35C3 Vorspannmusik
Herald Mirko: Kommen wir zum nächsten
Thema: Die Polizeigesetze. Also ich würde
sagen, von dem, was ich bisher gelesen
habe... Demnächst heißt es, deine Nase
passt mir nicht, geh mal in den Bau. So 'ne Zeit hatten wir schon mal. Ich kann
mich erinnern, als ich jung war, ist da so
eine Mauer gefallen, und dahinter sah es
so ähnlich aus. Ich weiß nicht, ob ich das
nochmal haben möchte. Deshalb freue
ich mich sehr, dass Marie Bröckling und
Constanze Kurz – beides, wie ich es
ausdrücke, Journalisten von
Netzpolitik.org – euch heute Abend zu den
Polizeigesetzen zu sagen haben. Einen
Riesen-Applaus.
Applaus
Constanze Kurz (CK): Ja, vielen Dank, Mirko.
Wir überlegen gerade kurzfristig, ob wir
doch auf Französisch umsteigen für diesen
Vortrag, aber wir werden mal auf Deutsch
fortfahren. Wir freuen uns über das große
Interesse. Ich vermute mal, in den meisten
(also diejenigen, die deutsch sind)
Bundesländern sitzen hier Betroffene quasi.
Wir wollen ein bisschen sprechen. Zum
einen: Was steht in diesen
Polizeigesetzen? Was sind die
umstrittensten Vorhaben oder auch schon
in's Gesetz gegossene Maßnahmen und
Befugnisse? Wir wollen ein bisschen über
die Proteste reden – lohnt sich durchaus
auch – und wir haben, wie es sich für so 'nen
ordentlichen Polizeigesetze-Talk gehört,
auch ein paar schöne Forderungen am Ende,
die sich hoffentlich mit euren Wünschen
nach dem Vortrag so ein bisschen annähern.
Wir finden schon die Entwicklungen sehr
bedenklich, die sich im ganzen letzten
Jahr gezeigt haben. Und darüber wollen wir
sprechen. Warum wollen wir darüber
sprechen? Wir hatten in mehrerer Hinsicht
damit zu tun. Wir haben einerseits darüber
geschrieben – kann man bei netzpolitik.org
auch nachlesen. Das sind zum einen wir
beide, aber auch andere Mitglieder aus der
Redaktion. Wir selbst waren auch als
Sachverständige in mehreren Bundesländern.
Das heißt Marie und in meinem Fall auch
Teams, unterschiedliche Teams aus dem CCC,
haben sachverständige schriftliche
Stellungnahme abgegeben in einigen
Bundesländern. Und wir wollen auch ein
bisschen darüber sprechen: Wie läuft das
ab? Das war uns schon schon wichtig.
Genau. Wir wollen beginnen mit der Frage
der Proteste, weil wir sozusagen... Wir
beginnen mit dem Positiven und kommen dann
zu den immer fieseren Maßnahmen. Und zwar
hatten wir, glaube ich, ein bisschen Glück
dieses Jahr. Denn in Bayern war ja, wie
alle wissen, eine Landtagswahl, die
sicherlich dazu geführt hat, dass die
Proteste ein bisschen breiter waren. Und
ich muss aus meiner Perspektive sagen –
ich weiß nicht, wie Marie das sieht, aber
wir waren schon ein bisschen überrascht,
wie, glaube ich, viele Teilnehmer auch der
Demo, dass so viele kamen, und dass die
Bilder dann doch relativ beeindruckend
waren und die Politiker in der Folge auf
die große Menge der Protestierenden auch
reagieren mussten letztlich. Es ist
dennoch nicht das erste Polizeigesetz in
Bayern gewesen, sondern es gab eigentlich
bereits in Hessen eine Diskussion davor.
Da gehen wir dann später noch mal drauf
ein. Aber die Proteste, die auch
bundesweit bemerkt wurden und in der
Presse berichtet wurden, die waren
sicherlich erst in Bayern so groß. Und da
hat uns, denke ich, der Landtagswahlkampf
auch geholfen. Und wie man hier in diesen
Beispielen sieht, waren vor allen Dingen
die Spitzenpolitiker der CSU beliebte
Verhohnepieplungs-Objekte auf den
verschiedenen Plakaten, die man da finden
konnte.
Marie Bröckling (MB): Genau. Wie du gerade
meintest, der Protest war sehr groß. Es
war ja tatsächlich der größte Protest, den
Bayern seit Jahren gesehen hat. Also an
dem einen Tag in München waren es 40.000
Menschen. Das sind in Berlin Dimensionen,
die man kennt, aber in Bayern sonst nicht.
Und ich würde sagen, und da sind wir dann
ja auch schon bei der nächsten Folie
CK: Wir hatten ein paar Verbündete, die
überraschend waren.
MB: Genau, und der Protest war nicht nur
unglaublich groß, der Protest war auch
unglaublich vielfältig. Und das war vor
allen Dingen in Bayern bemerkenswert. Es
waren außer der CSU alle Parteien, die im
Landtag sitzen, beteiligt mit ihren
Gesamtverbänden und den Jugendverbänden.
Es waren darüber hinaus Gewerkschaften
beteiligt, teilweise. Und hier sehen wir
das ja, die Polizeigewerkschaften haben
sich kritisch geäußert, was ungewöhnlich
ist.
CK: Nicht alle natürlich. Wir haben ja
zwei große Polizeigewerkschaften, aber
hier der bekannte Jörg Radek von der
Gewerkschaft der Polizei war überraschend.
Und es gab noch ein paar andere, vor allen
Dingen später im Laufe des Jahres hinzu-
tretende, Protestierende. Mir waren die
eher fremd. Ich weiß nicht. Ich habe mit
der Fußballszene nicht so furchtbar viel
zu tun. Ich gehe mal einen weiter, kommen
wir gleich zurück. Später kamen noch die
Sprechchöre und die ziemlich organisierten
Fußballvereine dazu, die sich diesem
Protest anschlossen. Auch auf der Straße;
nicht nur im Fußballstadion. Wer das vor
allen Dingen in Hannover, in Niedersachsen
erlebt hat – aus meiner Sicht – war sehr
überrascht über die. Die hatten alle
gleiche Shirts. Die konnten ordentlich
singen. Die einzige, was vielleicht ein
bisschen nachteilig war: Es waren durchweg
Männer. Es wirkte so ein bisschen am
Anfang, dachte ich so: „Oh, was ist das?“.
Aber das hat sich herausgestellt als sehr
schlagkräftig. Und die sind natürlich auch
in besonderer Weise betroffen. Also, nein,
nicht schlagkräftig, nein! Nein
Gelächter
Applaus
Nein, tatsächlich waren das durchweg allesamt total positive
familienfreundliche und absolut
friedfertige Demos, wo schon alle so ein
bisschen immer gewartet haben, ob es da
irgendwo eskaliert, aber im Gegenteil. Ich
geh noch mal zurück, weil ich auf Bayern
zurückkommend nochmal kurz erwähnen will,
wie die Politik auf diese großen Proteste
reagiert hat. Und wir haben einen Orginal-
Vertreter, nämlich...
MB: Joachim Herrmann
CK: Ja, den Innenminister Joachim
Herrmann, den kennen ja sicherlich viele
noch, der uns mal erklärt – vielleicht ist
der Titel der Folie schon etwas erläuternd,
warum so viele auf die Straße gingen.
Hören wir was? Muss ich was tun? Ich
versuche es nochmal, ja? Ich habe Ton an.
Müsste eigentlich gehen. Ich versuch mal,
lauter zu machen.
Lachen im Publikum.
CK: War eine Idee. Ich versuche es mal hiermit.
Auch nicht. Aber ihr seht, hier
ist ein...Ich versuche es nochmal, ja?
Zwischenruf
Gelächter
Hmm, könnte ich einen Regiehinweis haben,
weil wir haben das Audio getestet. Der
Stecker steckt. Nochmal. Ich habe keine
Ahnung, ob es läuft. Ich hätte noch eine
andere Idee, ich probiere es auch mal
hier.
Anweisung des Technikers: Den Audioausgang auf .... umschalten
CK: Auf was umstellen?
MB: Ich habe es auch nicht gehört.
CK: Oh, der Techniker ist informiert. Please help.
Applaus im Publikum
CK: Keine anderen Fenster anklicken.
Lachen im Publikum
CK: Sowas machen wir nur abends als
Zusatz-Entertainment.
Audio spielt, Applaus im Publikum
CK: Wir gehen nochmal zurück, damit ihr
von Anfang an hören könnt, was der
wichtige Minister, der Landesinnenminister
von Bayern, zu sagen hat.
Audiowiedergabe startet
Interviewer (I): … für die innere
Sicherheit von Bayern zuständige Minister
Joachim Herrmann. Guten Morgen.
Innenminister Herrmann (IM): Guten Morgen.
I: Waren Sie überrascht, wie viele
Menschen da gestern gegen ihr Gesetz
protestiert haben? Es waren deutlich mehr
als erwartet.
IM: Ja, in der Tat, es war eine
beeindruckende Zahl. Und das war mehr als
wohl die Veranstalter selbst erwartet
haben. Das muss man Ernst nehmen. Aber ich
bin vor allen Dingen doch überrascht
davon, dass die zum Teil auch
Lügenpropaganda der letzten Wochen wohl
auch manche unbedarfte Menschen hier in
die Irre geführt hat…
CK: Also wir sehen: Der Grund für die
Proteste war die Lügenpropaganda.
MB: Und man muss ja auch dazu sagen: Wir
haben auf netzpolitik.org vorher
berichtet, und es hat mich so geärgert,
was Joachim Herrmann da von sich gegeben
hat, dass ich danach noch 2 Debunk-Artikel
geschrieben habe über das, was Joachim
Herrmann gesagt hat. Er hat dann aber
nicht noch einmal darauf geantwortet.
CK: Ich meine, die meisten werden das
Ergebnis kennen. In Bayern muss man sich
ja auch – oder jedenfalls vor der Wahl
musste man sich mit keinem Koalitionär
einigen. Das Bayerische
Parteiaufgabengesetz ist beschlossen
worden. Und Marie fand dafür eine schöne
Überschrift, die übrigens wahrhaftig ist:
Das Polizeigesetz ist mit den meisten
Befugnissen seit 1945. Die haben sich also
sehr weit aus dem Fenster gehängt. Und
die, sozusagen, nachfolgenden Länder, über
die wir auch gleich sprechen werden, oder
auch die, die davor das Polizeirecht
geändert haben, die haben diese Art von
Ausweitung immerhin nicht durchgezogen.
Wir wollen ein bisschen darauf eingehen –
über die Proteste haben wir schon
gesprochen. Die wollen wir jetzt nicht
nochmal im Einzelnen ansprechen,
sondern wir wollen vor allen Dingen
darüber reden: Was sind denn die am
meisten, auch vor allen Dingen von
Juristen, aber teilweise auch von
Technikern kritisierten Maßnahmen, die in
den Gesetzen drin stehen? Und da gehen wir
jetzt einmal durch. Wir werden nicht alle
besprechen, sondern wir werden vor allen
Dingen die umstrittenen besprechen.
MB: Genau. Und ich glaube, der zentrale
Punkt – und alle Menschen, die schon
einmal darüber gelesen haben, werden es
mitbekommen haben – ist die Figur des
Gefährders. Und in der Debatte ging es
dann immer wieder um diesen Rechtsbegriff
der "drohenden Gefahr", der jetzt mit vielen
neuen Maßnahmen belegt wurde. Ich glaube,
das kann man als Nicht-Juristin oder
Nicht-Jurist ein bisschen beiseite lassen,
sondern sich tatsächlich einfach vor Augen
führen, was … welche Idee dahinter steckt.
Und das ist die Idee des Gefährders. Also
dass wir Personen haben – und da...
CK: Kommt danach. Erst die Fußfessel.
dass wir Personen haben, die selber noch nichts
getan haben, also es ist noch keine
Straftat begangen worden; sie haben jetzt
… sie sind auch noch nicht kurz vor der
Begehung der Straftat – es zeichnet sich
also noch keine konkrete Straftat ab –,
sondern ich habe eine Person, von der ich
bloß 2 Annahmen habe. Nämlich einerseits,
dass sie gewillt ist, eine Straftat zu
begehen, und zum anderen, dass sie dazu
befähigt ist. Also dass sie grundsätzlich
in der Lage ist, das auch zu
verwirklichen. Das Wann und Wo dieser
Straftat ist mir allerdings noch nicht
bekannt. Und diese Person möchte ich jetzt
mit neuen Maßnahmen belegen. Das ist im
Prinzip der Kern vieler neuer
Polizeigesetze, die gerade beschlossen
worden sind. Okay. Das heißt, ich habe
eine Person, ich habe einen Verdacht gegen
diese Person. Sinn würde jetzt machen,
diesen Verdacht aufzuklären. Dafür gibt es
verdachtsaufklärende Maßnahmen:
Überwachung; die Person … mehr
Informationen über diese Person
herausfinden. Was man jetzt aber auch
gemacht hat – und da war Bayern das 1.
Bundesland – ist, diese Person mit
deutlich eingriffsintensiveren Maßnahmen
zu belegen. Und das ist einerseits die
elektronische Fußfessel.
CK: Weniger für Frauen, aber auch für
Frauen.
MB: Elektronische Fußfessel ist im Prinzip
nichts anderes als eine
Standortüberwachung. Die Person trägt das
am Bein, und damit kann ich dauerhaft den
Standort dieser Person … kontrollieren,
überwachen. Das ist natürlich eine total
lustige Idee bei einer Person, der ich ja
noch gar nichts vorwerfe. Ich weiß ja gar
nicht, was diese Person machen möchte. Ich
weiß auch nicht, wo sie es machen möchte.
Jetzt kontrolliere ich dauerhaft den
Standort. Da haben auch teilweise
Juristinnen und Juristen gesagt: Na, wie
soll mir das denn helfen, etwas zu
verhindern, wo ich gar nicht weiß, an
welchem Ort es stattfinden soll? Nun geht
die Person mit der Fußfessel in die U-Bahn
– und? Soll jetzt zugegriffen werden, oder
nicht? Also die Maßnahme ist in sich …
CK: Vielleicht sollte man 2 Dinge
unterscheiden: Also ich glaube, die
Sinnhaftigkeit, in gewisser Weise, dieser
Fußfessel für andere Bereiche. Also etwa
wenn jemand eine Bewährungsauflage hat,
und damit könnte ihm eine Haft erspart
sein, ja? Die erschließt sich.
MB: Stalking ist auch ein häufiges
Beispiel.
CK: Genau. Ja, auch. Aber hier geht es halt um
Gefährder, und ich will noch mal … Marie
hat eben die Definition schon gebracht.
Ich glaube, es gibt ein Auseinanderklaffen
zwischen dem normalen Sprachgebrauch und
der Tatsache, die juristisch gemeint ist.
Wenn wir von einer drohenden Gefahr reden
im Umgangsdeutsch, dann – irgendwie kommt
da was auf uns zu, was uns droht. Aber
faktisch ist die drohende Gefahr im
Juristendeutsch eine Gefahr, die sich
gerade noch nicht konkretisiert hat. Daran
macht sich die Vorverlagerung erst fest.
Das muss man also trennen von dem, wie wir
es benutzen. Und leider bei der Fußfessel
– das haben wir auch in die Stellungnahmen
geschrieben, und andere Sachverständige –
das waren übrigens zahlreiche, also
richtig dutzende Sachverständige – haben
diese Fälle auch aufgeführt. Es gibt
nämlich Fälle, wo es tatsächlich Anschläge
gegeben hat mit Angreifern, die eine
Fußfessel trugen. Also die Praktikabilität
ist in jeder Hinsicht zu bezweifeln. Aber
gleichzeitig haben sie auch technische
Fehler gemacht. Sie haben nicht in allen
Polizeigesetzen gute Regeln dafür, wie
diese Daten abgesichert sein müssen. Und
wenn ich schon so ein Ding am Bein trage,
erwarte ich zumindest, dass nicht
irgendwelche Dritte auch noch mein
Bewegungsprofil mitkriegen. Selbst da
wurden eine Menge handwerkliche Fehler
gemacht. Wobei natürlich die Tatsache,
dass man jemand, der gerade keine sich
konkretisieren diese Gefahr ausmacht, so
ein Ding ans Bein pappt, natürlich der
größere Kritikpunkt ist. Wir haben mal
Beispiele mitgebracht, wir wollen zum
einen darauf verweisen, dass die
Sachverständigen-Stellungnahmen sämtlich
öffentlich sind. Unsere sowieso, die wir
geschrieben haben. Entweder bei ccc.de
oder Maries sind öffentlich bei
netzpolitik.org. Aber fast alle
Innenausschüsse der Länder haben auch die
Stellungnahmen dort, die in der Regel von
Juristen sind, wie auch hier von Maria
Scharlau von Amnesty International, die
zwei wirklich sehr wunderbare, nicht nur
in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in
Sachsen, Stellungnahmen geschrieben hat,
die über das Verfassungsrecht sogar
hinausgehen, und die sich mit
Menschenrechten beschäftigen. Und sie hat
das, finde ich, hier sehr gut auf den
Punkt gebracht. Sie sagt: "Wir müssen uns
immer darüber bewusst sein, dass wir eben
nicht von Menschen reden, die sich einer
Straftat verdächtig gemacht haben. Wir
reden nicht von Menschen, die eine akute
Gefahr darstellen, sodass sie sozusagen
unmittelbar von der Straftatbegehung
abgehalten werden müssen. Trotzdem werden
diese Menschen eben über längere Zeit
ihrer Freiheit beraubt."
MB: Genau, ich glaube, das wäre der zweite
Punkt, wo ich jetzt... Nach der
elektronischen Fußfessel kommt jetzt
sozusagen die zweite Maßnahme mit der
Gefährderinnen und Gefährder belegt werden
sollen nach den neuen Polizeigesetzen. Und
die geht nochmal in ihrer Intensität weit
über elektronische Fußfesseln hinaus. Hier
sind wir jetzt echt in einem Bereich, das
wird gefasst in dem Polizeigesetz unter
"Präventivgewahrsam". Und was es
beschreibt, ist letztendlich nichts
anderes, als dass eine Person, die sich
hat noch nichts zu Schulden kommen lassen,
die bloß verdächtigt wird, in der Zukunft
gewillt und befähigt zu sein, eine
Straftat zu begehen, einzusperren, also
ihrer Freiheit zu berauben. Das
drastischste Mittel, was der Staat zur
Verfügung hat. Und bisher, in den... Vor
der Novellierung der Polizeigesetze
schwankte das in den meisten Bundesländern
zwischen 2-4 Tagen, ich glaube,
teilweise... ja, 48 Stunden bis 56 Stunden...
CK: Ich glaube, bis zu eine Woche, aber
auf jeden Fall war die Spannbreite nicht
groß.
MB: Und jetzt reden wir immer, wenn es um
die Novellierung der Polizeigesetze...
reden wir immer ab zwei Wochen. 2
Wochen, 4 Wochen, Bayern 3 Monate.
Also eine ganz neue Dimension und ich
finde, dazu eine kleine Anekdote
vielleicht aus NRW. Total spannend, ich
saß im Innenausschuss in NRW als
Sachverständiger und da gab es allen
Ernstes die Debatte zwischen CDU und SPD,
ob man dieser Person jetzt einen
Anwaltsbeistand gewähren soll, wenn man
sie einen Monat einsperrt. Und die SPD hat
es gefordert, die SPD fordert
Pflichtverteidiger. Das hat sich am Ende
auch durchgesetzt, das ist jetzt so in NRW
geregelt. Und tatsächlich war das
Gegenargument – und auch plausibel – "Aber
warum denn? Warum soll man dieser Person
eine Anwältin oder einen Anwalt
beiseite stellen, wir werfen ihr ja gar
nichts vor. Wogegen soll die Person sich
denn verteidigen?"
Lachen, Applaus
CK: Wir können vielleicht noch zweierlei
vorwegnehmen. NRW... das Polizeigesetz ist
mit den Änderungen, die Marie eben
beschrieben hat, insbesondere, dass sie
jetzt eben erlauben, dass man Anwälte hat,
Ende Dezember oder Mitte Dezember auch
noch in Kraft getreten. Und tatsächlich
hat sich der Vertreter der SPD, der
oppositionellen SPD, damit gebrüstet, dass
sie diese Selbstverständlichkeit eines
normalen Rechtsstaates in dieses Gesetz
gedrückt haben. Es war also eine ganz
bizarre parlamentarische Debatte. Eine
letzte Anmerkung noch zu dieser... Wir
sprechen gleich noch ein bisschen länger
über diese Ingewahrsamnahme. Wir hatten
am Anfang jetzt nicht so erzählt, dass wir
auch noch ein bisschen über das
Musterpolizeigesetz sprechen wollen. Und
das Vorhaben, was im Koalitionsvertrag der
von 2018 bis 2021 gilt, wie wir wissen,
also von unserer aktuellen schwarz-
schwarz-roten Koalition, dieses
Musterpolizeigesetz angekündigt ist. Und
tatsächlich ist diese Ingewahrsamnahme
fast der einzige Aspekt im föderalen
Polizeirecht, das ist ja Länderrecht, wo
es sehr, sehr große Unterschiede überhaupt
gibt. Das heißt, diese ganze Chimäre von
"Wir hätten" – so steht es auch im
Koalitionsvertrag -– "unterschiedliche
Zonen der Sicherheit in Deutschland." ist
Mumpitz. Jeder Polizeirechtler und jeder
gute Jurist, der darüber schreibt, weiß
das. Kann man darüber nachlesen, wird aber
immer wieder behauptet. So ähnlich, wie
wie es bei manchen anderen dieser
Argumente auch haben. Man sagt, wir hätten
unterschiedliche Zonen des Rechts, ich
kann das mal zitieren aus dem
Koalitionsvertrag: "Wir wollen keine Zonen
unterschiedlicher Sicherheit in
Deutschland. Dazu gehört eben die
Erarbeitung eines gemeinsamen
Musterpolizeirechts." Und guckt man sich
das eben genauer an, dann sieht man, dass
genau dieser Aspekt dieser Präventivhaft
also dieses "Einfach mal-wegsperren"
tatsächlich auch die einzigen wirklich
signifikanten Unterschiede sind, die wir
eigentlich haben. Also, das ist... Naja.
Aber wir wollen mal darüber noch ein
bisschen weiter sprechen. Wir haben
nämlich auch noch folgenden Gedanken, auch
aus Nordrhein-Westfalen.
MB: Genau. Jörg Ennuschat, der war bei der
ersten Anhörung in NRW, es gab zwei im
Innenausschuss, und er bringt, und das fanden
wir einen wichtigen und spannenden
Gedanken, weil viele von diesen Gedanken,
die die Sachverständigen vorbringen in den
Innenausschüssen... Es gab oft Vorschläge,
wie man Maßnahmen besser, sinnvoller
gestalten kann, gehen unter, nachdem die
Gesetze beschlossen wurden. Und hier, Jörg
Ennuschat sagt: "Was passiert, wenn sich im
Nachgang herausstellt, dass derjenige, der
in Gewahrsam genommen ist, noch nicht
einmal ein Gefährder war? Entsprechend
großzügige Entschädigungsreglungen könnten
mäßigend auf Behörden einwirken, nicht
vorschnell von der
Gewahrsamannahmemöglichkeit Gebrauch zu
machen." Hat sich nicht durchgesetzt.
CK: War schon eine Summe genannt, wie hoch
die Entschädigungen dann ausfallen sollen?
Man weiß ja, eine Haftentschädigung ist ja
extrem niedrig in Deutschland. Also, wenn
man fälschlich verurteilt wurde, zum
Beispiel. Ich weiß nicht, waren da Summen
im... ? Nein, keine Summen im Gespräch. Aber
hey, man schafft sozusagen eine
Ingewahrsamnahme und dann denkt man sich, um
mäßigend auf die Behörden einzuwirken,
aus, dass man ja eine
Entschädigungszahlung einplanen könnte.
Die ist allerdings dann so nicht kommen,
oder?
MB: Ist nicht eingetreten.
CK: Ja, jedenfalls nicht in Nordrhein-Westfalen.
MB: murmelnd ...weiter?
CK: Es wird jetzt hier niemanden überraschen. Wir
haben eine weitere Maßnahme, die in gleich
mehreren Bundesländern sozusagen neu
eingeführt wurde, nämlich verschiedene
Formen des Staatstrojaners, den wir hier
auf freier Wildbahn mal einfangen konnten.
Ich will dazu nicht so sehr viel sagen.
Weil ich glaube, dass... Der CCC arbeitet jetzt
seit 10 Jahren dazu. Wir haben zwei
Urteile aus Karlsruhe zu der Frage des
Hackings von informationstechnischen
Geräten. Aber ich will ein paar Aspekte
ansprechen, die aus meiner Sicht neu sind,
und die sich in den Diskussionen... im
Wesentlichen den Kern des Themas in den
Stellungnahmen des CCC natürlich
widerspiegeln. Zum einen eine veränderte
Situation in der IT-Sicherheit, also eine
enorme IT-Vertrauenskrise, ein sehr viel
höheres Wissen über den Markt mit IT-
Sicherheitslücken. Das ist vor allen
Dingen auf die Snowden-Jahre
zurückzuführen. Wir haben eine veränderte
Situation im Bund, wo die Firmen, die
kommerzielle Staatstrojaner anbieten, ganz
offensichtlich die Behörden erpressen,
nämlich zu sagen: "Wir geben euch weder
Quellcode noch weitere Informationen,
ansonsten könnt ihr mit jemand anders
Geschäfte machen." Das war im
Innenausschuss im Bundestag auch eine
relativ umstrittene Sache. Das ist also
eine relativ neue Situation. Erinnern will
ich auch daran, dass in der
Legislaturperiode davor der Staatstrojaner
mit mehreren Dutzend Straftaten in der
neuen Strafprozessordnung festgeschrieben
wurde. Wir haben also eine Bundesregelung,
die ohnehin sehr umstritten ist, die 4
Verfassungsbeschwerden hat. Und zwar auch
solche, die ernst zu nehmen sind, wo aber
die Bundesländer, die sich jetzt neu für
den Staatstrojaner entschieden haben, wir
haben später eine Übersicht, überhaupt
nicht Notiz von nehmen. Als wäre... hätte
die Diskussion nie stattgefunden. MB: nickend Hm.
Wir
haben da auch einige, Marie vor allen
Dingen in Nordrhein-Westfalen und ich
selbst in Niedersachsen, ein paar Szenen
erlebt, die überraschend sind, weil man
einfach denkt, da haben die Politiker in
den Landesparlamenten eine zehnjährige
Debatte einfach nicht mitbekommen, und
haben ein Wissen über dieses staatliche
Hacking, was sich aus amerikanischen
Vorabendserien speist. Erstaunlich. Also
wirklich so... Soll ich mal die...?
MB: Bitte erzähl sie uns!
CK: Also, es gab eine Szene, ich muss sie
erzählen, weil die was darüber sagt, wie
das Kenntnisniveau ist, der Politiker, die
darüber entscheiden. Es war eine Szene mit
Doris Schröder-Köpf, die für die SPD im
niedersächsischen Landtag sitzt, und zur
SPD gehört. Und ich machte einige
Vorschläge, die neu sind, weil ich auch
mal sehen wollte, wie Parlamentarier
reagieren. Unter anderem den Vorschlag,
dass man, wenn man einen Staatstrojaner
regelt, der für alle
informationstechnischen Systeme gilt, dann
sollte man vielleicht ein paar Ausnahmen
machen. Zum Beispiel Medizinalgeräte oder
Geräte, in denen man sitzt, z. B. ein Auto.
Damit man eben nicht Leben oder Gesundheit von Menschen,
die gehackt werden, staatlicherseits, gefährdet. Das schlug
ich also vor, dass man sich mal als Jurist überlegen könnte, ich bin ja kein Jurist,
können die sich ja überlegen, wie man das
eventuell in Gesetzesform bringt, sodass
man nicht durch das staatliche Hacken
Leben oder Gesundheit gefährdet. Ich habe
da so ein bisschen über WannaCry geredet,
Viele werden sich erinnern, da waren ja
viele Krankenhäuser betroffen. Wir haben
keine Eingrenzung der Definition, was ein
informationstechnisches System ist. Da
sagte Doris Schröder-Köpf zu mir: "Ja,
Frau Kurz. Wenn wir das aber machen, dann
können sich doch die Verbrecher genau die
Geräte nehmen."
Gelächter
CK: Denkt mal darüber nach, was sie da
eigentlich sagt. Das ist so eine
Vorstellung: "Ah, mit dem Staatstrojaner,
da kann man jedes Gerät hacken." Es kommt
mir halt ein bisschen vor wie in billigen
Filmen. Keine Vorstellung davon: Was ist
heute typisch? Was können die deutschen
Behörden eigentlich hacken? Und mit
welchen Mitteln? Sondern so eine
Vorstellung, so wie: "Wir hacken uns
überall rein! Und wenn wir eine
gesetzliche Grenze einbauen würden, dann
wäre das auch die technische Grenze." Das
ist natürlich der absolute Unsinn. Ich
habe ihnen da erzählt, was es
so für Betriebssysteme gibt, und wofür
jetzt zum Beispiel im Bund der
Staatstrojaner bisher vorgesehen ist, also
welche Systeme der überhaupt hacken
könnte,
was in der Standard-Leistungsbeschreibung steht.
Da ist eine große...sozusagen... wie soll man es nennen... kognitive Dissonanz zwischen was
technisch geht und was die Behörden mit
den Mitteln, die sie haben, bezahlen
können. Und was sozusagen in den Köpfen der darüber
entscheidenden Politiker sind. Das ist
sicherlich nur ein Beispiel. Mir geht es
nicht um diese Politikerin. Mir geht es um die
Vorstellung. Ich glaube, das war in
Nordrhein-Westfalen so anders nicht, oder?
MB: schulterzuckend Hm.
Das ist eine... Müssen wir damit leben,
dass wir 10 Jahre erzählt haben, was hacken
bedeutet im staatlichen Sinne, aber das so
weit ankommt als wäre das so eine Art
schwarze Magie mit Leuten mit Sturmhauben, die einhändig... na ihr wisst schon.
Ich denke wir lassen den Staatstrojaner mal
beiseite, da kann man noch sehr viel mehr
drüber sagen, wollen wir aber gar nicht.
Wir haben versucht, die Argumente
zusammenzuziehen. Und da waren keine
außerhalb von... Aber das sollte man
vielleicht auch mal bei der Gelegenheit
sagen.
MB: etwas flüsternd
CK: Ja, wir haben keine Zeit.
MB: lachend
CK: Wir müssen zum nächsten übergehen.
Wir haben auch noch andere technische Maßnahmen, die
umstritten waren. Zum einen generell die
Videoüberwachung. Aber die
Videoüberwachung nicht mehr in der
herkömmlichen Form, wie ich es mal nennen
will, sondern die Videoüberwachung, die in
eine Personenüberwachung übergeht, weil sie
biometrische Komponenten hat. Also an
allen Vorbeilaufenden irgendwelche
Körperdaten aufnimmt. Hier wird kaum
unterschieden, aus meiner Sicht. Man hat
eine große Vermischung dieser sehr
unterschiedlichen, qualitativ
unterschiedlichen Techniken. Aber da
hatten wir auch ein bisschen Hilfe, weil
über die Videoüberwachung an sich wird
relativ viel geforscht, schon lange, und
insbesondere in Niedersachsen waren auch
einige Ergebnisse solcher Studien da, die
im Wesentlichen diese ganze Argumentation
zerlegt haben. Die natürlich aber auch
ohne, wie soll man sagen, ohne ein
Hochschulstudium oder eine zweijährige
Forschung jedem klar sind, dass eine
Videokamera sich nicht zwischen Verbrecher
und Opfer stürzt. Das ist natürlich keine
neue Erkenntnis, aber...
MB: Genau, ich glaube es wurde vor allem immer
auf den Verdrängungseffekt verwiesen.
CK: nickend Ja.
Immer wenn andere Sachverständige, die
dazu empirisch geforscht haben, gesprochen
haben, ging es immer darum, was
Videoüberwachung letztendlich bewirkt. Vor
allem im Innenstadtbereich ist eine
Verdrängung von Kriminalität.
CK: Ja, genau. Aber das war nicht unser
großer Schwerpunkt. Aber deutlich war...
Zumindest mir wurde deutlich, in den
Diskussionen gar nicht mal, dass das
in alle polizeirechtlichen Regelungen reinkam,
dass eben in diese Richtung: das nennen
die so intelligente Videoüberwachung. Sie
meinen aber oft Anomalie-Erkennung oder
Biometrie. Da muss ich nicht
näher darauf eingehen. Aber das ist
sicherlich ein Bereich, auf den wir in
Zukunft auch mehr achten müssen. Es
gibt eine Klammer, Marie hat das vorhin
schon kurz angesprochen, und die ist im
Wesentlichen eigentlich der Schutz vor
Terror. Am deutlichsten war mir das jetzt
in Nordrhein-Westfalen noch, denn die
Lesung, nach der dieses Gesetz dann
beschlossen wurde, mit den Stimmen einiger
Oppositionspolitiker sogar, die war
unmittelbar nach dem Vorfall mit den
Schusswaffen in Straßburg. Und tatsächlich
stellt sich der NRW-Innenminister hin, als erstes.
Der Innenminister, der heißt Herbert Reul, aus
Nordrhein-Westfalen, stellt sich als
erstes hin und sagt: "Man darf das ja
eigentlich gar nicht sagen...", aber nimmt
sofort den Bezug sozusagen
zu dem aktuellen Anschlag. Um dann im nächsten Satz
bei Pädophilen, Hooligans und Stalkern zu sein.
Das ist so eine Klammer, ja. Eigentlich meinen sie Terroristen.
Aber guckt man genauer hin, fangen wir
eigentlich alle damit. Das ist so ein Muster.
MB: Genau. Und da war ja auch immer unser
Argument, immer wieder: Es wurde von den
Regierungsparteien immer argumentiert: Wir
machen das aufgrund... oder der Anlass
wäre die aktuelle Gefährdungslage... Und
das ist einfach zeitlich nicht zu
beweisen. Es ist einfach so nicht richtig.
Diese Welle an neuen Polizeigesetzen hat
2017 begonnen, dass jetzt alle
Bundesländer nach und nach beginnen ihre
Polizeigesetze zu novellieren. Und das ist
einfach ganz klar eine Reaktion auf
Rechtsprechung. Es gab ein Urteil vom
Bundesverfassungsgericht und daraufhin
haben alle begonnen das umzusetzen, was
dort geschaffen wurde als neuer
Rechtsbegriff. Diese Argumentation, die da
öffentlichkeitswirksam manchmal gefahren
wird, von wegen: Wir machen das, weil es
jetzt gerade diesen Anlass gab, die ist
einfach so nicht zu belegen.
CK: Er hat sich tatsächlich, also das muss
man sich mal vorstellen, stellt sich so
ein Innenminister hin und sagt: "Hätten
wir dieses Polizeigesetz gehabt – das darf
man ja nicht sagen – aber hätten wir es
gehabt, dann wären ja solche Anschläge zu
verhindern." Das ist natürlich eine
Frechheit und nicht beweisbar. Und das ist
so eine Form von "gefühlter Politik". Man
möchte dann irgendwie so eine Versicherung
abgeben.
MB: Genau. Und genau auf dieser
Argumentation von "Man hätte irgendwas
verhindern können", da haben wir auch noch
ein Audio mitgebracht, was jetzt
vielleicht funktioniert.
CK: Müssen wir, glaube ich...
Wir versuchen mal den Ton abzuspielen.
Wir werden vielleicht nachher nochmal erklären, worauf
er sich bezieht. Aber ich glaube, die
Argumentation ist jedem verständlich. Ich
versuche es nochmal, ja?
Sind die Audioengel noch...?
MB: Matthias Bäcker ist auch Jurist.
CK: Genau.
Anfang Audioeinspielung Radiosendung
Matthias Bäcker: Ich glaube, dass deswegen
das Arsenal, das
wir haben, wozu ja auch noch kommt, dass eben
Vorbereitungshandlungen zu terroristischen
Delikten schon sehr früh strafbar sind.
Dass das vollkommen ausreicht, um mit
gefährlichen Personen umzugehen. Und dass
dann vielleicht eher mal das tatsächliche
behördliche Handeln auf der Grundlage der
bestehenden rechtlichen Regelungen
kritisch evaluieren sollte, bevor man
behördliches Versagen mit einer Ausweitung
des Befugniskreises der Behörden bekämpft.
Radiomoderatorin: Matthias Bäcker war das,
Rechtswissenschaftler an der Universität
Mainz und er kritisiert...
Ende Audioeinspielung Radiosendung
Applaus
CK: Mir ist es nicht klar, wie viele sich
erinnern. Hier steht ja das Datum: Es war
im Juni. Aber da war natürlich auch, waren
die ersten Aspekte aus den
Anis-Amri-Untersuchungsausschüssen klar und wo man
die Defizite,
die ja vor allen Dingen unter den bestehenden Gesetzen
(polizeirechtlichen Regelungen)
relativ klar herauskamen. Insbesondere, dass die
Befugnisse sehr wohl bestanden,
aber dass die eben in der Praxis, er nennt es hier
Behördenversagen, quasi nicht in der
ausreichenden Weise berücksichtigt wurden,
um einen tatsächlichen Gefährder, der ja,
Anis Amri war umzingelt von V-Leuten und
wurde irgendwie gefilmt und beobachtet
über Monate. Das ist eine Form von
Versagen ist, die nicht kompensiert werden
kann durch neue Befugnisse wie blöde und
hacken. Ich finde, er hat das sehr auf den
Punkt gebracht. Damit kann man auch mal
sehr deutlich machen, dass wir in keinem
dieser Sachverständigen-Anhörungen
außerhalb von amtierenden Polizisten,
haben wir keine Juristen oder
Verfassungsrechtler getroffen, die anderer
Meinung waren. Das kann man in den
schriftlichen Stellungnahmen auch sehr gut
nachlesen. Es gab auch keinen Landtag, zu
MB Maria, ich weiß nicht, ob dir ein
Beispiel einfällt? zum Publikum wo man
dagegen argumentieren könnte, wo die mal
ordentliche Zahlen vorgelegt haben. Etwa
für den Staatstrojaner. Von wieviel
Geräten reden wir denn da? Wie oft können
Sie denn wirklich nicht an Daten ran?
Sozusagen, dass sie mal Fakten auf den
Tisch legen. Das ist im Prinzip nicht
passiert, wenn man die Begründung für die
Ausweitung der Befugnisse sieht. Also mir
fällt jedenfalls kein Landtag ein, wo man das hätte
zeigen können.
Aber jetzt gehen wir in
medias res. Wir haben eine visuelle
Präsentation für euch vorbereitet, damit
ihr einen Überblick bekommt: Wie sieht es
denn aus und damit ihr die Betroffenheit
in eurem eigenen Bundesland versteht. Und
wir wollen so ein bisschen die
Unterschiede, nicht alle, aber ein paar, in
den Bundesländern erklären. Die helleren
gelben oder weiß-gelben Flecken sind die
Bundesländer, die ihr sowieso alle aus dem
Geographie-Unterricht auswendig kennt, die
neue Polizeirechte, entweder als Entwurf
oder bereits beschlossen haben. Und wir
haben zwei Stadtstaaten, nämlich Bremen und
Berlin, gestrichen. Denn in Bremen ist der
Entwurf, der neue, zum Polizeirecht
tatsächlich nach einem politischen Streit
zurückgenommen worden. Es gab also keine
Erneuerung des Polizeirechts.
MB: Aufgrund erfolgreichen Protests.
Applaus
CK: Ja.
Ihr werdet es euch denken: Die
Parteien in Bremen stellen das etwas
anders da. Aber sei's drum.
MB: Genau – und Berlin durchgestrichen.
Berlin hat sich bisher zusammengesetzt. Es
gibt noch keinen öffentlichen Entwurf. Also
wir wissen noch nicht, was drinsteht, aber
tatsächlich gab es schon öffentliche
Stellungnahmen aus der Regierung und dort
hieß es ganz eindeutig: Man möchte großes
Vorbild werden. Berlin strebt an, das erste
neue liberale Polizeigesetz zu schaffen
und hat Großes vor. Wir sind sehr
gespannt.
CK: Berlin ist, wie ihr wisst, Rot-Rot-Grün
und bisschen anders.
MB: Was hier noch fehlt, ist das andere rot-
rot-grüne Bundesland Thüringen.
Thüringen hatte sich tatsächlich als einziges
Bundesland – aus irgendwelchen Gründen hier nicht
drauf –
aber als einziges anderes Bundesland
schon öffentlich gesagt, dass sie das
Polizeigesetz nicht novellieren möchten,
dass sie nicht vorhaben, in nächster Zeit
neue Maßnahmen in ihr Polizeigesetz
einzuarbeiten.
CK: Also wir gehen jetztsozusagen von links
nach rechts vor. Das ist nicht chronologisch.
Wir wollen nur ein paar Unterschiede
herausheben, die sich in den Bundesländern
ergeben haben, und wir wollen den
jeweiligen Status – also: Wo sind wir
gerade? – angeben. Wir haben zuerst NRW.
Da haben wir jetzt schon ein bisschen drüber
gesprochen. Das ist kurz vorm Kongress im
Parlament beschlossen worden mit der
Zustimmung der SPD mit einer ganz
bemerkenswerten Begründung. Die SPD hat
gesagt: ,,Wir machen hier jetzt... seit
Jahrzehnten sind wir hier die
Regierung in NRW und jetzt sind
die komischen Schwarzen dran, aber wir
verstehen uns als – sozusagen – Staatspolitiker und wir sind
dabei.
Wir haben hier fünf Jahrzehnte
Polizeirecht gestaltet, da stimmen wir mit."
Und natürlich haben sie auch gesagt, dass
sie alles das, was jetzt rechtsstaatlich
ist, quasi selber in dieses neue Polizeirecht
gekriegt haben. Die FDP hat sich
enthalten. Ich habe mir diese ganze Debatte
angesehen im Parlament, die wurde
gestreamt. Wir haben nachher mal
einen Ausschnitt. Die haben immer nur über Flüchtlinge geredet.
Gelächter
Zwei Redner, die haben aber im Wesentlichen über
Flüchtlinge geredet. Die Argumentation war:
Wenn wir die Flüchtlinge weg sind, haben
wir keine Kriminalität.
MB: ...und was vielleicht noch spannend
ist zu NRW zu sagen: NRW hat viel Lob dafür
bekommen, dass sie zwei Anhörungen
durchgeführt haben. Das war tatsächlich
total ungewöhnlich. Normalerweise ist ein
Gesetzgebungsprozess... Es gibt einen
Entwurf von der Regierung, dann gibt es eine
Anhörung von Expertinnen und Experten. Und
dann wird es beschlossen im Landtag oder noch
einmal leicht verändert. Und NRW hat
tatsächlich so viel Kritik abbekommen in
der ersten Anhörung. Sie haben denen das um
die Ohren gehauen, dass sie sich das danach nicht
getraut haben und das tatsächlich
nochmal geändert
haben und nochmal in eine neue Anhörung
gegeben haben. Das war spannend und ich
habe hier, weil mir das immer ein großes
Anliegen ist, nochmal eben nachgeschaut, was
spannend ist in so einer Anhörung. Also
ich war auch eingeladen in NRW in der zweiten
Anhörung im Innenausschuss. Es waren zehn
Leute insgesamt und davon waren 4
Polizisten. Das heißt: Wir haben 5 Juristen, ich und
4 Polizisten. Und das muss man sich mal
vorstellen. Weil ich finde es immer wieder, wenn
ich das Leuten erzähle, so verblüffend. Das
sind Gewerkschaftsvertreter. Das ist wie
wenn wir über ein neues Pflegegesetz reden
würden und wir würden 4
Krankenschwestern einladen mit uns da zu
sitzen und noch 6 andere Experten. Das
gibt's in keinem anderen Bereich, dass die
Leute, die das Gesetz betrifft, die es umsetzen, jetzt so
aktiv miteingebunden werden und in so
einer Überzahl auch so unverhältnismäßig
eigentlich...
CK: In Niedersachsen war es sogar noch ein
bisschen schlimmer. Da waren wir beide, aber an
unterschiedlichen Tagen in den Anhörungen. Da war es Hälfte-Hälfte. Die hatten drei Tage angesetzt,
weil sie so viele Sachverständige haben
und die Hälfte davon waren aktive
Polizisten verschiedener Polizeipräsidien,
die natürlich, verständliche, ja, total
verständliches Interesse haben. Die wollen
erstmal Verbrecher jagen und Befugnisse haben.
Aber dass man die als Sachverständige anhört in einer
eigenen Sache, ist natürlich
ungewöhnlich auch in der Menge. Wir wollen
hier auch nicht vergessen: Ist eine
schwarz gelbe Koalitio. Sieht man
immer an den Farben bei unseren schönen
Grafiken. Selbstverständlich haben die
Liberalen tatsächlich versucht darauf
Einfluss zu nehmen. Auch die Altvorderen
der Parteien, das ist sozusagen das Land von
Burkhard Hirsch und Gerhart Baum,
und haben sich dann natürlich
durch die Änderungen, die sie dann aber
beschlossen haben, auch sehr gebrüstet
damit, dass sie natürlich diejenigen sind
die die Spitzen aus diesem Polizeigesetz
entfernt haben. Okay. Wir merken uns, wir
gehen über – oder haben noch was Wichtiges
vergessen? Doch, wir haben noch was vergessen, die...
In NRW, Viele haben das mitbekommen, Vielleicht waren ja auch Einige dort, gab es ja diese kleine
Hambacher-Forst-Anomalie. Also es waren ja rela... Ja. Wir merken uns das schon mal für Nachher,
weil wir einen Ausschnitt
haben, noch aus NRW. Aber wir merken uns,
dass die fiesen Aktivisten ihre
Fingernägel verätzt haben. Weil später kommen
wir darauf zurück
Wir merken uns also: Diese Proteste im
Hambacher Forst spielen eine bedeutsame
Rolle, weil da muss man ja was tun. "Denn
es geht nicht nur gegen Extremisten
sondern auch gegen Aktivisten." Das ist
ein Zitat von Herrn Golland von der CDU –
Na gut, ok: Niedersachsen.
MB: Niedersachsen hat Anhörungen gemacht. Das
Gesetz ist noch nicht verabschiedet.
Tatsächlich ist nämlich etwas Spannendes
passiert: Es gibt im niedersächsischen
Landtag so etwas wie den
wissenschaftlichen Dienst, also Juristinnen
und Juristen, die im Landtag angestellt
sind und dafür da sind, die Abgeordneten zu
beraten, Gutachten zu erstellen. Und die
haben nun das, was im Innenausschuss
angehört wird zum Polizeigesetz und was
eigentlich dort schon besprochen wurde,
vorgelegt bekommen mit der Anweisung:
,,Macht doch daraus jetzt mal bitte Gesetz
– Gesetzestext." und die waren so: ,,Um
Gottes Willen!".
CK: Das haben die auch faktisch gesagt.
MB: Die haben ein sehr bemerkenswertes
Dokument veröffentlicht, also, was öffentlich zugänglich ist,
wo sie das tatsächlich, Stück für Stück für Stück,
auseinandernehmen. Und einzelne Sachen,
die ich eben zur elektronischen Fußfessel
gesagt habe, kamen tatsächlich auch von
denen. Wo sie auch gesagt haben: ,,Es ist für
uns nicht nachvollziehbar, was man mit
elektronischer Fußfessel bewirken möchte
bei einer Person, der ich ja noch gar nichts
Konkretes vorwerfe.
CK: ...was das helfen soll.
Naja, wir kannten dieses Konzept nicht.
Wir sind jetzt auch nicht immer dauernd in allen
Landtagen und so wär es mir auch aus keinem anderen
Landtag bekannt. Die gelten auch als... Sie sind als sehr
ordentlich arbeitend geachtet, aber sie
halten natürlich den parlamentarischen
Prozess in gewisser Weise auf. Da waren
natürlich einige der Parlamentarier
durchaus ungehalten darüber. Wir wollen...
zu anderer Person Danke.
... noch erwähnen: Rainer Wendt war hier als
Experte in einer Anhörung geladen – an dem
Tag, wo du auch da warst, ne? Offenbar ist denen auch
nichts mehr peinlich. Keine Ahnung. Naja
der hat sich... das können wir jetzt nicht noch erzählen.
Wir müssen... wir haben nicht mehr so viel Zeit.
Niedersachsen. Baden-Württemberg.
MK: Baden-Württemberg, hat 2017 schon mal
Ende Dezember 2017 das Polizeigesetz
schon mal novelliert und hat da schon einige Sachen
reingeschrieben.
Ich meine elektronische Fußfessel,
CK: Staatstrojaner
MK: Quellen-TKÜ ist schon drin und
Videoüberwachung wurde auch ausgeweitet.
Und es gibt jetzt aber noch einen neuen
Entwurf.
CK: Genau, aber da wissen wir
natürlich nicht wie es weitergeht. Ich
glaube aber, dass sich die Diskussionen
natürlich ein bisschen geändert haben
wegen der Proteste und wegen der anderen
Anhörungen. Werden wir also sehen.
MB: Hessen, da kannst du was zu sagen.
CK: Ja – Hessen war eigentlich der erste
Fall, der wirklich ein bisschen debattiert
wurde, aber es gab noch nie so große
Proteste. Hessen hat eine Anomalie,
weswegen wir uns beim CCC sehr engagiert
haben und auch die regionalen hessischen
Erfahrungsaustausch-Kreise mit einer
eigenen Website und Aktionen versucht
haben mitzuhelfen. Denn hier wollte man
erstmals einem Geheimdienst den
Staatstrojaner erlauben. Das ist Gott sei Dank
verhindert worden, aber das Polizeirecht
hat natürlich durch die Novellierung
trotzdem erhebliche neue Befugnisse
inklusive des Staatstrojaners und weitere
Erweiterungen erhalten. Auch da gibt es
eine Stellungnahme, die jeder nachlesen kann –
ccc.de. Aber auch alle anderen
Stellungnahmen von mehr als 20
Sachverständigen, die allesamt auch extrem
kritisch waren, kann man nachlesen. Dennoch
ist es im Juni verabschiedet worden
allerdings ohne Trojaner für
Geheimdienste. Immerhin. Dann haben wir
dieses schwarze Land. Jetzt ist es ja nach der Wahl nicht mehr Schwarz. Es ist jetzt schwarz-schwarz?
Weiß ich gar nicht. Also die haben ja jetzt eine Koalition.
Aber damals im Mai, als es durchgedrückt war, war ja noch eine
absolute Mehrheit der CSU.
MK: Genau. Ich glaube, auch wenn wir knapp in der Zeit
sind, zwei Sachen sind mir ganz wichtig
noch zu Bayern zu sagen. Die haben nämlich
tatsächlich eine Sondernummer gemacht. In
mehrerer Hinsicht. Also zum einen als einen
Präventivgewahrsam. Bayern ist das einzige
Bundesland, was da wirklich über alle
hinausgeschossen hat. In Bayern hat man
gedacht: 2 Wochen, 4 Wochen – das reicht
uns alles nichts. Wenn wir diese Person
für gefährlich halten und wir überhaupt
nicht wissen, was wir dir vorwerfen, dann
müssen wir sie einfach für immer
einsperren können. Man hat den sogenannten
und Unendlichkeitsgewahrsam geschaffen.
Das heißt, man kann eine Person für 3
Monate auf Verdacht hin einsperren und das
dann immer wieder um 3 Monate
verlängern natürlich immer mit einem
Richter oder Richterin, die da draufgucken
muss. Aber es gibt keine... Im Gesetz ist
keine Höchstdauer festgeschrieben.
CK: Wir warten auf den ersten Fall der
Ewigkeitsingewahrsamnahme.
MK: Die 2. Sache – und ich finde, das ist
nochmal... Bayern – erweiterte DNA-
Analyse. Vielleicht haben manche Menschen
das schon mal gehört, dass auch Bayern das
einzige Bundesland bisher, das es
eingeführt, hat und zwar gehts darum, dass
man DNA-Spuren, die gefunden werden,
untersuchen möchte und zwar möchte man
unter anderem auch auf die Hautfarbe der
Person und jetzt kommt die
,biogeografische Herkunft dieser
Personen untersuchen. Das hat für enorm
viel Protest gesorgt und es gibt eine ganz
tolle Seite, die ich empfehlen kann, von
Wissenschaftlerinnen aus Freiburg, die in
dem Bereich forschen, Genetikern, Biologen,
heißt: wie-dna.de, wo die ganz viele
Information zu dem Thema zusammengesucht
haben... irgendwie wissenschaftlich fundiertes
Material. Das ist sehr lohnenswert
CK: Also für die ist es noch schlimmer als
bei uns in der Staatstrojaner-Debatte weil da ist so viel
Unwissen unter denen, die es beschließen,
deswegen... Ist eine sehr wissenschaftliche Seite, aber sie
ist sehr lesenswert,
weil man was lernen kann
und weil es viele Mythen über die DNA-
Analyse gibt. Okay, wir haben ein Beispiel
von Mecklenburg-Vorpommern noch. Da ist zwar
kein Staatstrojaner drin, aber immerhin
gibt es da auch die elektronische Fußfessel
und Aufenthaltsverbote. Und wir können
schon oder wir ahnen schon, dass es 2019 dann
dann noch einen neuen verschärfenden
Entwurf gibt – ist schon angekündigt.
MB: Brandenburg... Rot-rote Regierung...
Die sind gerade dabei.
Es gibt schon den ersten Entwurf. In
2 Wochen gibt es die erste Anhörung.
Und in Brandenburg gibts aber auch schon ein
relativ großes Protest-Bündnis, die ziemlich
aktiv sind und die da Einiges machen. Wird
vermutlich im Frühjahr verabschiedet
werden.
CK: Ja, und enthält oder soll einen
Trojaner enthalten, ist aber eben noch
nicht geltendes Recht. Dann haben wir auch noch
Sachsen, die letzten sozusagen. Ihr habt
bestimmt schon überall gesehen. Hier
hängen die Schilder für die Demo schon mal
dran. Hier gibt es nämlich auch ein Bündnis wie
in allen Ländern, ist bereits verabschiedet,
aber ohne Trojaner. Dennoch insgesamt ein
Verschärfen des Polizeirecht.
MB: Noch nicht verabschiedet.
CK: Noch nicht verabschiedet, aber
MB: Regierungsentwurf
CK: Und die Anhörungsunterlagen
kann man nachlesen. Die sind
beim Landtag online. Also wenn ihr wollt:
Auf den Protestschildern sind auch die URL
des Bündnisses zu sehen.
MK: Jetzt kommt das versprochene Videomitschnitt.
CK: Ja, richtig. Wir haben euch
ein Beispiel mitgebracht. Wir haben eben
schon mal drüber gesprochen. Als letztes
Vielleicht als Letzes noch.
Wir wollten eine Sache, glaube ich noch
erwähnen. Wir sprachen vorhin über die
Erweiterung der Strafprozessordnung. Also dass
der Bundesgesetzgeber den Einsatz der
Staatstrojaner deutlich erweitert hat. Im
Prinzip ist diese Novellierung eine Form
von Antwort, dass das, was im Bundesrecht
erlaubt ist, jetzt auch in den Ländern mit
relativ unterschiedlichen Regelungen –
nicht in einer Essenz, aber in den Details –
und das eben nicht abgewartet wurde, wie
das Bundesverfassungsgericht in diesem
Punkt weiter vorgehen wird. Und jetzt
haben wir den wirklich sehr sympathischen
Landesinnenminister.
MK: Genau – und ich glaube man muss sich,
bevor wir es abspielen, nochmal in
Erinnerung rufen, was wir ganz zu Anfang
gesagt haben, was immer argumentiert wird
und was die Begründung immer war: ,Wir
haben steigende Kriminalität und wir haben
vor allen Dingen den internationalen
Terrorismus, der uns droht. Deswegen
brauchen wir diese neuen drastischen
Eingriffsbefugnisse. Und das ist jetzt an
dem Tag, an dem in NRW im Landtag das
Polizeigesetz verabschiedet wurde. Der
Kommentar von Innenminister Herbert Reul.
CK: Das Bild hinten ist übrigens echt. Es
sieht wirklich so aus in diesem Landtag.
Wir haben erst gedacht... Als wir den Stream
geklickt haben, dachten wir erst, das ist irgendwie eine
Zeitschalte oderso. Aber es sieht wirklich
so aus. Wir versuchen es mal mit dem Ton
und Bild.
Audio Herbert Reul: Die Informationsüberwachung,
die Überwachung von Messenger-
Diensten wie WhatsApp. Ja, und wir verlängern die
bisherige 48-Stunden-Höchstfrist bei der
Gewahrsamsstaat [unverst.]. Und zum Beispiel tun
wir das, um Identitätsfeststellung zu
organisieren. Denn 12 Stünden reichen
nicht aus, wenn jemand sich die
Fingerkuppen verklebt hat. Und wir können
doch nicht jemanden, der tatverdächtig ist,
gehen lassen, nur weil wir seine Identität
nicht feststellen können, wie das im
Moment der Fall ist. Das ist ein Drama!
Das ist überhaupt nicht rechtsstaatlich,
was da passiert im Moment. Hambacher Forst
ist doch ein Vorgang, der muss doch jeden
umtreiben! Jeder, der alle Fünf beisammen
hat, muss sagen: ,Da werden Hunderte von
Personen – tatverdächtige Personen –
überprüft und bei der Hälfte kann man die
Identität feststellen, bei den anderen
nicht und zwar weil man keine Zeit hat.
Das ist unmöglich. Es unmöglich, die Identität von 500
Personen in 12 Stunden festzustellen, wenn die sich weigern.
Gelächter
Und dann muss man sie
wieder gehen lassen. Und dann machen die
fröhlich weiter. Das macht doch keinen
Sinn! Übrigens, ob jemand
Applaus
– zur Klarstellung: Das ist nicht die böse Tat
des Staates, sondern, ob jemand in
Gewahrsam kommt, hat jeder selbst in der
Hand – im wahrsten Sinne des Wortes.
Sobald er seinen Namen und seine Adresse
nennt, ist er sofort auf freiem Fuß.
Sofort!
CK: Ist natürlich nicht, was Polizeirecht
steht. Aber damit ihr Mal einen Eindruck
von dem Niveau der Debatte aus diesen
stundenlangen parlamentarischen
Beratungen habt.
MK: Genau. Und ich finde es tatsächlich schockierend.
Ich finde es schockierend, weil ich saß
2 Wochen vorher noch im Innenausschuss
und hab gesagt, dass ich große Sorge davor
habe, dass, wenn man einmal solche Maßnahmen
schafft, dass sie in Zukunft auf andere
Personenkreise angewendet würden. Da hat
man mir noch... kam aus allen Parteien: ,,Nein, Nein
Nein. Es geht hier alles hoch
rechtsstaatlich zu." Und dann Herbert Reul
2 Wochen später wie er sagt, er möchte
das auf alle anwenden: Pädophile, Hooligans
– Störer.
CK: Aktivisten – damit ist der Hambacher
Forst vor allem gemeint.
Wir haben ein 2. Beispiel. Das war nicht mal
eine Woche danach. Da hat sich derselbe
Innenminister mit dem neuen Terror-
Fahrzeug ,,Survivor-R" filmen lassen. Also
die Aufrüstung der Polizei ist nicht nur
von den technischen Befugnissen her... Und
wir konnten uns diesen einen Kommentare hier nicht
klemmen.
Gelächter
Applaus
CK: Wer den nicht versteht, der ist nicht
aus Sachsen – hier in Sachsen haben das
sicherlich Viele mitbekommen. Aber nicht
nur das, der ist... Herbert Reul ist auch...
Gelächter
CK: Er kann nichts für seine Optik. Aber
er ist gefragt worden, ob er denn nun auch
erwartet, dass da Verfassungsbeschwerden
kommen. Und jetzt wollen wir euch mal
vorspielen, was er meint.
Anfang Audioeinspielung Radiosendung
Radiomoderator: Haben Sie Sorge, Sie
würden vom Verfassungsgerichtshof landen,
mit Ihrem Gesetzentwurf?
Herbert Reul: Das werden wir in jedem
Fall, bei solchen Gerichten, die werden
immer vorm Verfassungsgericht landen, weil
irgendjemand immer klagt. Und darum ist es
natürlich auch klug, es so zu machen, dass
man dann beim Verfassungsrichter auch
bestmögliche Chancen hat. Aber Sie
wissen ja, bei Gericht und auf hoher See:
Ganz sicher ist man nie.
Ende Audioeinspielung Radiosendung
CK: Nicht wahr, als sei es...
MB: Irgendwer klagt immer
CK: Als sei es selbstverständlich, dass
man verfassungswidrige Gesetze macht. Ist
eben so. Da kommt doch immer irgendeiner,
der Beschwerde eingelegt. Das ist
natürlich nicht so. Das ist eine
interessante Verdrehung der Tatsachen. Ich
hab' das schon oft gesagt, in den letzten
10 Jahren, wo ich mich mit irgendwie
diesen Politikern über den Staatstrojaner
streite. Der erste Interpret unserer
Verfassung ist das Parlament und nicht die
Richter, die es hinten klären. Ja, und
wenn sie nicht dauernd von den Urteilen in
ihre Gesetze kopieren würden, hätten sie
auch nicht so viele Beschwerden an der
Backe. Ja also, ich finde diese Begründung
ist geradezu... Sie ist eigentlich...
Applaus
CK: Ich empöre mich schon wieder, aber
wir haben noch 3 Minuten und jetzt
kommen unsere zentralen Forderungen, in
der Hoffnung, dass Ihr euch alle
anschließt und sie bei den nächsten Demos
laut skandiert. Kann man die skandieren?
MB: Dafür haben wir sie sehr prägnant
formuliert. lacht
CK: Also, wir bleiben dabei, und ich
glaube wir haben die besseren Argumente.
Wir haben sogar mehr bessere Argumente
bekommen, weil wir in Computern sitzen.
Nur weil die im Gesetz
informationstechnische Geräte heißen,
werden wir unsere Opposition gegen
Staatstrojaner fortsetzen. Es ist der
falsche Weg. Er ist ein Weg der IT-
Unsicherheit. Und IT-Sicherheit ist ein
Teil der inneren Sicherheit. Wir setzen
uns nach wie vor dafür ein,
dass dieser Weg, dass staatlicherseits
informationstechnische Geräte gehackt
werden, nicht gegangen wird. Und meine
Hoffnung ist nach wie vor, dass wir das
auch durchsetzen können. Mal sehen. Der
2. Bereich ist vielleicht für's Skandieren jetzt nicht so einfach, weil
der Kernbereichschutz heißt eigentlich in
juristisch... Da kommt noch die private
Lebensgestaltung daran. Ihr wisst, das
ist so ein Terminus der Juristen, der das
Höchstpersönliche meint. Und ich will das
nochmal sagen: Da geht es nicht um die
Privatssphäre, da geht es um die
Intimssphäre, um das Höchstpersönliche, was
wir auf diesen Geräten haben. Und also aus
meiner Sicht zumindest, in den Anhörungen,
wo ich selbst war, wurde sehr wenig über
dieses Höchstpersönliche geredet. Das ist
nicht wie die Privatsphäre, sondern sie
ist absolut geschützt. Egal, was ich
jemandem vorwerfe oder welche drohende
Gefahr ich sehe, in diesen Kernbereich
darf niemand eingreifen. Und aus meiner
Sicht ist diese Debatte zu schwach. Wir
müssen sie mehr betonen. Es wird jetzt
immer schwieriger mit dem Skandieren, ne
also...
MB: Grundrechtsschonende Alternativen aktiv
suchen.
CK: Tatsächlich gibt's Alternativen, auch
technischer Art, aber sie werden gar nicht
mehr debattiert. Wenn man das versucht,
als Sachverständiger vorzubringen, dass
man dieses oder jenes vielleicht probieren
könnte statt hacken, hat das wenig,
einfach wenig Resonanz. Ich glaube, da
müssen wir ganz deutlich sagen, dass wir
das fordern.
MB: Und ich glaube aber auch, weil so
viele Juristinnen und Juristen in den
Landtagen sitzen, also weil das die
absolute Mehrheit der Sachverständigen und
der Meinungen sind, die einfließen. Und da
geht es ja immer nur noch darum: Wie kann
man die Maßnahmen, über die man
diskutiert, gerade noch so rechtsstaatlich
umsetzen, statt darüber zu diskutieren,
was für technische Alternativen es gibt?
CK: Wir wollen weg von dieser gefühlten
Sicherheitspolitik. Wenn sie nicht
begründen können, warum sie eine Maßnahme
brauchen, wenn sie keine Zahlen haben,
wenn sie nicht bereit sind zu evaluieren:
Nix da, ist nicht! Also da will ich auch
nach wie vor, da will ich drauf bestehen,
dass es, was jetzt teilweise auch so
faktisch gesagt wird, ja: Das Gefühl sei
gegen, dass man ein Gesetz macht. Ich
denke, das sollten wir uns nicht verkaufen
lassen.
MB: Genau, gute Sicherheitspolitik...
Applaus
MB: ...gute Sicherheitspolitik ist nicht
nur repressiv. Ich glaube, da geht es auch
ganz klar um ein Vorgehen in den
Landtagen. Sicherheitspolitik ist nicht
nur, was in dem Polizeigesetz drin steht,
sondern wenn ich Kriminalität im
Innenstadtbereich habe, dann gibt es viele
Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken.
Raumplanerisch, städteplanerisch, aber
nicht nur darüber, dass ich da mehr
Videokameras aufhänge. Also nicht jedes
soziale Problem hat eine technische
Lösung, sondern da muss man in ganz andere
Bereiche reingehen, um da Lösungen zu
schaffen.
CK: Dann haben wir die Forderung, die wir,
glaube ich, auch...
Applaus
CK: ...die brauchen wir, glaube ich, nicht
großartig begründen, wir haben auch keine
Zeit mehr: Keine anlasslose Überwachung.
Das seh ich einfach nicht ein. In der
technisierten Welt ist das nichts, was
sozusagen eine Zukunft haben sollte. Für
alle Bereiche, ob es Biometrie ist oder
Telekommunikationsdaten, Bewegungsdaten,
whatever. Bleibt eine Forderung, die wir,
glaube ich, auch ganz gut mit
Gerichtsurteilen in Europa und in
Deutschland begründen können.
MB: zustimmend Hm.
Und wir hätten gerne die
Gesamtüberwachungsrechnung, aber wirklich!
Könnt ihr euch noch erinnern, was das war?
Wer weiß noch, was die
Gesamtüberwachungsrechnung war? Seid Ihr
noch wach? Wer weiß das noch? Oh, ich sehe
wenig Hände. Hm, okay, oh Gott, das müssen
wir jetzt ganz schnell machen. Die
Gesamtüberwachungsrechnung ist ein
Terminus aus einem Urteil vom
Bundesverfassungsgericht. Dass man nämlich
darauf blickt, wie viele verschiedene
Arten von technisierter Überwachung können
eigentlich gleichzeitig sozusagen
berücksichtigt werden. Und damit kann man
natürlich auch ganz toll widerlegen, dass
es irgendwie so Lücken gäbe. Ja, so
"growing dark". Sondern damit kann man
sehr gut ausrechnen, wie viele Aspekte
eines normalen digitalen Lebens heute
schon mit polizeilichen Befugnissen
abgegriffen werden könnten. Die würde ich
gerne mal sehen. Die Österreicher haben
das bisher gut vorgeführt. Die will ich
hier auch. Und generell glaube ich, die
Gefährderlogik müssen wir überwinden. Wir
haben das dargestellt mit der drohenden
Gefahr. Ich denke, wir sollten diese
Vorverlagerung nicht weiter dulden. Wir
haben einen letzten Punkt, den wir...
MB: Aber vielleicht noch ganz kurz zur
Gefährderlogik, weil ich das wirklich sehr
wichtig finde. Genau, diese Idee, die sich
da immer weiter zementiert, und die,
glaube ich, schon seit einer ganzen
Weile... Also, Gefährder ist eigentlich
ein Begriff, den es noch gar nicht so
lange gibt, der aber sehr populär geworden
ist, und der ja auch medial viel verwendet
wird. Und diese Idee, dass es Personen
gibt, die einfach in sich intrinsisch
gefährlich sind, ist widersprüchlich zu
einem Rechtsstaat. Ich kann nicht davon
ausgehen, dass diese Person irgendwie
durch ihre... per Natur für immer gefährlich
ist. Und dann muss ich ja zu dem Schluss
kommen, dass ich die Person für immer
einsperren muss. Diese ganze Idee, die
dahinter steckt in dem Konzept, ist total
problematisch und dem muss
entgegengewirkt werden. Ich finde da
solche Ansätze wie Unteilbar-Demos oder
andere, also in anderen politischen
Bewegungen derzeit, dass man nicht, dass
man sich nicht segregieren lässt, sondern
dass ich mir bei jeder Maßnahme vorstelle,
dass auch ich davon betroffen sein kann
und nicht diese "Anderen", diese
"Gefährder". Total wichtig.
Applaus
CK: Also ehe uns jetzt, ehe uns jetzt
Mirco von der Bühne schmeißt: Die
Kriegswaffen wollen wir schon noch
erwähnen, das betrifft vor allen Dingen
Brandenburg. Die haben nämlich
Explosivmittel in ihren Entwurf
geschrieben, die zwar sozusagen
grundsätzlich sehr vorsichtig
eingesetzt werden sollen, die... zum Beispiel
Handgranaten ist das, und so.
Womit man auch keine Personen töten oder
fluchtunfähig machen soll, aber
MB: Aber jetzt kommt's.
CK: ...falls man dazu kommt, haben sie
als Ausnahme Kinder und Schwangere schon
mal in den Entwurf geschrieben oder das
Werfen von Explosivmitteln in
Menschenmengen.
Erstaunen im Publikum
Ich glaube, es tut mir leid, da frag ich
mich doch echt: Wo sind die denn
abgebogen? Also, keine Kriegswaffen in
Polizeihand! Handgranaten, also bitte!
Okay, damit sind wir durch. Vielen Dank
für die Aufmerksamkeit.
Mirco: Nur damit Twitter gleich nicht
explodiert von wegen: "Mein Tretroller
wurde geklaut." Auf dieser Seite der Bühne
hat sich ein illegaler wilder Tretroller
Parkplatz angesammelt, der wurde umgezogen
komplett zum legalen. Und jetzt bitte
nochmal einen Riesen-, tobenden,
trampelnden Applaus.
Applaus
Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2019. Mach mit und hilf uns!