Musik Angelika Adensamer: Hallo! Wir wollen heute zeigen, wie in Österreich über das Thema Staatliche Überwachung gesprochen wird. Wir wollen das anhand von vor allem zwei Argumentationslinien nachzeichnen und zwar erstens, dass die abstrakte, so genannte angebliche Gefahr immer größer dargestellt wird, als sie tatsächlich ist, um genügend Gründe für die Ausweitung von Überwachung zu finden. Und zweitens, dass die Schäden, die Überwachung in einer Gesellschaft anrichten kann, klein gemacht werden. Unser Schluss ist dann daraus, dass wir der... diese Sprache sehr präzise anschauen müssen, ihr auf den Grund gehen müssen, und wenn wir das tun (und das gründlich tun), damit auch erfolgreich sein können. Thomas Lohninger: Gut. Vielen Dank Angelika. Das ist Angelika Adensamer, unsere Juristin und Policy Advisor. Applaus AA: lacht TL: Mein Name ist Thomas Lohninger und wir sprechen hier für epicenter.works. Wir sind ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Wien und setzen uns für Privatsphäre und Meinungsfreiheit im Internet ein. Am ehesten kennt man uns vielleicht noch für die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene mit unserem... unserer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, als wir noch AKVorrat hießen. Applaus TL: Und wenn ihr uns deswegen nicht kennt, vielleicht wegen der Netzneutralität, da haben wir mit der SavetheInternet.eu- Kampagne auch angeschoben, damit wir jetzt einheitlichen Schutz der Netzneutralität in Europa haben. Aber... Applaus TL: Vielen Dank! Aber jetzt... weiter zu meinem Kollegen, Werner Reiter. Werner Reiter: Ich habe noch nie vor so vielen Menschen gesprochen und bin ehrlich gesagt etwas nervös. Helft mir bitte. Applaus WR: Das war noch nicht die Frage. Die Frage war - und ich bitte um ein Handzeichen - "Wer von euch findet staatliche Überwachung oder einen Bundestrojaner / Staatstrojaner (wie er in Deutschland heißt) nicht so toll?" Naja, das sind doch einige, ne? Dann habe ich jetzt was für euch. TL: Ton bitte. Wir haben hier Videos drin, ganz viele davon. Wir spielen es ab... Video: "...alle, die innerhalb und außerhalb des Parlaments, die sich gegen diese gesetzliche Anpassung wenden, planen einen Anschlag auf die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher und geben Ihnen nicht die Möglichkeit, die selbe Sicherheit zu haben, die andere Länder haben, bzw. nicht am Stand der Technik zu sein." WR: So. Das ist Wolfgang Sobotka, ehemaliger Innenminister Österreichs. Er hat euch soeben zu Gefährderinnen und Gefährdern abgestempelt. Ihr habt seine Pläne kritisiert... Applaus WR: ...und er unterstellt euch, dass ihr einen Anschlag plant. Wir haben übrigens deswegen auch eine Anzeige gegen ihn eingebracht. Viel schlimmer als die Diffamierungen, die... Gegenstand dieser Anzeige ist, ist die emotionale Erpressung, die in dieser Aussage steckt. Wer für Grund- und Freiheitsrechte eintritt, ist eine schlechte Staatsbürgerin bzw. ein schlechter Staatsbürger. Ihr seid schlechte Staatsbürger. Tut mir leid. Applaus TL: lacht Applaus... Gut. Worum geht's hierbei? Wer uns kennt, wird es schon ahnen. Es geht um konkrete Gesetzesvorschläge, die im Jahr 2017 in Österreich diskutiert wurden. Die ganze Geschichte begann im Jänner 2017 mit dem neuen Koalitionsabkommen der damaligen rot-schwarzen Regierung. Wir kommen noch zu den aktuellen Entwicklungen, aber diese lückenlose Überwachung, die ihr hier seht, ist nicht irgendwie unsere Zuschreibung, sondern wiederum ein Zitat von unserem ehemaligen Innenminister Wolfgang Sobotka und heutigen Parlamentspräsidenten - immerhin dem zweithöchsten Amt in der Zweiten Republik - und er hat das so deutlich ausgesprochen, wie wohl kaum Sicherheitspolitiker, zumindest im deutschsprachigen Raum. Worum ging es jetzt konkret bei dem Koalitionsabkommen, das uns im Jänner auf den Plan gerufen hat? Ihr seht hier die Latte an Maßnahmen, um nur ein paar rauszugreifen... Gefordert wurde: die flächendeckende und vernetzte Videoüberwachung, also auch alle Kameras der Wiener Linien und der ÖBB würden im Innenministerium zusammenlaufen in Echtzeit, die Erfassung von allen Kennzeichen auf Bundesstraßen und auch die Registrierung beim Kauf von Bahn- und Bustickets. Und schon allein aus den 3 Maßnahmen ergibt sich ein Gesamtbild, wo es egal ist, ob ich mit meinem eigenen Auto fahr', mit dem Zug, mit dem Bus oder einfach nur mit der U-Bahn - es gibt von dieser Bewegung einen Eintrag in einer staatlichen Datenbank. Aber das, was am meisten diskutiert wurde, war dieses lütte Hutschpferdchen hier, nämlich der Bundestrojaner. Wir haben schon Staatstrojaner, wie es in Deutschland heißt, sprich staatliche Spionagesoftware und staatliches Hacking, womit die Ende- zu-Ende-Verschlüsselung, die dank Snowden heutzutage in unser aller Hosentaschen ist, umgangen werden soll, damit man auch wieder diese Form von geschützter Kommunikation als Staat überwachen kann. Und diese Art von staatlicher Spionagesoftware - da gab es schon einen ersten Anlauf die in Österreich zu legalisieren, und zwar im Jahr 2016 von Justizminister Brandstetter. Wir haben es damals geschafft, den ersten Versuch schon in der Begutachtung zu stoppen. Das Gesetz wurde zurückgenommen. Dann 2017 der zweite Anlauf. Da nehme ich etwas vorweg: Er wurde auch gestoppt und wir kommen dann am Ende noch zum dritten Anlauf. Aber in der Debatte und den Statements von vielen Politikern die ihr gleich hören werdet, ging es auch immer um diese Art der Überwachung. Werner Reiter: Ja, wir waren kurz nach der Präsentation des Koalitionsübereinkommen schon mit einer Kampagne am Start: "Stoppt das Überwachungspaket. Wir haben mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln mobil gemacht. Wir haben ein breites, zivilgesellschaftliches Bündnis gegründet, wo Amnesty International unter anderem dabei war, Attac und viele viele weitere mehr. Wir haben erstmals in Österreich in ganz Österreich Kampagnen und Aktionen gemacht, nicht nur in Wien, nicht nur im Netz, sondern auch auf der Straße in allen österreichischen Hauptstädten. Wir haben eine Hotline gemacht, wo man Politikerinnen und Politiker anrufen konnte, um sie zu überzeugen, dass dieses Überwachungspaket weit über das hinausschießt, was mit unseren Werten noch vereinbar ist. Man konnte auch Anrufe buchen. Das heißt, Sobotka jeden Donnerstag um 11 Uhr mitteilen, dass ein Überwachungspaket keine so tolle Idee ist. Und als dann die Gesetzesvorschläge in die Begutachtung gingen haben wir erstmals in Österreich etwas gemacht, und zwar ein Tool, wo man ganz einfach Stellungnahmen einbringen konnte, in den Begutachtungsprozess des Gesetzes. Das haben sehr, sehr viele Menschen gemacht. Ein toller Erfolg. Zu den Zahlen kommen wir später noch. Thomas Lohninger: Genau. Also... wir erinnern uns: Im Jänner wurde das ganze vorgestellt, dann war lange Debatte, aber nichts Konkretes wurde vorgelegt. Es wurde zwischen den Parteien und Ministerien diskutiert und dann hat man gewartet, bis die Sommerpause begann und im Juli wurden dann konkrete Gesetzesvorschläge in Begutachtung geschickt. Die umfassten sogar noch mehr als die ursprünglichen Koalitionspapiere vermuten ließen. Da waren zum Beispiel neue Maßnahmen wie Netzsperren enthalten, die es Providern erlauben, ganz normal in ihrer Produktgestaltung nur noch Teile des Internets anzubieten. Unter dem Deckmantel von Jugend- oder Pornoschutzfiltern konnten da einfach Teile des Nets in der Produktgestaltung zensiert oder blockiert werden. Dann gab es auch eine Ausweitung von IMSI-Catchern und dem Lauschangriff aufs Auto. Beides ist jetzt nur geringfügig möglich, sollte damit ausgeweitet werden, und was wir zu dem Zeitpunkt im Juli schon verhindert hatten, war die Fußfessel für Gefährderinnen und Gefährder. Die ist aufgrund der Kritik einfach nicht weiter verfolgt worden. Angelika Adensamer: Unsere Hauptkritik im Überwachungspaket ist, das es grundrechtswidrig ist. Es verletzt insbesondere das Recht auf Achtung der Privatsphäre. Feedback-Geräusch Thomas Lohninger: ...Danke. AA: Überwachung kann grundsätzlich schon den Menschenrechten entsprechen; es ist nicht automatisch so, dass sie grundrechtswidrig ist. Es muss aber die konkrete Überwachungsbefugnis verhältnismäßig sein. Das heißt, sie muss erstens einen legitimen Zweck erfüllen. Das kann zum Beispiel durchaus auch Sicherheit sein. Aber in einem zweiten Schritt muss dieses Mittel auch geeignet, erforderlich und angemessen sein, um diesen Zweck zu erreichen. Und da wird's schon schwieriger, weil in dieser ganzen Debatte wird niemals auch nur irgendwie begründet, wie genau diese Überwachungsmaßnahmen nun die Sicherheit fördern sollen, zu ihr beitragen sollen, und es wird schon gar nicht bewiesen oder irgendwie belegt. Deswegen halten wir das Überwachungspaket für eine Gefahr für die Demokratie, für unsere Freiheit, ironischerweise auch für unsere Sicherheit. Und wir sind deswegen für eine Überwachungs-Gesamtrechnung, in der nicht nur die einzelnen Überwachungsmaßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten geprüft werden, sondern alle gemeinsam und besonders auch in ihren Kombinationen. Werner Reiter: Wir spulen noch etwas zurück und zwar ganz an den Beginn: was war der Ausgangspunkt für all das? Der Ton ist leider nicht besonders gut, aber es ist ein historisches Video und ich muss es trotzdem zeigen. [Video mit Untertiteln] Gelächter Werner Reiter: Ja... ich hoffe mit Untertitel geht's. Ihr habt wahrscheinlich auch "Sekrement" verstanden, Exkrement ist gemeint, egal. Ein Innenminister bekämpft also das Symptom - Kot vor der Haustür - mit Kameras und denkt nicht eine Sekunde darüber nach, aus welchem Grund ihm der Haufen vor die Tür gelegt wurde. Das ist leider symptomatisch für die Debatte um Sicherheit in Österreich und wahrscheinlich auch in anderen Ländern: man versucht Symptome mit Placebos zu behandeln, anstatt über die Ursachen nachzudenken. Und damit sind wir bei der Politik der Gefühle. Thomas Lohninger: Genau. Und dann der zweite Teil des Videos... [Video mit Untertiteln] TL: Genau: Das ist ein ganz zentraler Begriff um die Debatte rund um Überwachung und Sicherheit, zu verstehen. Es geht um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Ursprünglich war das mal ein Schmähwort der Datenschützer gegen diese Art von Überwachungspolitik, heute ist es die ernstgemeinte Begründung für diese Vorhaben und gesetzlichen Verschärfungen. Und ganz wichtig ist eben, dass es da jetzt nicht mehr um objektive oder messbare Sicherheit geht. Es geht nicht um eine Verbesserung der Aufklärungsquote oder gar das Verhindern von Anschlägen. Die meisten der Maßnahmen, die jetzt in diesem Überwachungspaket enthalten sind, waren schon längst etabliert, seit Jahren in anderen EU-Mitgliedsstaaten und haben dort schon nicht geholfen. Trotzdem versucht man hier eben weiter mit einem Gefühl in der Bevölkerung, das ja aktiv befördert wird durch diese Art der politischen Rhetorik, solche Maßnahmen zu rechtfertigen. Angelika Andensamer: Wir hören jetzt noch einmal unseren Ex-Innenminister Sobotka in seinen letzten Tagen im Amt im Parlament sprechen. Wolfgang Sobotka (Video): Wir wissen heute dass der nächste Anschlag geplant wird. Wir wissen aber nicht wann und wir wissen nicht wo. AA: Ja, das ist auch typisch für diese Diskussion. Es geht um den Schutz vor abstrakten potenziellen Gefahren. Im Gegensatz zu konkreten, die man dann vielleicht doch konkret benennen könnte; es ist nur irgendwann irgendwas. So richten sich dann auch Gesetze gegen sogenannte Gefährderinnen und Gefährder. Das sind Menschen, die nicht verurteilt worden sind, die auch nicht konkret im Verdacht stehen, Straftaten verüben zu wollen oder zu planen, aber die trotzdem auf irgendeine Weise anscheinend abstrakt gefährlich sind. In dem neuen Regierungsübereinkommen der rechtskonservativen - rechtsextremen und konservativen - Regierung heißt es: Es soll bereits im Vorfeld gegen potenzielle Gefährder eingeschritten werden und zwar sollen Gebiets- und Reisebeschränkungen für Gefährder sowie Einschränkungen elektronischer Kommunikationsmittel bei Gefährdern eingeführt werden. Nun könnten theoretisch, wie wir vorhin schon gehört haben, alle abstrakt und potenziell Gefährderinnen und Gefährder sein: man braucht nur einmal sagen, man ist gegen das Überwachungspaket, und schon plant man einen Anschlag auf die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zufolge unseres Innenministers. Das große Problem daran ist, dass man aus solchen Datenbanken üblicherweise nicht gelöscht wird. Es gibt meistens kaum Voraussetzungen dafür, aus Gefährder- Datenbanken wieder rauszukommen und es ist auch tatsächlich ein bisschen schwierig. Wenn man einmal abstrakt und potenziell gefährlich ist oder war, wie soll man jemals beweisen können, dass man das zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr ist. Werner Reiter: Ja, wir haben jetzt viel gehört über die ach so große, wenn auch abstrakte Gefahr. Die Maßnahmen die man dagegen einsetzen will, sind relativ klein, zumindest in der Sprache der Politikerinnen und Politiker. Video: ...daher wollen wir diese Lücke schließen. Mehr ist es gar nicht; es geht um das Schließen einer Lücke, im Bereich der Überwachung, die wir immer schon gehabt haben, die sich ergeben hat durch den technischen Fortschritt. WR: Joa. Also, es geht um die Schließung einer kleinen Lücke, des mach'mer schnell mal und dann ist das alles wieder erledigt und wir sind wieder sicher. Nun ja. Thomas Lohninger: Ja, die Sache mit der Technologie. Da stoßen wir ganz offen in der Netzpolitik an diese Grenze, dass versucht wird, Technologie zu regulieren, bevor man sie wirklich verstanden hat. Das ist so als ob man irgendwie Familienpolitik machen will, wo man nicht versteht, wie Kinder zustande kommen und was sie vielleicht brauchen könnten oder wie eine Familie funktioniert. Aber hier ist es leider nichts, was dazu führt, dass Aussagen disqualifiziert werden, sondern man äußert sie dann einfach nur mit noch mehr Inbrunst. Hier ein schönes Video vom Forum Alpbach aus diesem Jahr. Sobotka (Video): Da würde ich bitten unsere Cybercrime-Spezialisten, vielleicht der Leiter des BVTs, zu beantworten, wie das technisch aussieht. Moderatorin (Video): Aber auch... okay. Herr Gridling. Gridling (Video): Ja, vielen Dank. Ich fürchte, ich bin auch nicht der technische Experte, der jetzt genau erklären kann, wie das geht. TL: Genau. Peter Gridling, der Chef des BVT, des Verfassungsschutzes in Österreich, im Inlandsgeheimdienst unter dem Innenministerium, also Wolfgang Sobotka war damals noch sein Chef, und den Namen merken wir uns, der kommt nämlich später auch noch mal. Sehr ähnlich in dieselbe Kerbe schlagt der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl. Reporter (Video): Sie könnten in jedes Schlafzimmer jedes Österreichers schauen und die Software wird dadurch unsicher, und Kriminelle haben dann Zugriff auf alle Daten. Ist Ihnen das bewusst? Gerhard Pürstl (Video): Ja, aber das sind ja Totschlagargumente. Man muss sich das technisch ansehen. Man kann mir nicht erzählen, dass technisch derartige Dinge nicht möglich sind. Gelächter Applaus TL: Da kommt schon sehr viel rüber von, einerseits, eben dieses Gebrauchs des Worts "Totschlagargument", gepaart mit dieser technischen Ignoranz. Und dadurch ist natürlich jede sachliche Debatte schon fast unmöglich. Und wenn man jetzt versucht, irgendwie mit technischem Sachverstand zu argumentieren, könnte man glauben, dass man die Leute schnell schachmatt setzt. Aber um das geht es ihnen an der Stelle gar nicht, sondern es ist eher so die Herangehensweise eines Spielzeugs. Werner Reiter: Ja, gebt denen doch dieses Spielzeug, warum lang drüber reden. Jetzt kommt der ehemalige Justizminister Wolfgang Brandstetter. Brandstetter (Video): Wenn der Chef des BVT, unseres Verfassungsschutzes, einfach diese Maßnahmen für notwendig und erforderlich hält und sie fordert, dann muss man reagieren. WR: Also... Wie... langsames Klatschen WR: lacht Also man reagiert auf die Wünsche des Verfassungsschutzchef und Cybercrime-Experten, der nicht beantworten kann, wie es technisch funktionieren soll. Gebt ihm das Spielzeug. Angelika Andensamer: Aber... Keine Sorge. Applaus AA und WR: Keine Sorge. Sobotka (Video): Es ist für mich immer sehr, sehr kurios, dass man dem Staat immer permanent, wo man jeden Beamten seinen Eid auf die Verfassung schwören lässt, diesen... ähm... Missbrauch der Daten unterstellt und in der Verfolgung der Kriminellen nicht die Möglichkeit in die Hand gibt, das zu tun. AA: Ja. Am besten dem Staat einfach vertrauen. Datenmissbrauch - sowas gibt's überhaupt nicht. Gut - wir vertrauen dem Staat auf diese Weise nicht. Beispiele für Datenmissbrauch gibt's tatsächlich genug. Nur ein kleines Beispiel: ich war einmal in einem Strafprozess, darüber wird nicht mal großartig berichtet, über solche Fälle. Ein Polizist hat einer Frau, die er mochte, Daten über ihren Ex-Freund rausgeholt, weil er zeigen wollte, was das für ein Typ ist, wie oft der festgenommen worden ist oder so. Staat sind auch nur Menschen - Datenmissbrauch? Haben wir nie gehört. Überhaupt sollte man in einem Rechtsstaat dem Staat nicht auf diese Weise vertrauen müssen. Entscheidungen sollten transparent sein, es muss Kontrollinstanzen geben. Ich hätte grundsätzlich persönlich überhaupt kein Vertrauen in jemanden, der sich so wie hier gegen jegliche Kontrolle wehrt. Applaus Ja, hier gleich nochmal; das ist Werner Amon, Sicherheitssprecher der ÖVP, hier auch im Parlament: ... Amon (Video): Der Datenschutz darf nicht falsch verstanden werden und darf nicht dazu führen, dass es zu einem Täterschutz kommt. AA: "Datenschutz ist Täterschutz", das ist auch ein sehr beliebter Satz. Es stecken nur zwei ganz grundlegend falsche Annahmen dadrin. Erstens ist Datenschutz ein Grundrecht, das, wie alle Grundrechte, alle schützt. Auch Täter und Täterinnen. Wer das nicht versteht, hat das Prinzip von Grundrechten ganz grundlegend nicht verstanden. Zweitens... Applaus AA: Und zweitens sind die Überwachungsbefugnisse Ermittlungsbefugnisse, d.h. sie richten sich gegen Verdächtige oder wie vorher zum Beispiel auch gegen Gefährderinnen und Gefährder, die noch nicht einmal konkret verdächtigt sind. Und davon sind nicht alle Täter und Täterinnen. Wüsste man schon, dass das alles Täter und Täterinnen sind, müsste man sie wahrscheinlich nicht überwachen und gegen sie ermitteln. Werner Reiter: Nächstes Kapitel. Die Überwachungsdebatte ist geprägt von einer sehr seltsamen Wettbewerbslogik. Wir haben hier nochmal Werner Amon. Amon (Video): Es kann nicht sein, dass die internationale Kriminalität oder Terrorismus in der Champions League mit ihren Möglichkeiten spielt und wir uns auf der Ebene der Regionalliga aufhalten. Gelächter im Publikum WR: Also... da will wer klatschen. - Wir haben doch keine Zeit. - Champions League - Regionalliga. ... Wir haben von Innenminister Sobotka schon gehört: andere Länder hätten das auch und wir bräuchten das. Das geht noch einmal einen Schritt weiter: Wir begeben uns jetzt nicht den Wettbewerb mit anderen Ländern, sondern direkt in den Wettbewerb mit Terroristen und Terroristen. Das heißt, was uns Werner Amon hier sagt: Er würde gerne dieselben Methoden anwenden, die auch Kriminelle anwenden. Und ich glaube nicht dass das Staaten sind, die wir haben wollen. Applaus Angelika Andensamer: Zeigt sich auch teilweise ein etwas eigenartiges Demokratieverständnis. So lässt uns zum Beispiel unser Ex-Innenminister Sobotka via die Kronen-Zeitung ausrichten: die Sicherheit steht über der Politik, und was er damit sagt, ist tatsächlich: Er möchte es nicht diskutieren. Er möchte darüber keine politische Diskussion führen und versteht auch eigentlich gar nicht, warum es dafür eine politische Einigung braucht. TL: Das war bis jetzt mal soweit die Debatte. Bis dann der Wahlkampf im Sommer 2017 passiert ist. Und auch in dem waren Sicherheit und Überwachung weiterhin zwei sehr beherrschende Themen im innenpolitischen Diskurs. Was wir auch noch hervorstreichen wollen ist der ehemalige Kanzler Kern. Die SPÖ hat es komplett vermieden, sich in diesem Thema zu positionieren - bis auf ein paar Statements von eher niederrangigen Politikern aus dem Parlamentsklub und auch der Kanzler hat selbst gemeint, dass er so eine sensible Materie doch nicht in den Wahlkampf ziehen will. Und damit hat es die SPÖ vermieden, einerseits sich zu positionieren aber auch eine Chance verpasst, sich auf die Seite der Grundrechte zu stellen und auch mitten im Wahlkampf von den Konservativen abzugrenzen. Die haben das Spiel auch durchaus beherrscht. WR: Indes die ÖVP. Man machte im Wahlkampf gern ein bisschen so... Wohlfühlen- Feelgood-Rhetorik. Hier, ganz schön, "brauchen mehr Transparenz in unserem Staat, aber keine Schnüffelstaat" und das währenddessen sie für das Überwachungspaket weiter trommeln. Mich erinnert das frappant an die Hacker-Ethik "öffentliche Daten nützen, private Daten schützen". Schön wär's. TL: Es gibt übrigens immer noch kein Transparenzgesetz in der neuen Regierung. AA: Ja. Vor der Wahl war die FPÖ noch in der Opposition, nun ist sie in der Regierung. Damals hatte es noch geheißen, über das Überwachungspaket, das wäre das Ende des Rechtsstaats wie wir ihn kennen, so ein Papier der Gräßlichkeiten ist undenkbar. Man sieht hier auf dem Bild Kickl, der jetzt unser Innenminister ist, von der FPÖ. Und was wir auch hier versucht haben zu illustrieren ist, wie immer wieder vermischt werden die Themen Islam, Migration, Terrorismus. Sicherheit, Überwachung, was vor allem den Effekt hat einerseits Rassismus weiter zu schüren und andererseits Stimmung zu machen für mehr Überwachung. Auf Fakten wird in dieser Diskussion weitgehend verzichtet. Hier haben wir Harald Vilimsky, auch ein hochrangiger FPÖ-Politiker. Er ist EU- Parlamentsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit", also der rechten Fraktion und ist hier auch noch als Oppositioneller österreichischer Politiker. Harald Vilimsky (Video): Die ÖVP möchte zeigen, dass sie eine Sicherheitspartei ist, ist aber keine Sicherheitspartei, sondern lediglich eine Überwachungspartei. AA: Genau, so spricht er über die ÖVP, die jetzt ihr Koalitionspartner ist, mit der sie jetzt das neue Überwachungspaket durchsetzen. Damals noch klar gegen Überwachung positioniert, teilweise sogar mit unserer Diktion. TL: Ja und dann am 1. September 2017 nach dem Nationalen Sicherheitsrat trat Innenminister Sobotka vor die Kameras und erklärte, er gibt auf. Das Sicherheitspaket kommt vorerst nicht, weil der linke Flügel der Sozialdemokraten sich durchgesetzt hätte und damit waren diese Maßnahmen vom Tisch. Nach 8 Monaten Kampagnen ist das unsere Bilanz. Wir konnten mit 9.220 Menschen insgesamt 18.000 Stellungnahmen zu diesen Gesetzen abgeben, im Begutachtungsprozess. Das macht diese Begutachtungen zur größten in der Geschichte der Zweiten Republik und zwar mit Abstand. Und... danke. Applaus TL: Was uns vor allem sehr auch gefordert und gefreut hat war, dass dieses Thema wirklich intensiv diskutiert wurde in Österreich. Es ist ja klar, dass man irgendwie so "Standard", "Futurezone", das sind die Dinger, wo öfter über solche Themen debattiert wurde. Aber es gab mehrere Chefredakteurinnen und Chefredakteure, die sich dazu geäußert haben, es war auch auf allen öffentlich- rechtlichen und Privatsendern vertreten und insgesamt haben wir eine Debatte erlebt, die dann zum Beispiel auch in manchen User-Umfragen, auch in Boulevardzeitungen gezeigt hat, dass die Leute eine erhöhte Sensibilität für dieses Überwachungsthema bekommen haben. Und wir sind schon ein bisschen stolz, dass sie es geschafft haben, 10 von diesen 12 Themen zu verhindern, zumindest jetzt mal vorerst, weil wir sind natürlich nach der Wahl weiter mit einer Situation konfrontiert. WR: Auftritt Wolfgang Sobotka. Wolfang Sobotka (Video): Und sie können sich noch an meinen Spruch erinnern, vor mehreren Monaten, wo ich hier gesagt habe: das ist ein Anschlag auf die Sicherheit, das nicht durchzuführen. Meine Damen und Herren, das muss uns ganz bewusst sein: wenn wir der Polizei diese Maßnahme nicht in die Hand geben, dann haben wir wenig Chance, diese Netzwerke auch zu detektieren. WR: Ja, er wiederholt die Anschuldigungen, die er gegen euch erhoben hat. Der Mann hat in den Koalitionsverhandlungen übrigens auch das Kapitel Sicherheit, Ordnung und - man höre und staune - Heimatschutz verhandelt für die ÖVP und er bekräftigt, er hält euch für potenzielle Terroristinnen und Terroristen. WR: Wir haben seit kurzem ja auch eine neue Regierung und als das Koalitionspapier rauskam, haben wir innerhalb von 24 Stunden eine Analyse davon online gestellt, wo ihr euch 4 Seiten durchlesen könnt, was da drinnen steht, aber auch eine farbcodierte Version der 180 Seiten wo alle Vorhaben nach ihrer netzpolitischen Relevanz in Ampelfarben einsortiert sind. Und wir sehen da drin mehr oder weniger ein Überwachungspaket 2.0. Wir haben: aus den abstrakten Gefährdern wurden die potenziellen Gefährder, gegen die weiterhin schon im Vorfeld, also vorm Verdacht oder vor der Verurteilung, tätig geworden sein soll. Dann gibt es Lücken bei der Überwachung von internetbasierter Kommunikation, die geschlossen werden sollen. Da lugt schon wieder ein bisschen der Bundestrojaner um die Ecke, aber da haben wir noch ganz viele andere Probleme und da ist so das Überthema der Vernetzung von staatlichen Datentöpfen. Es soll zum Beispiel, wer sich noch an die Bildungsdokumentation von Liesel Gehrer erinnert - das Ding, on steroids 3.0. Also, es soll wirklich eine Datenbank geschaffen werden, wo von Kindergarten bis zur Uni jede Leistungsbeurteilung, jede Verhaltensnote, jeder Klassenbucheintrag gespeichert werden soll mit potentiellem Zugriff nachträglicher potenzieller Arbeitgeber. Das Ganze wird auch ausgeweitet auf den Erwachsenenbereich und auch unter der Ägide des AMS, sozusagen, bei allen E-Learning-Kursen und der zentrale Zugriff wird von einer staatlichen ID gesteuert. Das ist sozusagen die Weiterentwicklung der Handysignatur. Und dann gibt es auch noch viel mehr Vernetzungen von Datenbanken aus dem Sicherheits- und Sozialbereich, die vor allem eben auch dann noch im Thema Zuwanderung schlagend werden. Ja, aber es gibt da noch so ein Überthema. Ich habe schon eingangs erwähnt. Wir haben jetzt, das ist der dritte Versuch, einen Bundestrojaner in Österreich zu legalisieren. Und das stellt uns auch mal ein bisschen so vor die Frage: wann haben wir eigentlich gewonnen? Wenn das Ding jetzt zweimal verhindert wurde, wann merken sie es sich? Die harte Antwort ist leider, dass sich Bürgerrechte nicht von selbst verteidigen, sondern dass wir unsere, um unsere Grundrechte zu bewahren, die ganze Zeit wachsam bleiben müssen, weil man sie zwar über viele Jahrzehnte bewahren kann, aber es braucht nur ein Moment, wo die Leute nicht aufpassen und dann können sie uns genommen werden. Applaus AA: Die FPÖ, die damals noch so gegen Überwachung war, ist nun auf Linie. Das ist unser neuer Innenminister Kickl. Kickl (Video): Es kann nicht sein, dass sozusagen die Ganoven landauf, landab und die internationale Kriminalität die besten technischen Möglichkeiten hat, aber wir im eigenen Land nicht die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben, damit die Polizei auch auf Höhe der technischen Möglichkeiten agieren kann. AA: Damit hat mit der Regierungsbeteiligung die FPÖ jetzt auch die Argumente der ÖVP übernommen und findet auch, dass sich der Staat der gleichen Mittel wie die Kriminellen bedienen sollte. WR: Ja, sie haben noch etwas anderes übernommen, und zwar die Feelgood-Rhetorik der ÖVP aus dem Wahlkampf. Jetzt heißt es zum Beispiel vom neuen Innenminister aus einem Interview, dass er seiner eigenen Online-Redaktion gegeben hat, das erste Interview übrigens, "geht es der Sicherheit gut, geht's uns allen gut", na wunderbar. Ganz so gut dürfte es aber dann doch nicht sein. Er hat nämlich auch übernommen, dass die Webseite des Innenministeriums nach wie vor kein HTTPS kann. Und das zeigt ein bisschen die Ignoranz, die die Politikerinnen und Politiker den technischen Themen gegenüber haben und die Ignoranz spiegelt sich leider auch wieder, in viel gefährlicheren Dingen wie zum Beispiel Bundestrojaner, Videoüberwachung und all diese Dinge, die da auf uns zukommen. TL: Um zum Abschluss zu kommen: Wir würden auch gerne über unsere Sprache sprechen, die Kampagnen-Sprache, die wir diesen politischen Vorhaben entgegengesetzt haben. Wir haben das Sicherheitspaket ganz bewusst als das bezeichnet, was es ist, ein Überwachungspaket. Und wir haben es damit geschafft, wirklich auch medial durchzukommen. Es haben viele Medien den Begriff übernommen und immer öfter auch ohne Anführungszeichen. Das war kein Sicherheitspaket, das war ein Überwachungspaket, weil da weder Sicherheit drin ist, aber dafür sehr viele Überwachungsmaßnahmen. Und genau diese Änderung des Narrativs ist der Schlusspunkt mit dem ich enden will, weil ich glaube, dass das auch der Aspekt von dieser ganzen Geschichte ist, der vielleicht allen anderen Campaingnern und Menschen, die sich für diese Themen interessieren oder auch im privatem Umfeld darüber sprechen, am hilfreichsten sein könnte. Nämlich die Änderung des Narrativs, die wir vollziehen müssen. Wir gewinnen die Überwachungsdebatte nur, indem wir sie zu einer Sicherheitsdebatte machen. Massenüberwachung funktioniert in großen Teilen nicht. Andere Maßnahmen sind nicht nur viel sinnvoller für die Sicherheit sondern auch schonender für die Grundrechte. Und gerade diese anderen Maßnahmen sind das beste Gegenargument, das wir diesen sinnlosen Vorgaben entgegensetzen können. Diesen Spielzeugen, die man sich hier anschaffen will. Wir brauchen eine grundrechtsfreundliche, faktenbasierte Sicherheitspolitik und das sind die besten Gegenargumente. Deshalb fordern wir auch immer eine Überwachungs- Gesamtrechnung. Das wäre eine Evaluierung von allen Überwachungsmaßnahmen in einem Land, auf ihre Verfassungskonformität und ihrem realen Beitrag zur Sicherheit. Damit dürfen wir uns bedanken. Applaus TL: Wir haben jetzt, glaube ich, gar keine Zeit mehr wirklich für Fragen. Aber wir haben eine Assembly in Saal 3, direkt neben IFF und EDRi, schaut da vorbei. Wir sind bis Tag 3 noch dort, also ich glaube Tag 4 auch noch ein bisschen. Ah ja und wir sind ein spendenfinanzierter Verein und damit wir weiter unabhängig das tun können, was wir tun, brauchen wir euch als Fördermitglieder, das wäre ganz toll. Vielen Dank. Applaus Herald: Ja, vielen Dank Thomas Lohninger, Werner Reiter und Angelika Adensamer. Wir haben heute leider in diesem Talk keine Zeit für Fragen, aber nochmal einen großen Applaus für unsere drei Gäste hier aus Österreich. Applaus Abspann Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2019. Mach mit und hilf uns!