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Mein Name ist Ji-Yoon An,
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zurzeit bin ich als Juniorprofessorin
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an der Nanyang Universität in Singapur.
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Ich würde sagen, ich bin Wissenschaftlerin
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spezialisiert in Koreanischer Film.
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Meinen Doktor*innenabschluss habe ich
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an der Universität Cambridge gemacht,
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wo ich zeitgenössischen Film
untersucht habe
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beziehungsweise
Koreanischen Film allgemein.
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Koreanische Medien- oder
Kulturwissenschaften
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sind ein relativ kleines
und wachsendes Fach.
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Deshalb ist mein Forschungsinteresse
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nicht auf Film beschränkt,
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auch wenn meine akademische und
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methodologische Ausbildung
Filmwissenschaft ist.
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Momentan arbeite und interesse
ich mich für K-Drama.
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genauso wie Koreanisches Kino.
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Oh ja!
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Ich habe alles auf einmal gebingt.
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[lacht]
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Ich war gerade auf dem Rückweg aus Korea.
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Ich hatte einen neun Stunden Flug,
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also habe ich alle neun Folgen geguckt.
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Klar.
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Als einfacher TV-Fan,
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als normale Fernseh-Zuschauende
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hat mir die Serie gefallen.
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Sie war einfach zu bingen -
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das ist ein Erfolg-Faktor gerade.
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Eine Serie, die immer weitergeht und
neugierig auf die nächste Folge macht.
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Das hat Spaß gemacht,
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es war unterhaltsam.
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Aber aus akademischer Sicht
hat es mich fasziniert,
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weil die TV-Shows von Netflix,
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sorry,
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ich meine die koreanischen Dramen,
die Netflix produziert,
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sind sehr anders als
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die lokalen K-Drama-Produktionen.
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Wenn man sich Squid Game anschaut,
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reiht es sich zu den Filmen ein,
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die man sonst nicht
im koreanischen Lokal-TV sieht.
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Das war für mich
ein interessantes Phänomen.
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Ich meine, die Themen -
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Kritik an Kapitalismus,
Klassenunterschiede -
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diese Themen sind gerade überall aktuell.
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Die Idee,
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ein Spiel als Metapher
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für eine kapitalistische Gesellschaft,
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diese abstrakten Themen der Serie
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sind nicht unbedingt Korea-spezifisch.
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Dennoch sollte man sich im Klaren sein,
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Korea ist eine hyper-
kapitalistische Gesellschaft.
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Selbst im Vergleich zu Deutschland,
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wo Kapitalismus auch
das herrschende System ist,
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ist es anders.
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In Korea benutzt man heute den Ausdruck
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neoliberaler Kapitalismus.
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Wo Marktwerte integraler Bestandteil
in allen Lebensbereichen ist.
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Selbst private Angelegenheiten
sind vom Markt bestimmt.
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Diese Kritik am neoliberalen Kapitalismus
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ist ziemlich Korea-spezifisch.
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Ich denke,
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K-Dramas tendieren immer mehr dazu,
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bestimmte Probleme zu diskutieren
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und sichtbarer zu machen.
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Zum Beispiel die Diskussion
um LGBT-Rechte
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wird in Korea immer größer.
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Selbst wenn du eine Romcom oder
ein K-Drama guckst,
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findest du heutzutage oft Nebencharaktere,
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durch die Autor*innen auf Themen
wie LGBT-Rechte
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oder mentale Gesundheit
aufmerksam machen.
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Mit Nebencharakteren
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auf soziale Probleme
aufmerksam zu machen,
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ist eine Entwicklung der
letzten 5 Jahre in Korea.
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Der migrantische Arbeiter Ali
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zeigt ein riesiges Problem in Korea,
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das es seit 15 Jahren gibt:
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Diskriminierung gegen
migrantische Arbeiter*innen
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sowie gegen nordkoreanische Geflüchtete.
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In Korea leben die meisten
nordkoreanischen Geflüchteten
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und es ist gut dokumentiert
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und es ist ein soziales Problem,
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dass sie von Südkoreaner*innen
diskriminiert werden,
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weil sie sie für gefährlich halten.
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Und natürlich bekommen sie seltener Jobs,
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und sie müssen am Ende Gangs,
kriminellen Welten usw. beitreten.
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Das wird ja durch die
Charaktere auch aufgegriffen.
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Es gab viele soziale Fragen zu
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migrantischen Arbeiter*innen,
Heiratsehen und diversen Familien.
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und dieses Thema ist
immer noch sehr schwierig,
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obwohl es so bedeutend ist.
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Wenn du heute nach Korea gehst,
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sind so viele im Diensleistungssektor
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wie z.B. im Service,
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nicht aus Korea.
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Das hat sich in den
letzten 10 Jahren verändert.
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Historisch gesehen,
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war Korea ethnisch ziemlich isoliert
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und sie waren nationalistisch-geprägt
stolz darauf, "rein-koreanisch" zu sein.
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Bis ins späte 19. Jahrhundert
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hat sich Korea
als Einsiedlerreich verstanden.
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Es gab weder internationalen Handel
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noch hat es Grenzen für andere geöffnet.
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Die Grenzen wurden erst durch
die koloniale Herrschaft Japans erzwungen.
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Die koloniale Geschichte,
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wenn man sich damit auseinandersetzt,
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ist die Antwort darauf
offensichtlich Nationalismus.
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Aber dieser Nationalismus
hat die Tendenz,
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ethnische Heterogenität abzulehnen.
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Ich glaube wir sind an dem Punkt,
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dass diese Sichtbarkeit
in der populären Kultur möglich ist.
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Wenn man sich anschaut,
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wie Ali porträtiert wurde,
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einerseits kann man sagen,
er wurde gut dargestellt,
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andererseits nicht,
viel zu naiv, viel zu freundlich.
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Und das war Absicht,
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weil sie dachten,
sie dürfen ihn nicht mißrepräsentieren.
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weil es Diskriminierung gegen
migrantische Arbeiter*innen gibt.
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Diese rein positive Darstellung
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ist also der erste Schritt.
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Von hier aus kann man sich
langsam bewegen
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Richtung Realismus,
Vielfalt und Inklusion.
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Dem können wir nicht mehr ausweichen.
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Es geht darum, dass
Klassenmobilität kaum möglich ist.
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Das Problem in Südkorea heute ist,
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dass du kaum eine Chance hast,
wenn du nicht mit dem Silberlöffel
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- oder mit dem goldenen Löffel -
im Mund geboren bist.
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Wenn du nicht mit Geld
auf die Welt gekommen bist,
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wird es sehr schwer werden,
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allein mit Leistung weiterzukommen.
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Wir leben in einer Zeit,
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in der diejenigen mit Kapital
schneller Erfolg haben
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und einfacher als die ohne.
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Marginalisierte Menschen existieren
in dieser Gesellschaft
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und diese ist ein ungerechter Ort.
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Die Idee einer fairen Welt,
mit der wir aufwachsen,
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lässt sich nirgendwo wiederfinden.
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Und das wird durch das
Squid Game symbolisiert,
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wo du angeblich immer aufhören kannst
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und alles gerecht ist, obwohl
Gerechtigkeit nicht wirklich existiert.
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Es ist eine Abbildung der Gesellschaft.
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Es gibt dieses berühmte Zitat:
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“Es ist einfacher, das Ende der Welt
zu denken als das Ende des Kapitalismus”.
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Es ist wie in der Serie:
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Sie sagen, 'In der Welt
habe ich keine Chance
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egal was ich tue.
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Also gehe ich lieber in dieses Spiel,
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neues System,
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vielleicht habe ich ja dort etwas Glück.'
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Diese falsche Hoffnung.
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Selbst wenn wir soziale Probleme
nur sichtbarer machen
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in einem popkulturellen Medium,
Film, TV-Serie etc.,
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reicht es, um ins Gespräch zu kommen.
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Das ist der beste Weg,
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wie Veränderung über Kultur
implementiert werden kann.
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Und K-Drama kann vielleicht nicht
direkt Reformen anstoßen,
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aber es ermöglicht,
Debatten anzustoßen,
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Bewusstsein zu wecken,
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sichtbar zu machen,
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Zugang zu erleichtern.
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Ich denke, das ist ein Weg,
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wie man einen Meilenstein für
soziale Veränderung legt.
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Als Beispiel:
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Ich habe den Film
"Parasite" bereits erwähnt,
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vom letzten Jahr.
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Nach dem Film kam es tatsächlich
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zu einer Reform für Kellerwohnungen.
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Wir sehen Veränderungen.
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Wo Popkultur etwas sichtbar machen konnte,
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kann auch manchmal Veränderung eintreten.
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Auch wenn es keine direkte Reform gibt,
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diese Fähigkeit, Bewusstsein zu wecken,
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eine Konversation zu haben,
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ist doch schon etwas!