Ebene überhaupt erst verändert werden kann, wenn es irgendwo auf diesem Planeten einen Staat gibt, der erstmal als Beispiel vorlebt und vorführt, wie eine Postwachstumsökonomie funktioniert. Das heißt, wir werden nicht top-down von irgendeiner Weltregierung ausgehend oder auf Basis internationaler Vereinbarungen zu der Lösung kommen, dass sich jetzt plötzlich alle mit einer Postwachstumsökonomie einverstanden erklären, obwohl das der einzige Weg ist, die ökologische Überlebensfähigkeit der menschlichen Zivilisation zu wahren. Nein, es wird so sein, dass der Wandel in Richtung Postwachstumsökonomie genauso verläuft, wie jeder andere Wandel bisher auch verlaufen ist. Es wird Nischen geben, es wird Avantgardisten geben und es wird irgendwann ein Land geben – vielleicht ja Deutschland, das wäre mein Wunsch – das tatsächlich ernst macht mit der Umsetzung eines solchen Konzeptes. Und genau dann und nur dann werden sich die Menschen anderswo – etwa in Afrika, Asien, Lateinamerika – werden sich damit vielleicht anfreunden können, weil sie dann sinnlich erfahren können und nicht nur theoretisch, dass es kein Gang nach Canossa oder in die Höhle oder ins Mittelalter ist, eine ökologisch verantwortbare Daseinsform tatsächlich auch zu praktizieren. H: ... Danke Dir! Dann, wie spielenden denn psychologische Faktoren deiner Meinung nach eine Rolle? Also auch zum Thema kognitive Dissonanz. N: Die Psychologie spielt in der wachstumskritischen Nachhaltigkeitsforschung natürlich an 2 Stellen eine prominente Rolle. Zunächst einmal, wenn wir das Misslingen aller bisherigen Versuche, eine nachhaltige Entwicklung zu initiieren, mal Revue passieren lassen, dann stellen wir fest, dass das Phänomen der kognitiven Dissonanz hier maßgeblich ist. Das heißt, wir haben in der Bundesrepublik Deutschland ein unglaublich prägnantes Phänomen, das, ich würde mal sagen gefühlt seit 30 Jahren feststellbar ist, nämlich, dass wir jedes Jahr neue Rekorde aufstellen, was die Verbreitung, die Nutzung und auch das Anpreisen nachhaltiger Lösungen anbelangt. Alles, was irgendwie mit nachhaltiger Entwicklung, Klimaschutz oder dergleichen zu tun hat, erreicht also ständig neue Höchstmarken. Gleichzeitig erreichen auch die Pro-Kopf in Anspruch genommenen ökologischen Ressourcen immer weiter einen neuen Rekord. Das heißt soviel wie, dass der Mensch als ein Wesen, das nicht alle naturgegebenen Charakteristika überwinden kann, nicht nur Grundbedürfnisse hat, die man als anthropologische Konstanten bezeichnen muss, sondern dass der Homo Sapiens offensichtlich auch nach psychischer Stabilität strebt. Das heißt soviel wie, dass je gebildeter ein Mensch ist und je ausgeprägter sein Umweltbewusstsein ist, desto stärker ist die kognitive Dissonanz, wenn er ein Flugzeug besteigt oder jedes Vierteljahr ein neues Smartphone kauft. Und um nun tatsächlich ein psychisches Gleichgewicht wieder herzustellen, kauft derselbe Mensch eben Demeter Brühewürfel oder eben Unterwäsche von Hess Natur oder trinkt nur öko-fairen Latte Macchiato. Auf diese Weise wächst beides um die Wette. Einmal das Zerstörerische und das nur etwas weniger Zerstörerische. An der 2. Stelle, wo die Psychologie eine Rolle spielt, da geht es einfach um Nachhaltigkeitskommunikation. Wir stehen immer vor der Frage, wie können Menschen motiviert werden, abzulassen von einer öko-suizidalen Lebensführung? Was motiviert sie? Und hier haben wir natürlich in der kognitiven Psychologie und auch sonst in der Umweltpsychologie unglaublich gute Hilfestellung. Auch aus der Psychologie wissen wir, dass die Intention eines Menschen nicht im stillen Kämmerlein entsteht oder alleine Folge von Vererbung oder von anderen prägenden Merkmalen ist, die unabänderlich sind. Nein, der Mensch ist ein soziales Wesen. Das heißt, der Mensch lernt aus seiner Umgebung. Und das ist psychologisch natürlich sehr relevant, wohl aber auch kulturwissenschaftlich. Deswegen bin ich immer ein großer Freund. Wenn sich ... also der der Zusammenarbeit mit Umweltpsychologen. H: Okay, danke. Wenn Politik und Wirtschaft uns keine Lösung bieten, wie kommen wir denn zu einer Lösung oder zu einer Revolution? Wie erreichen wir rechtzeitig die breite Masse der Bevölkerung? N: Also zunächst einmal, ich würde nicht sagen, dass die Wirtschaft keine Lösung bietet. Ich kritisiere das Wachstum, aber nicht irgendeine Wirtschaft. Alles, was mit der Produktion und der Nutzung und Verteilung von knappen Gütern zu tun hat, ist irgendeine Form der Wirtschaft. Was ich selber vorstelle unter dem Begriffsmantel Postwachstumsökonomie ist auch eine Wirtschaft. Natürlich gibt es wirtschaftliche Lösungen, sonst wäre ich nicht Ökonom geworden und auch die Politik könnte irgendwann handlungsfähig werden. Aber beides, die Wirtschaft und die Politik, können nur eine Transformation in Richtung Postwachstumsökonomie vollziehen, wenn sich autonom in der Zivilgesellschaft ein Plural an verschiedenen Bewegungen bildet, die nicht einfach nur labern und kritisieren und fordern und die Welt scheiße finden, sondern die anfangen, tatsächlich durch vorgelebte Beispiele, übrigens auch auf unternehmerischer Ebene, und natürlich in Netzwerken, in neuen Institutionen, in neuen Projekten, in neuen Reallaboren oder auch avantgardistischen Zirkeln, in Peer Groups, in neuen Nachbarschaften usw., die anfangen, das vorzuleben, von dem sich nach bestem Wissen und Gewissen sagen lässt, wenn der Rest der Welt dies auch täte, dann würden wir würdig, demokratisch, frei, selbstbestimmt und ökologisch verantwortbar leben. Nur über die horizontale Verbreitung und soziale Interaktion des Neuen können wir eine kritische Masse erreichen, die auch von den Medien, von anderen Institutionen wahrgenommen wird. Und erst dann kann die Politik reagieren, und zwar in einer Demokratie. In China kann sie eher regieren - reagieren, Entschuldigung - weil sie eben autoritär regiert. So wollte ich das sagen. Aber ich bin ja überzeugter Demokrat. Und das heißt, dass eine gewählte Regierung niemals etwas anderes sein kann als ein perfekter Spiegel der Lebensrealität der Wählermehrheit. Und wer etwas anderes will, muss mir dann erklären, was sein oder ihr Demokratieverständnis ist. Das heißt, ich kann nicht die Politik von hier aus verändern. Ich muss die Gesellschaft als solche verändern, damit die Politik tatsächlich den Mut aufbringen kann, ohne abgestraft zu werden, tatsächlich dann auch Rahmenbedingungen für eine Wirtschaft ohne Wachstum zu etablieren. H: Ja, darauf aufbauend Wie könnten denn politische Szenarien in Richtung Postwachstum aussehen? N: Also wie gesagt, jede Politik, die noch verhelfen kann dazu, dass wir ökologisch überleben, kann nur eine Politik der Restriktion sein. Eine Politik der Verminderung unserer Ansprüche. Das sagt man nicht gern in der Öffentlichkeit, aber ich hab ja in dieser Hinsicht auch nichts mehr zu verlieren. Deswegen glaube ich, dass wenigstens einige das sagen müssen. Das heißt also, bevor die Politik das tun kann, muss die Bevölkerung zumindest in Teilen das schon eingeübt haben, denn niemand ist so schizophren – Da sind wir übrigens wieder bei der Psychologie – eine Politik zu wählen, die einen dazu zwingt, das zu tun, was Mann oder Frau freiwillig nicht zu tun gedenkt. Ok. Aber wenn tatsächlich solche Mehrheiten da wären, ist es ganz einfach: Jeder Mensch hätte am 1.1. eines neuen Jahres ein bestimmtes Budget z.B. an CO2-Emissionen, die er oder sie noch freisetzen dürfte, an Abfall, an Flächenbeanspruchung usw.. Mit diesem Budget muss gewirtschaftet werden. Was die Politik auch tun kann ist, sie muss unbedingt es den öffentlichen und privaten Unternehmen leichter machen, Arbeitszeit zu verkürzen. Denn wir können soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Stabilität am Ende auch die Demokratie nur bewahren, wenn der Rückbau der Wirtschaft einhergeht mit Verteilungsgerechtigkeit. Und das vollzieht sich am ehesten auf der Ebene der Verteilung der knapper gewordenen Arbeitszeit, wenn die Wirtschaft kleiner wird. 3. muss die Politik das Bildungssystem umgestalten. Universitäten müssen geschlossen und teilweise zurückgebaut werden. Wir haben einen viel zu großen Hochschulbereich, der aus Menschen, Konsumenten und Weltreisende macht. Wir brauchen eine Bildung, die Menschen dazu befähigt, wieder handwerklich, manuell, substanziell zu arbeiten. Und natürlich brauchen wir Universitäten, aber nicht so viele wie jetzt. Das heißt, der Bildungsbereich muss Menschen dazu befähigen, auch deindustrialisiert und deglobalisiert mit weniger Technologie in die Lage zu kommen. Also eben auch, sich zu versorgen. H: Ja, super. Danke. Sorry, ich hatte hier kurz technische Schwierigkeiten. [Gerede im Hintergrund] Gibt es denn zu dem Thema detaillierte Vorlesungen online von dir? [Gerede im Hintergrund] N: Es gibt von mir natürlich eine Menge Vorlesungen, aber ... und die sind natürlich jetzt während der Corona- Pandemie logischerweise online. Aber die sind jetzt nicht öffentlich, weil sonst natürlich alle, die sich bei uns einschreiben, fragen, warum sie sich den einschreiben, wenn alles was an den Universitäten läuft, öffentlich ist. Aber ... aber weißt du, ich bin nicht jemand, der da so eine Art Wächterfunktion hat. Also wer einfach in eine Veranstaltung von mir kommt, wird nicht gefragt, wer er ist, wie er heißt und welche Berechtigung er oder sie hat. Ich habe das erlebt in der Präsenzzeit in der Prä-Corona-Zeit, dass plötzlich Leute in Vorlesungen kamen und sich da verstohlenen irgendwohin setzten aus Neugierde. Und die waren herzlich willkommen, diese Leute. Aber, ich meine, ich kann hier und da mal einen Vortrag beisteuern, der sicherlich auch Inhalte aus Vorlesungen mit aufgreift im Kontext von Postwachstumsökonomik. H: Okay, wir haben jetzt tatsächlich gar nicht mehr so viel Zeit. Ich würde aber gerne noch die Frage stellen: Also die Klimakrise ist ja auch eine soziale Krise und den Wachstumszwang gesamtgesellschaftlich aufzugeben, scheint unumgänglich zu sein. [Gerede im Hintergrund] Aber wie kann dabei noch ein gutes Leben für alle gewährleistet werden? Also gibt's ... Stichwort Umverteilung z.B. N: Also jede Art von Gerechtigkeit, die sich als Konzeption nicht in unheilbare Widersprüche verwickeln will, muss eine globale Gerechtigkeit sein. Und Gerechtigkeit heißt, die knappsten Güter, also jene, von denen unsere Existenz abhängt, zuvorderst global gerecht zu verteilen. Und das heißt eben, dass der Verteilungsschlüssel des 21. Jahrhunderts sich nicht festmachen lässt an der Einkommens- oder Vermögenssteuer, obwohl ich für ein ganz anderes und viel gerechteres Einkommens- und Vermögenssteuerrecht bin. Das ist gar keine Frage. Aber es geht um die Verteilung der ökologischen Ressourcen. Wer darf sich noch mit welchem Recht wieviel an materiellen Freiheiten nehmen, wohl wissend, dass es keine materielle Freiheit ohne ökologischen Verschleiß oder ohne ökologischen Schaden gibt? Bezogen auf das wichtigste ökologische Problem diskutieren wir doch nun seit 30 Jahren darüber und das ist der Klimawandel. Und es ist vollkommen klar. Wollen wir überleben, wollen wir das 1,5- und 2-Grad- Klimaschutzziel erreichen, dann gibt es gemessen an einem bestimmten Planungshorizont, nehmen wir mal das Jahr 2050 als Ende dieses ersten Planungshorizont, dann gibt es ein bestimmtes irdisches Budget an CO2- Äquivalenten, die wir noch freisetzen dürfen, ohne eben diese ökologische Reißleine zu kappen. Und wenn wir dann dieses Budget auf alle derzeit lebenden 7,7 Milliarden Menschen egalitär, also gerecht verteilen, hat jeder Mensch von uns noch ungefähr eine Tonne an CO2 Äquivalenten. Damit sparsam umzugehen heißt nicht in der Hölle zu leben, sondern heißt, dekadenten Luxus links liegen zu lassen und sich mehr zu konzentrieren auf die basalen Grundbedürfnisse und ein Augenmerk zu legen auf das, was ich in meiner letzten Buchpublikation als den kleinen Luxus bezeichnet habe. Es gibt so viele schöne Dinge im Leben, die wahnsinnig Spaß machen, die überflüssig sind, die man nicht begründen kann, die man trotzdem gerne tut, die aber überhaupt keinen ökologischen Rucksack haben, der nennenswert ist. Warum also richten wir unsere Aufmerksamkeit nicht auf diese Dinge? H: Könntest du da mal 2, 3 Beispiele nennen? Gerne? N: Ja, z.B. das, was ich heute Abend wieder nicht tun kann, aber bald wieder tun werde. Nämlich Wirtshäuser zu besuchen, auf Konzerte zu gehen natürlich solche, wo ich nicht hin fliegen muss. Ich lebe in einem Land, ich lebe in Mitteleuropa. Ich kann ohne Flugzeug die geilsten Bands erleben. Ich kann selber Musik mache. Ich spiele zwei Bands. Ich kann im Garten arbeiten. Ich kann spazieren gehen. Ich kann mit meinen Freunden, mit meiner Peergroup die wildesten Geschichten veranstalten. Ich kann basteln. Ich kann lesen. Ich kann auch Musik hören. Alles Mögliche. Es gibt 1000 verschiedene Varianten eines kleinen Luxus, der einen so geringen ökologischen Rucksack hat, dass ich also quasi in einem Wohlstand schwelge, der mir gut tut und der der Ökosphäre auch keinen Schaden zufügt. H: Ja, danke dir. Wie ist es denn, wenn jetzt nur Deutschland diese Vorschläge umsetzen kann? Was passiert denn dann mit dem Rest der Welt? Wir haben jetzt... N: Da passiert eine ganze Menge. Deutschland ist eine kulturelle Kolonialmacht. Das hasse ich, weil ich was gegen Kolonialismus habe. Aber da es so ist, frage ich mich: Wenn wir das, was wir derzeit durch unsere kulturelle Hegemonie in die Köpfe und in die Orientierung und Erwartungshorizonte anderer Menschen implementieren sozusagen, ja? Wenn wir das verändern, indem wir das Land sind auf diesem Planeten, das sagt: Wir machen mal den 1. Schritt. Wir versuchen mal vorzuführen, wie es ist, so zu leben, dass wenn alle so leben, dass wir dann die ökologischen Grenzen einhalten können. Das hätte einen total großen Effekt. Ich kann die Menschen in Afrika, die mir sehr am Herzen liegen, die kann ich nur dann dazu bringen, unsere Fehler zu vermeiden, wenn wir als erste diese Fehler erkennen und uns davon verabschieden. Wir tun aber genau das Gegenteil. In Deutschland wird jedes Jahr in allen Bereichen ein neuer Rekord erzielt, was ökologische Zerstörung anbelangt. Leider auch im Klimabereich. Und so können wir keine Politik machen. So können wir auch niemanden auf diesem Planeten anstiften oder inspirieren, endlich ökologische Verantwortung anzunehmen. Das, was ich nicht vor der eigenen Haustür hinbekomme, das kann ich auch nicht auf anderem Wege Menschen auf anderen Kontinenten nahelegen. Etwas mehr Glaubwürdigkeit und etwas weniger Heuchelei in der Politik, in der Nachhaltigkeitskommunikation, ja sogar in der Wissenschaft täte uns also gut. H: Ja, super. Das ist ja ein großartiges Abschlusswort. Vielen Dank dir für die Beantwortung der Fragen, für den tollen Vortrag und … Mach's gut! Dankeschön! N: Ich danke euch vielmals. Aus! [Abspannmusik] Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2021. Mach mit und hilf uns!