36C3 Vorspannmusik Herald: Viele von euch werden wahrscheinlich die Bundestagsreden aus den 50er- und 60er-Jahren gehört haben. Da gab es ordentliches Angepöbel. Fand ich ziemlich beeindruckend. Aber was macht der Bundestag eigentlich sonst so die ganze Zeit? Und wie verhält sich das eigentlich über die Zeit hinweg? Welche Themen werden besprochen? Wie intensiv werden sie besprochen? Und wann verfliegen vielleicht Themen wieder? Genau diese Frage haben sich maha und Kai Biermann ebenfalls gestellt und haben ein Tool entwickelt. Und gemeinsam werden sie heute den Vortrag "Vom Ich zum Wir – Gesellschaftlicher Wandel in Reden des Bundestags" vorstellen. Einen großartigen Applaus für die beiden. maha: Vielen Dank! Man ist doch immer etwas nervös vor so großen Massen. Und ihr wisst, ich stelle mir dann das Publikum gerne nackt vor. Allerdings sieht man euch hier gar nicht. Das heißt, ihr könnt euch alle wieder anziehen. So ja "Vom Ich zum Wir – Gesellschaftlicher Wandel (und natürlich auch sprachlicher Wandel damit verbunden) in den Reden des Bundestags." Wir wollen das Tool vorstellen, was bei Zeit ONLINE entwickelt wurde. Das macht gleich Kai. Dann sprechen wir natürlich über verschiedene Beispiele, die wir uns auch etwas genauer angesehen haben, die stehen hier, Rhetorik der rechten Klimadebatte, gepflegtes Beschimpfen. Und dann geht es noch um Sprachwandel. Und am Ende könnte ihr auch noch selber aktiv werden. Ja, und dann gebe ich gleich ab an Kai. Kai Biermann (KB): Vielen Dank für euer Interesse an Politik und an Plenardebatten. Das ist ja nicht so selbstverständlich. Ich glaube, dass Bundestags-Fernsehen hat nicht so viele Zugriffe. Wir haben bei Zeit ONLINE das Open Data Portal des Bundestages genutzt. Die Rohdaten sind darauf verlinkt und haben alle Parlamentsdebatten von 1949 bis zur Sommerpause 2019 in der Datenbank getan. Sehr lange versäubert und hübsch gemacht, damit man sie durchsuchen kann. Ein paar Sachen abgeschnitten, die verwirren. Und herausgekommen ist eine Art Suchmaschine. In die kann man einen Begriff eingeben oder viele Begriffe und die zeigen einem dann die Häufigkeit der Nennungen. Das ist erstmal nur eine Quantität. Das heißt, Aussagen darüber sind so ein bisschen schwierig? Sehen wir auch gleich. Aber man kann Trends erkennen und man kann Tendenzen erkennen. Und darüber wollen wir heute reden. Für Leute, die sich für Zahlen interessieren: Es sind 4.217 Parlamentsprotokolle aus 19 Legislaturperioden, zirka 200 Millionen Wörter. Die liegen als TXT-Datei vor für die alten Protokolle und für die späteren der letzten beiden Legislaturen bereits als XML. Wer damit spielen will, kann es auch selber tun. Der Link findet sich da. Und wir dachten, um das mal zu demonstrieren, wie das funktioniert, nehmen wir ein Wort, das vielleicht alle kennen, zumindest in diesem Raum: Internet. So sieht es aus. Man gibt ein Wort ein, man kriegt eine Kurve. Kurz zur Erklärung: Unten sieht man die Jahre, die einzelnen. Die Skala rechts nennt Nennungen pro 100.000 in dem einzelnen Jahr. Das heißt, wir haben da fast 20 Nennungen in einem Jahr pro 100.000 Worte. Das ist, um es vergleichbar zu machen... Sehen wir nachher, dass das notwendig sein wird. Das ist schon relativ viel, übrigens im Vergleich zu anderen Debatten, nicht bombastisch, aber gar nicht so schlecht. Und um mal zu zeigen, was man da so sehen kann. Halt, erst haben wir noch was anderes. Erst haben wir noch, einfach zum Spaß, die allererste Erwähnung des Wortes Internet. [Videoeinspieler] Dr. Herta Däubler-Gmelin: Telebanking, Teleshopping, auch zum Beispiel Telearbeit, Faxe, Telekommunikation, Datennetze, Internet – all das bestimmt vielleicht nicht das Leben der Menschen, die hier im Bundestag sitzen. Aber es prägt das Geschäftsleben und es prägt vor allen Dingen auch das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger immer mehr. KB: Das war geradezu prophetisch. Zum zeitlichen Vergleich: Diese Nennung, die wir gesehen haben, war im Dezember 1994 das erste Mal. Das Internet™ gab es da schon eine Weile, ne, das ARPANET, was an Unis entwickelt wurde für ursprünglich militärische Verwendung, dann für wissenschaftliche, war da schon ein bisschen älter. Die kommerzielle Nutzung, also die offizielle Freigabe dieses ARPANETs über die Unis hinaus auch. Es gab auch schon erste Browser; Mosaic war der erste. Und hier sieht man denn mal so ein bisschen: Worüber wird eigentlich geredet? Wir haben da mal in die Protokolle geguckt. Woher kommt dieser Peak? Warum ist das plötzlich so wichtig geworden? Und zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 2000, geht es vermehrt um die Anwendung – Internet- Banking, Shopping, Zugang, Internetzeitalter – davon ist plötzlich die Rede. Die Bundestagsabgeordneten debattieren immer mehr darüber, wie die Menschen das Internet nutzen und ob man da nicht etwas verändern muss und ihnen den Zugang bereitstellen und ihn vielleicht auch häufiger den Zugang bereitstellen. So, dann kommt eine Weile nichts und dann kommt so eine große Spitze im Jahr 2008, 2009. Hat jemand eine Ahnung, was das sein könnte? Publikseinruf: Ursula MB: Bitte? Publikseinruf: Ursula MB: Super! 100 Punkte. Das war Zensursula. Und die nächste Spitze? Weiß das auch noch jemand? Publikumseinruf: Snowden. MB: Nein. Publikumseinruf: NSA. MB: Das war der BGH, der entschieden hat: Der Internetzugang ist ein Grundrecht. Ah, ich war zu schnell, danke. Ja, das war der BGH, der gesagt hat: Also Leute, wir können den Leuten nicht einfach den Internetzugang abknipsen, selbst wenn sie Hartz IV kriegen oder Arbeitslosengeld, sondern wir müssen es irgendwie möglich machen, dass sie den bekommen und es darf auch nicht so teuer sein. So. Jetzt kommen wir noch kurz zu maha. maha: Also es gibt natürlich Tücken und Fallen. Das, was hier gemacht wird, ist der sogenannte Corpus linguistic. Da ist schon die erste Falle. Es heißt das Korpus. Der Korpus ist sowas aus Holz oder so... das Korpus. Und dann gibt's natürlich noch sehr viel mehr Fallen. Eine können wir uns hier anschauen. Zum Beispiel stellt sich ja die Frage: Warum wird erst so spät über Russland geredet? Wie, ist das vielleicht anders vorher? Naja. Die Älteren hier werden sich erinnern: Das hieß tatsächlich mal Sowjetunion. Und man sieht: Über die Sowjetunion wurde so viel gesprochen, Kalter Krieg und so, dass das Russland hier sehr wenig wird. Ja, wir vergleichen nochmal, Russland und jetzt durch die Sowjetunion wird Russland sozusagen kaltgestellt. Aber da ist eine Lücke. Was war denn da? Hieß das da noch irgendwie anders? Wer erinnert sich? Wo sind die Boomer? Gelächter Also klar, es ist hieß mal GUS, aber, wie wir gleich sehen werden, GUS spielte überhaupt keine Rolle. Hier haben wir die GUS, das Grüne, das ist die GUS, sieht man gar nicht, was eigentlich das Problem ist. Und das ist eben die Tücke. Es gibt Russland mit ß. Und dann kam die Rechtschreibreform. Und die kam etwas verzögert ins Parlament. Deshalb haben wir zwischenzeitlich mit ß. Das sind so Sachen, auf die man nicht gleich kommt. Aber das sind halt Tücken. Und hier haben wir noch eine andere Tücke. Ein Wort, nach dem sehr häufig gesucht wurde, und zwar in Verbindung mit Hass, nämlich das Wort Liebe. Und man hat den Eindruck: Die Liebe nimmt zu. Und sogar ziemlich heftig, wie wir hier sehen, weit über 100, fast 150 auf 100.000. Was ist das mit der Liebe, plötzlich? JNa ja, es sind die Wortarten. Es ist nicht das Substantiv Liebe, sondern das Adjektiv in "Liebe Kolleginnen und Kollegen", "Liebe Frau Merkel" und so. Das nimmt plötzlich zu. Das hat man früher nicht gemacht. Da wurde von Damen und Herren und erstmal nur Herren und dann Damen und Herren... Wir kommen gleich noch auf die Geschlechterverteilung. Und jetzt wird eben gesagt: "Liebe Kolleginnen und Kollegen", "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger". Und deswegen haben wir plötzlich so viel Liebe. Das ist das Adjektiv. Darauf muss man natürlich auch achten. Ja. Dann kommen wir zu unserem ersten Thema: die Rhetorik der Rechten. Und da haben wir uns als erstes mal angeschaut: Wie ist es denn mit Rechtsextremismus? Ja, Rechtsextreme, Rechtsextremen, Rechtsextremisten, Rechtsextremismus. Da sieht man eben: Das nimmt zu. Da gibt's hier verschiedene Peaks. Kann man auch festmachen. Das sind eben die entsprechenden Anschläge, Hoyerswerda, Lichtenhagen, Mölln und dann NSU. Der größte Peak ist NSU. Und dann ist plötzlich wieder Schluss mit den Rechten bis sie dann eben auch in den Bundestag einziehen. Dann geht es dann wieder hoch. Und wir haben uns angeschaut ein Adjektiv, was ja mal sehr im Gespräch war, obwohl das gar nicht so oft vorkommt, wenn man sich die Zahlen anschaut, nämlich völkisch –völkische, völkischen, völkischer. Wenn wir gucken, das sind hier nur ganz wenige, also 0,1 und so. Also das kommt immer mal so vor. Ich hab mir auch angeschaut, was da so ist. Da wird... Teilweise gibt es eine Stelle, da wird die Bildzeitung mit dem Völkischen Beobachter verglichen, eine Zeitung aus dem Nationalsozialismus. Und um den Nationalsozialismus geht es auch bei dem völkisch am Anfang. Ja, und dann gibt es halt diesen einen Peak. Das ist die Debatte völkisch positiv zu besetzen. Wir erinnern uns: Frauke Petry hat das da ins Spiel gebracht und das ist tatsächlich etwas, was man auch mit der AfD verbinden kann. Jetzt mal was, wo wir ganz viele oder vergleichsweise viel haben, nämlich Flüchtlingen. Aber nicht einfach Flüchtlinge, sondern Flüchtlingsstrom, Flüchtlingstsunami, Flüchtlings... (Was haben wir noch?) Flüchtlingswelle, Flüchtlingskrise, Flüchtlingsströme. Und da sehen wir: Da gab es schon mal was nach dem Krieg, da ging es um die Vertriebenen. Dann kommt hier so ein Hügel, da so in der Mitte. Kann sich jemand erinnern, was das war? Was das für plötzliche Flüchtlingsströme waren? Naja, das waren die sogenannten Boatpeople, die in Vietnam geflohen waren vor dem Kommunismus. Und das wurde natürlich... Da musste man natürlich sofort alle retten wegen Kommunismus und so. Und jetzt sieht das natürlich etwas anders aus. Und wir sehen Flüchtlinge geht dann... Oder die Flüchtlingsstr... Gerade auch der Flüchtlingsstrom ist etwas, was eigentlich schon, bevor die AfD einzieht in den Bundestag, hier peakt. Das werden wir noch öfter sehen, dass die AfD gar nicht unbedingt sehr viel Neues bringt, sondern dass eben bestimmte Sachen schon vorher da sind. Hier haben wir aber jetzt was, was wirklich mit der AfD verbunden ist, nämlich LINKS-GRÜN, LINKS-GRÜNE LINKS- GRÜNEN und LINKS-GRÜNER. Versifft, kommt nicht vor. Lachen Das ist dann doch nicht die Sprache des Bundestages. Aber wir sehen es gibt das so vereinzelt schon mal vorher, aber spielt eigentlich keine Rolle. So richtig fällt es erst auf mit der AfD. Ja, dann haben wir natürlich die Lügenpresse. Klar! Und da sieht man eben tatsächlich, das kommt in die Diskussion mit der AfD. Und als die AfD dann in den Bundestag eingezogen ist, kommt dann auch noch die Systempresse dazu. Aber wenn wir mal genau gucken, da gibts schon vorher eine Erwähnung. Und das ist etwas, was wir oft feststellen, dass die AfD gar nicht kreativ genug ist, sondern Sachen übernimmt, die schon da waren. Nämlich die erste Erwähnung der Lügenpresse ist vom 25. April 2009 und es ist Thomas Bareiß von der CDU/CSU- Fraktion, der Erdoğan zitiert. Erdoğan bezeichnet die türkische Presse als Lügenpresse, darauf geht er ein. Also wir sehen: haben andere erfunden in anderem Zusammenhang, wird dann übernommen. Dann haben wir hier noch die Fake News, also auch ein Thema der jüngeren Zeit, was durch Trump und die AfD natürlich hier dann auch in den Bundestag Einzug findet. Ja, dann haben wir auch noch die Altparteien. Die Altparteien, die natürlich "trenden" mit der AfD, aber auch das ist keine Erfindung der AfD. Wir haben ja vorher schon das Thema Altparteien. Und das sind die Grünen, die auf die Altparteien schimpfen. Und zwar insbesondere -und das ist auch die erste Erwähnung- 85/86, sogar mehrfach. Otto Schily, als Grüner damals noch, wettert gegen die Altparteien, in die er dann übertritt. Er wird ja dann Innenminister für die SPD. Ja, jetzt sagt das die AfD und kommt natürlich dann besonders hoch. So, wir kommen zum Thema Umwelt und Klima, Kai! KB: Danke dir! Auch dazu gibts natürlich viele schöne Begriffe und wir uns ein paar angeguckt, um so ein paar Sachen zu zeigen. Eine Sache ist die: Das Thema ist gar nicht so neu, wie man glauben mag, wenn man darüber nachdenkt. Also zurzeit wird sehr viel über Klima diskutiert. Aber interessant ist, es wurde schon sehr lange diskutiert, aber unter einem völlig anderen Begriff. Es war nämlich der der Umweltschutz. Der Umweltschutz, die übergreifende Debatte, die jetzt die Klimadebatte ist. Das Interessante daran ist, finde ich, dass der Umweltschutz etwas Lokaleres ist. Die Umwelt ist das, was uns direkt umgibt, und wir kümmern uns um die Flüsse und die Wälder. Sehen wir auch noch Beispiele dafür. Jetzt ist es global, das Thema ist global geworden, und auch das ist im Bundestag angekommen. Es wird jetzt über den Klimaschutz geredet und nicht mehr über den Umweltschutz. Die Peaks, die man da sieht, finde ich auch ganz interessant. Jemand eine Idee? Das erste sind tatsächlich die Grünen. Da kann man sehen, dass eine neue Partei Themen setzt. Agenda bestimmt. So wie die AfD es gerade auch tut. Den Grünen ist das auch gelungen über lange Zeit und sie haben das Thema Umweltschutz groß gemacht im Bundestag, kann man wirklich so sagen. Der zweite Peak, den finde ich auch interessant, ist der UN-Klimabericht. Das war der völlig neue Bericht, der sagte eindeutig Menschen sind Schuld am Klimawandel. Der Klimawandel ist menschengemacht. Das war sozusagen die allgemeine wissenschaftliche Meinung, die da im UN-Klimaericht 2007 publiziert wurde. Ich möchte an der Stelle einen kurzen Einschub machen, weil wir sehen hier immer so Skalen und Peaks und Höhen und so, aber was bedeutet das eigentlich? Welche Debatte ist groß, welches ist klein? Und wenn man jetzt mal den Umweltschutz nimmt, den wir eben hatten. Oder den Klimaschutz, Entschuldigung!, den Klimaschutz nimmt, den wir hatten, und vergleicht ihn mit der Flüchtlingsdebatte. Dann sieht man, dass das ein ganz anderes Größenverhältnis ist. Die Flüchtlingsdebatte von 2015 ist eine der größten Einzeldebatten, die je im Bundestag geführt wurden von der Menge der Begriffe. Wir müssen uns immer ein bisschen einschränken. Wir machen ja eine Analyse einzelner Worte. Das ist sehr schwierig, da Aussagen über komplette Komplexe zu treffen. Aber so viel kann man sagen, die Flüchtlingsdebatte hat in einer sehr großen Zeit sehr viele Parlamentsreden bestimmt. Und da wird der Klimaschutz geradezu klein dagegen. Und wenn man das jetzt noch so mit Dauerbrennerthemen vergleicht, die in der Bundesrepublik immer eine Rolle gespielt haben, zum Beispiel der Arbeitslosigkeit. Denn sieht man, dass der Klimaschutz... Ich habe die Klimaschutzkurve rausgenommen, weil es kommen noch mehr Kurven, es wird irgendwann verwirrend. ...Aber stellt euch die Klimaschutzkurve vor. Die dümpelt so höchstens bis 20 Nennungen pro 100.000 Begriffe. So, Arbeitslosigkeit war immer eine große Debatte in der Bundesrepublik. Die Flüchtlinge waren größer. Jetzt haben wir hier noch die Bildung als auch immer große Debatte... Zum Glück nimmt's zu. Es wird sich mehr mit Bildung beschäftigt. Es wird mehr darüber diskutiert, es den Ländern wieder abzunehmen und mehr in Bundesland zu geben und zu vereinheitlichen. Aber auch eine klassisch große Debatte im Parlament. Und jetzt schauen wir mal, was ist eine der größten Debatten? Was glaubt ihr? Wirtschaft und Geld. Der Bundestag beschäftigt sich mehr und mehr mit Geld. Das nur zum Vergleich um dieses Gahl so ein bisschen einzuordnen, damit ihr diese Werte einschätzen könnt, die ihr da rechts am Rand seht. 60 ist schon eine Menge. 80 ist absolute Spitze. So. Kommen wir mal zurück zur Umwelt oder zum Klima, zu beidem letztlich. Wir wollen auch mal so ein bisschen was zeigen, was man durch Vergleich verschiedener Begriffe sehen kann in dem Tool. Zum Beispiel das. Der große Peak ist das Waldsterben. Das war eine sehr große Debatte in den 80er Jahren, verbunden mit so Begriffen wie saurer Regen, die Wälder sterben. Und man sieht daran, dass die Auswirkungen, das Waldsterben, sehr viel häufiger diskutiert wurde als die Ursachen. Die Luftverschmutzung, Schwefeldioxid et cetera. Und die Ursachen wurden auch später diskutiert. Also es ging erst um die: "Was sehen wir?" und dann um die Ursachen und dann auch so ein bisschen darum: "Wie kann man es ändern?" und irgendwann spielt es keine Rolle mehr, weil der Wald war tot und der saure Regen nicht mehr sauer. Es gibt auch so Sachen, die auf den ersten Blick so ein bisschen verwirren. Zum Beispiel der rätselhafte Rhein, wie wir ihn genannt haben. War ein Zufallsfund. Wir haben einfach mal so ein Rein eingegeben und dann sieht man so komische Peaks. Und jetzt könnte man ja denken: Ja, Rhein, Hochwasser oder? Da gibts ja dauernd Hochwasser, da werden die Leute überschwemmt und ärgern sich und es muss debattiert werden. Und ja, Hochwasser erklärt es nicht so richtig. Oder nur so ein paar Peaks. Aber dieser eine große Peak in der Mitte, für den gibt's keine so richtige Erklärung. Da mussten wir eine Weile googlen und dann kamen wir darauf. Ich weiß nicht, wer sich daran noch erinnert. Es war ein großer Chemieunfall. Da ist ein Chemiewerk kaputtgegangen und sehr viel Chemikalien in den Rhein eingeleitet worden. Gab es ein großes Fischsterben. Und die Sandoz-Katastrophe hat offensichtlich diesen Peak in den Debatten der Beschäftigung mit dem Rhein verursacht. Noch so schöne Peaks, die sich relativ schnell erklären, wäre das zum Beispiel. Ist allen klar, nehme ich an. Interessant wird es aber, wenn man noch etwas anderes dazu nimmt, nämlich das: die Angst. Und da sieht man: Das scheint zu korrelieren. Also zumindest der zweite große Angst-Peak scheint zu korrelieren mit dem Tschernobyl-Desaster. Und auch die anderen scheinen auch so einen Einfluss zu haben. Also diese Atomenergie-Debatten scheinen irgendetwas mit Angst zu tun zu haben. Aber hat jemand eine Ahnung, woher der erste große Peak da kommt? Anfang der 80er Jahre, irgendjemand eine Idee? Was hat den Leuten so richtig Angst gemacht damals? Publikumseinruf: Atomrakete Publikumseinruf: Atomraketen. KB: Atomraketen ist sehr gut. Das ist der Nato-Doppelbeschluss. Das war eine Riesen- Debatte in der Bundesrepublik. Die Stationierung von Pershing-II-Raketen auf deutschem Boden. Und hat interessanterweise auch nochmal bei Tschernobyl gepeakt. Ne, da sieht man unten nochmal so einen grünen Zacken, haben die Leute nicht vergessen, dass Atomraketen irgendwas mit Atomexplosion zu tun haben können und Verstrahlung und so. Das waren so ein paar Beispiele, wie man Begriffe vergleichen kann, um dieses Tool zu nutzen, um sich etwas zu erklären, um zu verstehen, wann welche Debatten geführt werden oder wann welche nicht. Auch dafür gibt es Beispiele. Jetzt wollen wir aber, weil es garantiert Viele interessiert, dazu kommen. maha: Bis da. KB: Schimpfwörter sind... Wir haben natürlich geguckt, wonach die Leute suchen. Ich habe hinten... Am Ende hängt eine Liste, da könnt ihr mal gucken, wonach die Leute gesucht haben, Schimpfwörter sind immer dabei. Also haben wir natürlich auch nach Schimpfwörtern geschaut. Aber nicht nur. Der Bundestag hat relativ strenge Regeln fürs Schimpfen. Eigentlich ist es da untersagt und wer es tut, wird ermahnt mit einem sogenannten Ordnungsruf. Die Geschäftsordnung des Bundestages sieht vor, dass wer Arschloch sagt, wird sofort ermahnt und muss sich dafür entschuldigen und, wenn es richtig ärgerlich kommt, auch Geld dafür zahlen. Wenn man jetzt mal guckt: Wie oft sind Ordnungsrufe erteilt worden, dann sieht man da die untere Kurve. Der Anfang war relativ rau offensichtlich. Dann wurde es ein bisschen ruhiger. Dann kamen die Grünen. Da gibt's einen Zusammenhang. Dann wird's wieder ein bisschen ruhiger. Und dann kam die AfD zum Schluss. Die Ordnungsrufe haben wieder zugenommen. Und jetzt gibt's noch etwas Zweites im Bundestag. Das sind die neuen Zwischenrufe. Es ist relativ üblich, dass, wenn ein Redner rednet, dass die Opposition was dazwischenruft, meistens Unmutsäußerungen. Die werden auch registriert von den Protokollanten des Bundestages. Da steht dann: Zwischenruf. Und dann wird aufgeschrieben, was da gesagt wurde. Und da haben wir auch mal geguckt und da sieht man sozusagen eine ähnliche Kurve. Mit den Grünen kamen auch offenbar viele Zwischenrufe von beiden Seiten oder von allen Seiten. Dann gibt es noch was, was so ein bisschen was über die Stimmung im Bundestag aussagt und wie man da miteinander umgeht. Das Lachen und das ist kein lustiges Lachen. Wir haben mit Protokollanten des Bundestages gesprochen und die haben gesagt: Lachen wird notiert, wenn abfällig gelacht wird. Also wenn eine Rede gehalten wird und ein politischer Gegner da: "Ha, ha, ha, ha, ha, das stimmt doch alles nicht."... Dann wird "Lachen" notiert. Das andere ist die Heiterkeit. Das ist lustig gemeint, wenn im Protokoll steht "Heiterkeit", ist das lustig gemeint. Es sieht so aus, als würde es weniger lustig im Bundestag... maha: Es gibt natürlich Klassiker an Schimpfwörtern und da könnt ihr jetzt schon mal überlegen: Was wird so wohl als Schimpfwort gesagt? Und das Ergebnis ist aber überraschend. Der Spitzenreiter ist "Heuchler". Klingt harmlos, aber dafür kann man eben auch zur Ordnung gerufen werden. Auch für "Lügner" oder "Lügnerin". Das ist noch nicht so häufig wie "Lügner". "Idiot", "Idioten". Und jetzt kommt ein Wort, was nichts zu meinem aktiven Wortschatz gehört: "Lümmel". Es gibt noch mehr so Wörter, die nicht zum aktiven Wortschatz von Jeder und Jedem gehören, nämlich "Flegel" zum Beispiel. Gut "Deppen", das ist ein bisschen regional natürlich eingefärbt. Trottel gibt's auch. Wie man das findet? Indem man eben nach den Ordnungsrufen sucht. Und klassisch: "Arsch", "Arschloch" und "Arschlöcher" klar, die sind auf jeden Fall dabei. Ja und wenn man sowas sagt, eben auch "Heuchler" oder "Lügner", dann kann man eben zur Ordnung gerufen werden und sogar eventuell dafür Geld bezahlen müssen. Und das will man natürlich vermeiden. Und da gibts Tricks. Hier ist ein Trick von Volker Beck: sogenanntes uneigentlichen Sprechen. Er sagt: "Wenn es mir keinen Ordnungsruf eintragen würde, Herr Präseident, dann würde ich das Verhalten der Koalition glatt als Heuchelei bezeichnen." Dann kriegt er natürlich keinen Ordnungsruf, weil er das ja nicht so bezeichnet hat. Oder König der Ordnungsrufe, Herbert Wehner, bekannt ist ja seine Wortschöpfung "Übelkrähe". Er sagt... MB: Entschuldigung, ein Einwand, der sich übrigens nicht im Protokoll findet... maha: Die ist nicht im Protokoll. MB: weil sie nach Ende der Protokollierung genannt wurde. maha: Genau. MB: Also wer danach sucht, wird Wehner nicht finden. maha: Auch, dass Fischer-Zitat: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch." hat er nach Ende der Sitzung gesagt. Deshalb konnte er dafür auch nicht so richtig zur Rechenschaft gezogen werden. Aber hier jetzt Herbert Wehner innerhalb der Debatte: "Der deutsche Spießer ist ein Darm, gefüllt mit Furcht und Hoffnung, dass Gott erbarm! Sie sind ein Beweisstück dafür!" Kann man machen. Ja, hier haben wir jetzt "unerhört" – wieder so ein altmodisches Wort, was kaum jemand sagt heutzutage außer im Parlament. Im Vergleich zu "Quatsch". "Quatsch" ist nun kein neues Wort. Das gibt's auch schon lange. Aber es nimmt plötzlich zu. Also heute ist mehr Quatsch als Unerhörtes zu hören. Und damit sind wir schon beim Sprachwandel. Es gibt Veränderungen. Ja. Und da haben wir ein paar Beispiele. Zum Beispiel eins, was sich auch mit der Veränderung von Dingen, mit denen sich hier Viele beschäftigen, zu tun hat, nämlich das Fernmeldewesen. Das Fernmeldewesen wird aufgegeben zugunsten von Telekom und Telekommunikation. Man erinnert sich natürlich auch was... Privatisierung und so... Da braucht man nicht mehr so ein bürokratisches Ungetüm wie das Fernmeldewesen. Und das sieht man hier eben auch. Es wird wirklich komplett ersetzt. Ja. Und natürlich das titelgebende und das ist ersteinmal rätselhaft vom Ich zum Wir. Das glaubt man erst mal nicht. Denn man kann zum Beispiel lesen, dass der französische Staatspräsident von sich nicht mehr mit "Wir" spricht, sondern mit "Ich", dass die englische Königin jetzt sagt: "My husband and I" oder My Family an I". Also, der sogenannte Pluralis majestatis ist verschwunden. Und auch der Bescheidenheitsplural Plural modestiae ist weg. Früher schrieben Autoren nicht "Ich", sondern "Wir", um sich zurückzunehmen. Macht man auch kaum noch. Selbst wenn es mehrere Autoren in wissenschaftlichen Artikeln gibt, dann wird das irgendwie vermieden. Also "Wir" wird eigentlich eher selten gebraucht, aber plötzlich im Bundestag. Und woran liegt es? Das liegt an neuen Formen, des "Wir", das inklusive Wir, was den Angesprochenen mit einschließt. Das ist sehr praktisch, weil man gleich so eine Solidarität herstellt, und das extensive Wir, was wir mal Merkel- Wir genannt haben, wo Frau Merkel dann sagt: Wir haben die festgenommen. Und sie hat das ja natürlich nicht selbst gemacht. Oder bei der AfD. Wenn dann gesagt wird: Wir müssen die Grenzen schließen. Wieso eigentlich wir? Die AfD schließt die Grenzen nicht. Die sind nicht an der Regierung und sind auch nicht so sehr mit dem Grenzschutz befasst. Und von daher ist das ein sogenanntes extensives Wir. Aber die sind neu und werden immer stärker gebraucht und deshalb gibt es offenbar diese Verschiebung. Das hat also mit Pluralis modestiae und Pluralis majestatis nichts zu tun. Es gibt einfach mehr Wir. Es gibt eben dieses Wir-Gefühl. Die SPD hatte das ja mal als Wahlkampfparole: Das Wir entscheidet. Und dann mussten sie nicht, ob man "Wir" groß oder klein schreibt und haben alles in Großbuchstaben gemacht. Wir wissen aber: Das inklusive Wir oder vom Ich zum Wir (weil Artikel davor) – nach der neuen Rechtschreibung) immer groß. So. Terrorismus. Terrorismus. Klar, die Peaks kennen wir. Der RAF- Terrorismus zweimal und dann eben der nach 9/11 peakt hier. Aber es gibt ein anderes Wort, nämlich Terror und Terror legt plötzlich zu und überholt den Terrorismus. Was ist da passiert? Eigentlich gab es ursprünglich den Terror – Übersetzung aus dem Französischen: terreur. Was war da so ein Problem der Regierung bei Robbespierre und so. Und daraus ist das Wort Terrorismus abgeleitet. Das ist eigentlich eine Ideologie der Terrorismus. Aber gerade wenn dann Terroristen zur Tat schreiten... Eben in der Geschichte der Bundesrepublik wird von Terrorismus gesprochen, obwohl es eine Ideologie ist. Aber irgendwie ist Terrorismus zu sperrig und es gibt ein neues Terror, was sich aus Terrorismus ableitet, was aber jetzt nicht mehr ein nomen status ist, also ein Nomen oder nicht mehr so ganz, also was einen Zustand ausdrückt, sondern es geht hier tatsächlich um konkreten Terror und konkrete Anschläge. Dann wird von Terror gesprochen. Es wird aber auch von dem Zustand gesprochen, der entsteht durch solche Anschläge. Es ist also ein bisschen resultativ, aber in jedem Fall sehr konkret. Der Grund ist wahrscheinlich, dass man häufiger darüber spricht und deshalb kürzere Wörter verwenden möchte, sogenannte Zipfelgesetz: Was häufig verwendet wird, muss kurz sein und Terrorismus einfach zu viele Silben. Ja, nochmal zum Klimawandel. Und wir stellen fest: Klimawandel ist Neusprech, Klimakatastrophe ist älter und wie wir hier sehen: Das war die Geschichte mit dem Ozonloch. Da wurde von Klimakatastrophe gesprochen und wir sehen auch: Wenn Klimakatastrophe das Wort ist, wird auch was getan. FCKW wurde binnen Kurzem verboten und man hat tatsächlich etwas fürs Klima erreicht. Das Ozonloch schließt sich wieder. Jetzt ist man dazu übergegangen, einfach nicht mehr von Klimakatastrophe, sondern Klimawandel zu sprechen. Ja und da wird 2050 vielleicht irgendwas getan. Wir sehen also Sprache, hatt einen Einfluss auf das, was geschieht, hatten wir ja auch schon beim Nacktscanner. Solange über Nacktscanner gesprochen wurde, gab es keine. Und plötzlich waren es Körperscanner, Sicherheitsscanner und jetzt gibts die überall. Und hier ist es auch so und deshalb als kleiner Wunsch, als verspätetes Weihnachtsgeschenk an Journalisten, Blogger und so weiter: nicht Klimawandel schreiben. Klimakatastrophe ist glaub ich besser. Und ich habe mir einen einschlägiges Blog angeschaut, da ist tatsächlich vom Klimawandel die Rede. Und da gibt's so Tools so SID, mit denen man so etwas ändern kann. Vielleicht könnte so ein Blogger hingehen und das Wort Klimawandel immer ausstreichen und Klimakatastrophe dahinter schreiben, dann ist es auch bei Zitaten okay. Einfach mehr Klimakatastrophe und weniger Klimawandel, sonst passiert nichts. Ja. Wir hatten schon darüber gesprochen. Wie ist das mit Männern und Frauen? Und hier kann man schön sehen: bei den Ministern. Es gibt immer mehr Minister, natürlich. Deshalb wird auch immer öfter über Minister gesprochen. Und plötzlich da unten gibt es auch eine Ministerin. 1961: Elisabeth Schwarzhaupt von der CDU wird Gesundheitsministerin. Da haben wir also tatsächlich einen Wandel in der Gesellschaft und man wird auch über Ministerin gesprochen. Und das nimmt zum Glück immer zu. Und wenn wir die Tendenz verfolgen, ist das ja auch eine, die man beim Personalschlüssel sieht. Die Ministerinnen holen auf. Ja. Jetzt seid ihr dran! MB: Wir rufen mal die Webseite auf und hoffen, dass das funktioniert hier mit dem WLAN. Das ist ja nicht so ganz selbstverständlich auf dem CCC. Na, sehen Sie. Geht schon los. maha: Draufklicken. MB. Ja, versuche ich gerade. maha: Muss aber gehen. MB: Ja, wir sind zu doof. Herald: Hallo? Dann schleich ich mich mal an und moderiere eure Q&A. Wer also das Tool ausprobieren möchte, der kann sich bitte an den Mikrofonen bereithalten. Ja, Signal Angel, ich hab dich gesehen, danke. maha: Jetzt brauchen wir es noch auf dem Bildschirm. MB: Jetzt brauchen wir es noch auf dem Bildschirm. Ihr seht leider nur meinen Bildschirmhintergrund. Läuft super. lacht maha: Kann man das nicht rüberschieben? MB: Ich probier mal. maha: Muss das erstmal wieder auf den kleinen Bildschirm machen. [unverst.] Und jetzt kannst du es rüberschieben. Ich weiß nur nicht, in welche Richtung. MB: erfreut Ah! Zauberei! Applaus maha: Jetzt müssen wir da gucken MB: Ja, wir versuchen es. Nicht so schön, es ist sehr hässlich. Herald: So. Wollen wir vielleicht einfach mit Mikrofon 2 anfangen? MB: Also. Die Idee ist: Ihr ruft Wörter und wir geben die ein und gucken, was man da sieht und vielleicht reden wir ein bisschen drüber, warum man das sieht. maha: Also, wer ein Wort vorschlägt, sollte vielleicht auch versuchen, eine Erklärung abzugeben. Wir wissen es ja auch nicht. Mikro2: Ich wünsch mir "Tempolimit". MB: Ok. Mikro2: Vielleicht vergleichen mit "Geschwindigkeitsbeschränkungen" oder so. MB: "Tempolimit" haben wir, ja. Lachen Gab's schon mal. Lachen "Geschwindigkeitsbegrenzung" ist eher klein. maha: zustimmend Ja. MB: Müsste man die Beugungen dazunehmen. Ja. Publikumseinruf: "Freiheit"? MB: "Freiheit" kommt, Moment, nur noch mal gucken, ob wir zu Geschwindigkeit noch was dazukriegen. Ja. Sieht aus, als wär die schon älter, die Debatte. Hat irgendwie nie funktioniert, weiß auch nicht, warum. Vielleicht liegt es an irgendwelchen großen Industrien oder so. Herald: Dann vielleicht einmal der Signal Angel. Signal Angel: Ich hatte Fragen aus dem Chat. Herald: Achso. Signal Angel: Ich weiß nicht, ob wir das vielleicht nachher machen wollen. Herald: Wollen wir das dann...? maha: Machen wir noch ein paar Wörter und dann Fragen. MB: Ja. Herald: Gut. maha: Haben ja noch ein bisschen Zeit. MB: "Freiheit" war gewünscht. Herald: Achso. Publikumseinruf: Was ist mit "Tempolimit" eigentlich? MB: "Tempolimit" hatten wir grad. Publikumseinruf: [unverst.] MB: "Freiheit" und "Tempolimit"? Ok. Machen wir. Publikumseinruf: [unverst.] MB: Hm. maha: Hm. MB: Müder Zusammenhang. Aber wir können natürlich – nur so als Vorschlag... Oh. Die Freiheit verliert, tut mir leid. Herald: Nummer 2? maha: Sozialismus. Mikro2: Die Erklärung vorweg: Bei geschlechtsspezifischen Beleidigungen wär so die These, dass das vor allem gegen Frauen eingesetzt wurde, zumindest zum Anfang. Ich würde mich interessieren für "Emanze". MB: Ok. Machen wir mal "Emanzipation" und gucken, was passiert. Ja, also 5 Nennungen. Lachen. MB: Immerhin, ja, kann ja als Schimpfwort verstanden werden und immerhin. maha: Also, was jetzt interessant wäre, wäre die Stellen. Das ist ja nur ganz wenig. MB: Genau. maha: Da mann man schnell mal nachschlagen und dann sieht man, wer gemeint ist und warum das verwendet wurde. MB: Ins Protokoll gucken und dann sich den Zusammenhang anschauen, hilft. Herald: Dann würde ich sagen: Mikrophon 6 hinten. Mikro6: Hallo. Wie steht's denn mit der Überwachung? MB: zustimmend Hm. Sehr gut. Schlecht, fürchte ich. Ich habe mich vertippt. Ja, wird ziemlich oft thematisiert und ein großer Peak. maha: Ja. MB: Das wissen auch alle, ja? Ende 70er. Wann war die erste große, wirklich große Überwachungsdebatte in der Bundesrepublik? maha: Die größte. Publiksumseinruf: [unverst.] MB: Volkszählung, genau! Als plötzlich alle das Gefühl hatten, der Staat will wissen, wer sie sind. Aber eine Anmerkung: Wenn man sich die Skala rechts anguckt, ist die Debatte nicht sonderlich groß, tut mir leid. 2 bis 4 Nennungen pro 100.000. maha: Is nichts. MB: Wird leider nicht so oft thematisiert im Bundestag, fürchte ich. Herald: Dann Mikrofon 8 hinten, bitte. Mikro8: Ja, "Krieg" und "Kriegseinsatz", das Wort wird ja vermieden, häufig. MB: Aber ja, "Krieg" gibts. Es sind noch nicht die Kriege der Bundeswehr. Es sind die Kriege der anderen. Wenn man nach den Einsätzen... Mikro8: Einsatz MB: Einsätzen der Bundeswehr gucken will, dann muss man nach so Euphemismen schauen wie "Stabilisierungseinsatz". Lachen Applaus MB: Oder "Friedensmission". Mikro8: "Oder Afghanistaneinsatz?". Applaus MB: "Afghanistan" kommt... maha: "Afghanistan", ja. Da ist er. MB: Da ist er. Ja. Leider alle relativ klein, woran man auch sieht, dass diese Debatten um den Einsatz der Bundeswehr gar nicht so groß sind im Bundestag, wie man hoffen würde. Herald: Dann Mikrofon 7. Mikro7: Ich hätte da ein Trio, da wäre die "Wiedervereinigung", die "DDR" und die subtil andere, "sogenannte DDR". MB: Ja, dass mit der "sogenannten DDR" ist so ein bisschen schwierig. Wir haben Mühe mit den N-Grammen. Also 2 Gramme gehen, aber nicht alle. Wir können mal gucken, ob er sie findet. Nein. Publikumseinruf: Danke. MB: Ja. Tut mir leid. N-Gramme sind ein bisschen kompliziert zu bauen, gebe ich zu. Publikumseinruf: Immernoch "SBZ". MB: SBZ, ja. maha: Ne, da müssen wir "Ostzone" nehmen. MB: Ja, "Ostzone" ist häufiger, maha: Interessanter. MB: Die ist häufiger. Da ist die "Ostzone". Herald: Dann Mikrophon 5. Mikro5: Mich würde "cyber" im Vergleich zu "Internet" interessieren. Lachen maha: Ja, ist ein neues Problem. MB: Da muss man ein bisschen addieren, murmelnd Ah, "Cyberraum" ist ja auch schön, um so ein bisschen zu gucken, weil es so selten ist. Ne, also 0,8. Publikumseinruf: "Neuland dazu". maha: "Neuland" ist ganz selten. MB: Ne, gibt' schon relativ häufig, aber... Lachen MB: War halt Vieles Neuland, immer mal wieder. Ja, also bei sehr neuen Begriffen oder sehr, ich sage es mal vorsichtig in diesem Zusammenhang: Nischenbegriffen, sind die Nennung sehr gering. Also 0,8 pro 100.000 ist praktisch nichts. Da hat man eine Erwähnung in einer Rede in einem Jahr oder so. maha: So. Fragen vielleicht noch? MB: Wir haben nich Zeit, oder? maha: Ja. Herald: Wir hätten auch noch Zeit für noch ein paar Begriffe, wie ihr wollt. maha: Ja, genau. Herald: Dann die Nummer 3 bitte. Mikro3: Im Themenkomplex Fake News würde mich das auch Richtung "Ente" oder "Zeitungsente" interessieren. MB: Hm. Ist glaube ich nicht so häufig. "Zeitungsente": 26 Nennungen insgesamt. Interessant in dem Zusammenhang ist aber, wenn ich darf, dieser Vergleich: "Zeitung", "Radio", "Fernsehen", "Internet". Man sieht dann nämlich den Medienwandel. "Zeitungen" nehmen ab und "Fernsehen" nimmt ab, "Radio" ist relativ ruhig, und "Internet" nimmt zu in den Debatten. Herald: Dann an dem Mikrofon 1. Mikro1: Mich würde interessieren, wie oft das Ausland erwähnt wird oder Ausländer. MB: Ja, das Ausland als "Ausland" ziemlich oft. Ausland gibt's ja viel, wenn man im Inland ist. Lachen Applaus maha: "Ausländer" ist interessanter. MB: Interessanter ist glaub ich dein zweites, die "Ausländer". Aha. 90er Jahre – was könnte das sein? Publikumseinruf: "Asylanten". MB: "Asylanten?" Publikumseinruf: zustimmend Hm. MB: vorlesend Asyl. "Asylanten" ist nicht so häufig, eher "Asylbewerber". überrascht Ah! maha: Ja. MB: Da sind sie. Das passt: "Ausländer" und "Asylbewerber" scheint für einige Zeit synonym gewesen zu sein. Herald: Dann Mikrofon 2. Mikro2: "Google" und "Facebook". MB: Ah. Gibt's. Lachen MB: Facebook gewinnt wie immer. Lachen Publikumseinruf: "Twitter". MB: "Twitter?" Herald: Dann Mikrophon 4. MB: "Twitter" spielt keine Rolle, sorry. Publikumseinruf: [unverst.] Lachen Mikro4: Mich würde "Solidarität" interessieren. Meine These ist, dass wir das nur gelernt haben oder gehört haben im Zusammenhang mit der polnischen oppositionellen Gewerkschaft, also Solidarność, ansonsten gar nicht. Ist das richtig? MB: Könnte was dran sein. maha: Kann was dran sein. Man sieht ja, da... Publikumseinruf: Ein Peak. MB: Ja, da könnte was dran sein. Also der Anstieg in der Solidarität könnte was zu tun haben mit dem Anstieg der Nennung von Polen. Nicht schlecht. Herald: Dann Mikrofon 6. Mikro 6: Mich würde interessieren: "sexuelle Gewalt" oder "Gewalt gegen Frauen". MB: Das als 2-Gramm, das funktioniert. Ja, leider sehr selten. Also 0,4. Offensichtlich viel zu selten Thema. "Gewalt gegen Frauen" funktioniert, glaube ich, nicht, weils ein 3-Gramm wäre. "Gewalt gegen Frauen" – 3-Gramme können wir gar nicht. Publikumseinruf: "Häusliche Gewalt"? MB: "Häusliche Gewalt", ja. Ja. Ok. Interessanterweise zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Publikumseinruf: "Vergewaltigung"? MB: Also ich würde mal vermuten, dass es zwischen 1995 und 97 eine größere Debatte um sexuelle Gewalt gab, ja. Publikumseinruf: Gewalt in der Ehe. MB: Ist ein N-Gramm, zu lang. Publikumseinruf: [unverst.] Publikumseinruf: Als der Grund. MB: Aber als.. Achso, als Erklärung für die Debatte, ja, sorry, danke. Ja. Ja. Herald: Dann Mikrophon 7. Mikro7: Ja, die Begriffe "Digitalisierung" und "Automatisierung", also ob das eine vielleicht das andere ersetzt hat. Lachen maha: Die Automatisierung... Mikro7: Schade. maha: ...sieht man gar nicht. Publikumseinruf: "Roboter" passt. maha: Wie? Publikumseinruf: "Roboter" vielleicht. MB: "Roboter"? "Roboter.". maha: Auch nicht. MB: Mit Technik hat es der Bundestag nicht so. Lachen maha: Ne. Herald: Dann Mikrofon 5, bitte. Mikro5: Mich würde "Schutzlücke" interessieren, "Darknet" und "Videoüberwachung" – Also ob das nur in dem Zusammenhang vorkommt... "Schutzlücke". MB: Ne, kann ich verneinen. Die "Schutzlücke" kommt immer mal vor, wenn es generell um Ermittlungsbefugnisse geht, nicht nur beim "Darknet". Mikro5: Vielleicht nochmal "EDV"? MB: Das wäre aber sehr speziell. Lachen maha: Ist nicht mehr so. Herald: Dann Mikrophon 1, bitte. Mikro1: Da wir die "Freiheit" und die "Sicherheit" schon hatten, würde ich jetzt mal gern die "Gleichheit", die "Gleichberechtigung" und die "Gleichstellung" sehen. MB: Ein Sprachwandel. maha: Na? Du hast irgendwas falsch geschrieben. Mikro1: "Berechtigung" mit einem R. maha: Ja. Lachen Mikro1: Und einem E. Und [unverst.] lacht Lachen MB: Er ist Sprachprofessor und nicht Schreibprofessor. Lachen maha: Jetzt haben wir es. Und was war das Dritte? Mikro1: "Gleichstellung". MB: Uneindeutig. maha: UnWeindeutig, ja. Mikro1: Das war 1949 mit der Gleichberechtigung? MB: Das könnte sozusagen das Wiedererstarken der Bundesrepublik als Staat gemeint sein oder die Gleichberechtigung beider deutscher Staaten. maha: Ja. MB: Müsste man nachgucken. Aber ich fürchte, es hat nichts zu tun mit Mann und Frau. maha: Es sind halt auch wenig Belege, so dass man es wirklich gut nachschauen kann. MB: Gib mal "Hausfrau" ein! Da sieht man einen interessanten Wandel. Vielleicht hat es was damit zu tun. Mikro1: Geben Sie mal "Hausmann" ein. Anders geschrieben, mit U und zwei N. maha: Ja. Könnte man nachgucken, weil es auch wieder praktisch kaum Erwähnungen hat. MB: Fragen? Herald: Falls jemand noch Fragen hat zu dem Vortrag, wir würden gerne noch ein paar Fragen beantworten. Gibt es da welche? Da würde ich einmal dem Signal Angel... Signal Angel: Inwieweit kann man differenzieren zwischen veränderter Sprache im Bundestag über die Zeit und veränderter Arbeitsweise bzw. verändertes Vorgehen der Protokollierenden? MB: Schwierig zu beantworten, weil es selbst die aktuellen Protokollierenden nicht so ganz... Wir haben die natürlich gefragt. Das Problem ist: Die Bundestagsprotokolle waren früher viel kürzer und knapper. Es wurde offensichtlich anders protokolliert. Inzwischen wird exzessiver protokolliert, also sehr viel genauer und sehr viel vereinzelter -– so scheint es zumindest. Mehr kann ich darüber nicht so richtig sagen. maha: Also z. B. die Einführung der neuen Rechtschreibung. Das ist offenbar entschieden worden zu einem bestimmten Zeitpunkt, weil wir da ja, wir haben das ja bei Russland gesehen, ziemlich eindeutig einen Zeitpunkt haben. Aber nach der Rechtschreibreform, also 1996 war die Rechtschreibreform, 2000 ist umgestellt worden. Es sieht aber so aus – es wird ja Stenographie geschrieben – dass da offenbar man an der Tradition der Notationen irgendwie auch festgehalten hat. Aber ich kenne die Original-Stenographie nicht. Aber es sieht ein bisschen so aus, als hätte man einfach an einem Punkt entschieden: So, wir veröffentlichen das jetzt in neuer Rechtschreibung. Herald: Dann nochmal der Signal Angel. Signal Angel: Ihr habt ja ein paar interessante Korrelationen gezeigt. Habt ihr auch versucht, automatisiert nach Korrelationen zu suchen zwischen verschiedenen Wörtern? MB: Wir haben Hunderte von Begriffen da durchgerödelt, sehr, sehr viele. Man sieht da unten so eine Vorschlagsliste, unten drunter sind Vorschläge. Da sind, ich glaube, 120 Begriffe oder so, die uns irgendwie interessant erschienen bei dem ganzen Durchrödeln. Die kann man sich da anklicken und sich anzeigen lassen. Signal Angel: Ich glaube, die Frage war nach Korrelationen zwischen 2 und mehr Begriffen. MB: Wir haben überhaupt nicht nach Korrelationen gesucht, ja? Es sind keine Korrelationen. Man sieht nur Kurvenähnlichkeiten. Vorsicht! Wir haben es nicht errechnet. Und wir haben automatisiert geguckt nach: Was könnten interessante Kurven sein? Ein Teil dieser Vorschläge kommt daher. Ja. Herald: Dann Mikrofon 2. Mikro2: Ich wüsste gern, was das größere Problem ist: Linksextremismus oder Rechtsextremismus? MB: Ich weiß nicht, ob die Erwähnung im Bundestag diese Frage beantwortet. Mikro2: Was den Bundestag mehr beschäftigt und vielleicht dazugehörig, ob ein Sprachwandel stattgefunden hat vom Radikalismus zum Extremismus? maha: Ja, muss ich mal gucken. MB: Ja. maha: Das ist der Richtige, ne? MB: Ja. maha: Da guck ich nochmal. Was war das jetzt? Radi...? MB: Links- und Rechtsextremismus. maha: Erst mal Linksextremismus... Rechtsextremismus. MB: Passt. Publikumsreinruf: Terrorismus! maha: Was? Publikumsreinruf: Terrorismus! MB: Der ist viel größer. Islamismus wär dann das Pendant. maha: Ja, aber das bringt nichts. MB: Und die zweite Frage war Radikalis... Mikro2: Also jetzt nochmal: Linksradikalismus und Rechtsradikalismus. MB: Radikalismus. maha: Achso dazu? Mikro2: Ja, das man... maha: Also Linksradikalismus... aber es sind wenig Erwähnungen. MB: Ja. MB: 423, ja sind mehr. maha: Also, es ist deutlich mehr Rechtsradikalismus. MB: Ja. Herald: Dann bitte Mikrofon 4, aber eine Frage bitte. Mikro4: Ne, gibt keine Frage. Herald: Ok. Ich hab da hinten... genau... das ist Mikrofon 7. Mikro7: Ihr habt ja dargestellt, dass viele Themen älter sind als die Zuschauer hier. Seht ihr das als Problem oder kann man mit alten Themen und alten Begriffen die aktuelle Gesellschaft verbessern? MB: Ach Gott... 42. Nein, ich finde das eher beruhigend. Aus zwei Gründen. Zum einen zeigt sich darin, dass der Bundestag sich mit den Sachen beschäftigt, die auch die Menschen beschäftigen. Das ist ja schon mal nicht schlecht. Das Parlament spiegelt ja auch wider, was die Menschen bewegt, und das soll es auch. Und zum anderen: Nur weil eine Debatte schon mal geführt wurde oder ein Problem schon mal debattiert wurde, heißt es ja nicht, dass es gelöst wurde. Es musste offensichtlich nochmal debattiert werden oder anders. Oder es wurde...wird, wie sich am Beispiel Klima zeigt, jetzt viel breiter diskutiert. Früher wurde über Umwelt geredet, das ist schon sehr lokal. Da ging es um den deutschen Wald und den deutschen Boden und das deutsche Wasser. Jetzt reden wir über Klima. Das ist eine wirkliche Verbesserung. Allein schon deswegen, weil es bedeutet: Uns ist klar geworden, dass das, was wir tun, nicht nur auf unsere direkte Umwelt eine Auswirkung hat, sondern auf den ganzen Planeten. Das ist ja schon mal ein Vorsprung. Ich weiß nicht, ob das wirklich die Frage beantwortet. Mikro7: Danke sehr. Herald: Ich glaube, das war's jetzt aber auch mit den Fragen, weil wir sind am Ende der Zeit angekommen. Ich würde euch bitten, maha und Kai nochmal einen großen Applaus für diesen wunderbaren Vortrag zu geben. Applaus 36C3 Abspannmusik Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2020. Mach mit und hilf uns!