33C3-Vorspannmusik
Herald: Wir haben hier mit Thomas
Lohninger und Alexander Czadilek
zwei Experten aus Wien, die uns jetzt
auf der Bühne über die aktuellen
Geschehnisse in der Alpenrepublik
berichten werden.
Beide gehören AK Vorrat,
so war der vormalige Name,
jetzt epicenter.works, an. Das ist
ein Verein, eine interessensvertretung
zur Wahrung von Grund- und
Freiheitsrechten. Thomas,
zu eurer Rechten, hat diverse Vorträge
zu diesem Thema in Österreich,
in Deutschland und in Belgien,
und vor allem auch insbesondere
in den jeweiligen Parlamenten gegeben.
Alexander ist seit einiger Zeit
bei epicenter.works dabei als Jurist und
beschäftigt sich seit ca. zehn Jahren
mit Datenschutz. Die Bühne gehört euch!
Applaus
Thomas Lohninger: Vielen Dank. Hört ihr
mich? Ja, gut. Also zuerst noch mal ein
bisschen Hausmeister-Themen. Wir haben
hier mal den AK Vorrat, der Arbeitskreis
Vorratsdaten, der ja 2010 gegründet wurde
eigentlich nur mit einem Ziel, nämlich die
anlasslose Massenüberwachung, die
Vorratsdatenspeicherung in Österreich und
auf EU-Ebene, abzuschaffen. 2014 haben wir
dieses illusorische, hoch gesteckte Ziel
erstaunlicherweise erreicht. Und dann
haben wir uns so die Frage gestellt: Was
machen wir jetzt? Lösen wir uns jetzt auf,
weil Vereinszweck ist erfüllt, oder sagen
wir „Jetzt erst recht“?
Aber da gab's ja schon irgendwie diesen
Herren Edward Snowden und deswegen haben
uns gedacht: „Nein, wir müssen
weitermachen!“ Und wir haben in den
letzten Jahren sehr viel neue Themen
bearbeitet neben der
Vorratsdatenspeicherung wie
Staatsschutzgesetz, Bundestrojaner,
Transparenzgesetz und eben auch ganz viel
Netzneutralität. Darüber werden wir euch
jetzt noch mehr erzählen. Aber Ausdruck
all dieser Arbeit ist es für uns eben
auch, jetzt unseren Namen zu wechseln,
weil wir einfach gefunden haben, dass
Arbeitskreis Vorratsdaten nicht mehr so
wirklich ausdrückt, wer wir sind und wofür
wir stehen. Der neue Name
„epicenter.works“ ist jetzt der Versuch,
auszudrücken, wie gravierend die
Veränderungen in unserer Gesellschaft sind
durch die technologische Revolution. Und
dass das wie Schockwellen durch alle
Aspekte der Gesellschaft geht. Und wir
wollen im Zentrum dieser Veränderung sein
und eben eine Stimme für die
Zivilgesellschaft, für Grund- und
Freiheitsrechte in Österreich und in
Europa. Der zweite Namensteil „works“, den
seht Ihr auch hier auf diesen Stickern,
von denen wir ganz viele mithaben,
„Zivilgesellschaft wirkt“.
Wir glauben, dass es wirklich ein
Erfolgsrezept ist, wenn man mit guten
Argumenten und Unterstützung von der
Bevölkerung diese Grundrechtspositionen
artikuliert. Und wir sind immer für
lösungsorientierte Politik, auch wenn wir
uns teilweise mit harten Gegnern wie dem
Bundesamt für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung, den diversen
Innenministern und Innenministerinen, oder
eben der Telekom-Lobby auseinander
schlagen. Aber natürlich der Talk hier hat
ja im Titel nicht nur „epicenter“, sondern
auch „Netzpolitik in Österreich“. Und da
hat sich 2016 extrem viel getan. Das,
worauf ich am stolzesten bin, dass ich ein
Teil davon sein konnte, ist der
netzpolitische Abend in Wien. Das ist
wirklich eine tolle Veranstaltung, wie man
hier in diesen geilen Meme-Bildern sieht.
Leonard Dobusch, der in Berlin gelernt
hat, wie der netzpolitische Abend geht,
bei der Digitalen Gesellschaft, wo wir
beide Mitglied sind, hat das nach
Österreich getragen. Und wir haben hier
eine wirklich tolle Gruppe gefunden, die
jedes Monat am ersten Donnerstag im Monat
um 19.30 im Metalab diese
Diskussionsveranstaltung betreibt. Die
haben bis jetzt jedes Mal ein volles Haus
gehabt und wirklich jedes Mal interessante
Talks. Auch viele Dinge, die Leuten, die
Netzpolitik.org lesen und den typischen
Medien folgen, unbekannt waren. Also
wirklich auch, dass zum Beispiel die
Arbeiterkammer im Bereich „crowdworking“
macht. Oder wie es mit dem
Leistungsschutzrecht ausschaut. ... ähm,
dann ... Die Idee hinter diesem Event ist
eben aber auch ganz klar, etwas ohne
Struktur, ohne Verein, ohne Budget und
ohne Meinung zu haben. Wirklich nur einen
Diskussionsraum einer solchen „Bitte,
kommt da mal hin, wenn ihr in Wien seid am
ersten Donnerstag im Monat.“ Eine andere
wirklich tolle Sache, die dieses Jahr
passiert ist, ist dass sich wieder einmal
ein Chaos Computer Club in Österreich
gegründet hat: der Chaos Computer Club
Wien.
Applaus
Thomas Lohninger: Es gab ja schon mal eine
Chaos-nahe Gruppe Wien bis 2006 und die
hat sich dann aufgelöst. Jetzt gibt es
wieder so eine Gruppe – ich finde das ist
sehr gut und die Chaos Computer Club in
Österreich hat sich eben schon bei einigen
Konsultationen eingebracht und hat ganz
viel Spaß am Gerät. Trifft sich auch
glaube ich jeden Monat und hat vor allem
auch eine wirklich tolle Veranstaltung
dieses Jahr gemacht die Privacy-Week.
Österreich hat ja leider seit einem Jahr
keine netzpolitische Veranstaltung mehr
gehabt, die wirklich größer ist, mehr als
einen Abend geht. Und das hat die Privacy-
Week auf jeden fall geleistet. Also wir
haben hier eine woche hochkarätige Talks
gehabt und wirklich nur Danke für all die
Arbeit von den Leuten, die das möglich
gemacht haben. Und ich hoffe, dass die
Veranstaltung auch nächstes jahr wieder
geben wird.
Applaus
Thomas Lohninger: Und eine Sache, die ich
auch noch unbedingt erwähnen will ist
Jugend-Hackt. Jugend-Hackt – kennt man ja
vielleicht auch aus Deutschland – ist das
Konzept, dass man Kindern und Jugendlichen
auch Spaß am Gerät, das Programmieren, das
Hacken beibringt – mit einem Mentoren-
System und ich war bei der ersten
Iteration in Österreich, die noch „Young-
Coders-Festival“ hieß, dabei. Und jetzt
gibt es das eben auch unter dem Label und
mit dem Konzept von Jugend Hackt. Und ich
hab nur die Fotos gesehen und von einigen
Leuten gehört, dass das wirklich toll war.
Also wenn ihr Kinder und Jugendliche kennt
oder welche habt, schickt sie dort hin,
das ist wirklich eine tolle Veranstaltung.
So viel zur Szene und zu den eindeutig
erfreulichen Dingen, aber es werden noch
ein paar andere erfreuliche kommen. Aber
jetzt geht’s an die harten Themen.
Einerseits das wichtigste Thema für uns
dieses Jahr war das polizeiliche
Staatsschutzgesetz. Wir haben schon
letztes jahr hier am C3 ganz viel darüber
erzählt, was es mit diesem polizeilichen
Staatsschutzgesetzes auf sich hat und
wieso das so ein problematisches Gesetz
ist, weil es eben wirklich einen neuen
Inlandsgeheimdienst in Österreich
etabliert und aus vielen Gründen, aus
Datenschutz, aus Grundrechtsperspektive
abzulehnen ist. Wir haben damals eben eine
Bürgerinitiative, eine Petition gemacht
auf staatsschutz.at, die über 30.000
Menschen unterschrieben haben. Wir
bedanken uns auch für diese enorme
Beteiligung auf dieser Seite. Wir haben
ganz, ganz viele auch kreative Aktionen
gemacht über die Zeit. Ich bin extrem
dankbar für das Team beim AK Vorrat, das
das alles möglich gemacht hat. Die coolste
Geschichte war eigentlich eine ganz
simple: Wir haben hier auf der Pallas-
Athene, vor dem Parlament eine
Überwachungskamera mit ein paar
Heißluftballons steigen lassen. Das Ding
ist nur ganz kurz wirklich in der Luft
gewesen, bevor es die Securitys runter
geholt haben.
Aber wir haben es mit dieser einen Aktion
in alle österreichischen Tageszeitungen
geschafft, wirklich von Politik bis dahin.
Applaus
Thomas Lohninger: Leider hat die Politik
das nicht als Anlass genommen, dieses
Gesetz wieder an den Start zu schicken und
ordentlich zu machen, wie wir das
gefordert haben. Und deswegen haben wir
noch eins draufgelegt und haben mit zwei
15.000-Lumen-Projektoren an die Fassade
des Bundesamt für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung, des neuen
Inlandsgeheimdienst projiziert, dass hier
ein neuer Inlandsgeheimdienst entsteht und
auch das Gesicht von Edward Snowden. Das
war, glaube ich, mit Abstand die coolste
und kälteste Aktion. Das war glaube ich
der einzige wirklich verschneite Jänner-
Tag, den wir hier erwischt haben. Es war
noch kälter als zu ACTA-Zeiten, aber es
war wirklich toll. Und dann ist das Gesetz
aber am 24. Jänner im Nationalrat trotzdem
beschlossen worden.
Musik
Sprecher aus Videoaufnahme: Willkommen zur
Abstimmung, die ich über jeden Ausschuss-
Antrag getrennt vornehme. Die Stimmzettel,
die zu benutzen sind, befinden sich in den
Laden der Abgeordnetenpulte und tragen den
Namen der Abgeordneten, sowie die
Bezeichnung „Ja“, das sind die grauen
Stimmzettel, beziehungsweise „Nein“, das
sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung
können ausschließlich diese amtlichen
Stimmzettel verwendet werden.
Namen werden verlesen
Ja, so geht es dann noch eine Zeit lang
weiter. Vier kameraperspektiven, wie
damals bei der Vorratsdatenspeicherung
wollten wir wirklich dabei sein, auch wenn
dieses Gesetz beschlossen wird, und haben
uns eben auch noch mal, bevor die
Parlamentskorrespondenz rauskommt, die
genauen Abstimmungslisten angeschaut.
Normalerweise dauert das so fünf Monate in
Österreich, bis man weiß, wer wie
abgestimmt hat. Wir haben es geschafft, in
weitaus kürzerer Zeit, genauer einer
Woche, genau aufzulisten, welcher unser
183 Mandatare jetzt wie zu diesem Gesetz
abgestimmt hat, und ob irgendjemand eben
nach seinem Gewissen und nicht nach seiner
Fraktion gestimmt hat. Auf
act.startschutz.at kann man sich das immer
noch anschauen, wie die Abgeordneten
abgestimmt haben. Früher konnte man auf
dieser Webseite denen auch schreiben, um
sie noch zu überzeugen. Das Gesetz ist
inzwischen veröffentlicht im Amtsblatt und
in Kraft ab 1. Juli 2016. Und wir haben
aber dann den nächsten Schritt gewählt und
eine Verfassungsklage eingebracht, zum
zweiten Mal in unserer Geschichte. In
diesem Fall eine Drittelbeschwerde. Das
ist der einzige sichere Weg, um ein Gesetz
vorm Verfassungsgerichtshof auf seine
Grundrechtstauglichkeit prüfen zu lassen.
Dafür braucht man ein Drittel der
Nationalratsabgeordneten. Und wir haben in
diesem Fall im Auftrag von den
Parlamentsklubs von FPÖ und Grünen eine
Verfassungsklage gegen das
Staatsschutzgesetz ausgearbeitet, die
jetzt auch eingebracht ist und im ersten,
zweiten Quartal 2017 verhandelt wird. Und
wir hoffen auf eine mündliche Verhandlung,
aber wir wissen es noch nicht. Und damit
kommen wir zum nächsten Thema:
Bundestrojaner. Dazu übergebe ich an
meinen Kollegen Alex.
Alexander Czadilek: Schönen guten Abend in
Hamburg und im Stream. Und an dieser
Stelle möchte ich gleich ganz herzliche
Grüße an den Werner Reiter ausrichten, der
leider heute nicht dabei sein kann. Zum
Bundestrojaner. Bundestrojaner haben wir
das Gesetz genannt, das in Deutschland der
Staatstrojaner ist. Und es gab einen
Gesetzesentwurf im März dieses Jahres, der
eingebracht wurde vom Justizministerium
und den wir bekämpft haben, weil wir
denken, dass das ein durchaus
problematisches Gesetz war in vielerlei
Hinsicht. Kurz zur Geschichte dieses
Gesetzes. Wir wissen von einem Leak, dass
der Gesetzestext im Oktober 2015 in den
Schubladen des Ministeriums gelegen ist.
Er wurde aber erst aufgrund der traurigen
Anschläge in Brüssel 2016 quasi aus der
Schublade hervorgeholt. Und wenn wir uns
die Frage stellen: Wie lange dauert es,
bis so ein Gesetz aus der Schublade geholt
wird? Sehen wir beim polizeilichen
Staatsschutzgesetz, es 83 tage gedauert
hat, und beim Bundestrojaner, der da
heißt: „Überwachung von Nachrichten, die
im Weg eines Computersystems übermittelt
werden“, kurz eben Bundestrojaner, hat nur
neun Tage gedauert, bis eben dieser
Gesetzesentwurf eingebracht wurde. Und das
ist halt ein klassischer Fall von
Anlassgesetzgebung. Und wir sehen, es
fehlt an sachlichen Argumenten. Und
deswegen werden emotionale Argumente
verwendet. Besonders traurig eigentlich
war, dass eine Zeitungsente auch zu diesem
Gesetzesvorschlag geführt hat, weil die
Bundesregierung oder das einbringende
Ministerium, in diesem Fall das
Justizministerium, hat argumentiert, dass
durch die Art–, wie sagt man, die
Terroristen von Paris über das
Playstation-4-Network kommuniziert haben.
Diese Geschichte war eine Zeitungsente.
Das ist auch schon im November 2015
aufgedeckt worden. Und im März 2016 ist in
den erläuterten Bemerkungen aus den
Gesetzesmaterialien, wo der Gesetzgeber
oder das einbringende Ministerium erklärt,
warum denn dieses Gesetz notwendig ist,
haben sie sich auf diese Zeitungsente
berufen.
Wir haben das über Twitter, über Social
Media auch natürlich rausgeschickt, haben
da auch einige Medienaufmerksamkeit
bekommen. Auf die juristischen Argumente
möchte ich jetzt gar nicht so eingehen.
Also wir haben die Grundrechtsprüfung
gemacht, so wie man sie in Deutschland und
Österreich kennt. Wir sind zum Ergebnis
gekommen: Das ist ein unverhältnismäßiger
Eingriff in ... vor allem auf das
Grundrecht auf Privatheit und auf
Datenschutz. Aber es gibt im gesamten
Lebenszyklus von diesen ... von dieser
Software, von dieser Snooping-Software,
der Überwachungssoftware eben massive
Probleme. Es fängt schon einmal an: Wer
programmiert diese Software? Also wir
können davon ausgehen, dass in Österreich,
in den Ministerien, wohl kaum einer das
programmieren wird. Das heißt, man muss
Unternehmen unterstützen, das Ankaufen wie
FinFisher, Hacking Team, die auch
repressive Regime beliefern, die auch
Sicherheitslücken am Grauen Markt oder am
Schwarzmarkt einkaufen und dafür
Steuergelder draufgehen. Führt uns gleich
zum zweiten Punkt: Um diese Software zu
betreiben, muss ich kritische
Sicherheitslücken ausnutzen. Und das ist
eben ein Problem. Vor allem ist ja nach
dem Entwurf das Bundesamt für
Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung quasi dazu erkoren
worden, diese Software einzusetzen, und
gleichzeitig ist aber das BVT nach der
NIS-Richtlinie, die gerade in Umsetzung
ist in Österreich, für kritische
Infrastruktur zuständig. Das heißt: Das
BVT ist operative Stelle und operative
NIS-Behörde. Also da gibt es einen
massiven Interessenkonflikt. Wir haben das
auch den Direktor des BVT gefragt, und
natürlich haben wir nur ausweichende
Antworten bekommen. Und noch einen Punkt
möchte ich hier nennen: Es gibt die
Online-Durchsuchung, das heißt, wirklich
Durchsuchen eines Computersystems, das
kann Tablet, Phone, Smartphone, PC,
Laptop, alles sein natürlich. Wenn ich mir
alle Dateien auf diesem Computer anschaue,
habe ich eine Online-Durchsuchung.
Man hat das ganz bewusst im Entwurf nicht
Online-Durchsuchung genannt, weil 2008
schon eine interministerielle
Arbeitsgruppe unter Professor Funk, einem
Verfassungsrechtler, einem anerkannten in
Österreich, gesagt hat: Also die Online-
Durchsuchung ist ganz ganz schlicht und
einfach verfassungswidrig nach der
österreichischen Bundesverfassung. Und die
Online-Überwachung, also wirklich nur die
Überwachung von Nachrichten, die über ein
Computersystem übermittelt werden, vor
oder nach einer allfälligen
Verschlüsselung eben mitzulesen, das ist
die Online-Überwachung. Diese Trennung ist
quasi unmöglich. Und das haben ja unsere
Freunde vom Chaos-Computer-Club auch in
technischen Analysen ausgebreitet und
wirklich wirklich gut argumentiert auch.
Und im Gesetzestext gibt's aber diese
Trennung nicht. Und das Problem ist, dass
man aber im Gesetzestext durchaus auch
Ausnahmen zugelassen hat in gewissen
Teilen, bei Adressen und
Kontaktverzeichnissen sollte eben diese
Online-Durchsuchung möglich sein. Und das
Ganze erinnert uns natürlich an die
Gedankenpolizei von George Orwells „1984“.
Computersysteme, Smartphones, unsere
Devices sind höchstpersönliche Geräte.
Also unsere Devices wissen oft mehr als
unsere Partner über unser Privatleben.
Deswegen ist es durchaus problematisch. Es
gab in diesem Begutachtungsverfahren, im
parlamentarischen, eine ganze ganz lange
Liste von Kritikern. Also das waren eben
NGOs, Privatpersonen, Wissenschaftler von
der Universität Wien, von der Technischen
Universität Wien, aber auch staatliche
Stellen, die dieses Gesetz massiv
kritisiert haben. Also der Datenschutzrat,
der beratend der Regierung zur Seite
steht, oder die österreichische
Datenschutzbehörde. Und wir sind auch ein
klein wenig stolz, dass wir die ersten
waren, die einen Entwurf eingebracht
haben, und dass viele andere unsere
Argumente aufgenommen haben und auch
weiter argumentiert haben, neue Argumente
eingebracht haben. Und wir haben natürlich
mit vielen ... Danke.
Applaus
Wir haben wirklich mit vielen Leuten
geredet, und viele haben einfach massive
Bedenken gehabt und haben etwas getan
eben. Und auch viele Privatpersonen waren
dabei. Das ist die Liste. Es gab glaube
ich dann 56 eingebrachte Stellungnahmen.
Die sind öffentlich einsehar noch immer.
Jetzt möchte ich kurz ein Video noch
zeigen.
[Sprecher im Video]
Hackt sich der Staat bald in unsere
Handys, liest er unsere Nachrichten und
belauscht uns und verfolgt uns auf Schritt
und Tritt? Eine Gesetzesänderung soll
genau das möglich machen. Offiziell
natürlich, um den Terror besser bekämpfen
zu können.
[Sprecherin im Video]
Und ausschauen soll das Ganze so, dass
Ermittler eine Spionage-Software auf
Handys und Computern von Verdächtigen
installieren dürfen, natürlich ohne deren
Wissen. „Das ist ein massiver Eingriff in
den Datenschutz“, rufen Kritiker. Aus
Protest schlachten sie heute vor dem
Justizministerium ein Holzpferd.
[Off-Sprecherin im Beitrag]
Ein trojanisches Pferd mitten in Wien,
direkt vor dem Justizministerium.
Symbolisch steht es für den sogenannten
Bundestrojaner. Eine Software, mit der der
Staat in Zukunft Bürger ausspionieren
könnte. So sieht es jedenfalls ein
Gesetzesentwurf vor. Doch der ist so
schlecht, dass er zerlegt und entsorgt
gehört, wie die Datenschützer vom
Arbeitskreis
Vorratsdaten Österreich meinen.
[O-Ton Herbert Gnauer]
Für den einfachen Bürger würde es
bedeuten, dass er unter Umständen ja bis
auf die Unterhose einfach überwacht und
durchsucht wird. Ein Profi wird sich
dagegen schützen können. Ein Profi wird
auch feststellen können, wenn sein Rechner
infiziert wurde.
[Off-Sprecherin im Beitrag]
Konkret will die Gesetzesänderung unter
anderem Folgendes: Ermittler sollen auf
jeden Computer oder jedes Handy zugreifen
können. Mit einer speziellen Software
werden Sicherheitslücken genutzt, um an
die dortigen Informationen zu gelangen,
und zwar noch bevor sie verschlüsselt
werden.
[O-Ton Herbert Gnauer]
Das bedeutet, dass der Staat eine
Interessensumkehrung hat. Der Staat ist
eigentlich dafür zuständig, uns vor
Cyberattacken zu bewahren. Jetzt bekommt
der Staat ein Interesse daran, dass
Sicherheitslücken weiterhin bestehen, weil
ja sonst seine Überwachungssoftware nicht
mehr funktioniert. Das ist natürlich auch
ein Einfallstor für Dritte.
[Off-Sprecherin im Beitrag]
Während die Datenschützer vor dem
Justizministerium ihre Aktion durchziehen,
überrascht fast zeitgleich dessen
Hausherr, Justizminister Wolfgang
Brandstetter, im Ministerrat mit folgender
Aussage:
[Justizminister Wolfgang Brandstetter]
Entscheidend ist doch, dass im Rahmen der
Begutachtung so Vieles an Kritik geäußert
wurde in verschiedene Richtungen, dass wir
einfach zum Schluss kommen müssen: Also
das ist so, wie es war, offensichtlich
nicht wirklich sinnvoll. Also müssen wir
uns was anderes überlegen, und das tun wir
grad.
[Sprecher im Video]
Hat man relativ selten, dass ein Minister
mal eingesteht, dass ein Gesetz, ja, sagen
wir mal, nicht so gut durchdacht war.
[Sprecherin im Video]
Ich merke schon, Fabian, Du bist zu Tränen
gerührt bei so viel Ehrlichkeit. Ich
kann's verstehen.
Gelächter und Applaus
Alexander Czadilek: Wir waren nicht zu
Tränen gerührt. Uns war natürlich sofort
bewusst, auch wenn ich wirklich da
aussprechen möchte, dass also der
österreichische Justizminister wirklich
sehr einsichtig war, und da gehört auch
einiges dazu einmal wirklich zu sagen
also, ein Entwurf aus seinem Ministerium
ist einfach ein Topfen gewesen und das
wirklich zurückzieht diesen
Gesetzesentwurf. Das war ein
Ministerialentwurf, und es kam dann gar
nicht zu einer Regierungsvorlage, sondern
dieser Entwurf wurde einfach
zurückgezogen, vorläufige. Uns war
natürlich schon bewusst dass jetzt dran
gearbeitet wird, und wann das auch immer
passieren wird, also wir rechnen schon
damit in den nächsten Monaten, dass der
Neuentwurf kommen wird. Wir hoffen
inständig dass auch wirklich technische
Experten herangezogen werden, weil das ist
ganz offensichtlich wenn man den Entwurf
anschaut nicht passiert. Man hat
vielleicht ein paar leute aus dem BVT
gefragt, aber vor allem die technische
Kritik auch der Technischen Universität
Wien war vernichtend, ja. Und wie geht's
jetzt weiter auf europäischer Ebene?
Demnächst wird die Anti-Terror-Richtlinie
beschlossen und da haben wir eine Kann-
Bestimmung drinnen, also den Sicherheits-
und Strafverfolgungsbehörden soll auch die
Möglichkeit gegeben werden so eine
Überwachungssoftware einzusetzen, eben um
ihre elektronische electronic surveillance
überwachen zu können. Das wird demnächst
beschlossen und wir halten die Augen offen
und jetzt zur Netzneutralität – zurück zum
Tom.
Applaus
Thomas Lohninger: Danke, Alex. Ja, wie
gesagt, diese EU-Anti-Terror-Richtlinie –
diese Kann-Bestimmung – es ist eine
Richtlinie. Das heißt, sie muss erst in
nationales Gesetz überführt werden, bevor
sie gilt. Das heißt, hier haben wir
nochmal national dann die Debatte und den
Kampf, ob wir einen Bundestrojaner
bekommen oder nicht. Aber was ich an
diesem Beispiel wirklich bezeichnend find,
ist es … ist eines von ganz wenigen
Fällen, ich glaub ich hab zwei in meiner
Karriere erlebt, wo wir wirklich ein
Gesetz verhindert haben. Wo etwas aufkam
und wir es geschafft haben, das in der
Begutachtung mit guten Argumenten und
bissel Druck von der Straße wegzubekommen.
Und das haben wir eben auch geschafft, ihr
habt diese lange Liste in der Begutachtung
gesehen, wenn sich eben vor allem viele
Menschen einbringen.
Wenn wir wirklich gute Argumente haben und
die von vielen mitgetragen werden, dann
hört die Politik darauf. Und das ist auch
immer wieder ein gutes Zeichen, dass
Demokratie funktioniert, aber eben auch
dass es einen Akteur braucht, der diese
Dinge aufzeigt. Also wir zeigen hier so
immer die Spitze des Eisberges, aber eben
nicht die ganze juristische Knochenarbeit,
die unser Legal Department macht, wo vor
allem eben auch Alex zu danken ist. Wir
haben viele ehrenamtlichen Juristen, aber
er ist eben der einzige, der dafür bezahlt
bekommt, und es ist wirklich, ohne dem
ginge es nicht. Kommen wir zu einem
europäischen Thema: Netzneutralität. Da
haben wir ja im August dieses Jahres –
2016 – den großen Erfolg gehabt, dass nach
drei Jahren Kampagne die neuen Regeln für
die neuen Verkehrsregeln für das Internet
in Europa feststehen. Ich habe in meinem
anderen Talk heute mit Chris von der
Quadrature schon bissl erklärt, was jetzt
in diesem Gesetz drin steht. Ich mache
jetzt hier nochmal einen kurzen Abriss, da
wir ja wirklich in Österreich maßgeblich
für diese Kampagne waren. Von den sieben
Versionen von Save The Internet, die auch
heute noch auf der Website
savetheinternet.eu zu finden sind, haben
wir sechs in Österreich entwickelt. Und
wir hatten eben auch ein paar geile
Demonstrationen.
Ich finde hier vor allem eben auch die
Kreativität, die man in all diesen
Schildern sieht wunderbar, und dass da
eben auch viele Gruppen mit uns auf der
Straße waren.
Wir haben uns auch nicht nur in Wien dort
hingestellt, sondern auch in Riga – das
ist der Sitz der europäischen
Regulierungsbehörde BEREC – und dort die
ersten 100.000 Kommentare wirklich
physisch in dieser Box abgeliefert, und
die ist dort auch sehr gut angekommen bei
den Mitarbeitern von der Behörde.
Insgesamt haben wir dann annähernd eine
halbe Million Kommentare aus ganz Europa
in diese Konsultation eingebracht, was ein
historischer Wert ist, weil in allen
bisherigen Konsultationen nicht mehr als
100 Einreichungen gekommen sind. Und hier
haben wir wirklich 'nen neuen Maßstab auch
gesetzt, ähnlich wie das in den USA und in
Indien schon passiert ist bei
Netzneutralitätskonsultationen. Die
offizielle Zahl war früher mal 510.000.
Das lag daran, dass einfach am Ende so
viele E-Mails geschickt wurden, dass nicht
mehr alle von dem E-Mail-Server, der ein
Windows-Server war, entgegen genommen
werden konnten. Was irgendwie auch eine
schöne Schleife ist, weil wir in erster
Lesung bei dieser Kampagne mit Faxen
gewonnen haben und jetzt am Ende wieder
mit einer alten Technik, mit E-Mail
hantieren mussten, um das zustande zu
bekommen. Jetzt haben wir dieses neue
Gesetz und jetzt geht es darum, das auch
anzuwenden. Und das haben wir uns auch als
klares Ziel gesetzt, um auch weiterhin
einen dauerhaften Schwerpunkt zu haben
neben den europäischen Gesetzen zum
Datenschutz für die E-Privacy-Richtlinie,
an denen wir arbeiten werden, werden wir
uns eben auch um die Rechtsdurchsetzung
von Netzneutralität kümmern. Also um diese
neuen Regeln auch wirklich da
einzubringen, wo Provider gegen die
Netzneutralität verstoßen, wie das zum
Beispiel auch Hutchison Drei in Österreich
macht mit ihren vielen Zero-Rating-
Angeboten. Und wir haben da Beschwerde
eingereicht. Und man sieht hier in diesem
Graph sehr schön, was da das Problem war:
nämlich an der violetten Linie habt Ihr
die TVThek vom ORF, die am Ende des
Datenvolumens zur Flatline wird und
abfällt, weil das Internet insgesamt
gedrosselt
und geblockt wird in diesen Tarifen. Aber
die hauseigenen Dienste von 3, denen wird
eben dieser Vorteil verschafft, dass sie
weiterhin funktionieren. Das ist eine
technische Diskriminierung zwischen
Diensten, die ist klar verboten. Und da
haben wir auch gewonnen. Diese Tarife gibt
es in dieser Form jetzt nicht mehr. Und
der tolle Nebeneffekt dabei, der wirklich
auch systematisch ist bei allen
Umsetzungen von Netzneutralität, ist, dass
die Datenvolumen drastisch gestiegen sind
und zwar um das Vier- bis 17-fache. Und
das ist auch immer das Gute an
Netzneutralität: dass es nicht nur ein
schönes Konzeptes ist, was politisch
herleitbar ist und gut für den Wettbewerb
ist. Nein, vor allem ist es auch gut für
Internetnutzer, -nutzerinnen, weil wir
damit eben auch, wenn Provider nicht mehr
ihren eigenen Diensten einen unlauteren
Vorteil verschaffen können, müssen sie
mehr Datenvolumen und mehr
Geschwindigkeiten für alle anbieten. Und
genau das selbe Phänomen haben wir auch in
den Niederlanden und Slowenien gesehen, wo
die Datenvolumen auch, nachdem Zero-Rating
verboten wurde, über Nacht verdoppelt und
verdreifacht wurden. Jetzt geht es weiter.
Wir werden noch weitere Einreichungen
gegen Netzneutralitätsverletzungen machen.
Ihr könnt uns melden, wo Ihr Verletzungen
der Netzneutralität sieht, auf der Website
respectmynet.eu. Das ist ein
Gemeinschaftsprojekt von verschiedenen
NGOs aus ganz Europa.
Und in einem anderen Talk hat Chris noch
mehr über dieses Projekt erzählt. Aber
hier könnt Ihr Euch melden, wenn Ihr
sozusagen eine Verletzung der
Netzneutralität in Eurem eigenen
Internetanschluss feststellt. Und das ist
sozusagen unsere crowdsourced To-Do-Liste,
die wir dann abarbeiten werden. Und um das
zu können, werden wir eben auch, wenn wir
die notwendigen Spenden und Förderungen
bekommen, im nächsten Jahr eine Ökonomin
oder einen Ökonomen anstellen. Weil man da
eben auch nicht nur juristisch, nicht nur
technisch, sondern eben auch
volkswirtschaftlich argumentieren muss.
Nächstes Thema: Transparenzgesetz.
Das ist ja wirklich so ein Dauerbrenner in
Österreich. Österreich ist eins der
wenigen Länder, die wirklich noch ein
Amtsgeheimnis im Verfassungsrang haben.
Das ist noch diese alte monarchistische
Tradition mit dem Volk, was nicht der
Souverän ist, sondern der Bittsteller zum
Staat. Und man muss dankbar sein, wenn der
Staat einem etwas über sein Handeln und
Entscheiden erklärt und offenlegt. In
Wirklichkeit sind wir aber diejenigen, die
anschaffen und die das Ganze bezahlen.
Deswegen sollten wir auch einen
transparenten, gläsernen und nach
Möglichkeit auch maschinenlesbaren Staat
bekommen und nicht einen gläsernen Bürger.
Die Debatte ums Amtsgeheimnis wird jetzt
schon seit dreieinhalb Jahren geführt.
Dieser Blogbeitrag von den Kollegen vom
Forum Informationsfreiheit, die wir auch
dankend erwähnen, die haben wirklich eine
wunderbare Arbeit geleistet bei diesem
Thema mit der Kampagne
„transparenzgesetz.at“.
Dieser Blogbeitrag ist vom Februar dieses
Jahres. Und da wird schon gesagt: Es sind
drei Jahre, die wir jetzt schon
debattieren. Und da muss man auch wirklich
mal auf die Pauke hauen. Wir haben jetzt
gerade wieder einen Entwurf, der nicht
öffentlich ist, und in dem wird auch
wieder ein Transparenzgesetz
vorgeschlagen, das in manchen Seiten sogar
eine Verschlechterung ist. Also zum
Beispiel Eurofighter-Gegengeschäfte würde
man damit nicht bekommen. Alles, wo es um
Vergabeverfahren und wirtschaftliche
Interessen geht, kann der Staat weiterhin
sagen: „Nein, das kriegt die Bevölkerung
nicht.“ Und damit ist natürlich die ganze
Korruptionsprävention, die so ein Gesetz
leisten kann, hintan gestellt. Und überall
da, wo Vetternwirtschaft betrieben wird
und wo vor allem auf Landesebene Dinge
bewusst im Dunkeln gehalten werden, können
wir auch mit diesem Gesetz nicht
hinschauen. Und wir stehen jetzt halt so
am Scheideweg: Haben wir weiterhin
irgendwie ein Amtsgeheimnis aus dem 19.
Jahrhundert oder bekommen wir ein modernes
Transparenzgesetz, das seinen Namen
verdient, das auch wirklich effizienteres
staatliches Handeln schafft und damit auch
den Staat verständlicher für seine
Bürgerinnen und Bürger macht?
Das Gesetz ist letztens im Dezember noch
behandelt worden im Verfassungsausschuss,
da liegt es jetzt schon seit einiger Zeit.
In der nächsten Sitzung vom 24. Jänner ist
es immer noch nicht auf der Tagesordnung.
Wir bleiben da dran, gemeinsam mit den
Kollegen vom Forum Informationsfreiheit,
und hoffen, dass dieses endlose
Trauerspiel irgendwann ein Ende findet.
Urheberrecht. Das ist eigentlich ein
europäisches Thema. Morgen gibt es einen
Talk dazu von Julia Reda, den ich euch
sehr ans Herz lege. Das ist so eines der
Vermächtnisse von Günther Oettinger. Er
hat ein Urheberrechtsgesetz auf den Weg
gebracht, das in vielen Dingen wirklich
desaströs ist. Und die schlimmste Sache
dabei ist eben Upload-Filter, die alle
Plattformbetreiber dazu zwingen, jeden
Inhalt, also jedes Bild, jedes Video,
jeden Text, jede Musik gegen zentrale
Stellen zur Prüfung von urheberrechtlichen
Inhalten zu schicken. Das heißt, es gibt
dann im Zweifelsfall Google mit seinem
System Content-ID, was man von YouTube
kennt, die über jede kulturelle Produktion
auf diesem Kontinent Bescheid wissen und
dann mit einem kompletten Blackbox-Prinzip
„Daumen hoch, Daumen runter“ sagen, „das
darf publiziert werden und das nicht“. Wir
sind ganz stark gegen diesen Entwurf.
Thomas Drozda, der zuständige Medien- und
Kanzleramtsminister, ist mal zumindest in
Teilen dafür, weil er glaubt, mit einem
Leistungsschutzrecht für Presseverleger,
was auch in diesem Gesetz drinnen steht,
die Medienförderung, die Presseförderung
finanzieren zu können. Was auch irgendwie
nicht funktioniert, wenn man sich's
durchdenkt, weil wie sollte eine gute
Presseförderung ausschauen? Die sollte ja
gerade die Medien fördern, die
demokratiepolitisch einen Anteil leisten
und nicht einfach nur nach Reichweite
gehen, wie das bei einer reinen
Klickstraße über ein Leistungsschutzrecht
ja der Fall wäre. Hier würden wir uns
wünschen, dass die Presseförderung
wirklich auf neue Beine gestellt wird.
Überspitzt könnte man sagen, dass
Österreich seine Fake-News selbst
finanziert mit dem Boulevard.
Wir sollten das abschaffen und zumindest
so rudimentäre Wahrheitskriterien über
Presserat oder Sonstiges einfordern, um
eben diese wirklich Falschmeldungen nicht
mehr mit staatlichen Geldern zu
finanzieren. Und dieser Minister Drozda
hat dann eben auch eine Konsultation zu
diesem EU-Gesetz gemacht. Wir haben hier
die Einladung, die Einladungs-E-Mail vom
Justizministerium, mal analysiert, wer
hier alle drauf steht. Und man muss dazu
sagen: Diese Konsultation war nicht auf
der Parlamentswebseite, sondern nur
irgendwo auf einer Unterseite des
Justizministeriums. Es gehen unheimlich
viele Gesetze in Begutachtung, und man hat
nicht die Kapazität, alle Begutachtungen
zu monitoren, oder wir zumindest haben sie
nicht. Eine Wirtschaftskammer vielleicht.
Deswegen ist es ganz wichtig, dass man
Bescheid gesagt bekommt: „Hier gibt es
Arbeit für Dich“. Deswegen so eine
Einladung oft der einzige Weg, rechtzeitig
zu einer Stellungnahme zu kommen. Und wir
sehen hier in Gelb: Das sind die anderen
Ministerien und öffentlichen Stellen,
denen Bescheid gesagt wurde. In Grün haben
wir Künstlervertreterinnen, aber vor allem
eben auch Rechteverwerter wie die AKM in
Österreich. Und in Blau, das ist die
gesamte Industrie und Zivilgesellschaft.
Also das sind sozusagen alle anderen
Interessensvertretungen, von
Industriellenvereinigung bis AK Vorrat.
Merkt man schon, wie so die Politik des
Ministeriums in dem Fall war des
Justizministeriums, und dass man hier eben
auch recht einseitig auf dieses Thema
zugeht. Das ist ein Problem. Das
Justizministerium hat gute Seiten, im
Urheberrecht ist es eher sehr
schmerzbefreit.
Dieses Gesetz, ich muss das auch wirklich
sagen, das Urheberrechtsgesetz, was uns
Oettinger hier hinterlassen hat, bevor er
zum Kommissar für das Budget der EU
zuständig ist, nach oben gefeuert wurde,
das ist irgendwie so ein Ding, wann auch
immer Günther Oettinger eigentlich
gefeuert werden sollte, weil er Blödsinn
gemacht hat, wird er befördert, das ist
meiner Meinung nach wirklich das
gefährlichste netzpolitische Gesetz, was
es zur Zeit gibt.
Unsere Forderungen sind klar: dass man
eben diese Upload-Filter, die alle
Plattformen betreffen, Plattformen meint
hier wirklich von Wikipedia bis hin zu
Moodle, E-Learning-Plattformen, dass das
gestrichen werden muss. So etwas darf es
in Europa einfach nicht geben. Weil das
ist die Art von Upload-Filter und
Zensurinfrastruktur,wie wir sie eigentlich
nur von China und Russland kennen.
Zweitens: Wir wollen einheitliche
Schrankenregelungen auch Fair-Use genannt.
Das heißt, es darf keinen Unterschied mehr
machen, in welchem EU-Land ich etwas
zitiere oder parodiere oder welche Inhalte
ich jetzt in der Klasse verwende als
Lehrerin oder Lehrer. Es muss Schranken
geben fürs Urheberrecht bei Bereichen, wo
wir sagen. Das ist nicht mehr zeitgemäß.
Wenn ich jetzt irgendwie ein Bild von
einem Politiker nehme und daraus irgendwie
ein lustiges animated gif mache, dann ist
das ein Recht auf Remix, was ich nutze.
Und da hat Urheberrecht nichts verloren.
Deswegen brauchen wir solche Fair-Use-
Schrankenregelungen. Und die dritte Sache
ist, dass ein Leistungsschutzrecht einfach
an sich eine ganz schlechte Idee ist, die
in Spanien und in Deutschland schon nicht
funktioniert hat. Deswegen sollte man das
nicht auf EU-Ebene heben. So viel zum
Urheberrecht, und damit gebe ich weiter an
Alex für den letzten großen Tip
Applaus
Alexander Czadilek: Ja zum letzten Block.
Jetzt möchte ich, möchte ich gerne, ich
möchte Euch gern das Projekt HEAT
vorstellen. Was ist das? Das ist das
Handbuch zur Evaluation der Anti-Terror-
Gesetze in Österreich. Das ist ein Berg,
an dem haben wir jetzt fast zwei Jahre
gearbeitet. Da ist ganz, ganz viel
ehrenamtliche Arbeit reingeflossen. An
dieser Stelle möchte ich mich auch
wirklich sehr, sehr herzlich bedanken. Wer
hat dieses Handbuch geschrieben? Ich
erzähle gleich, was es ist, auch warum wir
es gemacht haben. Also wir haben als AK
Vorrat damit begonnen, jetzt als Epicenter
Works das Ganze fertig gemacht. Und es ist
ja ein „Living Instrument“, wie der EGMR
sagen würde. Und es ist ein Dokument, an
dem wir weiter arbeiten, und das Research
Institute, das Zentrum für digitale
Menschenrechte in Wien also, das ist das
Unternehmen von unserem Obmann Christof
Tschohl. Das Ganze wurde von der IPA-
Stiftung von der NetIdee gefördert und hat
auch den Privacy Award 2014 schon bekommen
und wurde auch natürlich durch
Crowdfunding unterstützt und da haben wir
einiges an Geld gesammelt, um das
durchführen zu können, dieses Projekt.
Warum haben wir das gemacht? Also wir
verlieren den Krieg, wir gewinnen einzelne
Schlachten. Wir argumentieren verschiedene
Gesetzesentwürfe, gehen bis zu den
Höchstgerichten. Aber auf lange Sicht ist
es natürlich nicht der Weg, wie man den
Krieg gewinnen kann, ja? Um unsere
Freiheit, um unsere Freiheitsrechte, um
unseren Datenschutz. Wir fordern natürlich
eine faktenbasierte Sicherheitspolitik.
Und ich habe es kurz vorher erwähnt schon
beim Bundestrojaner. Also wir brauchen
keine Anlassgesetzgebung, sondern wirklich
eine faktenbasierte Sicherheitspolitik.
Und um das zu können, müssen wir mal uns
anschauen: Wie effektiv sind die gesamten
Überwachungsmaßnahmen? Und deswegen muss
man diese ganzen Maßnahmen, Gesetze,
Befugnisse der Behörden einfach mal
aufarbeiten. Ein Faktum ist, dass ja die
Rechtfertigungslast für ein Gesetz eben
den Gesetzgeber schon im
Gesetzgebungsprozess trifft. Und da wollen
wir eben auch hinarbeiten, ja?
Weil das passiert derzeit in Österreich
wenig bis kaum. Natürlich wollen wir, dass
unsere Argumente, die wir dann in den
höchstgerichtlichen Klagen vorbringen,
natürlich schon viel früher ansetzen. Und
zwar eben im Gesetzgebungsprozess. Und der
Tom und ich waren erst letztens bei einem
Gespräch mit einem Regierungsmitglied. Und
da kam doch gleich am Anfang die Frage:
„Naja, aber warum müssen wir uns das jetzt
anschauen? Im Gesetzgebungsprozess ist ja
sowieso der Verfassungsgerichtshof da, der
schaut ja dann eh, ob das ganze
grundrechtskonform oder grundrechtswidrig
ist.“ Aber das ist natürlich, also im
Gespräch konnten wir dieses
Regierungsmitglied durchaus überzeugen,
dass dem nicht so ist und dass wir eben
wirklich davor ansetzen wollen. Und HEAT
ist eben eine Handreichung.
Wir wollen etwas Positives beitragen, um
Gesetze besser und vor allem
grundrechtskonform zu machen. Das ganze
Projekt HEAT steht unter der Idee der
Überwachungsgesamtrechnung. Man erkennt
dieses Gebäude. Das ist das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die
haben, die Richter, die Verfassungsrichter
in Karlsruhe haben 2010 im Zuge des
Verfahrens zur nationalen Umsetzung der
Vorratsdatenspeicherung in Deutschland,
damals der EU-Richtlinie, die dann
aufgehoben wurde, diesen Gedanken einmal
wirklich ausgesprochen. Worum geht es da?
Für unsere englischen Zuhörer und für die
Übersetzung:
Wir haben es übersetzt mit „Comprehensive
Surveillance Footprint Evaluation",
„Überwachungsgesamtrechnung“. Und das ...
Karlsruhe kommt zum Schluss, dass wenn man
Überwachungsmaßnahmen neu einführt, muss
man sich schon anschauen: Was gibt es denn
bereits an Überwachungsmaßnahmen? Und
durch die Summe dieser
Überwachungsmaßnahmen kann eben der
Spielraum des Gesetzgebers, neue
Befugnisse, neue Maßnahmen einzuführen,
eben durchaus enger werden. Und also eine
ganz wichtige Aussage in diesem Urteil aus
2010. Wir haben auch einen
interdisziplinären Ansatz bei diesem
Projekt gewählt. Wir haben Recht, Technik
und die Sozialwissenschaften quasi an
einen Tisch gebracht.
Und da bin ich wirklich stolz drauf. Weil
da hat man wirklich einmal ... Jeder hat
ein bisschen seinen Horizont – Ich krieg
grad die 20-Minuten-Warnung, ich werde
mich daran halten, danke, ja – aber wir
haben eben diesen Ansatz gewählt. Und das
war wirklich ganz spannend mit den, mit
den verschiedenen Wissenschaftlern,
Menschen zusammenzuarbeiten, ja? Aber ich
möchte wirklich nicht die Leute auslassen,
die eben rundherum noch mitgearbeitet
haben an diesem Projekt. Das ist auf der
linken Seite der Professor Kreissl vom
Vienna Centre for Societal Security, der
das sozialwissenschaftliche Kapitel
geschrieben hat, und, durchaus lesenswert,
und hat uns ganz neue Einsichten gebracht.
In der Mitte ist unser Obmann Christof
Tschohl. Wir sind jetzt angegangen und
haben Fragen gestellt ans Parl–, also an
die Regierung. Und in Österreich ist es
eben möglich, parlamentarische Anfragen
einzubringen. Das haben wir über die
Abgeordneten der Neos, einer kleinen
Oppositionspartei unter Grünen, gemacht.
Und da ist durchaus Spannendes
herausgekommen.
Zum Beispiel aus dem Jahr 2015 wurde vom
Justizministerium, kam die Aussage, dass
keinerlei Trojanersoftware zum Beispiel
eingesetzt wurde in Österreich und auch
nie ... Das war eine konkrete Frage wegen
dem Tierschützerprozess in Wiener
Neustadt, der berühmt-berüchtigte. Ein
derartiges Ansinnen wurde nie an die
Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt
herangetragen. Aber wir haben wieder ein
geleaktes Dokument von der
Bundespolizeidirektion Wien, was jetzt die
Landes-, die Landespolizeidirektion ist,
aus dem Jahr 2008, wo um die
Internetüberwachung durch Key-Locking-
Software eben angefragt wurde. Und dieses,
dieses wurde, dieses Ansuchen wurde an die
Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt
gestellt. Das war durchaus spannend dann
herauszufinden, dass entweder das BMJ
nicht gewusst hat, was die eigenen Beamten
machen. Weil das ist ja doch eine
Weisungskette. Oder man hat uns einfach
belogen, wir wissen es nicht. Jetzt welche
Gesetze haben wir uns angeschaut? Also die
wichtigsten Gesetze sind natürlich das
Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das der
Tom schon erwähnt hat und im Juli dieses
Jahres in Kraft getreten ist.
Das ist ein Gesetz, das die
Überwachungsbefugnisse sehr oder extrem
sogar ausweitet in Österreich und
definitiv ein Gesetz ist mit
polizeistaatlicher Tendenz. Und so ein
Gesetz hatten wir in der Zweiten Republik
in Österreich bisher noch nicht und das
eben jetzt grad vor dem
Verfassungsgerichtshof auf eine
Entscheidung wartet. Dann haben wir uns
natürlich das Sicherheitspolizeigesetz
angeschaut, das Telekommunikationsgesetz
und ganz wichtig natürlich das
Österreichische Strafprozess-,
Strafgesetzbuch. Ich möchte Euch jetzt
noch ein paar Grafiken zeigen. Das ist
eine Grafik, die wir entwickelt haben im
Rahmen der ersten Stellungnahme zum
Polizeilichen Staatsschutzgesetz.
Insgesamt haben wir damals im gesamten
Monat vier Stellungnahmen abgegeben. Aber
da haben wir so ein Mapping der Delikte
mal aufgestellt. Auf der Seite sieht man
die Normen. Das ist eben hauptsächlich das
österreichische Strafgesetzbuch mit einer
kurzen Bezeichnung, mit der Strafdrohung.
Und dann farblich kodiert: Welche
Ermittlungsbefugnisse, welche
Überwachungsbefugnisse sind vorgesehen?
Und durch die Farbkodierung sieht man die
formellen Voraussetzungen. Das ist nichts
anderes als die Frage: Was brauche ich
denn, um diese Überwachungsmaßnahme
durchführen zu können? Also kann das BVT
zum Beispiel, Bundesamt für
Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung, von sich aus
ermitteln, darf die Kriminalpolizei von
sich aus ermitteln? Brauche ich vielleicht
eine Anordnung der Staatsanwaltschaft oder
brauche ich gar eine richterliche
Kontrolle, also die richterliche
Genehmigung? Und da sieht man eben
durchaus Unterschiede. Und sehr spannend
ist, wenn man sich, wenn man sich dann
wirklich vor Augen führt: Wenn ich zum
Beispiel eine Sachbeschädigung, eine
sogenannte qualifizierte Sachbeschädigung,
also wenn ich eine Sache beschädige, die
einen höheren Wert hat zum Beispiel,
nehme, habe ich, brauche ich einen
richterlichen Befehl.
Aber wenn ich sage, das ist eine
terroristische Straftat, weil es eine
terroristische Vereinigung zum Beispiel
begangen hat, wie im Tierschützerprozess
argumentiert wurde, brauche ich das auf
einmal nicht mehr, ja? Dann fällt das
nämlich in die Zuständigkeit des BVT und
ich hab die richterliche Kontrolle nicht.
Wir haben zwar einen sogenannten
Rechtsschutzbeauftragten. Aber unserer
Meinung nach ist es keine richterliche
Kontrolle und somit ist der Rechtsschutz
hier nicht ausreichend. Kurz zur
Rechtfertigungslast noch: Mit dieser
Grafik wollen wir einfach zeigen, das
haben wir auch in dieser Publikation
drinnen, die im Übrigen auch auf unserer
Website epicenter.works abrufbar ist unter
einer Creative-Commons-Lizenz, und ich
lade euch natürlich ein, das Dokument
herunterzuladen, noch mal reinzuschauen.
Hier geht's um die Rechtfertigungslast und
man sieht einfach: Ich habe die strafbare
Handlung, aber je weiter ich ins Vorfeld
dieser strafbaren Handlung gehe, desto
höher ist die Gefahr von
Grundrechtsverletzungen und umso höher ist
auch die Rechtfertigungslast.
Und deswegen ist es so wichtig, das schon
im Gesetzgebungsprozess zu fordern. Der
Gesetzgeber muss ganz genau begründen,
warum denn diese Maßnahme wirklich
notwendig ist, und muss auch Fakten
vorlegen, unserer Meinung nach. Und in die
andere Richtung ist natürlich diese Gefahr
genau so hoch, wenn es ins Verfahren
hinein geht. Da sind dann die
Verfahrensgrundrechte betroffen eben, also
von der Akteneinsicht bis zur anwaltlichen
Vertretung etc., also Fair-Trial-Artikel 6
MAK. Man sieht an dieser Grafik hier, dass
je mehr Leute natürlich von einer Maßnahme
betroffen ist, desto höher ist da
klarerweise dann auch die
Rechtfertigungslast. Das wäre bei der
Vorratsdatenspeicherung sozusagen die
ganze, die gesamte Bevölkerung. Und aber
zum beispiel bei einer
Funkzellenauswertung sind schon sehr sehr
viele Menschen betroffen, eben wo die die
Telefonnummern von ganz, von allen
Menschen, von allen telefonierenden
Menschen in dieser Funkzelle eben
gespeichert und überprüft werden.
Also da steigt natürlich, je höher die
Streubreite ist so eines Eingriffs, desto
höher ist auch die Rechtfertigungslast.
Wie haben wir gearbeitet? Also das habe
ich schon gesagt. Wir haben mal die
relevanten Gesetze in Österreich
angeschaut. Wir haben die relevante
Judikatur aufgearbeitet, also auf
österreichischer, aber auch auf deutscher
Ebene, weil es da ganz wichtige
Entscheidungen gibt, aber auch auf
europäischer Ebene. Wir haben uns
angeschaut, welche Technologien sind
verfügbar und welche sind auch, werden
auch tatsächlich eingesetzt? Ich möchte
nur das Beispiel, das heute in
verschiedenen Talks schon vorgekommen ist,
des IMSI-Catchers nennen. Der IMSI-Catcher
kann wesentlich mehr, als er darf. Also
eben nach dem österreichischen
Sicherheitspolizeigesetz kann er dazu
eingesetzt werden, die Standortdaten
abzufragen, aber kann natürlich eben auch
für eine echte Inhaltsüberwachung
eingesetzt werden, was aber gesetzlich
nicht geregelt ist in Österreich.
Wir haben dann eine erste grobe
Technikfolgenabschätzung angeführt und
natürlich eben diese soziologische Theorie
zu Überwachungsgesamtrechnung auch
aufgearbeitet eben in Zusammenarbeit mit
(?). Und da geht es eben darum: Was macht
Überwachung mit uns? Und wir haben
gesehen, seit dem Zweiten Weltkrieg wissen
wir einfach, dass die, also eine
Überwachung die Konformität einfach
steigert, ja? Und das ist durchaus ein
Problem. Und wir wollen natürlich auch die
verschiedenen Überwachungsmaßnahmen
statistisch erheben. Aber da muss ich auch
sagen, da ist, sind uns natürlich auch die
Hände gebunden. Weil viele relevanten
Daten natürlich bei den Ministerien liegen
und auf unsere Anfragen teilweise nicht
herausgegeben werden. Also das ist auch
eine Einladung an die Politik, wirklich
diese ganzen Daten und Fakten eben zu
veröffentlichen. Und das Kernstück ist ein
Kriterienkatalog, den wir aufgestellt
haben. Das ist jetzt nur ein ganz kurzer
Überblick eben. Also wir haben eben
materielle und formelle Voraussetzungen
herausgearbeitet. Das ist alles jetzt
nicht ganz neu. Wir haben das Rad nicht
neu erfunden, aber wir haben verschiedene
Ebenen hinzugefügt.
Und ich möchte nur ganz kurz reinzoomen,
auch aus Zeitgründen, dass noch ein paar
Fragen, dass wir noch Zeit haben für ein
paar Fragen. Hier ist zum Beispiel bei den
sachlichen Grenzen die Bestimmtheit der
Normen ganz ganz ganz wichtig. Also in
Österreich nach Artikel 18 der
Bundesverfassung gibt es das
Legalitätsprinzip. Und das sagt auch, dass
Normen verständlich sein müssen, dass
Normen nicht verfassungswidrig sind, nur
wenn sie eben der normale Bürger, der
Normadressat auch verstehen kann und nach
diesem Verständnis auch handeln kann. Und
das haben wir zum Beispiel beim
Polizeilichen Staatsschutzgesetz wirklich
sehr kritisiert, weil die Normen teilweise
total unverständlich sind. Da können wir
noch mal reinzoomen. Aber auch auf der
Seite von den formellen Voraussetzungen
ist natürlich ganz ganz wichtig der
Rechtsschutz. Zurück nochmal. Also habe
ich eine echte richterliche Kontrolle oder
habe ich eben so etwas Nachgebautes, was
keine echte richterliche Kontrolle ist?
Aber man muss sich auch Fragen stellen. Zu
den Beweisverwertungsgrenzen in Österreich
haben wir diese US-Doktrin, „The Fruit of
the poisonous tree“ zum Beispiel, nicht,
Wir haben kein absolutes
Beweisverwertungsverbot. Es können, wenn
ein Beweis ... Es kann zwar sein, dass ein
Beweis im Verfahren nicht verwertet werden
darf.
Aber ich habe trotzdem dann vielleicht
Kontrollbeweise, andere Zeugenaussagen
etc. und auf denen, auf diese Beweise kann
auch ein Urteil dann gestützt werden, ja?
Also das ist durchaus problematisch auch.
Für wen haben wir das Ganze gemacht? Also
in erster Linie natürlich für die Ligisten
in den Ministerien aber auch es richtet
sich an alle Politikerinnen, Juristinnen,
Aktivistinnen, an die gesamte
Zivilgesellschaft, an Journalisten,
Journalistinnen, aber auch an alle
Bediensteten der Sicherheitsbehörden, weil
die natürlich auch davon betroffen sind.
Und das ist noch mal eine kurze Grafik zum
Grundrechtseingriff, so wie es der
österreichische Verfassungsgerichtshof
entwickelt hat im Laufe der Jahrzehnte. Es
ist auch sehr ähnlich in Deutschland. Und
das haben wir natürlich auch ... Das ist
eine sehr basic Grafik jetzt ... Aber das
haben wir natürlich auch angewendet. Wie
geht es jetzt weiter mit HEAT? Also wir
wollen eine Druckversion herausbringen und
sind auch stolz darauf, dass wir ein
Vorwort von Joe Cannataci bekommen, dem
Sonderberichterstatter für Datenschutz und
Privatheit der Vereinten Nationen.
Wir fordern natürlich Transparenz im
Gesetzgebungsprozess ein. Wir werden HEAT
aktuell halten. Wir haben es
veröffentlicht als Version 1.1. Nächste
Version wird dann 2.0 sein. Wir sind
weiter dran. Es kommen neue
Überwachungsbefugnisse. Es ist auf
europäischer Ebene Einiges in petto. Und
wir bleiben natürlich am Thema dran. Und
wir wollen natürlich HEAT
internationalisieren. Das heißt: Wir
wollen, wir arbeiten auch an einer
englischen Übersetzung vor allem. Wir
wollen uns natürlich bei unseren
Stellungnahmen einsetzen und unter
Umständen, wenn wir so weit gehen müssen,
wieder höchstgerichtliche Klagen
verwenden. Und die wirkungsfolgen–, die
wirkungsorientierte Folgenabschätzung, das
ist das, was eben derzeit in einer
Verordnung in Österreich geregelt ist. Da
geht es darum: Der Gesetzgeber hat diese
Verordnung geschaffen, um zu beurteilen,
welche Auswirkungen hat das Gesetz eben
schon im Gesetzgebungsprozess. Und es
werden da zwar auch Umwelt- und
Genderfragen gestellt, die total wichtig
sind. Aber zum Beispiel grundrechtliche
Fragestellungen fehlen völlig. Es geht
hauptsächlich um budgetäre Fragen, aber
überhaupt nicht um die
gesellschaftspolitischen Auswirkungen von
solchen eingriffsintensiven
Überwachungsmaßnahmen. Und da haben wir
durchaus Zuspruch von den Legisten auch,
zum Beispiel im Bundeskanzleramt, die mit
der derzeitigen wirkungsorientierten
Folgenabschätzung überhaupt nicht
glücklich sind und sagen, das sei ein
Werkzeug, das man nicht verwenden kann in
Wirklichkeit. Damit gebe ich zum Tom
zurück.
Thomas Lohninger: Danke. Ich will kurz
noch irgendwie das Ganze eintüten. Also
Ihr habt jetzt glaube ich einen groben
Überblick über ein paar der Themen
bekommen, an denen wir so arbeiten und die
in diesem Jahr passiert sind und die uns
wahrscheinlich auch noch im nächsten Jahr
begleiten werden.
Ich will noch ein paar Punkte sagen. Das
ist so eben, unter dem neuen Namen haben
wir auch ein bischen nachgedacht, was denn
unsere Rolle und unser Selbstverständnis
ist. Und wir verstehen uns wirklich auch
als Plattform für zivilgesellschaftlichen
Protest im Interesse der Grundrechte. Ihr
findet bei uns wirklich immer offene
Türen, wenn Ihr Euch engagieren wollt.
Auch wenn Ihr glaubt, dass Ihr es besser
machen könnt als wir. Unsere Tools sind
alle open-source inklusive unserer
Spendentools. Wir versuchen wirklich, so
offen wie möglich zu sein, weil wir
glauben, dass nur dann netzpolitischer
Aktivismus funktionieren kann. Wenn man
wirklich die Vorteile einer Kultur des
Teilens, einer wirklichen Transparenz
nutzt und in die Gesellschaft trägt. Und
wir kochen auch nur mit Wasser, aber die
anderen auch. Deswegen auch, wenn jetzt
Teile hier kompliziert oder verkopft oder
hoffnungslos ausschauen, lasst Euch davon
nicht abhalten. Das sind ... Es ist ein
extrem tolles Gefühl, bei solchen Dingen
dabei zu sein und erfolgreich zu sein. Und
in den allermeisten Fällen machen wir
einen sehr großen Unterschied bei den
Themen, an denen wir arbeiten. Und derer
gibt es viele. Es wird dieses Jahr ... Auf
europäischer Ebene gab es, glaube ich,
noch niemals so viele Gesetzesentwürfe,
die die Netzpolitik und Grundrechte
berühren. Und da werden wir Einiges zu tun
haben. Auch in Österreich ist jetzt mit
dem Sicherheitspaket noch Einiges vor uns.
Es gibt im Moment nur ein paar Andeutungen
in Mist–, Ministerratsprotokollen. Aber
wir erwarten auch dort nächstes Jahr einen
Gesetzesentwurf, wenn die Regierung dann
nicht wählen lässt.
Und wie Ihr Euch unterstützen oder
einbringen könnt: Wir haben auf der
Webseite so eine Kategorie unter
Aktuelles, Veranstaltungen. Da habt Ihr
die Netzpolitischen Abende drinne und
andere Treffen, die wir machen. Wo Ihr
Euch einbringen könnt. Es gibt auch ein
Mitmachen-Formular, wo man eintragen kann:
„Ich bin Grafikdesignerin“, „Ich bin
Programmierer“, „Ich bin Whatever und will
hier mitarbeiten“.
Es gibt wirklich viele Dinge, die wir
brauchen. Und auch, wenn wir jetzt ein
Büro haben seit zwei Jahren. Ohne die
ehrenamtliche Mitarbeit von den Leuten,
die wir in den Jahren davor und seitdem
angesammelt haben, wäre nichts von dem
möglich, keine einzige Presseaussendung,
die nicht über die interne Liste geht, wo
sich Leute einbringen. Und deswegen es ist
mir wichtig auch zu erklären, wie wir
arbeiten und wie das für andere relevant
sein kann. Und zuletzt: Wir leben von
Spenden. Das ist der einzige Weg, wie wir
unsere politische Unabhängigkeit erhalten
können. Und deswegen haben wir einen
gesunden Finanzmix mit einer Deckelung von
allen Spenden aus der Privatwirtschaft.
Und wir würden uns freuen, wenn Ihr
Fördermitglied werdet bei uns oder Euch
sonst irgendwie einbringt. Und ansonsten:
Danke für die Aufmerksamkeit. Und ich
hoffe, Ihr habt Fragen.
Applaus
Herald: Fragen bitte.
Frager: Hallo Tom, hallo Alex. Supertalk,
vielen Dank! Ist echt bewundernswert, was
Ihr da für eine Arbeit leistet. Zwei
bemerkungen, die dann zu meiner Frage
führen. Also Ihr redet viel von Kampf, Ihr
redet viel von also konfliktgeladenen
Situationen mit dem Gesetzgeber. Wir haben
in einem anderen Talk also gehört, wie das
FBI eigentlich weltweit hackt, um
Kinderpornoringe auszuheben. Und es gibt
einfach Anwendungsfälle, wo der Staat also
gewisse Methoden also zur Verfügung haben
sollte. Wie kann man eigentlich zu einem
konsultativen Prozess kommen, wo
eigentlich Ihr kollaborativ eingebunden
werdet, so dass der Gesetzgeber also mit
Euch zusammen Gesetze entwirft, wie zum
Beispiel das zum Teil in England der Fall
ist, wo es Whitepapers gibt, wo es dann
Consultation Periods gibt, und wo es dann
eigentlich zu einem Gesetzvorschlag kommt,
der dann wirklich alle Stakeholder-
Interessen berücksichtigt. Wie schaut, wie
würde das zum Beispiel in Österreich
ausschauen können?
Thomas Lohninger: Ist eine wirklich gute
Frage. Also wir versuchen natürlich immer,
konstruktive Gesprächsbasis mit allen
Akteuren zu haben. Und wir haben die auch
mit eigentlich allen Parteien, aber nicht
unbedingt eben mit jedem Teil jeder
Partei. Und wir sind nicht nur am
Kritisieren. sondern wir versuchen auch
wirklich, die Ministerien und Stellen zu
loben, die Gutes tun. Wie eben
Brandstetter beim Bundestrojaner oder auch
andere Fälle. Es ist wichtig, nicht immer
nur zu kritisieren, sondern wirklich eine
lösungsorientierte Politik zu fahren. Das
heißt auch, Ministerien zu sagen, wenn sie
mal was Gutes machen. Was zu diesen ... Es
gibt in Österreich ganz viele solche
Gruppen, wo alle Gesetze vorab diskutiert
werden. Aber wir haben auch ein bisserl
eine Scheu, bei solchen Kuschelrunden
dabei zu sein. Also es gibt zum Beispiel
in der SPÖ gewisse Kreise. Wenn Du da
drinne bist, kriegst Du jedes Gesetz,
bevor es in Begutachtung geht, mal zur
Vorlage, und kannst Deine Meinung sagen.
Wir finden, das ist nicht die richtige Art
von Demokratie.
Man sollte irgendwie diese Dinge nach
Möglichkeit transparent machen. Wir
veröffentlichen auch, wenn das nicht dem
Quellenschutz entgegen steht. Und wir sind
hier sicherlich in einem Spagat zwischen
sich von der Politik vereinnahmen lassen
und weiterhin unseren Prinzipien treu zu
sein. Also wir haben auch schon Angebote,
in Runden von Ministerien zu gehen,
abgelehnt, weil wir dann nicht drüber
hätten reden können, was dort denn
beschlossen wird. Und da waren wir nicht
die einzige NGO. Also in Österreich hat es
so diese Kultur des Mauschelns. Für uns
ist es aber nicht die richtige Art von
Demokratie.
Herald: Es tut mir sehr leid, draußen sind
...
Einwurf: Eine schnelle!
Herald: Eine schnelle! Eine schnelle Frage
können wir noch mit einer schnellen
Antwort bitte, meine Herren.
Fragerin: Ja die Frage ist vielleicht
nicht so schnell. Ich interessiere mich
dafür, wie das Bundesverfassungsgericht,
was ja in deutsch–, deutsche Gesetze
irgendwie mehr begutachtet oder deutsche
Verfassung macht, eigentlich eine
Auswirkung auf österreichische Sachen
haben kann oder wie man damit
argumentieren kann? Weil die Gesetze sind
zwar in vielen Dingen ähnlich, in
Deutschland und in Österreich. Aber gerade
die Verfassung ist doch teilweise recht
weit anders aufgebaut als in beiden
Ländern.
Alexander Czadilek: Ja, dazu muss man
sagen, dass die Gerichte, die, das
österreichische Höchstgericht oder
Verfassungsgerichtshof und das
Bundesverfassungsgericht befreundet ist.
Und da kann ... Auch wenn die Gesetze
unterschiedlich sind, wir haben die
gleiche Rechtsgeschichte oder eine
ähnliche Rechtsgeschichte und die gleiche
Rechtstradition. Und man kann durchaus
Argumente auch von den anderen
Höchstgerichten nehmen. Und deswegen
schauen wir auch nach Deutschland einfach.
Weil natürlich das ganz ganz ganz wichtig
ist und das ... Und ich vertraue Karlsruhe
schon sehr. Ich bin auch nicht mit allem
einverstanden aber durchaus ins ... ist es
doch auch ein Hüter der Grundrechte, ja?
Und da bin ich schon stolz auf die
Höchstgerichte. Und an dieser Stelle Grüße
nach Luxemburg. Vor einer Woche gab es ein
großartiges richtungsweisendes Urteil.
Also bitte einen Applaus dafür.
Applaus
Und damit wird uns der Ton abgedreht.
Vielen herzlichen Dank. Schönen Abend
noch. Wir sind weiterhin auch noch hier.
Wer jetzt nur im Stream zuschaut, schickt
uns eine E-Mail.
Abspannmusik