An einem Nachmittag im Sommer 2013 wurde ein verdächtig aussehender Mann, der womöglich gefährlich sein könnte, von der Polizei in Washington D.C. festgenommen, befragt und durchsucht. Das ist zwar nicht die Kleidung, die ich am Tag meiner Verhaftung trug, aber davon habe ich auch ein Foto. Ich weiß es ist beängstigend -- versuchen Sie ruhig zu bleiben. (Gelächter) Damals war ich Praktikant beim Pflichtverteidigerdienst in Washington D.C. Ich besuchte für die Arbeit eine Polizeistation. Als ich hinausging und noch bevor ich mein Auto erreichte, versperrten mir zwei Polizeiwagen den Weg. Ein Beamter kam von hinten auf mich zu. Er sagte, ich solle stehen bleiben, meinen Rucksack abnehmen und meine Hände auf den Polizeiwagen legen, der neben uns parkte. Etwa ein Dutzend Beamter versammelten sich rund um uns. Alle hatten Pistolen, manche sogar Sturmgewehre. Sie durchwühlten meinen Rucksack. Sie tasteten mich ab. Sie machten Fotos von mir auf dem Polizeiwagen und lachten dabei. Und während all dies geschah -- während ich versuchte, meine zitternden Beine zu ignorieren und überlegte, was ich tun sollte -- kam mir etwas eigenartig vor. Wenn ich mich auf diesem Bild ansehe und mich selbst beschreiben müsste, würde ich wahrscheinlich sagen: "19-jähriger indischer Mann, trägt ein helles T-Shirt und eine Brille". Aber sie erwähnten keines dieser Details. Als sie mich über den Polizeifunk beschrieben, sagten sie immer wieder: "Orientalischer Mann mit Rucksack". Diese Beschreibung kam auch in die Polizeiakte. Ich hätte nie gedacht, dass meine eigene Regierung mich so beschreiben würde: "herumschleichend", "verachtenswert", "Terrorist". Die Haft ging genauso weiter. Spürhunde durchsuchten den Bereich, in dem ich war, auf Sprengstoff. Sie fragten bei der Bundesbehörde, ob ich auf irgendeiner Suchliste stand. Kriminalbeamte befragten mich und wollten wissen, warum ich sie mein Auto nicht durchsuchen ließ, wenn ich nichts zu verbergen hätte. Ich sah, dass sie nicht zufrieden waren, aber ich hatte das Gefühl, nie zu wissen, was sie als nächstes tun würden. Der Beamte, der mich durchsuchte, sah sich die Polizeistation genau an. Er wollte sehen, wo die Kameras waren und wie viel aufgezeichnet wurde. Dabei wurde mir bewusst, wie sehr ich ihnen ausgeliefert war. Wir sind wohl alle von klein auf daran gewöhnt, Polizeibeamte, Verhaftungen und Handschellen zu sehen. Wir vergessen leicht, wie erniedrigend und erzwungen es eigentlich ist, sich Kontrolle über den Körper eines anderen Menschen zu verschaffen. Ich weiß, es klingt, als wollte ich zeigen, wie schlecht ich wegen meiner Hautfarbe behandelt wurde und ja, ich denke, sie hätten mich nicht verhaftet, wenn ich weiß wäre. Aber eigentlich will ich über etwas anderes sprechen. Nämlich wie viel schlimmer es sein hätte können, wenn ich nicht wohlhabend wäre. Sie dachten, ich würde Sprengstoff legen. Sie ermittelten diese Möglichkeit eineinhalb Stunden lang, aber mir wurden nie Handschellen angelegt. Ich wurde nie in eine Zelle gesperrt. Käme ich aus einer der armen Gegenden von Washington D.C. und sie glaubten, ich könnte einen Beamten gefährden, hätte es anders enden können. In unserem System ist es besser, reich zu sein und als Bombenleger verdächtigt zu werden, als arm zu sein und einer viel geringeren Tat verdächtig zu werden. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus meiner jetzigen Arbeit. Im Moment arbeite ich für eine Menschenrechtsorganisation in D.C. namens Equal Justice Under Law. Ich möchte mit einer Frage beginnen. Wie viele von Ihnen hatten schon mal einen Strafzettel für Falschparken? Heben Sie ihre Hand. Ja, ich auch. Ihn zu bezahlen, war lästig und unangenehm, aber ich zahlte ihn und vergaß das Ganze. Ich nehme an, die meisten von Ihnen taten dasselbe. Aber was passiert, wenn Sie sich den Strafzettel nicht leisten können und Ihre Familie das Geld auch nicht hat. Was passiert dann? Was gesetzlich nicht passieren darf, ist Sie zu verhaften und einzusperren, nur weil Sie es sich nicht leisten können. Das ist laut Bundesgesetz illegal. Aber genau das machen örtliche Behörden landesweit mit armen Menschen. Daher befassen sich viele Verfahren bei Equal Justice Under Law mit den heutigen Schuldner-Gefängnissen. Einer unserer Fälle läuft gegen Ferguson in Missouri. Ich weiß, wenn ich Ferguson sage, denken viele von Ihnen an Polizeigewalt. Aber heute möchte ich einen anderen Aspekt ansprechen, der die Beziehung zwischen der Polizei und ihren Bürgern betrifft. Ferguson erließ durchschnittlich zwei Haftbefehle pro Person und Jahr, großteils für unbezahlte Schulden an das Gericht. Mir wird schlecht, wenn ich daran denke, wie sich das anfühlen muss: Immer wenn ich das Haus verlasse, könnte ein Polizist mein Nummernschild scannen, einen Haftbefehl für unbezahlte Schulden sehen, mich wie an jenem Tag in D.C. verhaften und mich dann ins Gefängnis stecken. Ich lernte viele Menschen in Ferguson kennen, denen genau das passiert ist. Ich hörte einige ihrer Geschichten. Im Gefängnis von Ferguson hat jede kleine Zelle ein Stockbett und eine Toilette. aber sie stecken vier Personen in jede Zelle. Also liegen zwei Personen in den Betten und zwei auf dem Boden. Eine muss direkt neben der schmutzigen Toilette liegen, die nie gereinigt wird. Die ganze Zelle wurde nie gereinigt. Der Boden und die Wände waren voll Blut und Schleim. Das einzige Trinkwasser kommt aus einem Hahn, der mit der Toilette verbunden ist. Es sah schmutzig aus und schmeckte auch so. Es gab nie genug zu essen und nie die Möglichkeit zu duschen, Frauen erhielten keine Hygieneprodukte während der Menstruation und keine medizinische Versorgung. Als ich eine Frau nach der medizinischen Versorgung fragte, lachte sie und sagte: "Die einzige Versorgung, die man von den Wachen bekommt, ist sexueller Art". Sie bringen die Schuldner also an diesen Ort und sagen: "Wir lassen Sie nicht raus bis Sie einen Teil Ihrer Schulden zahlen". Wenn ein Familienmitglied irgendwie Geld auftreiben könnte, dann kämen Sie vielleicht frei. Wenn es genug Geld wäre, könnten Sie raus. Aber wenn nicht, bleiben Sie tage- oder wochenlang eingesperrt. Jeden Tag kommen die Wachen zu den Zellen und feilschen mit den Schuldnern über den Freilassungspreis des Tages. Sie bleiben so lange eingesperrt, bis das Gefängnis voll ist und sie jemand Neuen einsperren wollen. Sie denken dann wohl: "Diese Person kann das Geld wahrscheinlich nicht auftreiben. Die neue Person womöglich schon". Sie sind raus, die kommen rein und so läuft die Maschinerie weiter. Ich traf einen Mann, der vor 9 Jahren verhaftet wurde, weil er in einem Supermarkt bettelte. Er konnte seine Strafe und die Gerichtskosten nicht bezahlen. Als er jünger war, entkam er nur knapp aus einem brennenden Haus, indem er aus dem Fenster im dritten Stock sprang. Der Aufprall verursachte bleibende Schäden im Gehirn und an anderen Körperteilen. Er kann nicht arbeiten und ist zum Überleben auf Sozialhilfe angewiesen. Als ich ihn in seiner Wohnung traf, hatte er nichts von Wert -- nicht mal Essen im Kühlschrank. Er ist ständig hungrig. Er hatte nichts Wertvolles außer ein kleines Stück Karton, auf dem die Namen seiner Kinder standen. Er schätzte es sehr und zeigte es mir voll Stolz. Aber er hatte nichts, womit er seine Schulden hätte zahlen können. In den letzten 9 Jahren wurde er 13 Mal verhaftet und insgesamt 130 Tage lang wegen Betteln eingesperrt. Einmal sogar 45 Tage am Stück. Stellen Sie sich vor, sie verbringen die Zeit von jetzt bis Juni an dem Ort, den ich vorhin beschrieben habe. Er erzählte mir von all den Selbstmordversuchen im Ferguson-Gefängnis; Von einem Mann, der sich außerhalb der Reichweite anderer Insassen erhängte. Sie konnten nur rufen und rufen, um die Aufmerksamkeit der Wachen zu erregen, damit sie ihn losschneiden würden. Er erzählte mir, dass die Wachen 5 Minuten brauchten, um zu reagieren. Als sie kamen, war der Mann bewusstlos. Sie riefen die Rettung und die Sanitäter gingen zur Zelle. Sie sagten: "Er wird wieder", also ließen sie ihn einfach am Boden liegen. Ich hörte viele solcher Geschichten und sie sollten mich nicht überraschen, denn Selbstmord ist die häufigste Todesursache in unseren Gefängnissen. Das hat mit der mangelnden psychologischen Versorgung dort zu tun. Ich traf eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die 7 Dollar die Stunde verdiente. Nur durch Essensmarken konnte sie sich und ihre Kinder ernähren. Vor etwa zehn Jahren bekam sie einige Strafzettel und eine unbedeutende Anzeige wegen Diebstahls Sie konnte sich die Kosten nicht leisten. Seither war sie zehnmal wegen dieser Fälle im Gefängnis. Sie ist schizophren und bipolar und braucht täglich Medikamente. Sie erhielt diese Medikamente im Ferguson-Gefängnis nicht, weil dort niemand Zugang zu Medikamenten hat. Sie erzählte mir, wie es war zwei Wochen in einem Käfig zu verbringen. Sie halluzinierte und hörte Stimmen. Sie flehte um ihre Medikamente, damit es aufhören würde, aber sie wurde ignoriert. Das ist nicht ungewöhnlich: 30 % der Frauen in unseren Gefängnissen haben wie sie ernste psychische Probleme, aber nur ein Sechstel erhält im Gefängnis psychologische Versorgung. Ich hörte diverse Geschichten über diese grotesken Kerker, die Ferguson für Schuldner betrieb. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, als ich das Gefängnis von Ferguson schließlich besuchte, aber bestimmt nicht das. Ein gewöhnliches, öffentliches Gebäude, das auch ein Postamt oder eine Schule sein könnte. Es erinnerte mich daran, dass diese illegalen Erpressungsmaßnahmen nicht irgendwo im Dunkeln ablaufen, sondern in aller Öffentlichkeit durch unsere Regierungsbeamten. Sie sind Teil der öffentlichen Politik. Das erinnerte mich daran, welch offensichtliche und wichtige Rolle es in unserem Justizsystem spielt, Arme ins Gefängnis zu stecken und das nicht nur im Schuldnerkontext. Ich denke dabei an unser Kautionssystem. Ob man seine Verhandlung in einer Zelle abwartet, hängt in unserem System nicht davon ab, wie gefährlich man ist oder ob man ein Fluchtrisiko darstellt. Es hängt davon ab, ob man sich die Kaution leisten kann. Bill Cosby, dessen Kaution bei einer Million Dollar lag, stellte sofort einen Scheck aus und verbrachte keine Sekunde in einer Zelle. Aber Sandra Bland, die im Gefängnis starb, war nur dort, weil ihre Familie die 500 Dollar nicht aufbringen konnte. Tatsächlich gibt es eine halbe Million Leute wie Sandra Bland in den USA -- 500.000 Menschen sitzen gerade im Gefängnis, nur weil sie sich ihre Kaution nicht leisten können. Uns wird gesagt, Gefängnisse seien für Kriminelle. Statistisch gesehen stimmt das jedoch nicht: Drei von fünf Insassen warten dort auf ihre Verhandlung. Sie wurden nicht verurteilt. Sie haben sich zu keinem Verbrechen schuldig bekannt. Hier in San Francisco sind 85 % der Gefängnisinsassen in Untersuchungshaft. San Francisco gibt also pro Jahr etwa 80 Millionen Dollar aus, um die U-Haft zu finanzieren. Viele dieser Insassen, die sich die Kaution nicht leisten können, erwarten so geringe Anschludigungen, dass die Zeit, die sie im Gefängnis auf ihr Verfahren warten, länger ist als die Strafe, die sie im Falle einer Verurteilung bekämen. Sie kommen also garantiert schneller frei, wenn sie sich schuldig bekennen. Also haben sie folgende Wahl: Soll ich hier an diesem schrecklichen Ort bleiben, weit weg von meiner Familie und Menschen, die mich brauchen, fast unausweichlich meinen Job verlieren und gegen die Anschuldigungen kämpfen? Oder soll ich mich einfach schuldig bekennen und freikommen? Zu diesem Zeitpunkt sind sie noch keine Kriminellen. Aber sobald sie sich schuldig bekennen, sind sie kriminell, obwohl eine wohlhabende Person nie in diese Situation geraten wäre, weil eine wohlhabende Person auf Kaution frei gekommen wäre. Jetzt fragen sie sich wahrscheinlich: "Der Typ ist in der Kategorie Inspiration, was macht der bloß -- (Gelächter) Das ist wahnsinnig deprimierend, ich will mein Geld zurück". (Gelächter) Ich finde über Inhaftierung zu sprechen weniger deprimierend als die Alternative. Wenn wir nämlich nicht über diese Probleme sprechen und gemeinsam verändern, wie wir darüber denken, haben wir am Ende unseres Lebens immer noch Gefängnisse voll armer Leute, die dort nicht hingehören. Das finde ich richtig deprimierend. Mich reizt der Gedanke, dass diese Geschichten uns dazu bewegen können, anders über Inhaftierung zu denken. Nicht in sterilen politischen Begriffen, wie "Masseninhaftierung," oder "Verurteilung gewaltfreier Straftäter", sondern in menschlichen Begriffen. Wenn wir Menschen tage-, wochen- oder sogar jahrelang in einen Käfig stecken, was tun wir dann dem Verstand und dem Körper damit an? Unter welchen Bedingungen sind wir gewillt, das zu tun? Wenn die paar Hundert Menschen in diesem Raum beginnen, Inhaftierung in einem anderen Licht zu betrachten, dann können wir die Norm, die ich vorhin angesprochen habe, aufheben. Ich hoffe, Sie gehen heute mit folgendem Gedanken hinaus: Wenn wir eine grundlegende Veränderung wollen -- nicht nur eine Reform unserer Kautions- und Strafpolitik -- müssen wir sicherstellen, dass ein neues System, nicht wieder die Armen und Ausgegrenzten bestraft. Wenn wir diese Art von Veränderung wollen, ist ein Umdenken bei uns allen nötig. Danke. (Applaus)