Music Herald: OK, danke. Zu unserem nächsten Talk. Unser nächster Talk, „Die Lauschprogramme der Geheimdienste“, präsentiert von Hans-Christian Ströbele und Constanze Kurz. Einen kleinen Applaus dafür. Applaus H: Für die unter Euch, die sie noch nicht kennen: Hans-Christian Ströbele ist, war Exmitglied des NSA/BND- Untersuchungsausschusses, ist der einzige direkt gewählte Grüne im Bundestag, oder war, und ist Gründungsmitglied der Tageszeitung, der taz. Constanze Kurz, nicht nur bekannt durch den CCC, auch Autorin zahlreicher Analysen und Publikationen zum Thema Datenschutz, BKA- Gesetz oder Anti-Terror. Und die zwei werden heute über die Lauschprogramme der Geheimdienste referieren. Vielen Dank. Einen Riesenapplaus für unsere zwei Speaker. Applaus Fehlendes Mikrophon Kurz: […] direkt anfangen, über den Ausschuss zu reden, und möchte kurz noch ein aktuelles Thema ansprechen, wenn wir Hans-Christian Ströbele schon mal hier haben, und mal kurz erklären, warum wir dieses Format gewählt haben. Als wir ihn eingeladen haben, haben wir ihn gefragt, wie er … ob er einen Vortrag halten will [unverständlich] hat er sich Gesprächsformat gewünscht. Und, machen wir gerne. Und wir wollen es auch nachher öffnen, das heißt, wer Fragen hat, kann die nachher dann auch stellen, und wir werden so 15 bis 20 Minuten dafür vorsehen. Während wir uns unterhalten über den NSA-Untersuchungsausschuss, hat uns Stella, die in den Zeugenanhörungen die Fotos gemacht hat, ihre Bilder zur Verfügung gestellt. Die werden also einfach hinter uns laufen, die sind nur illustrativ und haben sozusagen nur den Zweck, dass man eine Idee bekommt, wie diese Zeugen ausgesehen haben. Bevor wir aber damit beginnen, würde ich gerne eine aktuelle Frage loswerden. Wir haben ja diese Regierungsanomalie. Schwarz-Schwarz- Grün-Gelb ist ja nun nicht zustande gekommen, und die Regierungsbildung zieht sich also noch hin. Aber Hans-Christian Ströbele ist ja auch ein Geheimdienst- Kontrolleur und war jahrelang im parlamentarischen Kontrollgremium, und er ist das noch. Denn trotzdem er nicht mehr im Bundestag sitzt – nicht nur er, auch Clemens Binninger von der CDU – ist er trotzdem noch der Kontrolleur der Geheimdienste, was natürlich rechtlich und praktisch relativ schwierig ist. Vielleicht würden Sie uns ja mal sagen, wie die Situation zustande gekommen ist und wie Sie damit umgehen, dass Sie sozusagen jetzt als Privatmann die vielköpfigen Bundesgeheimdienste kontrollieren? Ströbele: Ja, ich sage ja erstmal guten Abend, Abend haben wir ja schon. Applaus S: Ich bin, ich bin zutiefst beeindruckt über diese Veranstaltung. Ich war ganz am Anfang mal vom Chaos Computer Club in Berlin eingeladen und dort waren ein paar hundert Leute zusammen. Das ist ja ein Wahnsinn, was hier passiert. Und auch dieses Interesse habe ich überhaupt nicht erwartet, als ich vorhin in Berlin losgefahren bin. Deshalb meine Gratulation zu dem großen Interesse, was hier besteht und zu dieser Gemeinschaftsaufgabe, die Sie und Ihr Euch hier alle vorgenommen habt. Jetzt zu der Frage – in der Tat bin ich so ein bisschen so was ähnlich, wie es eine geschäftsführende Bundesregierung gibt, gibt es auch ein geschäftsführendes parlamentarisches Kontrollgremium für die Geheimdienste in der Bundesrepublik Deutschland. Das haben wir – ich war damals, als das Gesetz konzipiert wurde, auch schon im Bundestag, 1999 – das haben wir ins Gesetz reingeschrieben, weil wir gesagt haben, es darf keine Kontrolllücke da sein. Also wenn der Bundestag neu gewählt ist – und der ist ja neu gewählt – und sich konstituiert hat, und der ist konstituiert, der neue, dann dauert das manchmal, bis sie richtig zu Potte kommen. Und in der Tat, wir haben jetzt eine ganz große Ausnahmesituation, so lange wie es diesmal dauern wird, hat es bisher noch nicht gedauert. Deshalb tagen wir auch – wir haben, nachdem ich aus dem Bundestag ausgeschieden bin, 3 Sitzungen schon gehabt, die letzte war einen ganzen Tag. Sehr – mit sehr, sehr vielen Berichten, die wir dabei bekommen haben, sehr intensiver Vorbereitung, und ich frage mich, warum gehe ich da eigentlich noch hin? Ich bin kein Abgeordneter mehr, und, was ganz wichtig ist, ich bin deshalb auch nicht mehr immun. Das heißt, ich muss auch, wenn ich heute hier erzähle, sehr vorsichtig sein, weil die Immunität ja den Abgeordneten schützt. Die habe ich gar nicht mehr, weil ich ja kein Abgeordneter mehr bin, aber ich bin trotzdem in diesem Kontrollgremium. Ich bin der Längste und Dienstälteste und Älteste in diesem Ausschuss und, ja, habe Jahrzehnte dort drin verbracht und kenne mich deshalb bei den Geheimdiensten aus. Deshalb steht es auch frei, nachher, in der Fragerunde, dazu Fragen zu stellen. Die Arbeit sieht jetzt so aus, dass wir, wie üblich, immer alle paar Wochen tagen – es sei denn, es sind irgendwelche Sondersitzungen, wie z.B. nach den Veröffentlichungen von den Dokumenten von Snowden. Da war manchmal jede Woche eine Sitzung, und noch mehr, jetzt ist das alle paar Wochen. Aber wir müssen auch, und deshalb ist es wichtig, dass dieses Gremium existiert, bestimmte Maßnahmen, die der Bundesnachrichtendienst zum Beispiel durchführen will, da müssen wir vorher gefragt werden, ob wir damit einverstanden sind. Da kriegen wir also die Fakten übermittelt, das geht manchmal sogar, weil es ganz schnell gehen muss, telefonisch, und dann müssen wir sagen, ob wir einverstanden sind und dann wird das – darf das nur durchgeführt werden. Das dürfte nicht durchgeführt werden, wenn es das parlamentarische Kontrollgremium nicht geben würde. Deshalb bin ich da weiter drin, wie lange das dauert, weiß ich nicht. Das Jahresende werde ich wahrscheinlich noch Mitglied dieses Gremiums sein. K: Da schließt sich ja eigentlich die Frage an, wenn das telefonisch passiert, was haben sie da eigentlich für ein Telefon? Lachen K: Oder ist das geheim? S: Ja, alles geheim. K: Oh, geheim! Lachen S: Aber ich kann sagen, nach vielen Jahren und Entwicklung auch der Handys, gab es dann auch, irgendwann, vor ein paar Jahren, geheim funktionierende Handys für die Mitglieder des parlamentarischen Kontrollgremiums. Also, wo die Geheimnisse gewahrt werden sollen. Aber mehr sage ich dazu nicht. K: Da haben wir aber die perfekte Überleitung, denn, wie wir wissen, hat ja auch der Ausschussvorsitzende des BND/NSA- Untersuchungsausschusses ist ein solches Telefon. Ich habe es mal selber gesehen, ich bin also Augenzeuge. Insofern sind ja auch die Mitglieder dieses Ausschusses mit sicheren Telefonen ausgestattet worden. Natürlich können wir nicht alle Aspekte ansprechen, die in den jahrelangen Zeugenvernahmen angesprochen wurden. Aber wir wollen uns, glaube ich, ein bisschen konzentrieren auf die großen Streits. Zum einen der anfängliche Streit darum, ob Edward Snowden als Zeuge gehört werden kann, der große Streit um die Selektoren und um die Einsetzung von Kurt Graulich und vielleicht auch noch um die wissentlichen Rechtsbrüche und um die Rechtstheorien, die sich da so gebildet haben, am bekanntesten wohl die Weltraum- Theorie. Und möglicherweise werden wir noch dazu kommen, dass wir mal kurz diese Datenweitergabe, die unter Geheimdiensten ja jetzt doch deutlich öffentlicher besprochen wurde als früher, und die zum Beispiel mit den Drohnenmorden in Zusammenhang stehen. Vielleicht fangen wir mal mit Snowden an, was ist denn sozusagen die offizielle Begründung, die sich jetzt, sozusagen die Bundesregierung erdacht hat, um Edward Snowden nicht hören zu müssen? S: Die Bundesregierung hat da einen Trick angewandt. Sie hat eigentlich bis heute nicht definitiv entschieden, ob Edward Snowden nach Deutschland kommen darf und hier dann natürlich auch geschützt werden müsste. Also, ob er zu dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, in dem ich war, als Zeuge gehört werden kann. Im Ausschuss – das war am Anfang umstritten – am Anfang haben die Vertreter der Union gesagt: „Ist doch gar nicht erforderlich, der Mann weiß ja nix, der hat ja seine Dokumente alle abgegeben. Der kann uns da auch nicht helfen.“ Das konnten die aber nicht lange durchhalten, sodass, glaube ich, im Mai oder sowas 2014, kurz nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses, das Gremium einstimmig beschlossen hat – also auch mit den Vertretern der Koalition, Union und SPD – Edward Snowden zu hören, als wichtigen Zeugen und, ich sage mal, als unseren wichtigsten Zeugen im Untersuchungsausschuss. Wir haben das dann immer wieder beantragt, jetzt müsse doch das arrangiert werden, jetzt müsste mal mit seinem Anwalt geredet werden, über die Modalitäten, dass er hierher kommen kann, und dass er hier natürlich auch sicheres Geleit hat, dass er hier sicher ist, in Deutschland. Mich haben viele Leute angesprochen, wie gesagt, wie kann der hierher kommen, wir sind doch ein Attrappenstaat von den USA, und wenn der hier irgendwo über die Straße läuft, dann wird der gekidnappt. Ich kann dazu nur sagen, so ganz abwegig ist die Idee nicht, in West-Berlin oder in Berlin hat es das schon mal gegeben, dass von amerikanischer Seite ein gesuchter Straftäter gekidnappt wurde und in die USA gebracht wurde. Also der war – oder ist – mit Sicherheit hochgefährdet, Edward Snowden, und wir haben dann gesagt hat, oder da hat die Bundesregierung gesagt, ja wir wissen ja noch gar nicht was ihm vorgeworfen wird. Und da haben wir gesagt, ja könnt Ihr Euch nicht mal erkundigen in den USA? Außerdem steht das in der Zeitung, da stehen sogar die Paragraphen. Da hat die Bundesregierung gesagt, aber ganz genau wissen wir's immer noch nicht. Und dann hat die Bundesregierung, das Justizministerium beauftragt, rauszubekommen, was ihm vorgeworfen wird und auch die Frage zu klären: Kann er in Deutschland Aufenthalt bekommen, und kann er in Deutschland Asyl bekommen? Und da wurde, hat das Justizministerium gearbeitet und gearbeitet. Seit dem ... ich glaube Juni oder sowas 2014 bis zum Ende des Untersuchungsausschusses, also bis zum Sommer 2017, nee von ’14 bis ’17 gearbeitet. Und wir haben immer wieder nachgefragt, wir haben im Ausschuss die Frage gestellt, ans Justizmin… die hatten da einen Vertreter immer sitzen. Und der so: „Nein nein wir müssen noch koordinieren. Wir haben das noch nicht geschafft.“ Das Ergebnis ist: Die sind bis heute noch am Forschen, die wissen das noch nicht und können bisher darauf auch keine Antwort der Bundesregierung geben, ob Edward Snowden bei Allem, was ihm in den USA vorgeworfen wird, als politisch Verfolgter hier in Deutschland Asyl bekommen würde oder einen anderen Aufenthaltstitel. Daran arbeiten die noch. Wir sind dann zum Bundesverfassungsgericht gegangen und haben gesagt: So geht’s doch auch nicht, so kann man die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums, also des Parlaments des Deutschen Bundestages nicht ignorieren. Und da hat das Bundesverfassungsgericht leider gesagt, weil da auch nicht alle mitgezogen haben, das waren dann nur die beiden Oppositionsfraktionen, die das beantragt haben, die Linke und die Grünen. Die CDU/CSU und die SPD war da dagegen. Da hat das Bundesverfassungsgericht gesagt: „Ja also wenn die nicht entscheiden, dann gibt es ja auch nichts, worüber wir entscheiden können, das Bundesverfassungsgericht.“ Und deshalb haben sie die Beschwerde da nicht zugelassen, im Bundesverfassungsgericht. Also an sich warten wir bis heute darauf. Und ich habe mir vorhin überlegt, was wäre eigentlich, wenn Edward Snowden jetzt hier mal erscheinen würde und einen Vortrag halten würde? Wäre doch eine gute Idee, vielleicht für den nächsten Kongress, den ihr jetzt hier veranstaltet in Leipzig oder sonstwo. Zumindestens könnte er aber hier auf der Leinwand sein, da war ja in Deutschland, in der Welt schon oft … K: Das wissen Sie vielleicht nicht, Herr Ströbele, wird er auch. S: Er muss hierher kommen, weil nur er … Oder er ist ein ganz zentraler Zeuge, den man braucht, um das aufzuklären. Auf die Defizite komme ich gleich noch. Wir brauchen ihn als Zeuge hier, er ist unverzichtbarer Zeuge für diesen, für die Aufklärung. Und leider sitzt er in Moskau und kann dort nicht weg, weil er von den USA bedroht wird mit einer langjährigen Freiheitsstrafe oder noch schlimmerem. K: Jetzt haben Sie eben den Fragenkatalog angesprochen an die US-Regierung, also ans Ministerium. Es gab ja auch einen Fragenkatalog an die britische Regierung. Mir fiel ohnehin auch, als die Abschlussdiskussion im Bundestag nach Ende des Ausschusses war, dass die Briten in der Diskussion irgendwann vollkommen verschwunden sind. Also das hat sich dann sehr kapriziert auf die USA. Ist denn der britische Fragenkatalog jemals mit irgendwas beantwortet worden? S: Nein! K: Oh! Na gut, hätten wir das auch geklärt. S: Also man muss ... Die sind, die waren noch zurückhaltender oder noch mehr zu als das die US-Amerikaner gewesen sind. Sie haben nicht mal unsere Schreiben beantwortet. Man muss ja sehen, nach den ersten Veröffentlichungen hat die Bundesregierung auch selber mehrfach Delegationen in die USA geschickt, höchster ... Also auch der Minister war damals, da hieß der noch Friedrich, der Innenminister, die sind da hingefahren und sind wiedergekommen, haben gesagt: „Ja, die arbeiten daran, die werden unsere Fragen“ – da gibt’s einen Fragenkatalog von 100 Fragen, die sind bis heute nicht beantwortet – „Die beantworten das nicht.“ Das haben die Amerikaner, die haben wenigstens um Aufschub gebeten, sie prüfen noch, und ob sie das können und so. Die Briten haben überhaupt nicht reagiert, so dass wir hinsichtlich der Briten, wenn wir nicht mal die eine oder andere Akte gelesen hätten, völlig im Dunkeln tappen würden. Das ist jetzt nicht mehr ganz so. Und bei den Amerikanern ist es eben auch daran gescheitert, dass wir nicht klären konnten, ob die Amerikaner, die, der amerikanische Geheimdienst tatsächlich, NSA, ob die tatsächlich in Deutschland selbstständig abhören. Wir wissen inzwischen, und das ist eine ganz zentrale Botschaft, die wir aus dem Ausschuss haben, anlasslose Massenüberwachung hat es in Europa, hat es in Deutschland gegeben, auch unter Beteiligung und auf Wunsch und mit Selektoren der NSA. Das ist inzwischen völlig unbestreitbar. Es ist einfach so, Edward Snowden hat mit seinen Dokumenten in allen Punkten recht gehabt, in allen Punkten. Manche Dokumente sind nicht gleich richtig interpretiert worden. Aber es gibt kein einziges Dokument, bei dem sich später herausgestellt hat: Da ist was dran gefummelt worden oder so. Wisst Ihr: Das war am Anfang so, da saßen uns die Gewaltigen der Bundesregierung und der Dienste gegenüber. Dann haben die immer gesagt: „Wir wissen überhaupt nicht, wovon der redet. XKEYSCORE? Was ist denn das? Und diese ganzen anderen Ausdrücke sind uns überhaupt nicht geläufig. Und wissen wir denn, ob das, was der da vorgelegt hat, das sind ja keine Originale, wir können die gar nicht überprüfen, vielleicht hat da einer herumgefummelt.“ Es gibt keine Originale! Es gibt die im Netz, die man ausdrucken kann, und das ist geschehen und das ist gemacht worden. Und hier hat er zur Verfügung … die … Er hat ja nur das Netz und die Fundstellen im Netz zur Verfügung gestellt. Und so haben wir, saßen wir eigentlich bis zuletzt immer wieder da und haben aber inzwischen gesagt ... Am Anfang haben sie gesagt: „Snowden? Den kennt keiner, den kennen wir überhaupt nicht. Wir wissen gar nicht ob das stimmt.“ Heute wissen wir: Alles, was Snowden in seinen Dokumenten uns gesagt hat, ist richtig. Da ist nirgendwo irgendwann herumgefummelt worden. Und das sind ja viele hunderttausend Dokumente, die sind richtig. Und deshalb muss er als Zeuge hier nach Deutschland kommen. Und weil er uns allen, nicht nur Deutschland, sondern auch … „My country“, hat er zu mir gesagt, „I have done it for my people.“ „Ich habe für meine Leute in den USA, habe ich das gemacht vor allen Dingen.“ Wir müssten ihm alle zutiefst dankbar sein, als ihn weltweit zu verfolgen. Applaus K: Jetzt haben Sie so mit Überzeugung gesagt: „Es gab diese Massenüberwachung“. Und Sie haben ja neben dem Studium der Veröffentlichungen aus den Snowden- Papieren auch noch andere sehr klare Bestätigungen. Ich darf ja daran erinnern, dass das inneramer–, innerbritische Geheimgericht IPT auch die Aussagen von Snowden bestätigt hat, wenn auch indirekt. Und dass auch bei der Anhörung beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof kein Zweifel bestand, dass das stimmt. Aber dennoch gab es ja eine Abschlussdebatte, wo die Vertreter von Union und Sozialdemokratie unisono sich hingestellt haben und gesagt haben: „Ja also hier Massenüberwachung, Wirtschaftsspionage haben wir nicht.“ Wie erklären Sie sich diese kognitive Dissonanz? Gelächter bei Ströbele und im Publikum K: Also das war eine ernst gemeinte Frage, das mein ich schon so. S: Also auch da muss ich sehr vorsichtig sein, weil diese Untersuchungen, die konnten wir ja nicht mal die Akten, die Geheimakten in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages lesen. Da gibt es extra eine Geheimschutzstelle, wo man die geheimen, strenggeheimen Dokumente lesen darf. Sondern da mussten wir zum Bundesnachrichtendienst, in dessen neuen Bunker da in Berlin kommen, kriegten da Zimmer zur Verfügung gestellt, durften uns nichts aufschreiben, durften auch nichts mitnehmen, sondern kriegten da selber so Bildschirme hingestellt und konnten da dann Akten lesen. Und deshalb ist es ganz schwierig, davon jetzt zu erzählen. Ich kann nur mal das Bild schildern, was ich nie aus dem Hinterkopf verlier. Wenn ich mit der, mit Kollegen vor solchen Akten saß und gelesen habe und die auch gelesen haben, auch da, das sind ja auch Menschen, die sind dann plötzlich: „Ach Du liebe Zeit!“, oder so. Also höchste Empörung. Aber in dem Abschlussbericht findet sich davon so gut wie nichts mehr wieder von dem Kritischen. Also da gibt es einfach so eine Disziplin, dass die Koalition, dass … Ich war ja Mitglied in fünf Untersuchungsausschüssen, also ich kenne das. Die Koal–, jeweilige Regierungskoalition sieht ihre Aufgabe darin, die Regierung und damit auch die Dienste, sich vor die zu stellen, die zu schützen. Die Opposition versucht, aufzuklären, ist in der Minderheit, kann deshalb im Ausschuss auch relativ wenig durchsetzen. Vor allen Dingen nicht die Zeitpunkte, wann Zeugen vernommen werden. Und das ist dann ein Riesenproblem bei der Aufklärung. Aber wir haben das ja, dass … Es gibt ja den 1600-seitigen Bericht, den kann man lesen … K: … auch ungeschwärzt! S: Ja auch überwiegend ganz ungeschwärzt. Und da sind ja Teile drin. Es ist einfach so. Zweitausend–, ab 2007 wurde zunächst versucht und dann das gemacht in Deutschland, in Frankfurt der Glasfaserknotenpunkt, wohl der wichtigste in Europa. Er wurde ausgespiegelt auf Wunsch der NSA. Die NSA hat für diesen, für die … da wurden die Daten ausgeleitet und zwar Milliarden von Daten. Die wurden dann mit Selektoren überprüft und die NSA hat selber Selektoren zur Verfügung gestellt, mit denen da durch gesucht werden konnte. Was ist denn anlasslose Massenüberwachung an. Da geht es um Funde dann und von … da sind jetzt nicht … wenn man sagt: Das sind Selektoren, da geht es nicht um 100 oder 500 Selektoren, Telefonnummern oder sowas, sondern da geht’s um Hunderttausende von Selektoren, die allein die NSA eingespeist. ich will euch mal eine Zahl sagen: Allein 40.000 Selektoren hat der BND aus der Überprüfung, die er von der NSA bekommen hat, aus der Überprüfung rausgenommen, weil er gesagt hat: Das sind unzulässige, nach unseren deutschen Gesetzen unzulässige Selektoren, die können wir da nicht weiter reinnehmen, 40.000 dabei. Da weiß man in welchem Maße da Daten abgegriffen worden sind. Die sind dann rausgezogen worden, die sind einer Überprüfung durch… unterzogen worden, dass keine deutsche Staatsbürger betroffen worden sind mit dem sogenannten DaFIS-System. Aber wir wissen inzwischen, dass auch dieses DaFIS, irgendwann wurde es auch eingesehen, nicht vollständig hundertprozentig das alles ausfiltern kann, sondern erhebliche Fehlerquellen hat. Und von diesen Datenströmen, die da aufgenommen worden sind, direkt an die NSA dann auch hunderttausende weitergegeben worden. Es geht da um Millionen von Daten, die ausgelesen und zur Verfügung gestellt worden sind. Und die hat die NSA dann ausgewertet, hat natürlich auch der BND ausgewertet und wir wissen ja welche Daten da z.B. darunter gewesen sind. Ich würde jetzt mal gar nicht von amerikanischen reden, sondern von deutschen Daten, da die Kanzlerin immer gesagt hat: „Ausspähen unter Freunden, das geht nun wirklich nicht“. Konnt’ ich ja nur zustimmen. Aber wir wissen inzwischen, dass selbst die deutschen, also der deutsche Bundesnachrichtendienst, in diese Suche Selektoren eingestellt hat, allein selber 3000 solche Selektoren wieder rausgenommen hat, als die Kanzlerin das gesagt hat, weil er gesagt hat: „Oh, was machen wir da“. Das hat sich nämlich herausgestellt, dass diese Daten ganz gezielt andere europäische Regierungen zum Beispiel trafen, also sind das keine Freunde? Andere europäische Regierungen, Regierungsinstitutionen, UN-Institutionen, die haben die auf dem Schirm gehabt und haben die mit ausgespäht. Das ist eine anlasslose Datenüberwachung, die da gemacht worden ist und auch von Freunden und unter Freunden. Deshalb habe ich die Kanzlerin, als sie dann ganz zuletzt auch im Untersuchungsausschuss ausgesagt hat, natürlich auch danach gefragt, aber sie hat dann immer gesagt: Naja, für die konkrete Arbeit, da hat sie ihre Leute. Ist ja auch nachvollziehbar. Was der BND so genau macht, das kann sie nicht sagen, da müssen wir uns an die halten. K: Da würd’ ich gerne so bisschen über die verschiedenen Untersuchungsausschüsse, die Sie ja selber sozusagen durchlebt haben oder durchlitten haben, ein bisschen vergleichend zu sprechen kommen. Ich hatte eben schon angesprochen: In der Abschlussdebatte hat mit Ausnahme der Opposition ja keiner der Regierungspolitiker, also weder von den Sozialdemokraten, noch von der Christenunion, anerkennen wollen, dass es diese Massenüberwachung gibt. Es gab auch keine Wirtschaftsspionage und auch zum Beispiel, wenn wir uns erinnern, da gab es ja noch diese Aufbauten auf den Botschaften, nicht wahr, die dann plötzlich weg waren. Aber diese Debatte war quasi beendet, konsequenzenlos. Aber parallel quasi als eine Art, eigentlich ja eine Dreistigkeit gegenüber dem Ausschuss, ist ja auch noch der finanzielle und personelle Ausbau des Bundesnachrichtendienstes beschlossen worden, ohne überhaupt die Empfehlungen des Untersuchungsausschuss abzuwarten. Also, wie würden sie die politisch einordnen? S: Naja, das muss man feststellen: Das ist nicht nur beim BND, sondern der deutsche Inlandsgeheimdienst Bundesamt für Verfassungsschutz, hat auch personell erheblich Zuwachs gehabt in den letzten Jahren und beim BND natürlich auch. Das wird eben gerechtfertigt mit dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Und es werden dort ganz offensichtlich ganz neue, große neue technische Abteilungen aufgebaut, die insbesondere für Datenverarbeitung und Datenausspähung, ich bin jetzt mal ganz vorsichtig, vorbereitet werden … K: Naja aber es gab ja … S: … ausgestattet werden. K: Es gab ja glaube ich, zumindest im Vergleich zu den letzten Untersuchungsausschüssen, keine so langmonatige Debatte um die Aufgabe der Geheimdienste, auch um das Image der Geheimdienste, um die Rechtsbrüche der Geheimdienste. Da hatte sich ja was getan. Und parallel gab es ja auch die Liveprotokolle, die glaube ich, zumindest von einem Teil der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Dennoch blieb das so konsequenz… Also ich hab eine gewisse Enttäuschung natürlich darüber, wie man letztlich ja am Ende totgeschwiegen hat und sogar noch in derselben Situation, wo die wissentlichen Rechtsbrüche herauskamen, sozusagen diesen, diesen Geheimdienst päppelt. Ich will immer noch mal auf die kognitive Dissonanz kommen. Also ich mein, die Terroristen sitzen ja mal nun mal nicht im EU-Parlament und im Regierungsviertel. Man hat auch deutlich erkannt, dass da was nicht stimmt in der Argumentation. S: Nein nein, man hat sogar was ganz Anderes gemacht. Ich sage ja immer: Wie wichtig die Veröffentlichungen von Snowden gewesen sind, sieht man daran, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA selber ja ein Gesetz im Parla… also im Kongress durchgebracht worden ist, wo erhebliche zusätzliche Zügel der NSA auferlegt worden. Dies ist alles völlig unbefriedigend und nicht ausreichend. Aber man hat ein Gesetz gemacht, in zwei Anläufen hat man ein sogenanntes Freedom Act gemacht, in dem die Befugnisse der NSA und die Kontrolle verbessert und die Befugnisse eingeschränkt worden sind. Und dasselbe ist … Nicht nur das europäische Parlament, auch der Bundestag hat sich damit beschäftigt, hat Schlussfolgerungen gezogen. Nur der deutsche Bundestag hat zum Beispiel die Schlussfolgerung gezogen, das BND-Gesetz so zu verändern, und zwar zum Ende des vergangenen Jahres. Also heute vor einem Jahr sind die Gesetze in Kraft getreten. Darin ist jetzt die Überwachung, die Auslands… die fast grenzenlose Auslands-, Auslandsüberwachung legitimiert. Und was ganz deutlich jetzt ist, das, was die Kanzlerin noch gesagt hat: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“ Haben sie nicht etwa jetzt in das BND-Gesetz rein geschrieben. Also „Freunde dürfen da niemals auch …“ oder so ähnlich jetzt auf Juristendeutsch. Sondern sie haben da, haben da rein geschrieben: „Das geht. Nur da brauchen wir eine besondere Kontrolle, dass das nicht missbraucht wird.“ Und haben ein sogenanntes unabhängiges Gremium beim Bundesgerichtshof gebildet. Die sitzen in Karlsruhe. Und die haben jetzt einen Bericht vorgelegt, von dem man öffentlich auch nichts weiß oder nichts wissen darf, aber wo man sagen kann, dass die … dass das … die Kontrollmöglichkeiten, wenn das stimmt, was die Süddeutsche Zeitung dazu veröffentlicht hat, muss ich jetzt einfügen, dass die Kontrollmöglichkeiten dieses Gremiums erheblich eingeschränkt worden sind. Das heißt, die haben nicht entweder die Schlussfolgerung gezogen, „Jetzt machen wir da mal Grenzen, über die man nicht weggehen kann, und legen die an die Kette", sondern sie haben überlegt: „Wie kann man das weiter möglich machen? Wie kann man das legitimieren?“ Und jetzt bauen sie auch zusätzlich die Möglichkeiten aus, um das Ganze auch in Deutschland möglichst unabhängig von der NSA und von dem amerikanischen Know-how noch besser und noch ausgeweiteter zu machen. Und auf der einen Seite sieht man daran, dass die Parlamente in den USA, Parlament in Deutschland, das Europäische Parlament sich damit beschäftigt haben, gesetzgeberische Konsequenzen gezogen haben, wie wichtig die Veröffentlichung eines … Das hätten die ja nie gemacht, wenn Snowden nicht gewesen wäre. Oder auf der anderen Seite, wie sie sich da auch wieder jetzt rumgemogelt haben und die völlig falsche Schlussfolgerung gezogen haben. Also ich habe nichts dagegen, obwohl ich immer als der große Gegner von … von … die Arbeit der Geheimdienste angesehen werde. Ich denke, Terrorismusabwehr ist notwendig und richtig, glaube, es gibt niemanden, der sagt: Wenn es eine terroristische Gefahr gibt, die man erkennen kann, wo es Anhaltspunkte dafür gibt, konkrete Anhaltspunkte, dann muss man natürlich versuchen, das zu verhindern, dass da was passiert. Das ist klar. Aber das kann nicht zum Anlass genommen werden, da so aufzurüsten und zusätzliche Kapazitäten zu schaffen, dass immer mehr die gesamte Bevölkerung unter den … die Überwachung der Nachrichtendienste kommt. Applaus In den USA, ich war ja, ich habe, war ja in den USA. Und da kann man mit allen möglichen Leuten reden, im Kongr… also als Bundestagsabgeordneter auch mit den Leuten im Kongress und zu ehemaligen Dienst… Chef der Dienste aller Geheimdienste, Herrn Hayden, habe ich mich auch mal unterhalten. K: Was? Der Clapper-Lügner? S: Clapper? Nee, die Clapper-Lüge, die waren da vorher. K: Ah, okay. S: Aber die sind da viel direkter und viel ehrlicher. Die sagen: „We take all“, also: „Wir nehmen alles“. In Deutschland sagen die: „Nö, bestimmte Sachen, das machen wir gar nicht, das wollen wir auch gar nicht.“ Nein in den … Aber die Amerikaner nehmen alles und versuchen dann bei der Verwertung Grenzen zu setzen, wobei die Grenzen, wenn sie Grenzen setzen, bisher nur die Grenzen sind für US-Bürger und für die USA selber, aber nicht für Bürger wie wir hier alle im Saal oder die meisten jedenfalls im Saal. In Deutschland sagen wir: Wir haben auch eine Verantwortung für die Privatsphäre, auch Menschen aus, für Menschen aus anderen Ländern, aus europäischen Ländern, aber auch weit darüber hinaus. Weil die Privatheit, das Recht auf Privacy ist ein Menschenrecht, ist ein Bürgerrecht. Und wir müssen alle dafür sorgen, dass das auch umgesetzt und gegenüber der Begierde der Geheimdienste und der dahinter stehenden Regierung geschützt wird. Applaus K: Ich werde jetzt sozusagen noch eine direkte Frage stellen. Wer selber eine stellen will, sollte sich dann jetzt an die Mikrofone stellen. Sie haben eben erwähnt, dass ja die USA einige Änderungen vorgenommen haben. Ich will vielleicht hinzufügen, die Briten haben das auch. Die haben vor allen Dingen überhaupt mal bestimmte Regeln schriftlich festgelegt, die vorher vage Ermessensentscheidungen waren. Also es ist wie immer, redet man viel über die USA, aber die Briten fallen dabei immer unten runter. Die sind aber gerade wegen der geografischen Lage natürlich sehr wichtig für die Massenüberwachung. Aber ich muss die letzte Frage stellen und diesmal werden Sie mir auch nicht ausweichen: Was sind denn die Forderungen, die eigentlich zu stellen wären? Das heißt, was müsste denn eigentlich tatsächlich getan werden anstatt dieses Ausbaus? Welche Schranken müssen denn eingerichtet werden? S: Also erstens muss man ins Gesetz schreiben, in die Gesetze in Deutschland schreiben, möglichst darüber hinaus in Europa, was alles nicht geht, was es wirklich nicht geht. Und zwar als Gesetzesbefehl und nicht irgendwie gleich wieder mit Ausnahmen, und unter welchen Voraussetzungen es doch geht. Und dann muss natürlich, weil wir wissen, dass die Geheimdienste gerne auch was machen, von dem sie nicht wollen, dass die Parlamente davon erfahren. Dann muss man absichern, dass die Kontrolle funktioniert, und man muss eine wirklich unabhängige Kontrolle dazu einführen. Und das können Abgeordnete alleine nicht, dazu haben wir gar nicht das Know-how. Auch übrigens nicht die Zeit, die einzelnen Abgeordneten. Sondern wir müssen da effektive Kontrollinstanzen schaffen unter der Oberaufsicht des Parlaments. Also es muss ganz streng getrennt von der Regierung sein. Und außerdem, und dann können wir hoffen, dass wir geschützt werden, aber wir müssen auch das alle tun, was Edward Snowden auch immer wieder gesagt hat, was er auch zu mir gesagt hat, als ich dort war. Wir müssen alle im Umgang mit den Daten so sein, dass wir selber für die höchstmögliche Sicherheit der Daten sorgen. Und da kann jeder einzelne User unendlich viel leisten. Ich meine, wir haben mit Edward Snowden übers Netz kommuniziert, unkontrolliert kommuniziert. Was da geht, das geht also. K: Also ich glaube, diese Community ist sich da doch recht bewusst, was geht, oder? S: Ja, genau! Und da sind … Also ich habe eine Freundin, die hat mir gesagt, als ich sagte, ich fahr jetzt zum Chaos Computer Club nach Leipzig, hat die gesagt: „Sag denen mal einen schönen Gruß. Sie sind die Einzigen, auf die ich die Hoffnung setze, dass in Deutschland nicht alles mit meinen Daten gemacht werden kann, was der Staat machen könnte.“ Also ich vertraue auch auf Ihre Expertise und auf Ihre Möglichkeiten, einen wirksamen Datenschutz einfach technisch zu garantieren. Das geht offensichtlich, ich bin da kein Fachmann. Und das muss man allen Leuten möglichst nahebringen. Auch wenn es mehr Zeit kostet, und auch wenn es mehr Geld kostet, als wenn man so normal kommuniziert. Also wir können alle da was tun und sind aufgerufen, gemeinsam einen Stopp zu setzen. Applaus K: Gibst Du mir mal ein Zeichen, welches der Mikros an ist? Kann ich einfach eins bestimmen? Bitte! Frager: Kann man mich hören? Gut. Herr Ströbele, Sie beschäftigen sich jetzt schon viele Jahre mit den Geheimdiensten. Wenn man Ihnen in den Medien und auch jetzt zuhört, hört man immer wieder, dass Ihnen Informationen vorenthalten wurden oder dass einem, ich sage einfach mal, Steine in den Weg gelegt wurden. Klingt für mich so ein bisschen wie ein Kampf gegen Windmühlen. Was motiviert Sie, so lange wirklich immer wieder dran zu bleiben und Ihre Arbeit weiterzumachen? K: Das würde ich auch gerne wissen. Gelächter, Applaus S: Also ich kann diese Frage … Ich sag mal, bevor ich die Frage ganz konkret beantworte, sage ich Ihnen mal, wie recht Sie haben. Meine … leichter Applaus, Gelächter Also da auch da muss ich beim Formulieren jetzt sehr zurückhaltend, vorsichtig sein. Aber nach meiner Kenntnis von Unterlagen haben, hat der BND gewusst, dass er was Gesetzeswidriges macht. Und er hat auch vor nichts mehr Angst gehabt, als dass das Parlamentarische Kontrollgremium oder die G10-Kommission, ist ja auch eine vom Bundestag eingesetzte Überprüfungsinstanz, dass die davon erfahren. Also die haben schriftlich niedergelegt, dass das Schlimmste, was passieren kann, wäre das. Also noch mehr Beweis braucht man nicht dafür, dass da ein schuldhaftes Handeln vorlag. Jetzt was Sie sagen, was sind, was sind die Konsequenzen, was … Natürlich war ich häufig so, haben Sie ja manchmal auch in den Medien erlebt, wenn ich da aus dem Ausschuss raus kam, dass ich gesagt habe: „Also so belogen …“ – und meistens stellt man es ja erst nachher fest, dass man belogen wurde, weil man das ja nicht gleich die Beweise und Belege dafür da hat – „ … bin ich noch nie …“ – wie zum Beispiel hier anlässlich der Veröffentlichung von Edward Snowden. Ich find’, vieles ist an uns vorbei jongliert worden und uns nicht gesagt worden und so weiter. Jetzt warum mach’ ich das weiter? Weil ich auf der anderen Seite festgestellt hab’, dass die parlamentarische Kontrolle, die ja … durchaus einen Sinn hat, wenn sie einigermaßen funktioniert, eine Fernwirkung hat. Ich hab’ ja die Zeugen erlebt, ich war auch in den Diensten, ich hab’ auch mit Mitarbeitern geredet dort und habe die Reaktionen gehört. Also der Bundesnachrichtendienst hat sich … Die selber formulieren so … waren ganze Teile in ihrer Arbeit blockiert durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses. Die haben sich intensivst damit beschäftigt und es hat eine heilsame Fernwirkung, wenn jeder Mitarbeiter in den Geheimdiensten damit rechnen muss, dass seine Tätigkeit, wenn er da irgendwo zu Gange ist – so oder so – dass er … dass die dann irgendwann mal vor einem Untersuchungsausschuss zu rechtfertigen ist. Und ich kann Ihnen sagen … Auch das, was mir da widergespiegelt worden ist. Es gibt auch bei den Nachrichtendiensten natürlich solche und solche: die einen, die sind in einer Weise aggressiv und sagen wir stören nur ihre Arbeit und is alles ganz ganz schrecklich, und das muss verboten werden, und das muss dem Ströbele das Handwerk gelegt werden … und anderen. Aber es gibt auch andere, auch im Bundesnachrichtendienst, die trauen sich manchmal auch was zu sagen, die sagen, wenn wir hier unsere Tätigkeit auch vor uns selber rechtfertigen wollen, wenn wir auch in den Spiegel gucken wollen dann müssen wir selber Wert drauf legen, dass wir kontrolliert werden … Also da ist ein weites Feld. Was ich fordere vom Bundestag … Dass der Bundestag, die Abgeordneten sich selbstständig machen und sagen, wenn wir feststellen, da ist ’ne Schweinerei geschehen, da sind Sachen gemacht worden von denen die selber wussten, dass sie gesetzeswidrig, dann muss das auch Konsequenzen haben. Da müssen die Leute die das konkret gehändelt haben – nicht ins Gefängnis gleich – aber müssen jedenfalls abgelöst werden … Auf jeden Fall dürfen sie das nicht weitermachen. Und die, die da oben drüber sind und die … aufwallender Applaus Ströbele räuspert sich Applaus dauert an Die, die die Verantwortung dafür tragen … auch für das, was wir hier aufgeklärt haben, wir haben ja vieles aufgeklärt, die können doch nicht weiter in ihrem Amt bleiben. Das geht doch nicht an, dass die sogar in der Hierarchienleiter ganz nach oben kommen, ’ne wichtige … den wichtigsten Job im Kanzleramt bekommen. Sondern das muss für die Konsequenzen haben. Solange das nicht der Fall ist, ist das immer wieder für die unangenehm, was in der Zeitung steht, und wenn sie kritisiert werden und beschimpft werden, aber solange man keine Konsequenzen zieht bringt das nix. Deshalb muss ins Gesetz rein, wenn die erwischt werden, dass sie was machen, dann muss das parlamentarische Kontrollgremium, und kann, und darf, eingreifen und sagen, die und die müssen weg … Die müssen – weiß ich was – es gibt sicher noch ein paar andere Stellen, wo sie nicht so viel Fehler … Gelächter … machen können oder in eine andere Behörde versetzt werden. Ich will den gar nicht an den Kragen, sondern ich will einfach … Es ist doch unmöglich, dass Leute in ner Firma, oder sonstwo im Leben was falsch machen, das dürfen sie nicht wieder machen oder werden von da abgelöst und da ist das völlig anders … sondern die … steigen sogar auf, die werden sogar mehr und kriegen bessere Stellungen da. So darf das nicht sein. Das heißt, es hängt von unser aller Reaktionen ab und eine Reaktion müsste sein, dass man solche Möglichkeiten schafft. Wir haben das vorgeschlagen, für den, für die Gesetzesnovellierung, aber die trauen sich da nicht ran. Ich hab’ immer manchmal den Eindruck, dass die, die dann darüber zu entscheiden haben in den Koalitionsfraktionen, oder in den Parteien, oder in der Regierung, dass die da irgendwie ein bisschen Zurückhaltung gegenüber den Geheimdiensten haben. Ich will jetzt keine Märchen erzählen, aber irgendwie scheint da eine gewisse, ich formuliere es mal ganz sachte, Zurückhaltung und Hemmung zu sein. K: Aber einer musste ja nun schon seinen Hut nehmen, ich meine, der BND-Chef hatte dann ja doch irgendwie … S: Ja, natürlich die müssen die Schuld … Ja, und auch der Minister – es gibt ja eigentlich eine politische Verantwortung, die trägt ein Minister auch dann, wenn er mit dem einzelnen Vorgang konkret gar nichts zu tun hat. Wo – ist klar, der kann nicht alle Vorgänge kontrollieren, aber er muss seinen Laden so organisieren, und die Bundesregierung, das Kanzleramt, weil der BND untersteht ja direkt im Kanzleramt, nicht irgendeinem Minister – müssen ihren Laden so organisieren, dass sie die Verantwortung dafür tragen sollen. Und dazu gehört natürlich dann auch, Personal auswechseln. Applaus K: lacht Ich weiß gar nicht, ob die eigentliche Frage beantwortet wurde, aber wir gehen einfach zur nächsten. Lachen Frager: Vielen Dank, dass Sie heute hier sind und sich dem Gespräch stellen. Sie sagten gerade, es ist sehr deutlich geworden, dass die große Koalition den NSA-Untersuchungsausschuss in seiner Arbeit jetzt nicht gerade unterstützt hat, und auch bis zum Schluss nicht zugegeben hat, dass es da eine Überwachung gab, in dem Maße wie Sie das darstellen. Sie haben gerade über das parlamentarische Kontrollgremium gesprochen – im NSA- Untersuchungsausschuss wurde immer nur die Wahrheit stückchenweise zugegeben, wie sie bereits herausgefunden worden ist, war mein Eindruck. Ist das in der PKG genauso gewesen und würden Sie sagen, dass die Kontrolle der Geheimdienste in Deutschland überhaupt funktioniert? S: Naja, sie funktioniert sicher besser als in anderen Ländern, wo es so ein Gremium überhaupt nicht gibt, und wo es auch solche Untersuchungsausschüsse nicht gibt. Also wir haben uns schon die Mühe gemacht und das war sehr stressig, da einiges raus zu kriegen oder es raus zu bekommen. Und es ist richtig, Sie haben dann erst – saßen dann relativ kleinlaut da, wenn es gar nicht mehr zu leugnen war, weil es sich aus den Akten ergeben hat, haben sie dann gesagt: „Jaja, da war das so und so.“ Aber sie haben überhaupt mit keiner Silbe gesagt, warum sie das nicht ein Jahr vorher, oder zwei Jahre vorher, oder zehn Jahre vorher nicht zugegeben haben, oder abgestellt haben, oder sogar versucht haben, die Kontrolle unmöglich zu machen. Wobei mir ja noch mal eins ganz wichtig ist: die haben sich ja sehr viel – die Deutschen – auf die Amerikaner zurückgezogen. Wir haben ja bis heute nicht diese 40.000 Selektoren, die die Amerikaner in diese Überwachung eingespeist haben, gesehen. Also ich habe keinen einzigen davon gesehen, obwohl Herr Altmaier, also der Chef da im Kanzleramt am Anfang gesagt hat: „Naja wir fragen jetzt nur noch mal, konsultieren jetzt noch mal kurz die Amerikaner, und dann könnt ihr die sehen.“ Nein, sie haben das dann letztendlich nicht gesagt, weil sie immer sagen, wir sind daran gebunden, was die Amerikaner sagen. Wir könnten – das steht nirgendwo, sondern konsultieren, das heißt ja eigentlich nicht, dass die das entscheiden, sondern dass sie gefragt werden: „Sagt mal, habt ihr da Probleme?“ oder „In welchem Punkt habt ihr Probleme?“ Das ist dann nicht gemacht worden deshalb denke ich, das ist eine dumme Ausrede gewesen, weil da wahrscheinlich in diesen Selektoren noch viel mehr dann ans Tageslicht gekommen wäre, wenn man die kennen würde. Wir kennen sie jedenfalls nicht. Aber die haben ja mit der Wahrheit einfach so solche Probleme, dass … Ich will das an einem anderen Beispiel klar machen: die kamen aus den Amer… aus den USA immer zurück – die Chefs der Dienste, aber auch die Minister – und haben gesagt: „Die Amerikaner“ – das haben sie auch öffentlich gesagt – „Die Amerikaner haben uns gesagt, selbstverständlich befolgen sie in Deutschland alle Gesetz und Recht, das ist ganz selbstverständlich. Das steht übrigens in allen Vereinbarungen, die mit den USA und der NSA getroffen wurden explizit so drin.“ Und da sitzt man dann da, also warum sollen wir so kleingläubig sein, den Amerikanern nicht glauben und so. Inzwischen wissen wir: so ganz mit der Gesetzestreue in Deutschland kann es ja nicht sein, weil es steht in keinem deutschen Gesetz, dass das Handy der Kanzleramt abgehört werden – der Kanzlerin abgehört werden darf. Und es steht auch in keinem deutschen Gesetz, dass man Drohnen – das ist ja noch ein anderes Kapitel, was wir im Untersuchungsausschuss auch hatten – dass Drohnen in Afrika, die dort gezielte Kill-Aktionen durchführen, dass die über Deutschland dirigiert werden, geführt werden. Über Deutschland, aus den USA. Das ist, das darf man alles nicht, und wir haben zu der selben Zeit, als – Frager: Man darf das alles nicht, das würde ich zugeben … K: Es ist keine Nachfrage erlaubt! Lachen, Applaus S: Als die aus Deutschland – aus den USA zurückkam, und uns das erzählt hat, zur selben Zeit, als sie gesagt haben, sie halten sich in Deutschland an Gesetz und Recht, wurde ein Markus R. im BND in Pullach festgestellt, der für die Amerikaner gearbeitet hat gegen Cash. Ich glaube 37.000 Euro hat er gekriegt. Dafür hat er dann … wurde er verurteilt zu acht Jahren Freiheitsstrafe. Halten die sich an deutsches Gesetz und Recht? Also … und ich glaube denen auch nicht, das war immer eine Ausrede, dass die nicht wissen, dass natürlich auch alle US-Versicherungen schön und gut sind, aber dass die man überprüfen muss, ob die wirklich eingehalten werden – ja oder nein. Und daran fehlt es ganz eindeutig. Also da, man geht da, weil man so großen Wert auf die Zusammenarbeit legt, geht man da den einfachen Weg. K: Da müssen wir ja eigentlich auch noch über diese dreiste Lüge des No-Spy- Abkommens reden, dafür haben wir aber keine Zeit, sondern wir nehmen eine sehr, sehr kurze Frage von da. Frager: Ja meine Frage zielt in eine ähnliche Richtung: von außen betrachtet sieht das parlamentarische Kontrollgremium ja sehr aus wie ein zahnloser Tiger. Vor allen Dingen deswegen, weil die Abgeordneten ja selbst wenn ihnen Missstände auffallen, sie unter einer Geheimhaltungserklärung stehen, dass sie das nicht öffentlich machen dürfen. Jetzt haben Sie gerade angeprangert, dass Sie auch gar keine Möglichkeit haben organisatorisch was zu ändern. Das heißt, Sie haben gar nicht die Macht die Verantwortlichen in irgendeiner Form für ihr Tun zur Rechenschaft zu ziehen. Das heißt, Sie als Pragmatiker, Idealist, der ja sehr sich dafür eingesetzt hat, dass dieses Kontrollgremium überhaupt irgendetwas tut. Wie würden Sie denn ihr die tägliche Arbeit beschreiben, welche Möglichkeiten haben Sie denn? Jetzt unabhängig von dem konkreten Fall Snowden. Wenn Ihnen da was auffällt, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. Können Sie da aktiv irgendwas machen, um das zu unterbinden? Oder sind Ihnen da, wie das von außen betrachtet leider immer so rüberkommt, wirklich die Hände gebunden? S: Ich kann nichts machen. Ich kann nicht mal, ich kann nicht mal zu meiner Fraktionsführung, Wir haben versucht, das ins neue Gesetz reinzuschreiben, zu meiner Fraktionsführung gehen und sagen: „Lieber Cem“ oder „Liebe Kathrin, wir brauchen eine Sondersitzung oder brauchen einen Untersuchungsausschuss für das und das“. Da sagen die: „Ja wofür willst du schon wieder ein Untersuchungsausschuss?“ und dann darf ich da nichts sagen. Ich kann nicht sagen „Ich habe gestern“ oder „letzte Woche“ oder „irgendwann im parlamentarischen Kontrollgremium das und das gehört“. Ich darf nicht mal meine Kollegen informieren, obwohl die eigentlich auch alle als gewählte Abgeordnete Vertreter des deutschen Volkes, die, man nennt das geborene Geheimnisträger, geborene Geheimnisträger sind. Ich wäre niemals durch eine Kontrolle durch gekommen. Also wenn ich hätte kontrolliert werden müssen, ob ich streng geheime Sachen … aber als Abgeordneter ist man so genannter geborener Geheimnisträger, und die anderen Kollegen natürlich auch und Kolleginnen, aber ich darf denen nix sagen. Also es ist eine völlig absurde Situation, deshalb haben wir vorschlagen im PKGR-Gesetz, es gibt ein extra Gesetz dafür, reinzuschreiben, wenn die Abgeordneten auf etwas stoßen, dann dürfen sie auch Konsequenzen ziehen. Jetzt nicht den ganzen Sachverhalt und irgendwelche Agenten ans Messer liefern, sondern jedenfalls so viel nach Außen deutlich machen, auch im Parlament, gegenüber dem Parlament, dass man da Maßnamen dagegen ergreifen kann. Ihre Frage ist völlig berechtigt und ich kann Ihnen sagen, vor allen Dingen in den letzten Jahren habe ich mich manchmal sau unwohl gefühlt, wirklich. Wo man dann da rauskommt und irgendwie stotterte und nicht ganz weiß, darf man das sagen oder darf man … Auch hier sehen Sie ja, nicht? Ich muss immer, es liegt mit auf der Zunge, dann überlege ich: „Wie kann ich das so ausdrücken, dass ist irgendwie auch woanders her sein kann was ich ihnen gerade erzähle?“. Also: Problem erkannt. Wir arbeiten dran. Wir brauchen eine andere Mehrheit. Applaus Herald: Da sind noch Fragen aus dem Stream. K: Unsere Zeit ist tatsächlich jetzt abgelaufen, ne? Herald: Nein, eure Zeit ist noch nicht abgelaufen, aber wir hätten noch Fragen aus dem Stream und die hintere Gruppe also Nummer 6 und Nummer 5 fragt, ob sie auch noch Fragen stellen darf. K: Also vielleicht, vielleicht können wir ja folgendes machen. Sie hatten … Ich denke, wir hätten bestimmt noch eine Menge mehr zu besprechen, aber Sie hatten ja eingangs den Vorschlag gemacht, dass wir hier mal Edward Snowden auf die Bühne holen, das könnten wir doch für das nächste Jahr planen. Wir holen ihn mit dem Hubschrauber her und zur Not, wenn Sie zu viel sagen, dann können sie mit dem Hubschrauber … Damit sie nicht … Lachen und Applaus K: Oder sie schreiben ein anonymes Buch? S: Hubschrauber ist nicht gut, Hubschrauber ist nicht gut, der kommt nicht von Moskau bis hier her. K: Stimmt stimmt, ja. Aber sie könnten doch so ein anonymes Buch … S: Sie müssen ja, Sie kennen die Geschichte, nicht? Dass, es bestand nur der Verdacht, dass bei einem Staatsmännertreffen in Moskau auf dem Rückflug der bolivianische Präsident mit einer Maschine von Moskau zurückfliegen wollte, er nach La Paz, Morales heißt der. Das Flugzeug … es wurde innerhalb von Minuten der gesamte Flugraum über Westeuropa gesperrt, das Flugzeug durfte nicht weiter fliegen, musste in Österreich runtergehen und musste sich durchsuchen lassen, ob Snowden da drin sitzt. Also deshalb ist die Idee mit dem Hubschrauber … lacht K: Aber wir können vielleicht etwas mit Drohnen machen. Naja gut. Also wir überlegen uns was bis nächstes Jahr, was … Wir müssen leider. Ja, es tut mir leid … Ich würde mich herzlich bedanken, dass Sie noch mal sozusagen eine politische Agenda auch ausgelegt haben und noch mal reflektiert haben über diesen Ausschuss. Und ich denke wir hier müssen dafür sorgen, dass es nicht konsequenzenlos bleibt, auch wenn wir möglicherweise dafür noch eine Weile weiter kämpfen müssen. Denn ich denke, wenn zumindest das amerikanische Parlament und auch das britische Parlament, zumindest zu einigen Reformen kommen, dann sollten wir auch den langen Atem haben, es immer wieder zu fordern. Ein paar konkrete Sachen wir besprochen. Jedenfalls vielen Dank, dass Sie bei uns waren und davon berichtet haben und vielen Dank für Ihre Arbeit! Applaus Musik Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2017. Mach mit und hilf uns!