Return to Video

Interview mit Alexis Tsipras

  • 0:04 - 0:06
    Herr Tsipras, in Griechenland gibt es inzwischen eine
  • 0:06 - 0:12
    neue Einkommenssteuer, eine Kopfsteuer, eine
  • 0:12 - 0:17
    Immobiliensteuer, und nun erneut Steuererhöhungen.
  • 0:17 - 0:21
    Wie hoch ist die Belastung für die Menschen?
  • 0:23 - 0:28
    In Griechenland wird seit vielen Jahren die Armut
  • 0:28 - 0:31
    besteuert, während dem Kapital die Steuern erlassen
  • 0:31 - 0:34
    werden. Das Ergebnis ist, dass diese Steuern nicht
  • 0:34 - 0:38
    effizient wirken. Zudem können die Menschen nicht
  • 0:38 - 0:40
    mehr konsumieren. Auch vor diesem Hintergrund
  • 0:40 - 0:42
    kann die Besteuerung nicht effizient sein.
  • 0:42 - 0:44
    Und das große Problem: Das Gefühl der sozialen
  • 0:44 - 0:46
    Ungerechtigkeit im griechischen Volk wächst, weil
  • 0:46 - 0:48
    die Steuern einseitig die Armen belasten.
  • 0:48 - 0:50
    Die Wohlhabenden setzten aber weiterhin auf
  • 0:50 - 0:52
    Steuerflucht bei Schweizer Banken. Ich nenne nur
  • 0:52 - 0:53
    das Stichwort der Lagarde-Liste.
  • 0:54 - 0:57
    Was unternimmt die Regierung in Griechenland
  • 0:57 - 1:00
    gegen Steuer- und Kapitalflucht?
  • 1:00 - 1:03
    Was die Regierungen bis heute außerordentlich gut
  • 1:03 - 1:06
    vermocht haben, ist, diese Listen in den Schubladen
  • 1:06 - 1:10
    geheim zu halten. Wie ein Buch mit sieben Siegeln.
  • 1:10 - 1:15
    Sie tun also nichts, damit dieses jahrelang währende
  • 1:15 - 1:19
    System der Staatsplünderung beendet wird.
  • 1:19 - 1:24
    Das ist einer der hauptsächlichen Gründe, die
  • 1:24 - 1:28
    uns in den Bankrott geführt haben. Denn seit
  • 1:28 - 1:31
    mehr als einem Jahrzehnt beträgt der Durchschnitt
  • 1:31 - 1:34
    der Staatseinnahmen in Griechenland viel weniger
  • 1:34 - 1:38
    als im gesamten Raum der Europäischen Union.
  • 1:38 - 1:41
    Das lag auch an der Tatsache, dass die Reichen
  • 1:41 - 1:43
    keine Steuern gezahlt haben. Das muss sich ändern,
  • 1:43 - 1:46
    wenn wir einen Weg aus der Krise ebnen wollen.
  • 1:47 - 1:50
    Sie plädieren unter anderem für eine Tobin-Steuer
  • 1:50 - 1:56
    Welche Steuerpolitik will Syriza darüber hinaus?
  • 1:57 - 2:01
    Wir streben in erster Linie an, dass die Steuerfreiheit
  • 2:01 - 2:06
    für die reiche Elite beendet wird. Es ist kein Zufall,
  • 2:06 - 2:10
    dass in diesen berühmten Listen der Steuerflüchtlinge
  • 2:10 - 2:14
    all jene – in Anführungsstrichen – wichtigen Namen
  • 2:14 - 2:18
    vorkommen. All jene, die aus starken Positionen
  • 2:18 - 2:22
    das Schicksal des Landes bestimmt haben.
  • 2:22 - 2:25
    Unter diesen Namen finden wir Medienbosse,
  • 2:25 - 2:28
    Bankiers oder Großunternehmer. Es sind Personen,
  • 2:28 - 2:31
    die eng mit den wirtschaftlichen und politischen
  • 2:31 - 2:35
    Strukturen des Landes verwoben sind. Deshalb
  • 2:35 - 2:38
    fordern wir, dass sie auch für die Krise bezahlen.
  • 2:38 - 2:41
    Gleichzeitig braucht der Mittelstand Luft zum Atmen.
  • 2:41 - 2:44
    Er kann keine weitere Besteuerung mehr tragen.
  • 2:44 - 2:50
    Schauen Sie sich die Erhöhung der Heizölsteuer an.
  • 2:50 - 2:55
    Das ist ein klassisches Beispiel für das Scheitern
  • 2:55 - 2:59
    der aktuellen Politik. Die Menschen haben
  • 2:59 - 3:04
    schlichtweg aufgehört, Heizöl zu kaufen.
  • 3:04 - 3:07
    Sie nutzen nun zum Heizen alles was sie finden.
  • 3:07 - 3:11
    Die Wälder werden abgeholzt. Es besteht die Gefahr,
  • 3:11 - 3:13
    dass Menschen den Kältetod erleiden oder durch die
  • 3:13 - 3:16
    starke Benutzung von Holzöfen in ihrem eigenen
  • 3:16 - 3:19
    Heim tödliche Brände verursachen. Währenddessen
  • 3:19 - 3:22
    sind die Steuern, die der Staat einnimmt, stärker
  • 3:22 - 3:24
    zurückgegangen, als in Zeiten, in denen die
  • 3:24 - 3:27
    Besteuerung niedriger war.
  • 3:27 - 3:31
    Am Montag haben Sie in Berlin Finanzminister
  • 3:31 - 3:35
    Schäuble getroffen. Was haben Sie besprochen?
  • 3:38 - 3:41
    Ich habe ihm die Realität geschildert. Ich habe
  • 3:41 - 3:45
    ihm gesagt, dass Griechenland vor einer humanitären
  • 3:45 - 3:49
    Krise steht, und dass es als Resultat dieser Politik
  • 3:49 - 3:52
    eine sehr große Gefahr sozialer Spannungen gibt.
  • 3:52 - 3:56
    Zudem gibt es die Gefahr des Zulaufs für Neonazis,
  • 3:56 - 3:59
    während wir jedoch keine Verbesserungen sehen.
  • 3:59 - 4:01
    Das Programm ist gescheitert. Und ein neuer
  • 4:01 - 4:05
    Schuldenschnitt ist für Griechenland unausweichlich.
  • 4:05 - 4:09
    Deshalb habe ich dem „Architekten“ dieser Strategie
  • 4:09 - 4:14
    zu erklären versucht, dass die Ideen gescheitert sind.
  • 4:14 - 4:19
    Es wäre zum Vorteil der Griechen, aber auch der
  • 4:19 - 4:22
    Deutschen, diese Strategie zu korrigieren, bevor
  • 4:22 - 4:24
    es zu spät ist.
  • 4:25 - 4:29
    Nach Griechenland benötigen nun auch die Banken in
  • 4:29 - 4:33
    Zypern Finanzhilfen von der Europäischen Union.
  • 4:33 - 4:37
    Sehen Sie einen Unterschied zu Griechenland?
  • 4:38 - 4:40
    Es gibt da sicher viele und erhebliche Unterschiede.
  • 4:40 - 4:44
    Der erste Unterschied ist, dass es zwei nicht
  • 4:44 - 4:47
    vergleichbare Wirtschaften sind. Griechenland ist viel
  • 4:47 - 4:49
    größer als Zypern. Der zweite Unterschied ist, dass
  • 4:49 - 4:52
    sie in Zypern nicht das Problem der Staatsschulden
  • 4:52 - 4:55
    hatten, wie wir es in Griechenland aufgrund der
  • 4:55 - 4:57
    Regierungspolitik der vergangenen Jahre haben.
  • 4:57 - 5:00
    Aber hier und dort haben das Problem die Banken
  • 5:00 - 5:04
    verursacht. Sie haben ein weiteres Land dazu
  • 5:04 - 5:06
    verdammt, am Rande des Bankrotts zu stehen.
  • 5:06 - 5:09
    Hier stellt sich also eine übergeordnete Frage, die
  • 5:09 - 5:11
    Griechenland betrifft, aber auch Zypern, Italien,
  • 5:11 - 5:17
    Spanien, Portugal und ganz Europa. Werden wir dem
  • 5:17 - 5:20
    Bankensystem in Europa gestatten, die Gesellschaft
  • 5:20 - 5:23
    die Politik, die Stabilität, den sozialen Zusammenhalt
  • 5:23 - 5:27
    wie ein großes schwarzes Loch zu zerstören?
  • 5:27 - 5:31
    Oder werden wir Grenzen setzen? Oder werden
  • 5:31 - 5:35
    wir die Schulden von den Bankiers bezahlen lassen,
  • 5:35 - 5:38
    so dass die Völker ihren sozialen Zusammenhalt
  • 5:38 - 5:42
    bewahren können? Das ist die große Frage. Und ich
  • 5:42 - 5:45
    glaube, dass die Zeit für diese Frage gekommen ist.
  • 5:45 - 5:47
    Die Zeit ist reif, Antworten darauf zu geben.
  • 5:47 - 5:51
    In Griechenland haben wir knapp 200 Milliarden Euro
  • 5:51 - 5:54
    Gelder und Garantien in Banken gesteckt. Die Banken
  • 5:54 - 5:57
    haben wir gerettet. Aber leider haben wir nicht die
  • 5:57 - 5:58
    Gesellschaft gerettet. Wir haben nicht das
  • 5:58 - 6:00
    griechische Volk gerettet.
  • 6:01 - 6:05
    Herr Tsipras, Sie haben am Sonntag in Berlin den
  • 6:05 - 6:08
    Vorstand der Europäischen Linkspartei getroffen.
  • 6:08 - 6:11
    Am Morgen haben Sie an dem traditionellen
  • 6:11 - 6:13
    Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
  • 6:13 - 6:16
    teilgenommen. Welchen Eindruck hatten Sie davon?
  • 6:16 - 6:20
    Es ist nicht das erste Mal, dass ich an dieser
  • 6:20 - 6:24
    Veranstaltung teilnehme, es ist das dritte Mal.
  • 6:24 - 6:28
    Denn ich glaube, dass es wichtig ist, sich an die
  • 6:28 - 6:31
    Geschichte zu erinnern, an die politische Geschichte
  • 6:31 - 6:35
    Deutschlands, die mit der europäischen Geschichte
  • 6:35 - 6:41
    einhergeht. Hier haben sich die großen Ideen der
  • 6:41 - 6:46
    sozialen Befreiung mit der Wegbereiterin, dieser
  • 6:46 - 6:52
    großen Persönlichkeit Rosa Luxemburg, entwickelt.
  • 6:52 - 6:57
    Es spielt eine große Rolle, sich zu erinnern.
  • 6:57 - 7:01
    Denn die Diskrepanz, die wir heute erleben, resultiert
  • 7:01 - 7:10
    aus der Ungleichheit zwischen Kapital und Arbeit.
  • 7:10 - 7:12
    Wir müssen realisieren, dass die Ideologien nicht
  • 7:12 - 7:16
    verloren sind. Gescheitert sind die Versuche, die
  • 7:16 - 7:20
    Ideologien in Schubladen zu stecken und aus ihnen
  • 7:20 - 7:25
    „-ismen“ zu machen. Die Ideen von Marx, von Rosa
  • 7:25 - 7:28
    sind nicht verloren. Verloren ist der Versuch, aus
  • 7:28 - 7:31
    ihnen eine Religion zu machen. Wir sollten also in
  • 7:31 - 7:35
    die Vergangenheit schauen, um Schlussfolgerungen
  • 7:35 - 7:39
    für die Gegenwart und die Zukunft zu ziehen.
  • 7:39 - 7:43
    Vielen Dank, Alexis.
Title:
Interview mit Alexis Tsipras
Video Language:
Greek
Duration:
07:47

German subtitles

Revisions