Immer und überall in unserer Geschichte haben sich Menschen gefragt: "Woher kommen wir? Was ist unser Platz auf dieser Welt? Was geschieht mit uns nach dem Tod?" Religionen sind Glaubenssysteme, die sich mit der Zeit entwickelt haben, als Reaktion auf diese und andere ewige Geheimnisse, getrieben von dem Gefühl, dass einige Fragen nur der Glaube beantworten kann, und aufgrund einer Ahnung, dass es etwas Größeres gibt als uns, eine höhere Macht, der wir verpflichtet sind, oder einen gemeinsamen Ursprung, an den wir zurückkehren müssen. Der Hinduismus ist die Religion Indiens. Er ist nicht monolithisch, sondern hat viele Glaubensvarianten und Möglichkeiten der Ausübung. Er geht 5 Jahrtausende auf die Zeit Krishnas zurück, eines so tugendhaften Mannes, dass er als Verkörperung Vishnus bekannt wurde, einer Inkarnation Gottes als Mensch. Nach seiner Lehre folgt alles Leben dem Karma, dem Gesetz von Ursache und Wirkung, und es ist unsere Aufgabe, gemäß unserem Platz in der Gesellschaft unsere Pflicht -- Dharma -- zu tun, ohne uns über die Folgen zu sorgen. Nach dem Tod werden wir in einem neuen Körper wiedergeboren. Wenn wir unserem Dharma folgen und im Leben unsere Pflicht erfüllen, bekommen wir ein gutes Karma und unsere Seele steigt auf der sozialen Leiter nach oben. Unser nächstes Leben wird also durch unsere Taten im jetzigen Leben bestimmt. Das Rad der Wiedergeburten heißt Samsara. Nur ein sehr heiliger Mensch kann ein Leben mit so gutem Karma führen, dass er dem Rad entkommt. Dieses Entkommen heißt Mokhsa. Der Hinduismus lehrt, dass alles eins ist. Das ganze Universum ist eine übernatürliche Realität namens Brahman. Es gibt nur einen Brahman, aber viele Götter in ihm, deren Rollen, Formen und Aussehen je nach Tradition variieren. Brahma ist der Schöpfer, Vishnu der Bewahrer, der manchmal menschliche Gestalt annimmt. Shiva ist der Verwandler oder König des Tanzes. Durga ist der Inbegriff der schützenden göttlichen Mutter. Ganesha mit ihrem Elefantenkopf ist die weise Schutzpatronin des Erfolgs. Der Hinduismus ist die drittgrößte Religion der Welt. Zwar leben die meisten Hindus in Indien, aber es gibt eine Milliarde von ihnen auf allen Kontinenten der Erde. Nun geht es nach Westen über Wüsten und Berge zum fruchtbaren Halbmond vor ca. 4000 Jahren. Zu Beginn des Judentums rief Gott Abraham und Sarah auf, Mesopotamien zu verlassen und ins Land Kanaan zu ziehen. Zum Lohn für ihren Glauben an den einen wahren Gott -- ein revolutionäres Konzept in der damaligen Zeit der Vielgötterei -- verhieß man ihnen Land und viele Nachkommen. Das war der Ursprung des Landes Israel und des auserwählten Volkes. Doch dort zu bleiben und die Menschen zu einen, sollte sehr schwierig werden. Die Israeliten waren Sklaven in Ägypten, aber Gott befreite sie mit Hilfe des Propheten Moses, der die 10 Gebote und später noch Hunderte andere empfing. Sie eroberten das Gelobte Land, konnten es aber nur ein paar Jahrhunderte halten. Israel liegt an einer Wegkreuzung, die im Lauf der Jahrhunderte viele Armeen passierten. Im Jahr 70 zerstörten die Römer den Tempel in der Hauptstadt Jerusalem. Also wandelte sich die Religion von einer Tempelreligion mit Opfern und Priestern zu einer Religion des Buches. Daher ist das Judentum ein Glaube von Symbolismus, Andacht und Tiefgründigkeit, gebunden an die Literatur seiner Geschichte. Die heiligen Schriften bilden die hebräische Bibel, den Tanach, und hunderte schriftlicher Auslegungen bilden einen umfangreichen, tiefgründigen Kodex, den sogenannten Talmud. Juden finden im täglichen Leben reiche, symbolische Bedeutung. Beim Passahmahl symbolisiert jede Speise einen Aspekt des Entkommens aus der Sklaverei. Das Erwachsenwerden steht im Mittelpunkt, wenn Jugendliche das Alter von Bar oder Bat Mitzwa erreichen. Bei der Zeremonie übernehmen sie Verantwortung für ihr Tun und feiern die Einbettung ihres eigenen Lebens in den Glauben, die Überlieferung und die Schriften des jüdischen Volkes. Heute gibt es weltweit 14 Millionen Juden, 6 Millionen in Israel, das nach dem 2. Weltkrieg und dem Grauen des Holocausts unabhängig wurde, und 5 Millionen in den USA. Kehren wir nun ins Indien vor 2500 Jahren zurück, zum Beginn des Buddhismus und dem jungen Prinzen Siddhartha. Bei seiner Zeugung soll seiner Mutter, Königin Maya, im Schlaf ein weißer Elefant erschienen sein, der in ihre Seite eindrang. Nach 10 Monaten wurde Prinz Siddhartha in ein luxuriöses Leben geboren. Als junger Mann verließ er sein behütetes Leben und erlebte das menschliche Leid, das man ihm verborgen hatte. Sofort begann er, dessen Quellen zu erforschen. Warum müssen Menschen leiden? Müssen wir hunderte Male wiedergeboren werden? Zunächst hielt er den Hang zu materiellen Dingen für das Problem, daher gab er seinen Besitz auf. Er wurde ein umherziehender Bettler, was ihn aber nicht glücklicher machte. Dann hörte er einen Musiklehrer zu seinem Schüler sagen: "Spann die Saite nicht zu sehr, sonst reißt sie. Wenn sie aber zu schlaff ist, dann klingt sie nicht." Da begriff er: Nach extremen Antworten zu suchen, war ein Fehler. Der Mittelweg zwischen Luxus und Armut schien am weisesten. Beim Meditieren unter einem Bodhibaum fand er die vollständige Antwort. Das ganze Leben ist voller Leiden, verursacht von egoistischem Verlangen nach Selbsterfüllung auf Kosten anderer. Durch einen Acht-Stufen-Plan können wir dieses Verlangen und so auch das Leid mindern. An diesem Tag wurde Siddhartha zum Buddha, dem Erleuchteten; nicht dem einzigen, aber dem ersten. Der buddhistische Plan heißt "Achtfacher Pfad". Er ist schwer zu beschreiten, weist aber Millionen den Weg zur Erleuchtung. Buddhaschaft bedeutet Barmherzigkeit, Erkenntnis, Frieden und Beständigkeit. Von der Meditation unter dem Baum an bis zu seinem Tod als alter Mann lehrte Buddha den Weg zur Erleuchtung: wahre Worte, wahre Ziele, ein auf das Wahrhaftige gerichteter Verstand und ein Herz voller Nächstenliebe. Viele Buddhisten glauben an Gott oder Götter, aber Taten sind wichtiger als der Glaube. Heute gibt es weltweit ca. 1 Milliarde Buddhisten, die meisten in Ost-, Südost- und Südasien. Vor 2000 Jahren wurde im Gelobten Land das Christentum geboren. So wie Hindus Krishna als "Gott in Menschengestalt" bezeichnen, tun Christen dasselbe mit Jesus. Das Christentum stammt vom Judentum, so wie der Buddhismus vom Hinduismus. Der Gott Abrahams sandte den Engel Gabriel zu Maria, um die junge Frau zu bitten, die Mutter seines Sohnes zu werden. Der Sohn war Jesus. Er wurde Zimmermann und wuchs bei Maria und ihrem Mann Josef auf. Als er 30 wurde, begann er sein öffentliches Wirken als lebendiges Wort Gottes. Gerechtigkeit und Gnade waren ihm wichtiger als Frömmigkeit. Er heilte Kranke, um viele Menschen anzulocken, vor denen er von seinem himmlischen Vater predigte, der voller Liebe, Verzeihung und Fürsorge sei. Dann bat er alle an einen gemeinsamen Tisch, um das Königreich Gottes zu verdeutlichen: Außenseiter, Sünder und Heilige teilten ihr Mahl. Nach nur drei Jahren geriet er wegen seiner eigenwilligen Lehren in Schwierigkeiten. Er wurde gefangengenommen und von den Römern hingerichtet, so wie Aufrührer damals meist zu Tode kamen: durch Kreuzigung. Aber kurz nach seinem Begräbnis fanden Frauen sein Grab leer vor und erzählten das überall, überzeugt, er sei von den Toten auferstanden. Erste Christen schilderten Erscheinungen des Auferstandenen und verbreiteten Zuversicht, dass seine Botschaft wahr sei. Sie lautet: Liebet einander, wie ich euch liebe. Christen feiern Jesu Geburt im Dezember an Weihnachten, und Leiden, Tod und Auferstehung während der Karwoche im Frühling. In der Taufzeremonie, der Reinigung von Sünde und der Aufnahme in die Christengemeinde wird an Jesu Taufe erinnert, als er sein Leben als Zimmermann beendete. Im Ritual der Kommunion essen Christen Brot und trinken Wein, gesegnet als Leib und Blut Jesu, was an sein letztes Abendmahl erinnert. Es gibt weltweit 2 Milliarden Christen; das ist fast ein Drittel der Weltbevölkerung. Der Islam begann vor 1400 Jahren mit einem Mann von großer Tugend, der in einer Berghöhle der arabischen Wüste meditierte. Der Mann war Mohammed. Ihm erschien ein göttlicher Gesandter, wieder der Engel Gabriel, auf Arabisch Jibril, der ihm die Worte Allahs überbrachte, des einen Gottes Abrahams. In den folgenden Jahren kamen immer mehr Botschaften, die er sich einprägte und lehrte. Diese Verse waren voller Weisheiten, wunderschöner Reime und geheimnisvoller Metaphern. Aber Mohammed war Kaufmann, kein Dichter. Viele waren überzeugt, dass die Verse Gottes Wort waren. Diese Gläubigen wurden die ersten Muslime. "Muslim" bedeutet "einer, der sich ergibt", also eine Person, die sich dem Willen Gottes unterwirft. Die 5 wichtigsten Pflichten eines Muslims werden die "Fünf Säulen" genannt. Schahada: Muslime bekennen öffentlich, es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein letzter Prophet. Salat: das fünfmalige tägliche Gebet gen Mekka. Zakat: Jeder Muslim ist verpflichtet, 2 oder 3 % seines Vermögens den Armen zu geben. Saum: das Fasten während des Tages im Mondmonat Ramadan zur Stärkung der Willenskraft und des Gottvertrauens. Hadsch: Einmal im Leben muss jeder Muslim, der dazu in der Lage ist, in die heilige Stadt Mekka pilgern, zur Vorbereitung des Tags, an dem er vor Gott steht, um für das ewige Leben mit Ihm wert oder unwert befunden zu werden. Gottes Worte, die der Prophet über 23 Jahre empfing, sind im Koran aufgezeichnet, der wörtlich "die Rezitation" bedeutet. Muslime glauben, er sei das einzige heilige Buch ohne jede menschliche Verfälschung. Viele sehen ihn auch als bestes literarisches Werk der arabischen Sprache. Der Islam ist die zweitgrößte Weltreligion, die weltweit von mehr als 1,5 Milliarden Muslimen praktiziert wird. Religion ist seit ihrer Entstehung ein Teil der Kultur mit zahllosen Varianten der Ausübung. Aber alle Religionen eint der Wunsch nach einem Sinn jenseits der Eitelkeiten und der alltäglichen Banalität des Lebens, jenseits der Sünde, des Leidens und des Todes; jenseits von Furcht und jenseits unserer Existenz.