In den 1980ern lernte ein Bonobo namens Kanzi, in nie dagewesenen Ausmaß mit Menschen zu kommunizieren -- nicht durch Sprache oder Gesten, sondern mit Hilfe einer Tastatur abstrakter Symbole von Dingen und Handlungen. Er tippte auf ihr Sequenzen von Symbolen ein, um Bitten vorzubringen, mündliche Fragen von Forschern zu beantworten und Objekte zu bezeichnen, die nicht im Raum waren. Kanzis Leistungen lösten sofort eine Diskussion aus: Hatte Kanzi Sprache gelernt? Was wir Sprache nennen, ist spezifischer als Kommunikation. Durch Sprache teilen wir mit, was in uns vorgeht: Geschichten, Meinungen, Fragen, Vergangenheit oder Zukunft, imaginäre Zeiten oder Orte, Ideen. Sie ist grundsätzlich ergebnisoffen und kann eine unbegrenzte Anzahl von Dingen ausdrücken. Viele Forscher sind überzeugt, nur Menschen hätten Sprache; die Rufe und Gesten anderer Spezies zur Kommunikation seien keine Sprache. Jeder Ruf und jede Geste entsprechen generell einer bestimmten Botschaft. Das gilt für eine begrenzte Anzahl Botschaften, die nicht zu komplexeren Ideen kombiniert werden. So hat eine Affenart etwa einen speziellen Warnruf für ein bestimmtes Raubtier wie eine Schlange. Doch Sprache hat unzählige Arten, "Achtung, Schlange!" auszudrücken. Bisher erreicht wohl keine tierische Kommunikation das Potenzial menschlicher Sprache. Wir wissen nicht genau, was in Tieren vorgeht, und vermutlich gelten unsere Definition und Maßstäbe für Sprache nicht für sie. Unseres Wissens nach haben nur Menschen Sprache. Zwar existieren etwa 7.000 verschiedene Sprachen, doch kann Jedes Kind jede Sprache lernen. Demzufolge ist der biologische Mechanismus für Sprache uns allen gemeinsam. Was bedeutet also Sprache für die Menschheit? Was vermögen wir dank ihr und wie sind wir zu ihr gekommen? Niemand weiß, wann genau wir diese Fähigkeit erwarben. Schimpansen und Bonobos sind unsere nächsten lebenden Verwandten, aber die Abstammungslinie zum Menschen spaltete sich vor über 4 Millionen Jahren von anderen Menschenaffen ab. Dazwischen gab es viele inzwischen ausgestorbene Arten. Daher ist es schwierig, festzustellen, ob sie etwas wie Sprache besaßen. Doch geben Menschenaffen einen Hinweis zum Ursprung der Sprache: Sie könnte als Gesten statt als Rede begonnen haben. Frei lebende Menschenaffen kommunizieren viel mehr über Gesten als über Laute. Sprache entstand wohl vor 2 bis 3 Millionen Jahren im Pleistozän mit dem Aufkommen der Gattung Homo, die schließlich zu unserer Spezies Homo sapiens wurde. Die Gehirngröße verdreifachte sich, aufrechter Gang ermöglichte Kommunikation mit den Händen. Es gab wohl einen Übergang von gestischer Kommunikation zu gestischer Sprache -- vom Zeigen auf Objekte und der Pantomime von Handlungen -- zu effizienteren, abstrakten Gebärden. Die Abstraktion gestischer Kommunikation machte wohl das Visuelle überflüssig und schuf den Übergang zur gesprochenen Sprache. Doch dieser Übergang kam vermutlich später. Artikulierte Sprache benötigt einen besonders geformten Vokaltrakt. Selbst unsere engsten Vorfahren, Neandertaler und Denisova-Menschen, hatten keine optimalen Vokaltrakte, dafür aber wohl stimmliche Fähigkeiten und vermutlich sogar Sprache. Nur Menschen haben einen optimalen Vokaltrakt. Das gesprochene Wort macht die Hände für Werkzeugnutzung und Transport frei. So hat wohl die Entstehung des Sprechens und nicht der Sprache an sich zur Dominanz unserer Spezies geführt. Sprache hängt so eng an komplexem Denken, Wahrnehmung und motorischen Funktionen, dass ihre biologischen Ursprünge schwer festzustellen sind. Einige der größten Rätsel bleiben: Inwieweit gestaltete das Sprachvermögen die Menschheit und inwieweit gestaltete die Menschheit die Sprache? Was kam zuerst, die große Zahl vorstellbarer Szenarien oder unsere Fähigkeit, sie mitzuteilen?