Ah, die Weltmeere. Sie sind wunderschön, inspirierend und lebenswichtig. Wie ihr vermutlich wisst, sind sie auch ziemlich aufgeschmissen. Auf den Seychellen etwa haben Mensch und Klimawandel Korallenbleiche verursacht. Überfischung hat den Fischbestand dezimiert. Die Artenvielfalt ist in Gefahr. Was können wir also tun? Offenkundig muss ein Schutz her. Die Natur ist sehr widerstandsfähig. Schützt man Unterwasserwelten strategisch, kann sich das Ökosystem regenerieren. Solche Schutzgebiete zu schaffen, ist aber nicht einfach. Das erste Problem ist das "Wo?". Dieses Riff liegt inmitten internationaler Fischfangrouten, die wiederum diesen Brutplatz kreuzen. Alles greift ineinander. Maßnahmen zum Meeresschutz müssen berücksichtigen, wie die Gebiete einander beeinflussen. Das zweite Problem ist, alle ins Boot zu holen. Küstenregionen sind oft auf Fischfang und Tourismus angewiesen. Erschwert man ihnen die Arbeit, bleibt die für erfolgreichen Schutz dringend nötige lokale Unterstützung aus. Schutzgebiete müssen auch durchgesetzt werden. Die Regierung selbst muss also dahinterstehen. Symbolische Hilfe reicht nicht. Drittens kostet Schutz Geld. Viel Geld. Regierungen von Inseln und Küstenstaaten wollen ihre Gewässer schützen, sind aber oft hoch verschuldet. Naturschutz hat dann keine Priorität. Verlassen wir uns auf Spendengelder, um Schutzzonen zu errichten, gibt es vielleicht eine kleine Schutzzone hier, eine weitere dort. Aber für nachhaltige Auswirkungen brauchen wir schneller mehr Schutzgebiete. Wie genau sieht also guter Meeresschutz aus? Wie bekommt man Geld, staatliche Förderung und die Planung, die zugleich die lokale Wirtschaft und komplexe Ökosysteme berücksichtigt? Die Naturschutzorganisation The Nature Conservancy, TNC, geht mit einer kühnen Idee all diese Probleme gleichzeitig an. Gerade mithilfe ihrer Schulden sollen Inselstaaten und Küstennationen ihre Schutzziele erreichen können. Die Idee von TNC: Umschuldung. So sollen Gelder und politischer Wille zum Schutz der Riffe, Mangroven und Fischereien erzeugt werden. Wer etwa sein Haus refinanziert, um vom niedrigen Zinssatz zu profitieren, könnte mit der Ersparnis den Dachboden isolieren. Naturschutz-Blue-Bonds tun genau das für ganze Küstennationen. Sie refinanzieren Schulden und benutzen die Ersparnisse für Meeresschutzgebiete. Natürlich ist die Restrukturierung von Staatsschulden komplizierter, aber das ist die Grundidee. Für 40 Millionen investierte Dollar werden bis zu 1,6 Milliarden für den Meeresschutz frei. So wird dabei vorgegangen: Schritt eins: den Deal verhandeln. Eine Küstennation verpflichtet sich, mindestens 30 % ihres Seegebiets zu schützen. Dafür organisiert TNC die Verhandlung zwischen Investoren, internationalen Entwicklungsorganisationen und öffentlichen Geldgebern, um etwa niedrigere Zinssätze und längere Tilgungsfristen zu erzielen. Schritt zwei: einen Schutzplan erstellen. TNC entwirft zusammen mit Meeresbiologen, Regierungschefs und lokalen Stakeholdern einen detaillierten Schutzplan, der die Bedürfnisse von Meer und Mensch zusammenbringt. Schritt drei: Dauerhaftigkeit sichern. TNC richtet einen unabhängigen Treuhandfonds für den Meeresschutz ein. Die Umschuldungsersparnis fließt dort hinein und hilft neuen Schutzgebieten. Der Fonds sorgt für die Einhaltung der Regierungsverpflichtung und dafür, dass die Blue Bonds dem Meeresschutz dienen. Könnte dieser Plan aufgehen? Das ist er schon. 2016 half TNC den Seychellen bei der Entwicklung eines Schutzplans. 22 Millionen Dollar an Staatsschulden wurden umstrukturiert. Im Gegenzug willigte die Regierung ein, 30 % ihres Seegebiets zu schützen. Die Seychellen sind auf dem besten Weg, 400.000 Quadratkilometer Ozean zu schützen. Das ist etwa die Größe Deutschlands. Die Seychellen schützen ihre Korallenriffe. So erholen sich Fischgründe und der Inselstaat bekommt bessere Chancen im Klimawandel. Gleichzeitig stärken die Maßnahmen die Wirtschaft. Der Erfolg ließ andere Länder aufhorchen. Viele wollen nun mitmachen. Wir haben die Chance, das Programm drastisch und schnell auszuweiten. TNC ermittelte 20 weitere Nationen, wo so ein Programm möglich wäre. Aber es braucht Startkapital, um lokale Teams einzusetzen, die Schutzpläne entwickeln, mit Stakeholdern reden und Deals entwerfen. Bekommen sie die nötige Hilfe in den nächsten 5 Jahren, könnten sie vier Millionen Quadratkilometer Ozean schützen. Das ist Deutschland mal zehn. Die Anzahl an Schutzgebieten in den Weltmeeren würde um unglaubliche 15 % steigen. Riesige Korallenriffe könnten sich erholen und unzähligen Arten eine Heimat bieten. Das wäre wahrlich unglaublich. Wir stehen noch ganz am Anfang. Denn diese Art der Umschuldung ist nicht nur in 20 Ländern möglich, sondern in beinahe 100. Mit diesem Ansatz gewinnt jeder: Regierungen, Einheimische, Geldgeber und vor allem unsere Ozeane. Im Grunde gewinnen wir also alle. Ah, die Weltmeere. [Das kühne Projekt]