Musik Herald: Herzlich willkommen mal wieder in Saal 1. Wir bleiben auf der rechten Seite, zumindest auf der politisch rechten Seite. Einige von euch waren ja eben schon bei den NSU-Monologen da. Jetzt geht es hier weiter, und zwar mit Menschen, die ich bis vor ein paar Jahren noch als „Schnullernazis“ bezeichnet habe. Also diese, ja ich habe da so ein Ressentiment, ich trau mich nicht mal, das richtig zu sagen. Da hat sich ein bisschen was geändert, vor allen Dingen über die letzten zwei Jahre. Diese Menschen, früher von mir so genannt, scheinen mittlerweile zumindest in irgendeiner Weise tonangebend zu sein, und genau deswegen haben wir uns gedacht, stellen wir doch mal – ha, jetzt habe ich den Zettel verbaselt, siehst du. Das ist das Problem, da willst du irgendwie so einen Linken ansagen, da musst du immer alles ablesen. Bei den Nazis ist das total einfach, da heißen die alle so „Führer“ oder „Und jetzt der Führer“ oder irgendwie so was. Bei den Linken ist das ein bisschen anders. Der nächste Vortrag heißt „Durchmarsch von rechts und was wir dagegen tun können“. Ich hoffe, wir kriegen eine Antwort darauf, weil manchmal ist ja auch ganz angenehm um die Uhrzeit den Kopf nicht mehr selber zum Denken benutzen zu müssen. Wir hören den Referenten zum Schwerpunkt Neonazismus und Strukturen und Ideologien der Ungleichwertigkeit an der Akademie für politische Bildung der Rosa-Luxemburg- Stiftung in Berlin, Friedrich Burschel. Bitte schön. Applaus Friedrich Burschel: Ja hört man das? Ja. Vielen herzlichen Dank. Vielen Dank für die Einladung an den Chaos Computer Club, dass ich hier sprechen darf. Ich fühle mich sehr geehrt, auch dadurch, dass ihr fast alle Plätze besetzt habt hier im Saal. Das überrascht mich um diese Zeit, 11 Uhr. Gelächter und Applaus Aber bevor ich anfange, vielleicht doch noch ein ergänzendes Wort zu mir selber, meiner Arbeit. Meine Arbeitgeberin, die Rosa- Luxemburg-Stiftung, ermöglicht es mir, auch den NSU-Prozess in München zu beobachten und ich bin fast jede Woche im Prozess und kenne daher natürlich auch Alexander Kienzle und das ist mir tatsächlich ihn sehend ein Bedürfnis, vor denjenigen Nebenklagevertreterinnen und -vertretern, die wirklich fantastische Arbeit machen in diesem NSU-Prozess in München, meinen Hut ganz tief zu ziehen, meine Hochachtung und meinen Respekt für ihre Arbeit auszusprechen. Applaus Also ihr wisst vielleicht, in München gibt es zum ersten Mal so viele Nebenkläger und Nebenklägerinnen, die durch – also das sind insgesamt 77, die von über 50 Nebenklageverterterinnen und -vertretern vertreten werden. Von denen sind nicht alle so engagiert und machen fantastische Arbeit wie Alexander Kienzle. Und sagen wir mal, so 15 weitere, die diese Arbeit im Prozess machen. Die zu unterstützen ist auf jeden Fall Teil auch von unserer Arbeit. Ich bin nämlich auch Teil von NSU- Watch. Ich würde euch sehr herzlich bitten, wenn ihr Gelegenheit habt, mal auf die Homepage nsu-watch.info zu gehen, auch über eine Spende nachzudenken. Das ist ein komplett spendenfinanziertes Projekt. Wir machen von jedem Prozesstag ein ausführliches Protokoll und Zusammenfassungen auf deutsch und türkisch. Keiner, niemand von uns hat gedacht, dass sich dieser Prozess sich so unglaublich lang in die Länge ziehen würde. Ihr wisst, der 332. Prozesstag nach 3,5 Jahren war vergangene Woche. Also wir brauchen auf jeden Fall Unterstützung, um jetzt in den Endspurt gehen zu können und unsere Aufgabe dort weiter machen zu können. Schaut auf nsu-watch.info und spendet uns, auch eine Kleinigkeit ist herzlich willkommen. Applaus Vielleicht auch noch etwas, was schon eigentlich zum Vortrag „Durchmarsch von rechts“ dazugehört, nämlich die Frage, was wir tun können. Ich werde natürlich auch den ganzen Abend auch immer wieder – oder die ganze Stunde, die wir haben, gemeinsam immer wieder auf den NSU zurückkommen. Das lässt sich leider Gottes auch kaum vermeiden bei diesem Thema. Aber es gibt schon etwas, worauf ich euch hinweisen kann im nächsten Jahr, wo wir alle tätig werden können, was wir alle unterstützen können und das wird das NSU-Tribunal sein. Ab dem 17. Mai nächsten Jahres wird es ein selbstorganisiertes, selbstermächtigtes Tribunal geben. Vielleicht kennt der eine oder die andere von euch so diesen Tribunalcharakter, es hat berühmte Tribunale gegeben, wie das Russel-Tribunal, wo es um den Vietnamkrieg ging, die Stephen Lawrence Inquiry in London zur Ermordung eines Jungen und ähnliche Beispiele. Und so etwas ähnliches soll auch in Köln nächstes Jahr ab dem 17. März stattfinden. Es soll dort geklagt werden, um die Ermordeten und die Opfer des NSU, die Betroffenen und Geschädigten. Es soll angeklagt werden der deutsche Staat für die Nichtaufklärung, die Nichtaufarbeitung des NSU. Und es sollen Konsequenzen eingeklagt werden. Und ich fordere euch alle auf, diese Initiative zu unterstützen und aufmerksam im Internet zu verfolgen, wie sich das Tribunal bis dahin entwickelt. Und wer Zeit, Lust und Energie hat kann natürlich auch an diesem Tribunal teilnehmen. Aber jetzt … Applaus Friedrich Burschel: Danke. Jetzt komme ich zu meinem eigentlichen Thema heute Abend und ihr werdet mir einen Einstieg gestatten, der jetzt vielleicht nicht gleich am Anfang einleuchtet, aber durchaus einen Sinn hat. Ich habe im Oktober 2016, also dieses Jahres an einer Exkursion zu den Städten des deutschen Vernichtungswahns in Südostpolen teilgenommen. Wir haben im Laufe der Reise die Orte der Vernichtungslager Bełżec und Sobibór besucht. Die Orte der einstigen Ghettos in Lublin und Izbica, sowie das Konzentrationslager Majdanek. Ein weiteres reines Vernichtungslager, Treblinka stand nicht auf dem Exkursionsplan. Vom 17. März 1942 bis Ende 1943 wurden im Zuge dieser monströsen Mordoperationen fast 2 Millionen Jüdinnen und Juden und auch viele Roma umgebracht und fabrikmäßig ermordet. Anders als etwa in Auschwitz gab es keine Selektionen, sondern die Menschen wurden an die Orte der Vernichtung ausschließlich zu ihrer Tötung gebracht. Es gab dort nur Ankunftsbereiche mit Eisenbahnzugang, kleine Lager für die wenigen Häftlinge, die zur Arbeit in den Todesfabriken gezwungen und die Gaskammern, in denen die Menschen mit den Abgasen von großen Dieselmotoren erstickt wurden. Den Aktionen fielen in Bełżec etwa eine halbe Millionen Menschen, in Sobibór etwa 250.000 und in Treblinka 900.000 Menschen zum Opfer. Zum Abschluss der sogenannten Aktion „Reinhardt“ gab es noch die Aktion „Erntefest“, in deren Verlauf im November 1943 in nur 3 Tagen 43.000 Menschen von SS und Polizei direkt an Massengräbern hinter dem KZ Majdanek erschossen wurden. Um die Opfer noch zu verhöhnen gab es in Bełżec – hier übrigens ein Bild von der wirklich sehr beeindruckenden Gedenkstätte dort – um die Opfer noch zu verhöhnen gab es in Bełżec über dem Eingang zur Todeszone der Gaskammern ein Schild mit der Aufschrift „Hackenholt-Stfitung“. Lorenz Hackenholt aber war nur der SS-Mann, der als Techniker die Dieselmotoren für die Vergasungen umbaute. Diese Exkursion hat mich zutiefst entsetzt und wütend gemacht, aber, so werdet ihr mich vielleicht jetzt fragen, warum erzählt er uns das? Mir sind in Polen, als wir dort unterwegs waren, Episoden eingefallen aus dem NSU- Prozess, die genau mit diesen Vernichtungs- und Mordwahn der Deutschen zu tun hatten. Ihr werdet vielleicht im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Prozess von dem Spiel „Pogromly“ gehört haben. Dieses Spiel ist von den NSU-Leuten erfunden worden. Eine Art Monopoly für Hardcore-Nazis, für Nazi- Terroristen, wo es wie bei Monopoly auch Ereigniskarten gibt. Und eine dieser Ereigniskarten, das wurde des öfteren im Prozess wiederholt, heißt „Du hattest auf ein Judengrab gekackt, leider hattest du dir hierbei eine Infektion zugezogen. Arztkosten 1.000 Reichsmark“. Also ich sehe hier über die fast 75 Jahre von Bełżec bis zum NSU eine Denktraditionslinie, eine Traditionslinie der Verhöhnung und der Verachtung von Menschen. Bei der Hausdurchsuchung bei einem der Angeklagten, nämlich Ralf Wohlleben aus Jena, wurde in seinem Besitz ein T-Shirt gefunden, ein Schlaf-T-Shirt, wie er selber sagte, in seinem Schlafzimmer, auf dem in Frakturschrift „Eisenbahnromantik“ stand und man darunter die Gleise sehen konnte, die auf den Haupteingang des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zuführen. Ich zeige euch das ganz kurz, damit ihr euch eine Vorstellung davon machen könnt. Lange wollen wir uns das natürlich nicht anschauen. So sieht das aus. Das hatte er quasi täglich, wenn er nachts zum Schlafen ging, an und hat damit quasi seine Verbundenheit mit der Massenvernichtung durch die Nazis bekundet. Also man sieht auch hier eine unmittelbare Anknüpfung, positive Bezugnahme auf die Massenvernichtung der Nazis. Das ist Alltag unter organisierten Neonazis in Deutschland. Dass das auch durchschlägt in den rassistischen Alltag zeigt der Skandal von Zorneding östlich von München, wo sich der katholische Pfarrer Olivier Ndjimbi- Tshiende, nachdem er sich Mitte 2015 gegen rassischen Äußerungen aus den Reihen der örtlichen CSU gewandt hatte, von CSU-Mitgliedern mit dem N-Wort beschimpft wurde, postalisch mehrere Morddrohungen erhielt, darunter eine Postkarte mit dem Satz „ab mit dir nach Auschwitz“. Herr Ndjimbi-Tshiende ist seit Mitte März nicht mehr in Zorneding, also dieses Jahres. Seine Gegnerinnen und Gegner haben erreicht, was sie wollten. Und die einstige CSU-Ortsvorsitzende kommentierte das Geschehen mit dem Satz „im Leben gibt es immer Ankünfte und Gehen, das ist ein normaler Prozess“. Das passt wiederum ideologisch hervorragend zu einem Zitat der notorischen einstigen AfD- und Pegida-Aktivistin Tatjana Festerling, dass sie im Januar dieses Jahres in Sebnitz absonderte. Ich zitiere, „und wenn die große Politik kapituliert, ja da bleibt uns doch gar nichts anderes übrig, als hier vor Ort Vertreibungspolitik zu betreiben. Mit friedlicher aber konsequenter Vertreibung halten wir wenigstens erst mal Sachsen und vielleicht ja auch irgendwann Ostdeutschland frei. Vertreibungen sind in der Geschichte etwas ganz normales. In ein paar Jahren kräht kein Hahn mehr danach oder, besser, doch. Es verschafft den Gebieten, vor allem den grenznahen Gebieten Standort- und Wettbewerbsvorteile.“ Soweit Tatjana Festerling. Aber es gibt auch Menschen, die den Holocaust nicht direkt gutheißen, sondern ihn einfach nur leugnen. Und die Stimmung im Land der Täter, aber auch in anderen Ländern, ist inzwischen bereit, diese kontrafaktische Leugnung zu akzeptieren. Wiederum und immer wieder unter der Überschrift „das wird man doch wohl nochmal sagen dürfen“. So etwa der einstige Baden-Württembergische AfD- Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon, der in seinem 2009 erschienenen 3-bändigen Werk mit dem Titel „Christlich europäische Leitkultur“ leugnet, dass es sich bei den Protokollen der Weisen von Zion um eine perfide antisemitische Fälschung handelt. Ich weiß nicht, ob alle die Protokolle der Weisen von Zion kennen. Das ist eine der perfidesten und langlebigsten antisemitischen Fälschungen. Es wird von dort von einem Zusammentreffen von Juden auf einem Prager Friedhof berichtet in diesen Protokollen, wo quasi die Übernahme der Weltherrschaft durch die Juden verabredet wird. Und Herr Gedeon, der mit den Erfolgen der AfD in den Baden- württembergischen Landtag gespült wurde, meint, dass diese Protokolle also durchaus keine Fälschung sind. Das alleine reicht aber nicht, denn er relativiert den Holocaust im Ganzen, wenn er einerseits zwar betont, dass der Massenmord an den europäischen Juden singulär gewesen sei, andererseits aber meint, es müssten gleichwohl auch die, wie er es nennt, Holocaustrevisionismus und die Geschichtsdissidenten ernstgenommen werden. Gedeon, ich zitiere „andernfalls wäre es ehrlicher, gleich ein Wahrheitsministerium im Orwellschen Sinne einzurichten und es beim Zentralrat der Juden in Deutschland anzusiedeln“. Also sehr eindeutig hier aus dem quasi politischen Establishment der AfD heraus, ein Holocaust-relativierender Satz. Wir finden solche Ansätze auch natürlich beim notorischen Björn Höcke, der etwa zur Verurteilung von Ursula Haverbeck, einer wirklich notorischen inzwischen 87-jährigen Holocaustleugnerin, von Meinungsdelikt spricht. Also das ist ja die Diktion quasi der Rechten bis hinein in die AfD, wenn es um die Leugnung des Holocaust und Auschwitz geht, und beklagt, dass für dieses Meinungsdelikt die 87-jährige Seniorin zu 11 Monaten Gefängnis verurteilt worden ist. Das ist die soundsovielte Verurteilung dieser Frau, die nun endlich auch ohne Bewährung bedeutet, dass sie die Strafe absitzen muss. Vielleicht dazu passend noch die jüngste Meldung – also ich glaube, ich habe sie gestern gelesen, die muss also ganz taufrisch sein – Bernd Pachal von der AfD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn- Hellersdorf Berlin lobte auf Facebook die kluge Politik Reinhard Heydrichs, als Statthalter der Nazis in Prag. Allen Ernstes, man muss sich das wirklich vorstellen. „Dieser stellte“, Zitat Pachal „schon vom ersten Moment an die Weichen richtig im besetzten Tschechien. Und sei bei der Bevölkerung beliebt gewesen“, meint dieser Herr Pachal. Es ist übrigens Reinhard Heydrich, nach dem die oben erwähnte Aktion „Reinhard“ benannt war, die ich eingangs beschrieben habe. Das Foto habe ich übrigens in Hamburg gemacht in der Schützenstraße, wo Süleyman Taşköprü ermordet worden ist am Tag nach der Wahl hier, nach der Bürgerschaftswahl. Aber greifen wir hier nochmal Wolfgang Gedeons Wort vom Ernstnehmen auf. Und zwar sagt ja Gedeon, man soll die Holocaustleugner ernstnehmen, auch wenn er den Holocaust nicht direkt bezweifelt. Ist das nicht auch die Vokabel, also das Ernstnehmen, ist das nicht auch die Vokabel, mit der alle Welt gerade versucht, rassistische und faschistische Hetze auf den Straßen des Landes und auf dem ganzen Kontinent einzufangen und wieder einzuhegen in die bewährten Bahnen der westlichen Demokratie? Denn was sich da auf den Straßen des Landes, in Deutschland vielleicht mit Schwerpunkt in Sachsen, zusammenrottete waren überwiegend alles andere als Menschen, die ernstgenommen werden wollten, sondern solche, die ernstmachen wollten. Ein seit Jahrzehnten ohne großen Einfluss vor sich hindümpelnde neue Rechte erlebt eine enorme Konjunktur im Moment. Ihren einstigen „Rufern in der Wüste“, wie Götz Kubitschek vom neurechten Institut für Staatspolitik oder Hardcore- Trollen, wie dem Kompakt-Chefredakteur Jürgen Elsässer, hören auf einmal tausende zu und freuen sich, dass „so kluge“ Menschen ihnen aus der Seele sprechen. Durch die Decke gehen die Wahlergebnisse der Alternative für Deutschland seit ihrem Auftauchen im Jahr 2013. Also bitte, man muss sich mal überlegen, wie unglaublich schnell das alles gegangen ist. Die Ereignisse überschlagen sich und überschlagen sich noch jetzt. Befeuert durch die beschriebenen Umstände, noch bei jeder Wahl erzielte die einstige Anti-Euro- Partei der Wirtschaftsprofessoren und Unternehmer nach einigen politischen Häutungen zur neonationalistischen völkischen Antiestablishment- Partei gewandelt, aus dem Stand zweistellige Ergebnisse, sitzt heute in 10 Landesparlamenten von 16 und bereitet sich auf den anscheinend unaufhaltsamen Einzug in den Bundestag vor. Das heißt also, wir dürfen durchaus erwarten, dass das kommende Jahr 2017 nochmal trüber wird als die zurückliegenden zwei. Nach Euro-EU- korrupten Regierungen waren ab Mitte 2015 Geflüchtete das Hauptfeindbild. Wo NPD- Nazis noch den „Volkstod“ beschworen, ist heute von Umvolkung, illegalem Menschenimport und Bevölkerungsaustausch die Rede. Aber auch Linke, LGBTQI-Leute stehen im Fokus der Rechten, eine angebliche Verschwulung der Gesellschaft und die Frühsexualisierung der Kinder. Es werden schauerliche Frauen- und Familienbilder reanimiert und gegen „Genderterror“ und „linksversifften Feminismus“ in Stellung gebracht. In einem der Programmentwürfe der AfD wird von Alleinerziehenden auch gesprochen, von einem selbstgewählten Leben als Alleinerziehende, wo ganz klar wird, die Umstände, warum jemand alleinerziehend ist, interessieren nicht, Mann und Frau müssen auf jeden Fall da sein, um diese Familie zu konstituieren. Es taucht eine zunächst nicht so stark in Erscheinung tretende identitäre Bewegung auf, die vor allen Dingen den Ethnopluralismus nochmal versucht stark zu machen. Ethnopluralismus bedeutet, dass man sagt, es gibt zwar verschiedene Völker, wie sie sagen und man akzeptiert auch alle verschiedenen Völker, aber nur dort, wo sie geschichtlich auch hingehören. Das heißt also die saubere Trennung von Völkern und Nationen steht da auf dem Programm. Das ist ein altes Bild, eine alte Diktion von Alain de Benoist, einem französischen neuen Rechten. Auch nicht mehr ganz so neu. Das Schlimme an der identitären Bewegung ist ihre Aktionsformenpiraterie. Das heißt also wir sind konfrontiert mit Leuten, die sehr genau bei linken Aktionen hingeschaut haben und sie einfach kopieren. Das sind Störaktionen, die es schon vorher gegeben hat, als sogenannte konservativ-subversive Aktionen von etwa … inspiriert von Götz Kubitschek, der auch selber daran beteiligt war. Das hat inzwischen an Finesse gewonnen. Die identitäre Bewegung bewegt sich geläufig im Internet und versteht es durchaus ihr Lamda-Zeichen zu labeln, präsent zu halten. Aber ihre Aktionen, die sehr effektvoll sind, das muss man tatsächlich so sagen, haben durchaus etwas gewaltförmiges und bedrohliches, etwa im April dieses Jahres haben sie ein Stück von Elfriede Jelinek an der Uni Wien gestört, an dem auch Geflüchtete beteiligt waren und entstand dort durchaus eine retraumatisierende Panik unter den Betroffenen. Weitere Aktion, die sehr große Furore gemacht hat, war hier die Besetzung des Brandenburger Tores und das entsprechende Herablassen von Transparenten. Das ist schon sehr professionell. Ob man die identitäre Bewegung tatsächlich als Bewegung bezeichnen kann, wir gehen so von 400-500 Aktivistinnen und Aktivisten aus. Nichtsdestoweniger wie gesagt, ihre Aktionen sind sehr effektiv. Um welche Gegenbilder geht es diesen, ja, zusammenschießenden rechten Bewegungen, dieser neuen rechten Bürgerbewegung? Natürlich taucht außer der Nation auch die Volksgemeinschaft auf, Frauke Petry, die Bitch der AfD, wie sie von Kebekus genannt wurde … Applaus … möchte das Wort „völkisch“ wieder aufwerten und in den normalen Sprachgebrauch zurückführen. Es geht um christliches Abendland, um abendländische Kultur. Es geht um wir und die, es geht um die Opfergemeinschaft der Deutschen, die sich zum letzten Gefecht versammelt. Diese Töne sind immer lauter geworden im Laufe des vergangenen Jahres, als die sogenannte – schrecklicherweise übrigens – sogenannte Flüchtlingskrise einem Höhepunkt zustrebte. Da wurde Bezug genommen auf Bilder des Ausnahmezustands, da wurde expressis verbis auf Karl Schmidt zurückgegriffen, den Kronjuristen des Dritten Reiches, der den Ausnahmezustand beschrieben hat und gesagt hat, „souverän ist, wer über den Ausnahmezustand verfügt“. Es werden überhaupt sehr viele Rückbezüge auch auf die konservative Revolution der Weimarer Zeit genommen. Es wird das Widerstandsrecht aller Deutschen beschworen. Es wird sich bezogen aber durchaus auch auf den Artikel 20 des Grundgesetzes und es wird sich auch darauf berufen, dass möglicherweise – also berufen auf Ernst Jüngers Idee – dass möglicherweise nur 1% aller Deutschen nötig wären, um das System entweder zu erhalten oder umzustürzen, deswegen auch dieses Gemeinschaftsprojekt der Webseite 1%. Unser Autor in dem Buch, was man anfangs sehen konnte, Felix Korsch spricht von Neovigilantismus mit Blick auf Sachsen. In der zweiten Jahreshälfte 2015 sind dort enorm viele Bürgerwehren entstanden. Das sind Formen von Selbstermächtigung von Bewaffnung, da gehen Leute auf Streife, sprechen von Selbstschutz und dergleichen. Das ist ein ausgesprochen gefährliches Phänomen. Sie behaupten, sie müssten eine Regierung, die illegales tut, absetzen und müssten die alte Ordnung wieder herstellen und dazu seien sie auch nach dem Grundgesetz berechtigt, was Quatsch ist. Natürlich gehören zu diesen Gedankenwelten auch die Reichsbürger dazu. Es ist vorhin schon gesagt worden, in der Veranstaltung vorher, ja leugnen, dass es die Bundesrepublik Deutschland als staatliches Gebilde überhaupt gibt. Viele Menschen in diesem Land denken, dass Deutschland ein besetztes Land ist und nicht souverän ist. Ob einen das jetzt kümmert oder nicht, es ist sehr weit verbreitet und bietet für die Leute sehr viel Anlass zu denken, sie dürften sich selbst ermächtigen so wie die Reichsbürger. Die fertigen ja Pässe aus, sie bewaffnen sich und es ist bezeichnend, dass die Reichsbürger erst jetzt in den Fokus geraten sind, nachdem es zu einer Gewalttat gekommen ist. Es hat vorher sehr sehr viele Hinweise gegeben auf die Reichsbürger, unter anderem von Antifa- Recherche in den einschlägigen Blättern, aber sie wurden als Querulanten und Spinner abgetan, inzwischen hat sich das verändert, darauf kommen wir noch zurück. Im Moment erleben wir, wie sich eine rechte Bürgerbewegung rasant entwickelt. AfD, Pegida, Identitäre, ich habe sie alle schon erwähnt und organisierte Neonazis finden zusammen, verlieren ihre Berührungsängste gegenüber einander. Jüngstes Beispiel und erschreckendes Beispiel dafür ist etwa die Zusammenkunft nach dem Anschlag von Berlin. Es traten auf, auf der Seite der gegen Einwanderung und Islamismus und/oder Muslime Protestierenden Alexander Gauland und Björn Höcke vom rechten Flügel der AfD. Wobei rechter Flügel der AfD ja schon auch was bedeutet, mein lieber Schwan. Gelächter und Applaus Es war Jürgen Elsässer da, es war Götz Kubitschek da, ich habe diese Namen schon genannt, es ist ein bisschen Namedropping, aber die sollte man auch im Auge behalten. Und es war Philip Stein von der deutschen Burschenschaft da, der dieses gemeinsame Webprojekt 1% betreut. Und sie demonstrierten gemeinsam gegen die Invasion der Islamisten. Aber wir wollen uns auch, zumindest kurz, die echten Nazis nochmal anschauen. Es gibt neue Nazi-Parteien, möglicherweise auch schon als Auffangbecken für NPD-Mitglieder gedacht, die nach einem Verbot eine neue Heimat suchen könnten. Ihr wisst vielleicht, am 17. Januar verkündet das Bundesverfassungsgericht, ob die Partei verboten wird oder ob sie nicht verboten wird. Es ist relativ offen, was dabei rauskommt. Aber es gibt diese neuen Parteien, Die Rechte zum Beispiel und den Dritten Weg. Sie treten als ausgesprochen aggressive Splitterparteien hervor und versuchen auf den völkischen Aufstand aufzusatteln. Wenn ich den Dritten Weg nenne, fallen mir zwei der Frontmänner dieser Partei ein. Das eine ist Karl-Heinz Statzberger und das andere ist Maik Eminger. Diese beiden Männer waren am ersten Tag des NSU-Prozesses am 6. Mai 2013 im Zuschauerbereich des Gerichtssaals und haben sich in die erste Reiche gesetzt und haben sich dort gespreizt und sehr selbstbewusst gegeben. Karl-Heinz Statzberger ist ein verurteilter Rechtsterrorist, der zu der Wiese-Gruppe gehörte, die die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindehauses in München … einen Anschlag darauf verüben wollte. Und Maik Eminger ist der eineiige Zwillingsbruder des Angeklagten André Eminger im NSU- Prozess. Also wir kommen auch immer wieder, wir können es drehen und wenden, auf den NSU zurück. Schauen wir aber mal dahin. Wir sind ja immer so ein bisschen fokussiert auf die Rechten, die extrem Rechten, die Neonazis und sitzen oft der Versuchung auf, das was sich diesseits dieser Nazis befindet für gut zu befinden oder für in Ordnung. Ich würde sagen, das ist eine zumindest zweifelhafte Einschätzung. Wenn ausgerechnet Bundesinnenminister Thomas de Maizière von einer Teilverrohung der Gesellschaft spricht, was er getan hat am 28. Mai in der Zeit, muss die Lage wirklich sehr ernst sein. Denn er ist und war, was diese Verrohung angeht, eher Teil des Problems als der Lösung. Applaus Seine Amtszeit steht für Flüchtlingsabwehr und das Durchpeitschen von Antiasyl- und Aufenthaltsgesetzen, die mühsam erkämpfte Standards der zurückliegenden zwei Jahrzehnte mit leichter Hand abräumen. Er beteiligte sich wie viele andere, aber mit dem Gewicht eines Bundesministers an der Panikmache vor den Geflüchteten. Man denke nur an sein halsstarriges Beharren im Oktober 2015, also am Höhepunkt der gegen Ankommende tobende Hetze. Er beharrte damals darauf, dass 30% der syrischen Geflüchteten „falsche Syrer“ seien. Er konnte damals auf mehrfache Nachfrage von Medien und Opposition seine Behauptung nicht belegen. Blieb aber bis zum Schluss dabei und hat damit zu einer Situation beigetragen, in welcher sich, wie er es sagte, „unbescholtene Bürger“ berufen fühlten, plötzlich Gewalt anzuwenden. Wenig später hat er das dann nochmal wiederholt. Das ist also tatsächlich auch eine Masche von ihm. Ihr werdet euch vielleicht erinnern, ich zitiere ihn, „es kann nicht sein, dass 70% der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden. Dagegen spricht jede Erfahrung.“, sagte de Maizière. Zahlen hat er dafür nicht geliefert und hat sich eigentlich auch eines Eingriffs in die ärztliche Pflichterfüllung schuldig gemacht. Er hat es nicht zurückgezogen, er hat sich nicht entschuldigt und gar nichts. Er gehört also definitiv zu den Hetzern dazu. Applaus Dabei sollten schon allein die schieren Zahlen uns alle schockieren ohne Ende. Etwa 1.500 Angriffe „unbescholtener“ oder auch besser gesagt „besorgter“ Bürgerinnen und Bürger auf Geflüchtetenunterkünfte allein im Jahr 2015. Bis zu de Maizières Statement Ende Mai 2016 gab es schon wieder etwa 500 Angriffe auf solche Sammelunterkünfte für Geflüchtete. Mit dem Jahr 2014 macht das dann etwa 2.500 solcher Angriffe. Das sind nur Angriffe auf Geflüchteten-Unterkünfte. Da sind also noch nicht dabei die ganzen rassistischen Angriffe auf Menschen, die Anschläge auf Menschen und Körperverletzungen und so weiter. Ich habe übrigens gerade, das habe ich mir hier gerade mit der Hand notiert, die ganz neuen Zahlen für das Jahr 2016 beziffern die Angriffe auf die Unterkünfte auf über 900. Das heißt also wir reißen bald die Latte der 3.000 Angriffe auf Geflüchteten-Unterkünfte. Die Aufklärungsquote lässt keinen besonderen Eifer bei der Verfolgung der mitunter als versuchter Mord zu wertenden Anschläge auf zum Teil bewohnte Gebäude vermuten. Die Zahlen zu Anklagen und Verurteilungen können auch als eine Art Impunität oder Straflosigkeit gelesen werden, worauf die nach wie vor nicht abreißende Welle der Gewalt gegen Geflüchtete und ihre Unterkünfte hindeutet. Von Abschreckung kann hier nicht die Rede sein. Im Gegenteil kennzeichnend für die Situation insbesondere am Ende 2015, Anfang 2016 war, dass die Polizei, das ist hier auch nochmal bestätigt worden vorhin, häufig zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen, den Mob oft gewähren ließ oder offen Verständnis oder gar Sympathie zeigte. Wir erinnern uns an Clausnitz, als Mitte Februar ein wütender Mob versuchte, die Ankunft von Geflüchteten zu verhindern, während grölende Bürger diesen Bus damals angriffen. Die Polizei ging nicht etwa gegen die Randalierer vor, sondern beförderte gewaltsam vor allem einen kleinen Jungen vom Bus in die Unterkunft. Er habe durch seine Gesten die Aufgebrachten noch provoziert, hieß es. Aber auch bei gravierenden Formen selbstermächtigter Aktionen besorgter Bürger schritt die Staatsgewalt nicht ein, kapitulierte vor dem Mob, das ist definitiv ein Déjà-vu aus den 1990er Jahren, wo es ganz ähnlich abgelaufen ist. Vielleicht im Schnelldurchlauf noch ein paar Beispiele, die auch in dem Buch dokumentiert sind, „Durchmarsch von rechts“, das sehr lesenswert ist, leider vergriffen, im Netz kann man es sich noch runterladen. Also durchaus online zu finden. Ein 25-jähriger Feuerwehrmann aus Altona etwa, der Anfang Oktober 2015 in einer westfälischen Kleinstadt das Dachgeschoss eines Hauses in Brand gesteckt hatte, das von 7 Syrerinnen und Syrern bewohnt war, ist von der Staatsanwaltschaft auf freien Fuß gesetzt worden. Schließlich, so ließ der Staatsanwalt verlauten, habe es keine Haftgründe gegeben, denn der Täter und sein Komplize hätten nur Angst vor Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft gehabt. Sie seien auch nicht rechtsradikal, eine rechtsradikale Einstellung besteht aus mehr als Fremdenhass. Das sind wörtliche Zitate aus der Süddeutschen Zeitung vom 12.10. Für die sich radikalisierenden besorgten Bürger muss diese Situation wie eine Einladung wirken, mit dem Brandschatzen fortzufahren. Die Berichterstattung, also es geht natürlich auch immer um die Art, wie das dann in den Medien nochmal widergespiegelt wird, die Berichterstattung aus Mainstockach [Mainstockheim] Ende Juli 2015 suggerierte, dass Beschwerden wegen Ruhestörung und die gerüchteweise Belästigung einer Frau sowie mangelnde Mülltrennung in der Asylunterkunft Grund genug dafür seien, dass ein Mob von 300 Personen aus der 2.000-Seelen-Gemeinde sich zum Teil bewaffnet vor dem Haus versammelten. Und der Mob hatte erfolg. Die 24 jungen Männer wurden aus [Mainstockheim] weg verlegt. Mülltrennung. Mülltrennung hatte auch der Brandstifter von Escheburg bei Hamburg, ein Finanzbeamter, als Tatmotiv angegeben. Zum einen seien irakische Männer in Saft und Kraft eine Bedrohung und außerdem würden sie ihren Müll sicher nicht richtig entsorgen. Eine Analyse des Bundeskriminalamtes stellte dazu fest, dass es sich bei den Brandstiftenden um emotionalisierte Einzeltäter handele, die keinerlei ideologische Anbindung an rechte Strukturen hätten. Vielleicht waren es auch in Hösbach nur solche verirrten Einzeltäter und Einzeltäterinnen, die Mitte September 2015, wie die Polizei meldete, „asylkritische“ Banner an einer Brücke über die Staatsstraße 2307 befestigen. Inzwischen läuft offenbar ein Banner mit der Aufschrift „Deutschland erwache“ mit zwei Hakenkreuzen schon unter ideologiefrei und asylkritisch, weil ja auch noch „Asylantenheim, nein danke“ auf der anderen Seite der Brücke zu lesen war. Dieser Verharmlosung rassistischer Straftaten und narzisstischer Angriffe steht die unverantwortliche Dramatisierung der Ankunft von 10.000en Geflüchteten gegenüber. Ich habe Thomas de Maizière angesprochen, natürlich kann man so eine Bestandsaufnahme nicht ohne die Nennung der CSU, der Nennung von Seehofer und seinem Generalsekretär Andreas Scheuer abschließen. Nicht erst der AfD- Durchmarsch und die Ankunft der Geflüchteten haben diese CSU zu einer rassistischen Partei gemacht. Zum Beispiel Viktor Orbán wurde schon deutlich früher von der Partei hofiert, er war schon zum 70. Geburtstag Edmund Stoibers eingeladen und hat von der Hans-Seidel-Stiftung den Franz-Josef-Strauß-Preis erhalten. Ich selber bin unter Franz Josef Strauß in Bayern aufgewachsen und kann nur sagen, das kann ich gut nachvollziehen. Applaus Außerdem ist er natürlich, das war der – dankeschön – das war der Skandal vergangenes Jahr, von der CSU ins Kloster Banz eingeladen worden. Es ist ja eine ganz schwierige Geschichte mit Viktor Orban. Das ist ja, würde ich mal sagen, durchaus ein faschistisches Land geworden unter ihm, völkisch- nationalistisch mindestens. Das erste, was er gemacht hat, war die Krone des heiligen Stefan von einer Kirche oder von einem Museum ins Parlament schleppen zu lassen. Das Wort Republik ist aus der Verfassung Ungarns gestrichen worden. Und er ist derjenige, der europaweit als der große Buhmann hingestellt wurde, als der Zaun gebaut wurde gegen die Geflüchteten. Das ist auch richtig, dass er da beschimpft worden ist, nur hinter diesem Zaun verkriecht sich auch der ganze Rest Europas. Es ist ganz klar, es ist ja diese Situation gewesen … Applaus Es ist diese Situation gewesen, dass Anfang dieses Jahres die Tagesschaumeldungen immer ungefähr lauteten, ja wie durch ein Wunder – das ist so nicht gesagt worden, aber das klang so durch – wie durch ein Wunder sind kaum neue Geflüchtete in Deutschland angekommen. Das war natürlich medial auch eine Katastrophe, weil nicht gesagt wurde, dass sie natürlich nicht kommen konnten, weil es diese Zäune gab, weil es Idomeni gab, was damals berühmt geworden ist als der Ort, an dem viele in ihrer Flucht gestoppt und gescheitert sind. Es gibt so viele krasse Beispiele für Medienberichterstattung. Das Beispiel Bautzen dieses Jahr. Bautzen, in dem die geplante Asylunterkunft in Brand gesteckt und niedergebrannt ist, in Brand gesteckt worden ist und niedergebrannt ist, dort hat es dann diese Zusammenrottung gegeben von Nazis, die junge unbegleitete Flüchtlinge angegriffen haben, Geflüchtete angegriffen haben. Und in den Medien kam es so rüber, die Asylsuchenden hätten angefangen. Ihr werdet euch an diese skandalöse Berichterstattung erinnern. Es war wie in den 90er Jahren Opfer-Täter- Umkehr, das Zahlenverhältnisse 20 Geflüchtete und 80 Neonazis + x alleine ist, beschreibt schon eine Notwehrsituation. Das heißt also von einer Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen oder zwischen Jugendbanden, wie das auch aus den 1990er Jahren widerhallt, kann nicht die Rede sein. Schauen wir auch nochmal, ich habe sie schon erwähnt, auf die Reichsbürger. Die Reichsbürger sind jahrelang nicht verfolgt worden, erst als Mitte Oktober ein Polizist von einem schwerbewaffneten Reichsbürger erschossen worden ist, Kollegen von ihm wurden verletzt, beginnt der Apparat, auch gegen deren Mitglieder in den eigenen Reihen zu ermitteln. Also wir finden ganz viele Reichsbürger in Uniform, die ja hier ihr Wesen in der staatlichen Institution treiben. Und da kommen wir auch nochmal zurück auf den NSU-Prozess, das können wir natürlich nicht wirklich toll vertiefen. Weil die Zeit uns auch schon wieder davon läuft. Aber wir haben ja im NSU-Komplex eine weitere Infiltration der Polizei durch eine solche Institution, nämlich den Ku-Klux-Klan. Und ich kann Alexander Kienzle nur zustimmen, wir wissen nichts, wir wissen nichts von Heilbronn, wir wissen nicht, was in Kassel wirklich passiert ist. Heilbronn als die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen wurde und ihr Kollege wie durch ein Wunder einen Kopfdurchschuss überlebt hat. In der Dienstgruppe, in der Michèle Kiesewetter damals gearbeitet hat, waren ehemalige Mitglieder des Ku-Klux-Klans tätig. Es hat also auch solche Gruppen in der Polizei gegeben, aber das wird natürlich nicht weitergehend untersucht. Das ist im Sande verlaufen die Untersuchungen in dieser Richtung. Die Informationen übrigens über die Polizisten … über die Ku-Klux-Klan- Mitglieder in der Polizei kamen von einen V-Mann, der damals der Chef des Ku-Klux- Klans gewesen ist. Ich muss mich jetzt sehr zusammenraffen. Ich könnte euch noch eine ganze Menge weiterer Geschichten dieser Art berichten. Möchte aber doch in den letzten 5 Minuten noch auf die Frage zurückkommen, was wir denn nun machen. Und ich habe schon mal gesagt, unser Fokus, immer auf die Rechten zu gucken, wie das Kaninchen auf die Schlange, führt uns wahrscheinlich sehr weit weg davon, die tatsächlichen Probleme zu sehen und dass wir natürlich über den Rechtsruck in Deutschland, in Europa und in den USA nicht wirklich reden können, nicht sinnvoll reden können, wenn wir nicht den weltwirtschaftlichen Gesamtzusammenhang in die Augen fassen. Es ist einfach so, die Erwartung, dass mit einem Zaunbau oder mit neuer Gesetzgebung die Menschen davon abgehalten werden, sich auf den Weg zu machen, aus wirtschaftlichen Gründen oder auch aus unmittelbarer Not, aus Elend, das ist eine Illusion und wir müssen uns darüber klarmachen, dass sich die Dinge verändern werden. Die Ankunft dieser Menschen, die sich auch nicht aufhalten lassen, wird niemand verhindern. Und das ist letztlich auch gut so. Weil es kann so wie es ist auf keinen Fall weitergehen. Wir müssen uns … Applaus Wir müssen uns völlig neue Narrative, neue Geschichten ausdenken. Wir müssen quasi eine Weltsicht neu erfinden, mit der wir arbeiten können und wo vielleicht tatsächlich der von vielen belächelte Spruch vom Bleiberecht für alle einen, sagen wir mal, intellektuellen Hintergrund bekommt. Eine Idee, eine Vision, eine Utopie, das alles brauchen wir. Antifaschismus allein wird auf jeden Fall nicht ausreichen. Das habe ich erst neulich die gute Bini Adamczak in einem BR-Feature sagen hören. Wobei ich den Antifaschismus auch ein bisschen in Schutz nehmen will. Es war nie so, dass allein der Kampf und das Entgegentreten gegen Nazis Inhalt des Antifaschismus war, sondern es war auch immer ein emanzipatives, ein kämpferisches Bild der Veränderung, hin zu einer gerechteren Welt. Ich kann das leider nicht mehr so ausführen, wie ich das eigentlich geplant hatte, aber es ist vollkommen klar, dass wir dem irren Selbstzweck des Kapitalismus, die höchstmögliche und rücksichtslose Kapitalverwertung, dass wir dem etwas entgegensetzen müssen und dass wir uns um die Menschen solidarisch kümmern müssen, die auf diesem Planeten keine Chance haben. Applaus Das hatte ich natürlich noch viel viel ausführlicher und mit Zitaten belegt und es bleibt aber trotzdem so, wie Marx es mal gesagt hat. Und leider ist diese Wendung aus dem kommunistischen Manifest inzwischen nur noch zu einem Kalenderspruch heruntergekommen. Nämlich dass er gesagt hat, dass es darauf ankommt, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Und das muss … das bleibt wahr. Und ich möchte im Grunde genommen uns auch ein bisschen aufrütteln als diejenigen, die privilegiert hier im Westen ihren Glühwein zu Weihnachten trinken und die lauschige Stimmung genießen. Ich habe im November eine Stafettenlesung der „Ästhetik des Widerstands“ von Peter Weiss veranstaltet. Peter Weiss wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden. Sein großes Werk, der antifaschistische Roman „Die Ästhetik des Widerstands“ ist in 54 Stunden nonstop vorgelesen worden und es ist gespickt mit Hinweisen, mit Anregungen, mit Motivation für Menschen wie uns. Und deswegen möchte ich mit einem Zitat von Peter Weiss schließen, das uns alle ein wenig vorführt, denke ich. Ich zitiere, „wir sind Humanisten, hörte ich ihn noch einmal sagen, doch unsere Humanität ist mit Schande bedeckt. Allzu viele, die ständig den Humanismus, den Pazifismus im Mund führen, die das Unrecht wohl sehen, für eine Veränderung aber nicht kämpfen wollen, sind in ihrer Diskretion nichts anderes als Apologeten der herrschenden Klassen.“ Aber wem sage ich das. Danke. Applaus Herald: Fritz Bürschel. Ja wenn mein Mikrofon gehen würde. Fritz Bürschel, vielen Dank. Burschel, Pardon, Fritz Burschel, vielen Dank. Applaus Ja wir haben wir noch knapp 10 Minuten Zeit für Q&A, Questions and Answers, falls ihr Fragen an unseren Referenten habt, traut euch, sie zu stellen. Fasst euch bitte kurz je kürzer ihr eure Fragen formuliert, desto mehr Fragen kriegen wir gestellt, und bitte verkneift euch Kommentare, es sollen Fragen sein. Komm doch in die Mitte, Fritz, das ist … Fangen wir einfach mal an, da vorne mit der 2. Mikrofon: Hallo. Es gab ja lange Zeit von genau diesen ganzen Menschen, die du auch beschrieben hast, von genau diesen Nazis im Internet verschiedene Foren, in denen die sich irgendwie organisiert haben, so Thule-Netz, Thiazi, das ist irgendwann alles aufgelöst worden oder hat sich aufgelöst. Siehst du im Moment eine Verschiebung eher in Richtung von sozialen Netzwerken, die halt da sind, und die von diesen Gruppen genutzt werden, oder gibt es nach wie vor rechte Strukturen, die im Internet irgendwie Plattformen nutzen die nur sie haben und in die die Gesellschaft so keinen Einblick hat? Fritz: Das kann ich nicht sagen. Ich bin da definitiv kein Experte. Ich hätte aber durchaus Hinweise im Zusammenhang z.B. mit dem NSU auf Internetprojekte, da gibt es mindestens zwei, die massiv Desinformationen streuen und wo ich mir denke, dass Leute mit etwas handwerklichem Geschick durchaus was tun könnten, ich möchte die Namen jetzt auch nicht unnötig nennen von diesen beiden Plattformen. Es wäre aber … ich kann dir nicht sagen … ich denke mal, die sozialen Netzwerke, vor allen Dingen Facebook, sind für viele von diesen Leuten eher verräterisch. Das heißt, wenn du etwas über sie erfahren willst … sie sind so doof und posten wirklich alles auf Facebook sodass also auch vor Gericht z.B. Zeugen aus der Naziszene ausgesagt haben und sie dann mit ihren … und sie wurden dann gefragt „Ja wie würden Sie sich denn politisch einschätzen?“ und sie „So ganz normal“ und dann wurden sie mit ihrer Facebook-Seite konfrontiert, auf der halt die hardcore einschlägigen Links zu allen möglichen üblen Gruppen, Parteien und Zusammenhängen abzurufen waren. Also da glaube ich, das ist jetzt nicht sehr professionell und avanciert, was sie da machen, aber du kannst sie in ihrem Ausdruck in den Kommentarspalten überall finden, aber ich denke so eigene Internetprojekte, wie im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex, mit dem NSU-Prozess, wo zum Teil mit den original Ermittlungsakten hantiert wird, da sind zum Teil professionelle Leute am Werk, allerdings auch mit Desinformation, die schon so dämlich ist, dass man es kaum noch aushalten kann. Also auf einer dieser Plattformen werden einige Leute, und ich persönlich, ich beschuldigt, wir hätten das NSU-Bekennervideo hergestellt. Also das ist … da weiß ich nicht, wie weit ich das wirklich ernst nehmen kann. Herald: So machen wir weiter mit Mikrofon 1, bitte. Mikrofon: Danke und entschuldige bitte die Frage, weil sie ein bisschen … scheiße ist, aber was tun, wenn selbst das Anzünden von Gebäuden vor Gericht nicht mehr als extremistisch zählt? Fritz: Ja was tun? Ich würde gerne Antworten da drauf geben. Ich lese gierig in Artikel von (???) zum Beispiel rein, und der sagt, der Durchmarsch von Rechts wird dazu führen, dass wir uns sammeln müssen, dass wir wieder auf die Straße gehen müssen, dass wir Gegenmacht zeigen müssen, dass wir präsent sein müssen, was Kienzle auch gesagt hat, dass wir auch in unseren je individuellen Alltagen den Leuten verbal in die Fresse hauen, wie er das sehr schön gesagt hat. Ich kann es dir nicht sagen. Ich kann zum Beispiel nicht verstehen, warum, nach allem, was wir wissen im Kontext mit dem NSU, warum es keine Kampagne in diesem Land gibt, diesen schlimmen Geheimdienst abzuschaffen, warum es keine … Applaus Es hat eine einzige Schule gegeben, die sich geweigert hat, eine Verfassungsschutz-Ausstellung zu zeigen, aber ansonsten sehe ich keinerlei gesellschaftlichen Protest gegen eine Institution, die von uns verlangt … von uns, wenn ich mal das so sagen darf, Bürgerinnen und Bürgern oder Bewohnerinnen und Bewohnern dieses Landes, dass wir akzeptieren, dass es da eine unkontrollierte Grauzone gibt, in der auch Gesetze gebrochen werden. Das kann nicht wahr sein. Wo ist der Protest? Der Protest ist ausgeblieben, der Protest hat auch nicht reagiert, als die Demonstration von … um die es hier in den NSU-Monologen ging, als die statt fand. 2006 hat es zwei Demos gegeben, in Kassel und in Dortmund. Da sind in Kassel 2000 Leute auf der Straße gewesen, und trotzdem hat niemand von uns, die möglicherweise sich für kritische Medienkonsumentinnen und -konsumenten halten, den Leuten jemand darauf reagiert damals 2006, und auch jetzt, würde ich sagen, es hat ganz tolle Veranstaltungen gegeben zum fünften Jahrestag des Auffliegens des NSU, des Bekanntwerdens der ganzen Monstrosität. Die waren auch gar nicht schlecht besucht, die Veranstaltungen, aber medial hat es sie nicht gegeben, kann man sagen, und es waren natürlich viel zu wenig Menschen. Wir müssen auch wirklich dafür werben, dass wir für unsere Rechte und für die Rechte anderer eintreten, dass Leute wirklich wieder auf die Straße gehen. Wo sind die Demonstrationen mit mehreren 10.000 Leuten? Applaus Herald: Uns läuft ein wenig die Zeit davon. Wir machen weiter mit einer Frage aus dem Internet bitte. Signal Angel: Und zwar sucht … hat jemand aus dem Internet die Frage zu dem NSU- Untersuchungsausschuss, ob es da eine Quelle gibt, die bestehende Ermittlungsergebnisse und die noch offenen Fragen gegenüber stellt. Fritz: Also NSU Watch, das habt ihr vielleicht mitbekommen, hat in fast jedem NSU-Untersuchungs… also, ich meine, es gibt in diesem Land inzwischen zwölf Arbeiten der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, die qualitativ sehr sehr unterschiedliche Arbeit machen. Also das ist nicht alles gut, aber es gibt auch NSU-Watch-Gruppen in Hessen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen, die genau diese Arbeit machen, die Fragen stellen, in enger Absprache in der Regel mit den Nebenklage- Vertreterinnen und Vertretern im NSU- Prozess. Also da findet eine Interaktion statt. Geht auf nsu-watch.info, informiert euch, da gibt es Links zu den ganzen Franchise-NSU-Watch-Leuten im ganzen Land, und wie gesagt ja auch diesen Spendenbutton. Herald: Und damit ist unsere Zeit leider schon um, es tut mir wirklich … es tut mir wirklich sehr leid. Bist du noch ansprechbar? Fritz: Ja, natürlich. Vielen herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit Herald: Fritz Burschel, vielen Dank! Applaus Musik Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2017. Mach mit und hilf uns!