34C3 Vorspannmusik
Herald: Unsere nächste Speakerin, die
Kristin Pietrzyk, die tut wat.
Die macht wat, gegen rechts zum Beispiel.
Die sacht gleich wat
Applaus
und wenn man zu Ihr kommt, denk
und wenn man zu ihr
kommt, denk ich, hört sie auch gut zu.
Als Rechtsanwältin ist sie überwiegend
eben
gegen Rechts unterwegs, vertritt
Aktivisten aus der linken Szene und wird
uns jetzt ein bisschen mehr erzählen zu
den Geschehnissen rund um das Verbot von
linksunten.indymedia.org. Und ja ... also
... Hört auch mal gut zu jetzt. Und
danach: Sacht wat und tut wat. Viel Saß
und ein Riesenapplaus an Kristin.
Applaus
Kristin: Hallo. Ich bin ja schon
vorgestellt worden. Das erspare ich mir
dann, das nochmal zu wiederholen. Ich
danke für die Möglichkeit, hier sprechen
zu dürfen zum Verbot von
linksunten.indymedia.org. Ich bin
Rechtsanwältin. Ich muss ein paar Sachen
vorweg schicken. Erstens: Rechtsanwälte
oder Juristen an sich sprechen gerne in
Abkürzungen. Das werde ich auch tun. Ich
werde einmal das ausgesprochen ... Also
zum Beispiel wenn ich BMI sage, dann meine
ich das Bundesministerium des Innern. Aber
um uns Zeit zu sparen, werde ich
Abkürzungen dann verwenden. Aber ich werde
es einmal vollumfänglich aussprechen
vorher immer. Und ich stehe hier zwar
allein, aber ich stehe hier
stellvertretend für ein sehr engagiertes
Anwaltsteam, was sich mit dem Verbot von
linksunten beschäftigt. Ein Kollege heißt
genauso wie dieser Saal hier. Damit hab
ich mir jetzt einen Schnaps verdient bei
ihm. lacht
Applaus
Und ich will so einen ... vielleicht so
einen Aktualitäts- und so einen
Technikdisclaimer vorwegschicken. Der
Vortrag basiert auf den Erkenntnissen zum
Verbot, die wir bis dato haben. Das kann
in drei Monaten ganz anders aussehen. Da
können sich Fakten ändern. Da können
Erkenntnislagen anders sein. Also wenn Ihr
euch das später nochmal anschaut: Einfach
das ein bisschen mit beachten. *räuspert
sich* Pardon. Und nicht einfach sagen:
„Das stand doch aber jetzt in der taz
irgendwie ganz anders.“ Und Technik: Ich
bin Geisteswissenschaftlerin. Bitte fragt
mich nichts zu Technik. Das ist alles
angehörtes, anggelesenes Wissen. Ich bitte
das einfach zu entschuldigen und an die
richtigen Personen, die euch diese Fragen
wirklich qualifiziert beantworten können,
zu richten. Linksunten war eine
linksradikale Open-Posting-Plattform.
Warum war? Sie ist verboten wurden. Und
eins möchte ich ganz deutlich vorwegnehmen
und klarstellen. Linksunten war - und ich
sage bewusst „war“, weil es das nicht mehr
gibt - ein Pressemedium und wurde von der
Pressefreiheit auch geschützt, von dem
Grundrecht der Pressefreiheit. Das hat das
Bundesverfassungsgericht bereits 1988, wo
von ... Indymedia noch gar nicht zu
reden war, schon so entschieden. Zwar
nicht auf Indymedia bezogen, aber auf
Pressedienstleister, die Presseerzeugnisse
vertreiben. Und dass das so ist und das
eigentlich Ihr alle hier in diesem Saal
meine Sorge um den Rechtsstaat, der dieses
Verbot durchgeführt hat, teilen solltet,
soll euch dieser Vortrag zeigen. Es gibt
einen Unterschied zwischen Vereinen und
Vereinigungen. Vereinigungen sind ein
loser Zusammenschluss. Vereine gründen
sich, geben sich eine Satzung, lassen sich
eintragen mit mindestens sieben
Mitgliedern ins Vereinsregister des
zuständigen Amtsgerichts. Das ist ein
bürokratischer Akt, dem eine bewusste
Entscheidung, sich dem unterwerfen zu
wollen, vorangeht. Viele hier in diesem
Raum werden sich vielleicht noch erinnern,
dass es auch beim CCC diesen
bürokratischen Akt gab. Und zwar begründet
im Jahr 1986. Denn in diesem Jahr
passierte etwas, was die Aktivitäten von
vielleicht vielen hier im Raum maßgeblich
beeinflusst hat. Nämlich das Zweite
Wirtschaftskriminalität-Gesetz.
Verwunderlich, dass bereits ’86 das
Ausspähen von Daten, der Computerbetrug,
die Datenveränderung und die
Computersabotage unter Strafe gestellt
worden sind. Das eine Mal war das
Strafgesetzbuch den Zeiten voraus. Aber so
war es nunmal. Daher stammt auch das
Zitat: „Der CCC musste sich jetzt
entscheiden, ob er nach 129a“, das ist
juristisch ein bisschen unsauber, das
müsste 129 sein, „des StGB als kriminelle
Vereinigung oder als e. V. weitermachen
wollte. Man entschied sich für Zweiteres.“
Applaus, Sprecherin lacht
Aber nicht alle so genannten „Vereine“,
und ich setze das bewusst in diese
Tüddelchen, hatten die Wahl, ein Verein
sein zu wollen oder zu sein. Denn die
Voraussetzungen gegen Vereinigungen,
nämlich eine einfache Personenmehrheit, im
Rahmen des Vereinsgesetz vorzugehen, ist
relativ niedrig. Es reicht ein
Personenzusammenschluss mit mehr als zwei
Personen zur gemeinsamen Zweckverfolgung,
und dies kann auch konkludent, also ohne
eine verbalisierte Zweckverfolgung,
Zweckfestsetzung, sondern allein durch
schlüssiges Handeln geschehen. Damit kann
das Vereinsgesetz wie im Fall von
linksunten räuspert sich auch auf Vereinigungen
angewendet werden, um diese abseits des
Strafrechts zu reglementieren. Und so
geschah es auch. Mit dieser
Verbotsverfügung verbat das, verbat das
Bundesministerium des Innern den Verein
linksunten.indymedia mit der Begründung,
er laufe dem Zweck und der Tätigkeit nach
den Strafgesetzen zuwider und richte sich
gegen die verfassungsgemäße Ordnung. Damit
war der Verein verboten und aufgelöst. Das
war im Übrigen das erste Verbot eines
Vereins, der nicht eingetragen war und dem
linksradikalen Spektrum zugeordnet wurde,
den das BMI jemals erlassen hat. In diesem
Vortrag wollen wir uns mit drei Teilen
beschäftigen. Zum einen der Repression.
Wie lief das Verbot ab? Welche Behörden
waren beteiligt? Und welche Methoden
wurden angewandt? Was war linksunten
eigentlich? Was ist Indymedia? Welche
Inhalte wurden verbreitet? Wer war das
Publikum? Und war es das erste Mal, dass
repressiv gegen linke Presse vorgegangen
wurde? Was passiert gerade? Und wie wird
die Zukunft aussehen? Das ist ein BMW.
lacht Ah, Ihr kennt das Video.
Gelächter, Applaus
Warum dieses Bild? Dieses Bild, es könnte
auch ein Mercedes sein.
Gelächter, Applaus
Dieses Bild ist symbolhaft für die
Situation im Sommer 2017. Es soll Emotion
und es soll Bedürfnisse beim Betrachter
wecken in die eine oder andere Richtung.
Und diese Situation im Sommer 2017 ist
sehr wichtig, wenn man das Verbot von
linksunten politisch einordnen will. Wir
haben den G20-Gipfel in Hamburg Anfang
Juli 2017. Es gibt militante Proteste, und
die Polizei versagt. Warum sage ich die
Polizei versagt? Die Polizei hat es
geschafft, mehrere Wochen vorher
Anwohnerinnen und Anwohner durch
Personenkontrollen, Identitätsfeststellung
Durchsuchung von Sachen über eine gewisse
Dauer zu gängeln. Was sie aber nicht
geschafft hat, ist diese gleichen Anwohner
in den Tagen, wo sie sich allein gefühlt
haben, eben nicht dieses Gefühl zu
vermitteln. Weiterhin bekannt und durch
Medien sehr weit verbreitet: massenhafte
Polizeigewalt. Beinbrüche, offene
Beinbrüche. Ich war selber in der
Gefangenensammelstelle. Wir haben fast
niemanden gesehen, der inhaftiert war, der
nicht lädiert war oder sogar einen offenen
Bruch hatte. Damit gerät die Politik unter
Druck von Presse und öffentlichkeit. Und
wir befinden uns im Wahlkampf. Ende
September steht die Bundestagswahl an. Die
CDU sieht sich Wahlverlusten oder
drohenden Wahlverlusten zugunsten der AfD
gegenüber. Denn genau in ihrem
Kernbereichsthema der inneren Sicherheit
hat sie durch den G20 schweren Schaden
genommen. Deswegen erlässt, unter anderem,
am 14. August der Bundesinnenminister das
Verbot gegen indymedia.linksunten. Am 25.
August wird das Verbot vollzogen, und das
LKA Baden-Württemberg macht Razzien in
vier Wohnungen und der KTS, einem
linksautonomen Zentrum. Gleichzeitig am
oder nicht gleichzeitig am 25. August geht
linksunten.indymedia.org offline. Bei der
mittäglichen Pressekonferenz, als der
Innenminister seinen Erfolg und seinen
Schlag gegen Links verkündet, sagt er
noch, es gebe Probleme, die Homepage
abzuschalten. Welche Behörden waren
beteiligt an der Vollziehung und am Erlass
des Verbots? Es tut mir leid, ich muss
zwischendurch immer mal ein bisschen
trinken. Zum einen das
Bundesinnenministerium. Klar, es erlässt
das Vereinsverbot. Das Vereinsverbot ist
eines strafrechtsähnliche Repression, die
aber eigentlich im Verwaltungsrecht
stattfindet. Dennoch können
Durchsuchungen, Beschlagnahmungen und
andere Maßnahmen durchgeführt werden. Aber
es ist eigentlich ein Fremdkörper im ganz
drögen Verwaltungsrecht. Wenn man die
Verbotsverfügung sich anschaut, dann sieht
man sehr wohl, dass das
Bundesinnenministerium die Problematik
gesehen hat, dass es sich bei linksunten
um ein Pressemedium handelt. Aber es
reicht ihnen eine, 1,5 Seiten, um darüber
hinweg zu gehen und sagen, zu sagen,
zusammengefasst: „linksunten ist so
schlimm, dass die sich nicht auf die
Pressefreiheit berufen können sollen.“
Richtiger wäre aber eigentlich nach
unserer Ansicht gewesen, nach dem
Telemediengesetz gegen linksunten
vorzugehen, wenn man es denn vorgehabt
hätte. Einzelne Beiträge auf ihre
Strafrechtswidrigkeit zu prüfen und die
dann offline zu nehmen. Diesen Weg hat man
nicht gewählt. Warum auch? Kein
Bundesinnenminister stellt sich vor eine
Kamera und sagt: „Hallo, wir haben
dreihundert Beiträge auf linksunten runter
genommen. Jetzt feiert unseren Erfolg.“
Ein Vereinsverbot mit Razzien ist da
wesentlich öffentlichkeitswirksamer. Gegen
dieses Verbot klagen wir vor dem
Bundesverwaltungsgericht. Das tut im
Übrigen jeder Betroffene einzeln und für
sich allein. Warum vor dem
Bundesverwaltungsgericht? Weil eine
Bundesbehörde dieses Verbot erlassen hat.
Ich sage jetzt etwas, das wirkt etwas
dröge und es wirkt auch etwas komisch,
wenn Anwälte das sagen. Aber ich bitte
euch, ein bisschen mitzurechnen. Denn jede
einzelne dieser fünf Klagen kostet 750
Euro Gerichtskosten an das Gericht. Nicht
an Anwälte, sondern nur, damit das Gericht
sich damit beschäftigt. Und das mal fünf.
Wir sind also in diesem Moment schon bei
Kosten von 3750 Euro. Die Post wird
beschlagnahmt der Betroffenen. Woher
wissen wir das? Wir wissen es erst seit
Kurzem, weil die Beschlüsse erst nach
Abschluss der Maßnahme zugestellt werden
und die Betroffenen informiert werden. Wir
haben es aber geahnt. Bei allem Respekt
für die Post und bei aller Kritik, die man
haben kann an ihr. Aber ich glaube bei
Weitem nicht, dass ein Brief von mir an
meinen Mandanten zwei Wochen braucht und
dann mit einer Nummer beschriftet ist.
Lachen
Auch dagegen klagen wir vor
Verwaltungsgerichten. Insbesondere auch,
weil diese Art von Post beschlagnahmt
worden ist. Und ich bin mir relativ
sicher, dass Anwälte ihre Adressen und das
Wort „Rechtsanwaltskanzlei“ genügend groß
auf die Umschläge geschrieben haben. Auch
diese Klagen kosten Geld. E-Mails sind
beschlagnahmt worden. Das heißt, man tritt
an den Provider heran mit einem Beschluss
eines Verwaltungsgerichts. Der Nutzer
dieser E-Mail-Adresse bekommt davon
überhaupt nichts mehr mit. Und alle
Inhalte des Speichers, das Postfach sowie
alle ausgehenden und eingehenden
Nachrichten sowie deren Anhänge werden
gesichert, beschlagnahmt und zur
Durchsicht weitergeleitet an eine Behörde.
Wir wissen von großen Providern, die
diesen Beschluss erhalten haben. Die haben
die Möglichkeit, dagegen Rechtsmittel
einzulegen. Keiner von ihnen hat unserer
Kenntnis nach sich in irgendeiner Art und
Weise gegen diese Maßnahme gewehrt. Auch
dagegen klagen wir vor verschiedenen
Verwaltungsgerichten. Auch da wieder
werden ungefähr 350 Euro Gerichtskosten
pro einzelner Beschlagnahmungsmaßnahme
fällig. Kommt jemand noch mit mit Rechnen?
Wir sind, glaube ich, mittlerweile bei über
20.000 Euro reine Gerichtskosten. Weiterhin
beteiligt: das Landeskriminalamt Baden-
Württemberg. Es führte die Razzien in vier
Wohnungen und der KTS durch. Auch gegen
die Art und Weise dieser Razzien laufen
Klagen. Ich muss mich nicht wiederholen.
Ihr wisst jetzt, was die Gerichtskosten
kosten. Es führt die Sicherstellung von
Vereinsvermögen bei dritten Personen
durch. Auch dagegen: Klagen vor den
Verwaltungsgerichten. Gegen jede einzelne
Maßnahme muss der jeweils einzelne
Betroffene eine einzelne Klage einreichen.
Was machen sie noch? Sie beschlagnahmen
vermeintliches Vereinsvermögen. Das ist
die wirklich, tatsächlich in den
Lebensalltag der Betroffenen
einschneidende Maßnahme. Handys, Tablets,
Rechner, Server, Bargeld, Zeitschriften,
Notizbücher, Fotos, alles wird
mitgenommen. Wir sind hier bei einem
Schadenswert von zirka 80.000 Euro bei den
Betroffenen insgesamt. Auch dagegen:
Klagen vor den Verwaltungsgerichten wieder
mit 350 Gerichtskosten pro einzelner
Klage. Was macht das LKA Baden-Württemberg
noch? Es wertet die technischen Asservate
aus. Bislang haben wir keinen Hinweis
darauf, dass die komplett verschlüsselte
IT-Technik in irgendeiner Art und Weise
geknackt worden ist.
Applaus
Aber das kann sich noch ändern. Wir gehen
nicht davon aus, aber wer weiß. Außerdem
werten sie die Post und E-Mails aus. Das
heißt: Jeder Brief wird gelesen. Jede
E-Mail wird gelesen. Jeder Anhang wird
sich angeschaut. Der Eingriff in die
Intimsphäre der Betroffenen ist schier
unermesslich. Auch mit im Boot: Das LfV,
also das Landesamt für Verfassungsschutz
Baden-Württemberg. Sie haben linksunten
beobachtet. Was heißt beobachten bei einem
Landesamt für Verfassungsschutz? Lesen und
ausdrucken, nicht nur lesen. Sie haben es
gelesen und ausgedruckt und haben
natürlich auch Informationen zu den
Betroffenen gesammelt. Das wissen wir aus
Auskunftsersuchen, die mangelhaft sind,
also nicht vollständig. Das wissen wir
auch aus diesen Akten. Auch dagegen Klagen
vor den Verwaltungsgerichten. Es liefen
außerdem G10-Maßnahmen. G10-Maßnahmen sind
Maßnahmen nach dem G10-Gesetz. G10-Gesetz
heißt es, weil es das Grundrecht aus
Artikel 10, nämlich das
Fernmeldegeheimnis, einschränkt. Das ist
alles, was auch Postbeschlagnahmungen,
Telekommunikationsüberwachung et cetera
umfasst. Es gab Observationen. Und aus
alldem hat das LfV Baden-Württemberg eine
Einordnung durchgeführt, die sie in
sogenannten Behördenzeugnissen
niedergelegt hat. Also: Da tauchen Worte
auf wie „nach nachrichtendienstlicher
Erfahrung“. „Es ist doch offensichtlich,
dass“. Sie könnten es auch überschreiben
mit „wir meinen ... wir denken ...“.
Daraus wird aber ein „Wir wissen, dass wir
linksunten verbieten werden“. Und wer
natürlich auch nicht im Boot fehlen kann:
das BfV, das Bundesamt für
Verfassungsschutz. Diese nehmen die
Auswerteberichte des LfV Baden-
Württemberg, fassen Sie zusammen, machen
eigene Beobachtungen, heißt: lesen und
ausdrucken. Auch das wissen wir aus
Auskunftsersuchen. Und sie haben das. Sie
haben einen Spitzel. Oder wie wir es
nennen: eine V-Person. Das heißt, eine
menschliche Quelle, die zu Erkenntnissen
zu linksunten berichtet. Woher wissen wir
das? Wir können Fußnoten lesen. Das lassen
sie alles einfließen in eine Auswertung.
Dazu nehmen sie noch die nichttechnischen
Asservate, wie es so schön heißt. Das
heißt, die Notizbücher, die Sticker, die
Zeitschriftensammlungen, und werden das
alles nochmals dem Bundesministerium des
Innern vorlegen, um dann ihre
abschließende Auswertung zu linksunten zu
geben. Was sie aus einer Sammlung des
Antifa-Info-Blattes lesen wollen oder aus
Stickern, wird wahrscheinlich sehr
spannend werden. Da arbeiten sie natürlich
eng mit dem LKA zusammen, denn diese
werten die technischen Asservate, sofern
sie denn irgendwann in der Lage dazu sind,
aus. Wenn sie da nicht weiterkommen,
werden sie mit Sicherheit die
Bundespolizei ... das ist ein bisschen auf der
Folie falsch bezeichnet, also eher das BKA
um Hilfe bei der Entschlüsselung bitten.
Aus meiner Erfahrung heraus läuft es dann
eher so. dass das BKA sagt: „Naja, kommt
mal in zehn Jahren nochmal.“ Es gibt
verschiedene Methoden der Repression.
Diese laufen gegen linksunten. Aber es
wird auch eine geben, die mit linksunten
gelaufen ist. Nummer 1: Eine der vom Verbot
und den Razzien betroffenen Personen war
2011 auf dem CCC-Congress in Berlin und
legte das von Ihr genutzte ... die von Ihr
genutzte SIM-Karte in eine Vorrichtung,
die in der Lage war den GSM-Traffic per
Software-Firmware auszulesen. Hier das
angelesene und erzählte Wissen. Hier sieht
man einen - Obacht - Wireshark-Screenshot.
Lacht, Applaus und Gelächter
Möchte mich übrigens bei den Personen
bedanken, die mir das alles erzählen und
versuchen, verständlich zu machen und dann
in mein ausdrucksloses Gesicht blicken.
Jubel und Applaus
Also hier sieht man diesen Wireshark-
Screenshot der stillen SMS, die damals an
diese Person gesendet wurde. Diese stillen
SMS werden von Behörden benutzt, um den
Standort der angesimsten Person zu
ermitteln. Das heißt, bereits 2011, vor
sechs Jahren war diese Person schon
interessant für irgendeine
Sicherheitsbehörde. Es gab so bei der KTS,
die ich schon erwähnt habe, die auch von
den Razzien betroffen war, eine
Kameraüberwachung. Ende 2014 wurde
öffentlich zu einem linksunten-Treffen in
der KTS eingeladen. Kurz vor dem Treffen
wurde dann eine Videokamera in einem 300
Meter entfernten Haus gesehen, die auf die
KTS gerichtet war. Das Treffen fand dann
nicht statt. Dieses Foto wurde mit einem
starken Teleobjektiv und einer
Langzeitbelichtung aufgenommen. Eine
mutmaßliche Wanze. Aus Neugierde fuhren
zwei Betroffene nach der Razzia mit
gepackten Koffern nach Frankreich und
unterhielten sich in ihrem Auto über die
lange Reise in die Sonne. Tatsächlich war
die lange Reise ein Kaffee in Frankreich,
der hoffentlich gut war, kurz hinter der
Grenze. Aber auf dem Rückweg entdeckten
sie eine aufgebrochene
Innenraumverkleidung ihres Fahrzeugs. Es
gab keinerlei Einbruchsspuren, keine
Wertsachen waren entwendet. Und das lässt
den Verdacht aufkeimen, dass es sich
möglicherweise um die Installation oder
den Installationsversuch oder die Entnahme
einer so genannten Innenraumüberwachung
oder eines Trackers handelte. Jetzt die
lustige Repressionsmethode mit linksunten:
BKA macht auf Antifa. Das BKA hatte im
Sommer 2014 den führenden Kopf des
Naziforums thiazi.net ein vom BKA selbst
verfasstes Outing zugeschickt. Das BKA
rief daraufhin den Thiazichef kurz vor
fünf Uhr morgens an und sagte sinngemäß:
„Ey Du Nazi, hier ist die Antifa, wir
outen Dich heute und wir haben dir das
Outing schon mal vorweg als persönliche
Nachricht im Thiazi-Forum zugeschickt.“
Was passiert? Kurz darauf stürmt die GSG9
die Wohnung und überwältigt den
Thiazichef, der in Unterwäsche vor seinem
entschlüsselten Rechner saß. Dann kamen
die IT-Forensiker und schrieben ihren IT-
Beweis–, -Beweissicherungsbericht. Im
Gegensatz zu linksunten zumindest nach
unserem derzeitigem Kenntnisstand wurde
gegen Thiazi nach Paragraf 129, also
Bildung einer kriminellen Vereinigung
ermittelt. Paragraf 129, kann man einen
eigenen Vortrag füllen, ist ein sogenannter
Struktur-Ermittlungsparagraf zur
Verfolgung von solchen Vereinigungen. Es
gibt weniger Anklagen, es wird aber mehr
derzeit. Aber die bereits sehr
niedrigschwellig eintretenden
Überwachungsmöglichkeiten in einem sehr
frühen Ermittlungsstadium und die langen
Verjährungsfristen macht es besonders
attraktiv für die Ermittlungsbehörden. Das
BKA erfasste minutiös dann den Zustand des
entschlüsselten Rechners, so dass man
Folgendes nachvollziehen kann. Im ersten
Tab war die persönliche Nachricht des BKA,
übrigens total cleverer Nickname,
SleipnirXXX, offen. Der zweite Tab ist
uninteressant. Im dritten Tab war dann ein
Artikel auf linksunten. Der bestand aus
einem Screenshot, den die Grinsekatze
gepostet hatte. Dort war ein interner
Kommentar des Thiazichef alias White Pride
MP3 aus dem internen Bereich des
Naziforums zu sehen, in dem er sich
angesichts eines Antifa-Outings über
Schutzmaßnahmen über das, für das Forum
Gedanken machte. Ja, gut gelaufen. Woher
weiß man das alles? Weil linksunten das
veröffentlicht hat. Nämlich am 10.01.2014
hat es diese Methode der Repression
analysiert und veröffentlicht.
Applaus
Linksunten, wie gesagt als Pressemedium,
wird bereits jetzt, nicht nur, aber
hauptsächlich von Linken jeder Couleur
schmerzlich vermisst. Das Foto zeigt die
Teilnehmer des Klima-Camps, welches
zeitgleich zu den Razzien stattfand, und
auf diesem Tram–, Transpi formulierte:
„Hier stand unsere Meinung.“ Deswegen
werfen wir einen Blick auf die Geschichte
von linksunten. Und daran wird deutlich,
warum es sich dabei um Presse handelt. Die
Geschichte von Indymedia, also nicht von
linksunten, sondern von Indymedia beginnt
1999 mit der Berichterstattung von den
Protesten gegen die WTO-Konferenz in
Seattle. Auf dem Foto sieht man den
Polizeieinsatz dagegen. Damals wurde zum
ersten Mal organisiert der Open-Posting-
Gedanke umgesetzt. Nachrichten aus erster
Hand und aus linker Perspektive in
Echtzeit. Heute hat man dafür Periscope
und Twitter, damals nicht. Das war acht
Jahre nach der Entstehung des World Wide
Web nicht wie heute selbstverständlich.
Damals hatten wenige die technischen
Möglichkeiten, Inhalte online zu
verbreiten, die auch was zu sagen hatten.
Damit stellte das Independent Media Center
Seattle eigentlich eine Revolution dar,
nämlich den massenhaften Zugriff auf die
Möglichkeit der Nachrichtenverbreitung.
Bei Indymedia an sich handelt es sich um
ein Do-it-yourself-Netzwerk, dessen
Geschichte auch immer von Polizeigewalt
nicht nur in den Inhalten und den
Berichten, sondern auch gegen die
Aktivisten handelt. Das Foto zeigt Brad
Will vom IMC New York, der bei der
Berichterstattung über einen Aufstand in
Mexiko von der Polizei 2006 erschossen
wurde. Abgesehen von den Grundprinzipien
sind die IMCs aber sehr unterschiedlich,
sowohl in der politischen Ausrichtung als
auch in der technischen Umsetzung. 2008,
Indymedia ist bereits zehn Jahre alt,
fehlt es dem Netzwerk dann an Dynamik,
aber leider deswegen trotzdem nicht an
Meinungsverschiedenheiten. Das kann man
auch sehr gut nachlesen, wenn man sich
damit länger beschäftigen möchte. Und auch
die kurzzeitige Renaissance durch den
G8-Gipfel in Heiligendamm kann den
Abwärtstrend eigentlich nicht aufhalten.
Außerdem gibt es neue Medien. Blogs haben
sich etabliert, und die verfolgen diesen Open-
Posting-Gedanken eben auch. 2009 im Zuge
der Mobilisierung gegen den Nato-Gipfel in
Straßburg geht linksunten nach einem
einjährigen Diskussionsprozess online.
Diese Erkenntnisse, was ich hier vortrage,
sind übrigens keine Interna. Das sind
alles Selbstveröffentlichungen von
linksunten, die man, wenn es das noch
gebe, nachlesen könnte, die sie selbst
gepostet haben und damit Ihr Handeln und
ihre Beweggründe transparent gemacht
haben. Im Gegensatz zu anderen IMCs gibt
sich linksunten ein explizit
anarchistisches Grundsatzprogramm, was man
auch nachlesen konnte, und bekennt sich
jedoch eindeutig zu einem
strömungsübergreifenden Ansatz, der auch
soweit nachvollziehbar umgesetzt wurde.
Technisch funktionierte das immer noch
nach dem Do-it-yourself-Prinzip, von der
Technik der Seite bis zum linksradikalen
Hosting. Alles war auf eine konsequente
Anonymität der Nutzer*innen ausgelegt. Und
linksunten beschreibt es selbst mit den
Worten: „Wir wollen gar nicht wissen, wer
all die schönen Anschlagserklärungen
veröffentlicht hat.“ Diese
Selbstveröffentlichungen macht im Übrigen
das BMI ihnen auch zum Vorwurf. Aber was
stand eigentlich auf linksunten? Glaubt
man der Verbotsverfügung, eigentlich nur
Hass auf Polizei und Staat oder
Bombenbauanleitungen. Die baden-
württembergische Landesregierung sieht das
aber in einer Anfrage der CDU oder
vielmehr in der Antwort auf die Anfrage
der CDU am 15.09.2017 ganz anders: „Als
Hauptfunktion bot die seit Februar 2009
abrufbare Homepage den Nutzern, darunter
eine Vielzahl an Gruppierungen und
Einzelpersonen des gewaltorientierten
linksextremistischen Spektrums, die
Möglichkeit, zu Veranstaltungen und
Kampagnen zu mobilisieren und im Nachgang
darüber zu berichten.“ Klingt halt schon
ein bisschen anders, und es ist nach dem
Verbot. Hier zu den einzelnen Inhalten:
Reportagen und Recherchen. Als Beispiel
vom 04.10.2015 die Beerdigung eines
Hammerskins - die Hammerskins sind ein
internationales Nazi-Netzwerk, das
insbesondere auch in der Rechtsrockszene
aktiv war - und sein gleichzeitiges Outing
als V-Person des Verfassungsschutzes.
Ankündigungen und Aufrufe: Hier als
Beispiel Proteste der Klimabewegung gegen
den Braunkohleabbau im rheinischen Revier
2017. Aber auch Militanz:
Selbstbezichtigungsschreiben zu Anschlägen
auf Bahnanlagen 2011. Also man muss sich
auch nicht in den Augen rum wischen.
Natürlich gab es das. Aber das
veröffentlichen auch andere Zeitungen.
Theorien, Diskussionen. 2017 natürlich
interne Szene-Diskussionen nach dem
G20-Gipfel. Und Leaks. 2011: Die
Veröffentlichung des internen Archivs der
Deutschen Burschenschaft. Wie bei jedem
Medium oder Presseerzeugnis stellt sich
natürlich die Frage nach der Leserschaft.
Da es sich um ein Online-Presseerzeugnis
handelt, wird wahrscheinlich der Großteil
der Leserschaft über Suchmaschinenanfragen
auf die Seite gekommen sein. Aber es ist
davon auszugehen, dass die Mehrheit der
Besucher ganz einfach Linke waren. Das
geht auch im Übrigen aus
Eigenveröffentlichungen von linksunten
hervor wie hier aus dem Jahr 2016.
Zitieren - zitieren kann man das: „Indymedia
linksunten hat sich in den siebeneinhalb
Jahren des Bestehens seit Februar 2009 zur
wichtigsten linksradikalen Website im
deutschsprachigen Raum entwickelt. Jeden
Tag besuchen Tausende Linke die Website,
um sich über alle Aspekte antagonistischer
Strömungen zu informieren.“ Eine Stelle,
an dem sich linksunten und das BMI im
Übrigen mal sehr selten einig sind. Oder
auch hier nochmal 2010. Bei der Menge an
Primärnachrichten, das heißt Nachrichten
aus erster Hand, bleibt es aber nicht ...
bleibt es nicht aus, dass auch andere
Pressevertreterinnen zum linksunten-
Publikum werden und die Inhalte weiter
verbreiten. Hier ein paar Beispiele. Der
Spiegel zum Leak der Burschenschaften-
Interna, die im Übrigen zum Zerfall der
Deutschen Burschenschaft geführt haben.
Applaus, Jubel und Pfiffe
Der MDR zum Leak der AfD-Chats, die im
Übrigen dazu geführt haben, dass
eigentlich alle erkennen müssten, welches
Geistes Kind die AfDler sind.
Applaus
Junge Welt zum
Selbstbezichtigungsschreiben zu den
Anschlägen auf die Berliner Bahn, was ich
vorhin schon gezeigt habe. 2017 die FAZ zu
Bekennerschreiben im Umfeld des
G20-Gipfels. Oder das AIB zum geouteten
toten Hammerskin-V-Mann. Und die dritte,
aber nicht zu vernachlässigende rührige
Konsumentengruppe: die Behörden. Ihr seid
ja jetzt so ein bisschen eingeschlafen.
Dann können wir uns mal gemeinsam ein paar
Fragen stellen. Behördenquiz: Wer vermisst
linksunten am meisten?
Rufe aus dem Publikum
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter.
Applaus
Der Vorsitzende sagte, nur auf Hamburg
bezogen: „Ich hoffe, der Bund stellt
Hamburg jetzt viele 100.000 Euro für verdeckte
Ermittler bereit, denn nur so können wir
weiter an die Informationen der
Linksextremen kommen, die wir sonst
kostenlos per Indy erhalten haben.“
Lachen, Applaus
Wo wird linksunten am meisten vermisst? In
Sachsen.
Lachen
Das LfV Sachen hat mit den meisten–, die
meisten Belege, die auf linksunten
verweisen. Bremen hat seinen Bericht
einfach nicht OCR-gescannt, und deswegen
sind die disqualifiziert worden.
Lachen, Applaus
Und Sachsen hat sogar mehr als das BfV.
Und wer kann jetzt nicht mehr so dreist
lügen? Auch der sächsische Innenminister.
Der hat nämlich dieses Bekennerschreiben,
das auf linksunten gepostet wurde zu den
Sprengstoffanschlägen in Dresden auf eine
Moschee und das ICC, sofort dann den
Linksextremisten zugeordnet. Hat er dann
auch gleich der Presse zugespielt. Das war
ja dann ein Erfolg. Bis das LfV Sachsen
und das BKA kamen und ihn eines Besseren
belehrten und sagten, das sei dann wohl
ein Fake. Im thüringer
Verfassungsschutzbericht taucht die
Fußnote bei Linksextremismus immer auf.
Soll aber jetzt korrigiert werden. Das
Verbot von linksunten ist im Übrigen nicht
die erste Repressionen gegen linke Presse
und Medien. Diesen Teil der geschichtlich
wirklich spannenden Sache muss ich leider
ein bisschen abkürzen wegen der Zeit, weil
wir gerne noch ein bisschen Platz für
Fragen und Anmerkungen hätten. Die
radikal. Die radikal war eine
strömungsübergreifende linksradikale
Zeitung, die von ’76 bis 2012 erschien,
wechselnde Redaktion hatte, klandestine
Erstellung, Debatten über Theorie,
Bewegung und Militanz. Eigentlich:
linksunten in Gedruckt. Die Geschichte der
radikal ist immer wieder eine Geschichte
von Repressionen. Das erste ... Bereits
beim ersten Strafverfahren gegen die
Macher der radikal äußerten diese sich
dahingehend, dass das Strafverfahren gegen
sie bereits ein Akt gegen die
Pressefreiheit ist, den sie sich nicht
bereit ... den sie nicht bereit sind,
hinzunehmen. Es folgen 129a-Verfahren,
Razzien, Knast, Exil, über 100 Razzien im
Jahr ’87. Zwei Jahre später ... zwei
Jahre: Der große Lauschangriff in den 90er
Jahren. Hoster werden gesperrt. Razzien in
den Niederlanden. Was man sich aber damals
nicht traute, wahrscheinlich weil man
etwas hatte, in dem man blättern konnte,
war, diese Zeitung zu verbieten. Das
Autorenkollektiv der radikal ist niemals
als Verein bezeichnet worden und ist
niemals verboten worden. Nicht minder
waren die Repressionen. Also kommen wir
zur Gegenwart. In der sehen sich die
Betroffenen des Verbots einer mehr als
schwierigen Situation gegenüber, die sich
wie folgt darstellt. Alle technischen
Geräte der Betroffenen aus dem Bereich IT
wurden mitgenommen. Der Toaster blieb
natürlich da. Was das heute im Alltag
bedeutet, wenn man kein Handy hat, keinen
Rechner mehr hat, kann sich jeder selber
ausmalen. Geld wurde beschlagnahmt etc.
pp. Hinzu kommt: Das Wissen über eine fast
umfassende Überwachung, die die
persönliche Freiheit schon allein dadurch
einschränkt, dass man sich Gedanken machen
muss, ob ein Brief ankommt, auf den man
wartet, oder ob man mit seiner Mutter am
Telefon einfach noch über Familieninterna
redet. Diese Freiheit muss jeder der
Betroffenen einzeln und in vielen
individuellen Klagen für jede einzelne
Maßnahme sich gerichtlich versuchen,
zurück zu erkämpfen. Das kostet nicht nur
Nerven und Kraft, sondern auch eine Menge
Geld. Die Gerichtskosten habe ich euch nur
im Überblick dargestellt. Aber dazu
kommen: Reisekosten zu Gerichten,
Reisekosten zu ihren Anwältinnen und
Anwälten. Und natürlich, das klingt jetzt
immer ein bisschen blöd, wenn man das
selber als Anwalt sagt, aber auch wir
kosten Geld. Bislang wissen wir nicht von
einem Strafverfahren. Aber die
Repressionen gegen die radikal macht auch
deutlich, dass ein Strafverfahren durchaus
droht. Auch das wird, sollte es denn so
sein, nicht nur persönlich belastend für
die Betroffenen werden, sondern auch
wieder sehr sehr teuer. Auf eins lege ich
besonderen Wert: Das Verbot von linksunten
ist ein Präzedenzfall. Das
Betreiberkollektiv einer Plattform, die
selbst nach der Definition des
Bundesverfassungsgerichts zweifelsfrei
unter die Pressefreiheit fällt, wird als
Verein definiert, aufgrund von
Auswertungen des Verfassungsschutzes ohne
Belegquellen. Und dann nimmt man die grobe
Kelle, obwohl ein milderes Mittel, nämlich
das Telemediengesetz, zur Verfügung
gestanden hätte, und verbietet die gesamte
Plattform. Dies tut man aus politischen
Gründen. Als polemisches Beispiel: Ich
vertrete Opfer eines versuchten Mordes von
einer Gruppierung von Nazis, die ihre
Taten bei Facebook nicht nur angekündigt
haben, sondern die sich bei Facebook
getroffen haben, die bei Facebook
menschenfeindliche Hetze verbreitet haben.
Und sie sind nicht die einzige Gruppe. Und
manche von ihnen sind schon verurteilt.
Facebook ist nicht einmal davon
angegriffen, dafür angegriffen worden.
Wenn es dem Bundesministerium des Innern
gelingt, derart mit einer anderthalb-
seitigen Erklärung, warum linksunten so
schlimm sei, dass die Pressefreiheit für
sie nicht gelte, durchzukommen, dann kann
sich jeder Blog und jedes andere
unliebsame Medium warm anziehen.
Linksunten wird dann erst der Anfang
gewesen sein. Und es kann sich ausweiten.
Das Vereinsgesetz ist ...
Applaus
Ist das jetzt pro Verbot? Ich nehm das mal
als Trinkpause. Und es kann sich eben
ausweiten. Das Vereinsgesetz ist da sehr
flexibel. Und die Hürden eigentlich
niedrig. Ich persönlich halte eine freie
Presse für eine unabdingbare Voraussetzung
für eine funktionierende Öffentlichkeit
und eine diskursive Gesellschaft. Auch
wenn ich mir dafür am Kiosk oder am
Büdchen das rechtspopulistische Compact-
Magazin angucken muss, das meint, dass
Beate Zschäpe nicht hinter Gitter gehört.
Deswegen sollte jedem hier im Raum daran
gelegen sein, das Verfahren nicht nur
weiter aufmerksam zu beobachten und zu
kommentieren, sondern auch solidarisch mit
den Wenigen sein, die es getroffen haben
mag, aber eigentlich viel mehr gemeint
waren.
Applaus
Deswegen schauen wir in die Zukunft.
Zunächst wirkt die Repression. Aber
linksunten steht symbolisch wahrscheinlich
für viele hier im Raum. Deswegen erfordern
immer noch harte Zeiten unabhängige
Medien. Lest nicht die Zeitung radikal, die
gibt es nicht mehr, sondern Nachrichten
aus erster Hand. Was die Zukunft bringt,
das wird sich zeigen. Wer aber die
Betroffenen mit Geldspenden hinsichtlich
der immensen Verfahrenskosten unterstützen
will, der kann das tun. Vielen Dank.
Applaus
Herald: Danke Kristin, sehr interessant.
Wir haben noch fünf Minuten für Fragen.
Bitte nehmt die Mikrofone. Und wir fangen
gleich an mit Mikrofon 1 bitte.
Frager 1: Erst mal vielen Dank. Den ersten
... oder einen Teil der Frage hast Du
schon beantwortet, indem da jetzt eine
Kontonummer steht. Hast Du ungefähr eine
Größenordnung, wie viel Geld ... ich mein,
neben Gerichtskosten für Anwälte,
Reisekosten etc. pp. anfällt. Also es sind
20.000 für Gerichtskosten, das macht dann
Pi mal Daumen 60.000 für Anwälte plus wie
viel ...? Also ungefähre Einschätzung.
Kristin: Es sind ungefähr 80.000, also
sowohl Geld, als auch Sachwerte bei den
Betroffenen beschlagnahmt worden, die
notwendig waren, um auch ihr alltägliches
Leben zu bestreiten, ne? Also jeder weiß:
Keiner von uns arbeitet ohne Rechner oder
macht sein Studium. Man kann das schwer
einschätzen, weil wir glaub ich noch nicht
den Überblick haben, über welche Maßnahmen
alle gelaufen sind. Aber ich glaube, mit
Gerichtskosten und Anwaltskosten wird
dieses Verfahren um die 60.000 aufwärts
kosten. Oder diese Verfahren. Und das ist
halt eine immense Summe. Also das ist ein
sehr sehr guter oberer Mittelklassewagen,
der da verpulvert wird.
Raunen im Publikum und einzelnes Lachen
Herald: Okay, wir haben noch ein bisschen
mehr Zeit für Fragen, hab ich gerade
gehört. Also Ihr könnt Euch ruhig noch zu
den Mikrofonen begeben. Mikrofon Nummer 3
bitte.
Frager 2: Ich fand es ganz spannend, dass
Du im Grunde der Theorie gefolgt bist, die
das Ministerium aufgestellt ist, dass es
sich um einen Verein handelt. Ich selber
denke, es wäre schon durchaus sinnvoll,
das überhaupt anzugreifen. Weil ich glaube
nicht, dass es sich um einen Verein
gehandelt hat, den man nach Vereinsrecht
entsprechend auch verbieten kann. Sondern
ich würde das in Frage stellen. Das
konkludente Handeln sieht mir eher nach
einer GbR aus oder so. Und versuchen, ob
es da andere Rechtskonstruktionen gibt.
Weil so sehe ich, wenn wir also auch hier
als so ein Forum sagen, jaja, das war ein
Verein, dann tun wir dem Ministerium einen
Gefallen.
Kristin: Nee, also nur damit es ...
offensichtlich bin ich missverstanden
worden. Wir gehen nicht davon aus, dass es
ein Verein ist. Der Punkt ist, ich hab es
so dargestellt, wie es das BMI darstellt.
Einfach auch um zu zeigen, wie niedrig
tatsächlich diese Hürden sind, um zu
sagen: „Ihr drei seid ein Verein, und wir
regelementieren Euch jetzt, nämlich mit
diesem Verbot.“
Frager 2: Okay, Danke.
Frager 3: Du hast ja viel über
Pressefreiheit gesprochen. Wie sieht es
denn mit der etablierten Presse, wie
reagiert die darauf? Solidarisiert sie
sich? Oder gibt es da überhaupt eine
Reaktion? Kannst Du da irgendwie ein
bisschen was dazu sagen?
Kristin: Also es gab im Zuge der Razzien
schon ne große Presseöffentlichkeit.
Also das ist bedingt auch dadurch, dass
der Innenminister eine Pressekonferenz
machte. Auch da gab es auch schon
Diskussionen in der Presse, wo man sagte,
also zum Beispiel Vorsitzende von
Journalistenverbänden sahen das auch schon
kritisch und haben gesagt: „Das greift in
die Pressefreiheit ein, und das können wir
uns eigentlich nicht bieten lassen.“ Das,
was mir persönlich aber fehlt, ist, dass
die Presse an sich, und damit meine ich
jeden Presseschaffenden jeglicher Art,
also ob das Journalisten sind oder
Redakteure oder Leute, die Presse
vertreiben, die sind ja genauso betroffen,
oder irgendeine Website, die das spiegelt
haben, denen fehlt die Empörung, zu sagen:
„Das ist natürlich ein plakatives
Beispiel. Das können wir gut verkaufen. Da
können wir auch dem Mainstream gut
vermitteln, dass hier die Pressefreiheit
irgendwie so ein bisschen am Katzentisch
ist. Und weil linksunten ja so sehr
schlimm war, deswegen habe ich auch diesen
brennenden BMW da als Bild genommen. Aber
eigentlich wird das der Door-Opener sein,
zu sagen: „Und dann gehen wir immer ein
kleines Stück weiter.“ Ich hatte
eigentlich auch gehofft, dass die Presse
das kritischer begleitet, dass sie sagt:
„Naja, eigentlich meinen die auch uns.“
Weil welche Presse veröffentlicht denn
nicht ein Selbstbezichtigungsschreiben,
wenn sie das im Briefkasten hat? Oder ist
nicht der Briefkasten der Presse genau so
etwas wie linksunten, wo man das
reinschmeißen kann? Warum denn nicht? Ist
es, nur weil da ein Filter da sitzt, weil
da ein Redakteur da sitzt? Ich glaube, da
sollte die Presse sehr viel aufmerksamer
hingucken und sagen: „Da greifen sie auch
eigentlich uns an.“
Applaus
Herald: Mikrofon Nummer 4 bitte.
Frager 4: Ja ich hätte da mal eine Frage
zu dem Thema, dass der als Verein
angegriffen wurde, jetzt aber die
Individuen ihre Klagen und so erheben
müssen. Müsste das nicht auch umgedreht
werden, dass man als Verein auftritt?
Kristin: Nein, wir sagen: Es gibt keinen
Verein. Und dann müssen natürlich die
Personen individuell klagen. Weil wo kein
Verein ist, da gibt es keinen ... also
Vereine funktionieren ja trotzdem dann
noch nach dem Vereinsgesetz. Wo kein
Verein ist, dann gibt es keinen Vorstand,
der vertretungsbefugt ist. Wer soll denn
da klagen? Es gibt keinen Verein. Und die
einzelnen Maßnahmen, die tatsächlich
Einzelpersonen, also die stehen ja bei
einer einzelnen Person morgens um fünf in
der Wohnung und räumen die dann aus mit
Beschlagnahmung etc. pp. Da muss sich
jeweils die individuell betroffene Person
wehren. Und das ist ja auch das Schlimme
daran: Das vereinzelt Leute ja, wenn es da
nicht einen unglaublich guten
solidarischen Zusammenhalt gibt.
Herald: Okay, dankeschön. Mikrofon Nummer
2 bitte.
Frager 5: Ja hallo. Eine Frage. Wie siehts
eigentlich aus mit Verfahrenshilfe? Ich
mein, wenn das Kosten sind, die so hoch
sind, dass die Betroffenen sie nicht
tragen könnten, müsste der Staat ja
sozusagen die Kosten dafür ersetzen.
Kristin: Kommst Du aus Österreich?
Frager 5: Ja.
Kristin: Ja. Das ist bei ... Ich kenn das,
ich hab mal in Österreich verteidigt. Bei
Euch wird Verfahrenshilfe unter viel
niedrigeren Hürden bewilligt. Bei uns ist
das so, man muss wenig Geld haben, das
heißt, auch wenig auf der hohen Kante,
kein Auto, am besten noch Schulden, und
die Rechtsverfolgung muss Aussicht auf
Erfolg haben. Das beurteilt im Übrigen das
Gericht, was dann auch über die
eigentliche Sache entscheidet.
Lachen
Hm. Frager: Oh je. Kristin: Ja. Genau. Bei
Euch ist das etwas leichter. Bei Euch gibt es
auch viel früher Pflichtverteidiger.
Applaus
Frage beantwortet.
Herald: Wir nehmen noch mal die 2 und
danach die 4.
Frager 6: Ja, ich wollte noch mal drauf
hinweisen, dass die Geschichte eigentlich
noch etwas früher anfängt. Also schon ...
Wer hat eigentlich gesagt, dass dieser
Gipfel in Hamburg stattfinden muss? Das
war ja eigentlich die Zutat, die das Ganze
zum Kochen gebracht hat. Also ohne diese
Entscheidung wäre diese ganze Geschichte
nicht gelaufen.
Herald: Wie ist die Frage?
Frager 6: Ob sie das auch so sieht.
Lachen
Kristin: seufzt Also mir ist es
eigentlich egal, wo die sich treffen.
Herald: Du kannst auch schieben.
Kristin: Was kann ich?
Herald: Du kannst die Frage auch schieben.
Kristin: Schieben bis die Zeit rum ist?
Herald: Ja.
Lachen
Herald: Mikrofon Nummer 4, bitte.
Lachen, Applaus
Frager 7: Ja ich hab eine Frage zu der
E-Mail-Beschlagnahmung. Das Eine: Wie ist
da ungefähr so der rechtliche Modus in
Deutschland, also was dürfen da die
Provider oder was auch nicht? In den USA
zum Beispiel kann es ja auch so sein, dass
die gar nicht veröffentlichen dürfen, dass
sie irgendwie Daten weitergeben. Und das
Andere: Vielleicht kannst Du auch sagen,
so, welche Provider das dann waren.
Kristin: Also ... Rechtlich läuft das so
ab: Wenn es zu so einer E-Mail-
Beschlagnahmung kommt, ist, man geht quasi
als vollziehende Behörde des
Vereinsverbots und damit auch der ganzen
Beschlagnahmung von Post, E-Mails etc. zum
Verwaltungsgericht, wo der Provider seinen
Sitz hat, und sagt: „Es gibt hier ein
Vereinsverbot, das vollziehen wir jetzt.
Und wir ermitteln immer noch die
Verbotsgründe. Deswegen wollen wir diese
E-Mail-Adresse haben.“ Und dann
übermittelt der Provider, der dann diesen
Beschluss zugestellt bekommt, entweder
sämtliche, eben bei ihm noch vorhandenen
gespeicherten E-Mails plus die immer
wieder anlaufenden, also eingehenden
E-Mails und ausgehenden E-Mails sämtlicher
Anhänge. Der Provider, der sich unserer
Kenntnis nach nicht dagegen gewehrt hat,
also der hat ein eigenes Rechtsmittel
dagegen, war 1&1.
Herald: Okay. Mikrofon Nummer 3 bitte.
Frager 8: Haben wir das dann ... oder hab
ich das richtig verstanden, dass die
ganzen Klagen, die jetzt angestrebt
werden, also im Grunde genommen nicht dazu
führen können, dass dieser Präzedenzfall
sich in eine Richtung entwickelt, dass man
später noch mal sagt, dass man später
vielleicht mal sagen könnte: „Okay, das
können wir, also diesen taktischen
Winkelzug, den deklarieren wir jetzt, also
den, diese Umdeklarierung als Verein
können wir jetzt quasi, machen wir jetzt
besser nicht mehr.“ Oder anders gefragt:
Also diese Klagen, die jetzt laufen, sind
die quasi nur dazu da, den Mitgliedern
irgendwie zu helfen oder den Angeklagten
quasi ihre Sachen wieder zu bekommen und
so weiter und so fort? Und um diesen
taktischen Winkelzug zu verhindern, der
eigentlich zu diesem Schlamassel geführt
hat, also diese Umdeklarieriung in einen
Verein, dem müsste man durch ein ... was
weiß ich ... eine Gesetzesänderung oder so
was halt beikommen.
Kristin: Ich glaube, also diese
Umdeklarierung, „Wir machen Euch einfach
zu einem Verein, lassen das
Telemediengesetz links liegen und nehmen
die grobe Kelle und rasieren diese ganze
Plattform weg“ ... Natürlich kämpfen die
Personen, denen diese Verbotsverfügung
zugestellt worden ist, dagegen an. Nämlich
mit den Klagen vor dem Verwaltungsgericht.
Da wird es genau darum gehen: Was ist
höherwertig? Das, was Ihr hier
unterstellt, was eine Gefahr für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung ist,
oder das hohe Gut der Pressefreiheit? Gebt
Ihr hier quasi die Grundfesten einer
offenen demokratischen Gesellschaft für
das hier preis? Das wird das
Bundesverwaltungsgericht hier in Leipzig
entscheiden. Natürlich klagen die
Betroffenen dagegen. Und genau daraum wird
es auch gehen. Ihnen zu versuchen zu
vereiteln, dass mit anderen Sachen zu
machen, mit anderen Plattformen, mit
anderen Blogs. Da wird es ... Aber da
kämpfen halt fünf Leute stellvertretend
für ganz, ganz viele, die es auch treffen
könnte.
Herald: Danke. Wir machen mit einer Frage
vom Signal Angel weiter.
Signal Angel: Ja die Frage ist: Wie viel
Verfahren in dem Zusammenhang inzwischen
schon eröffnet wurden?
Kristin: Uh. Na, richtig gut vorbereitet,
ne, nicht noch mal durchgezählt. Also es
kommen immer welche dazu, weil wir neue
Postbeschlagnahmungs- oder E-Mail-
Beschlagnahmungsbeschlüsse... aber grob
überschlagen sind wir bei ... an die 40
Klagen ...?
Applaus
Also ich will das noch mal betonen.
Tschuldigung, den Satz. Das bin nicht ich
alleine, ne?
Herald: Wie viele Anwälte sind da dran?
Kristin: Fünf.
Herald: Okay. Wir machen mit Mikrofon 2
weiter, bitte.
Frager 9: Was ich noch dazu hinzufügen
wollte, ist, dass ich den Eindruck habe,
dass da auch eigentlich was gemacht wird,
was halt schon sehr lange Praxis ist gegen
linksalternative und linksradikale
Strukturen. Dass der Staat in die
Situation kommt, eine Struktur
zu vorfinden, die halt entweder
hierarchiefrei ist, oder hierarchiearm. Das
heißt, es gibt eigentlich keine wirklich
verantwortliche Person, sondern es sind
ganz viele Personen, die plötzlich halt,
die man nicht verantwortlich machen kann.
Weil man kann halt nicht gegen irgendwie
x-hundert Leute, die irgendwelche Beiträge
auf Indymedia gepostet haben, ein
Verfahren eröffnen. Sondern dann nur gegen
die Leute, die ganz explizit Indymedia
betreiben. Oder jetzt auch ein Gegen-, ein
anderes Beispiel. Zum Beispiel auch nach
den G20-Protesten in Hamburg, wo dann eine
Person schweren Körperverletzungen und
Landfriedensbruch vorgeworfen wird, obwohl
es keine wirklichen Beweise gibt, dass sie
in irgendeiner Weise einen Stein geworfen
hat, ein Auto angezündet hat, sondern sie
war einfach nur Teil dieser Demonstration,
aus der heraus diese Taten geschehen sind.
Herald: Ich verstehe Deine Wut, aber wo
ist die Frage?
Applaus
Kristin: Ich glaube, ich weiß, was ...
darf ich? Ist es okay für Dich?
Frager 9: Äh, ja klar.
Kristin: Ich glaube, dass ... also das,
was Du beschrieben hast, ist sicherlich
die Rondenbarg-Situation in Hamburg, wo
eine Demonstration, wo die Polizei sagt,
sie sei massiv mit Böllern und Steinen
beworfen worden. Auf dem Video sieht man
vereinzelte Würfe mit Steinen und Böllern,
die nicht mal in die Nähe der Polizei
kommen. Und da gab es viele Verletzte und
viele Anklagen. Ich vertrete auch einen
der Betroffenen. Ja, ich würde sagen, und
das, glaube ich, wolltest Du sagen: Die
Einschläge kommen näher. Man geht mit
wesentlich größerer Härte, mit einer
höheren Schlagzahl und mit einer einfach
höheren Massivität gegen linke
Demonstrationen vor, gegen linke Medien
vor. Und das ist sicherlich auch ein
politisches Klima, was sich etabliert hat,
wo ich einfach sagen würde: Naja, wir
haben halt auch einen Rechtsruck in der
Gesellschaft. Es ist halt auch gerade en
vogue. Was nicht heißt, dass man dagegen
nicht aufstehen soll.
Applaus
Herald: Mikrofon 3 bitte.
Frager 10: Hallo. Ja, vielen Dank für den
Vortrag und vor allem für Ihr Engagement.
Meine Frage ist eigentlich anschließend an
die Wut, die gerade der Mann vor mir kund
getan hat, und die Frage richtet sich an
den Zusammenhang zwischen sozusagen der
Anonymität der Beiträge und jetzt diesen
fünf Angeklagten. Inwiefern können die
sozusagen dafür schuldig gesprochen
werden, dass auf der Website, die sie
betrieben haben, anonym Beiträge
publiziert worden sind? Und umgekehrt die
Frage: War vielleicht die Anonymität der
Publizierungen auch ein Grund dafür, dass
hier sozusagen eben ein ... das als Verein
deklariert wurde und nicht gegen
Einzelpersonen vorgegangen worden ist im
ersten Fall, also juristisch gesehen?
Kristin: Also ich würde Deine Frage ganz
klar mit, Deine zweite Frage ganz klar mit
Ja ... naja, natürlich haben sie sich die
Betreiber genommen, weil sie an die
einzelnen Nutzerinnen und Nutzer, also
die Autorinnen und Autoren der einzelnen
Beiträge einfach nicht herangekommen sind
durch dieses strenge Anonymisierung. Und
da wussten sie sich halt einfach nicht
anders zu helfen. Wir reden hier nicht von
Anklagen, sondern es ist quasi ein
antagonistischer Rechtsstreit. Also wir
sind vorm Verwaltungsgericht, nicht vorm
Strafgericht, noch nicht, und hoffentlich
nicht. Und da ist es so, dass wir davon
ausgehen, dass die Verbotsverfügung nicht
nur abstrakt juristisch, nämlich Presse,
in die unrechtmäßigerweise mit dem
falschen Gesetz eingegriffen wird, schon
scheitern muss. Sondern dass wir auch
einfach sagen: Ihr wollt jemanden aufgrund
von Vermutungen - und mehr finden wir
gerade in den Akten, die wir zur Verfügung
haben, nicht - tatsächlich so ein
Vereinsverbot anlasten aufgrund von
Meinungen des Verfassungsschutzes. Weil
mehr finden wir gerade an Belegen nicht.
Was Gerichte darüber entscheiden, das
liegt dann nicht mehr in unserer Macht.
Wir können nur das Notwendige tun, um es
ihnen deutlich zu machen, wie hoch der
abstrakt-demokratische Preis ist, den wir
alle zahlen müssen, wenn sie das
durchgehen lassen.
Frager 10: Danke.
Herald: Wir nehmen noch mal die Nummer 4
und haben noch Platz für zwei weitere.
Frager 11: Ich hab so die Frage des
typischen linken Spießers: Ich bräuchte
ne Spendenquittung dafür, damit ich den
Staat entsprechend beteiligen kann. Wo
krieg ich denn die her?
Lachen,Applaus
Kristin: Bei mir nicht!
Frager 11: Aber gibt’s da eine Adresse?
Kristin: Naja, also das Bankkonto gehört
der Roten Hilfe, Ortsgruppe Stuttgart. Ich
glaube, denen eine Mail zu schreiben, wäre
vielleicht ne ganz gute Idee.
Frager 11: Okay, danke.
Applaus
Herald: Wir nehmen die 1.
unverständlicher Einruf aus dem Publikum
Kristin: Was?
unverständlicher Einruf aus dem Publikum
Herald: Eine Bahnsteigkarte, ja okay.
Nummer 1, bitte.
Frager 12: Hallo. Du hast ja sehr schön
erklärt, weshalb Ihr dagegen kämpft, wie
dieses Medium jetzt verboten wurde. Wenn
ich jetzt da beteiligt wäre - WÄRE - würde
mich ja, würde ich ja auch dagegen
kämpfen, dass sie ausgerechnet zu mir
gekommen sind. Also erst mal, beweist mir
das, dass ich da überhaupt was damit zu
tun hab. Läuft das auch in diese Richtung?
Und dann wäre vielleicht auch so ein
bisschen eher eine technische Frage: Wenn
ich so etwas machen würde, würde ich ja
auch irgendwie damit rechnen, dass so was
mal passieren könnte, und ich würde ja
auch drauf hin arbeiten. Kannst Du da was
dazu sagen?
Kristin: Also ich glaub, den ersten Teil
Deiner Frage habe ich dem jungen Mann
schon beantwortet. Dass wir denken, dass
das nicht aufgrund von Vermutungen und so
dünnen Beweisen geht. Und die zweite
Frage, nimm’s mir nicht übel, aber die
kann ich Dir leider nicht beantworten. Ich
bin nur der Anwalt.
Lachen, Applaus
Herald: Okay, wir machen noch die Nummer
5. Ich glaube, den habe ich übersehen.
Applaus
Frager 13: Ja, von mir auch erst mal einen
großen Dank für den Vortrag. Ich würde
gern wissen, ob es noch andere Mittel und
Wege gibt, um die Betroffenen zu
unterstützen, außer mit Geld.
Kristin: Naja, ich glaube, eine kritische
Öffentlichkeit zu schaffen, sich damit zu
beschäftigen, einfach ihnen nicht das
Gefühl zu geben, dass sie damit alleine
stehen, in irgendeiner Art und Weise und
keine Ahnung ... wenn es irgendwie ein
Transpi aus Deinem Fenster ist oder so.
Ich glaube, das hilft schon ziemlich viel.
Applaus
Herald: Okay. Noch mal einen Riesenapplaus
für diesen Vortrag.
Riesenapplaus
34C3 Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2018. Mach mit und hilf uns!